150 Notizen und Correspoyidenzen.
Juden Zeichen und nähere Bestimmungen über die Aussprache von
den Syrern zugelcommen, Verschiedenheiten der zwei grossen unter
sich abweichenden Schulen von Ost und West gleichfalls auf sie
übergegangen sind. Dennoch babeu sie nicht gedankenlos aufge¬
nommen, sondern Grundsätze und Verfahren nach ihren eigenthüm¬
lichen Bedürfnissen selbstständig ausgearbeitet.
Einige nenere Entdeckungen auf dem Gebiete
der syrischen Literatur.
Von Ahr. Geiger.
Seitdem das nitrische Kloster erschlossen wordeu, sind uns
aus dessen Schätzen reiche Mittbeilungen geworden, und den ganzen
Umfang derselben, soweit das britische Museum sic erworben, führt
uns Wrigbt in seinem Kataloge vor, dessen drittem Bande wir
wohl binnen Kurzem entgegensehen dürfen. Man eriuhr dann aucb,
dass Einzelnes aus jener Vorrathskammer noch anders wohin zer¬
sprengt worden, und so fand Rödiger vor Kurzem in einem Ein¬
bände eines syrischen Manuscripts drei Blätter, welche zu der von
Cureton schon vor längerer Zeit veröffentlichten alten Evangclien-
Uebersetzung gehören. Da dieselben nun in der Handschrift,
welche das brit. Mus. besitzt, feblen, daher von Cureton nicht gegeben
werden konnten, hat sie Rödiger in den Monatsberichten der K.
Preuss. Akademie der Wissenschaften, Juli 1872, S. 557 ft', mitge¬
tbeilt, und Wrigbt bat davon einen neuen .\bdruck in blos hun¬
dert Exemplaren veranstaltet: Fragments of the Curetonian Gos¬
pels (5 Seiten gross 4.).
Nicht minder aber eröffnen sich noch andere ergiebige Quellen.
Schon seit einiger Zeit beschäftigt die gelehrte Welt weit über don
Kreis der Semitisten binaus die aufgefundene alte syrische Ueber¬
setzung des im ganzen Orient weitverbreiteten Fabelbuches Kalilah
wa-Dimnah. Wäbrend wir deren Veröffentlichung durch vereinte
gediegene Kräfte entgegensehn, hat Wright in einer Dubliner
Handschrift eine jüngere syrische Uebersetzung, die nach einer ara¬
biscben angefertigt ist, aufgefunden. Er giebt darüber in einer
Abhandlung Bericht, welche das Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland, new series vol. XII, part II. 1873 ent¬
hält und W'elcbe mir in einem Sonderabdrucke vorliegt: .V specimen
of a Syriac translation of the Kalilah wa-Dimnah (London 13 und
Seiten. 8). Diese bisher gänzlich unbekannte Uebersetzung mag
allerdings eine untergeordnete Stelle einnehmen in dem reichen Aus¬
bau, welchen dieses Fabelwcrk gewonnen hat, dennoch verdient sie
tchon aus dem Grunde Beachtung, indem sie ein neues Zeugniss
Notizen uiui Correspondenzen. 151
darbietet, mit welcber Sorgfalt man lange Jahrhunderte hindurch
bemüht war, sich den Inhalt dieses Werkes durch die verschiedensten
Uebersetzungen anzueignen. Dabei enthält diese neu aufgefundene
syrische Uebersetzung manches sprachliche Gut, das zur Ergänzung
unserer Kenntniss auf diesem Gebiete dient. Die Bemerkungen,
welche Hr. Wr. der Uebersetzung des Specimen anfügt, belehren
darüber hinlänglich.
Dieselbe Dubliner Handschrift enthält noch einiges Andere,
das wiederum nach andern Beziehungen hin Interesse erweckt.
Ausser einigen Spruchsammlungen giebt sie auf 14 Blättern „von
einer sehr jungen Hand" .gpa2L0DQ..y JJfcOD , 83 an Anzahl mit einem
arabischen Index , ^j^Jo^^ ujlXJ . So jung die Abschrift
sein mag, so datirt doch sicher diese syrische Bearbeitung äsopi¬
scher Fabeln aus einer weit frübern Zeit, und ist sie das Ori¬
ginal der mit hebräiscben Buchstaben in einer Hand¬
schrift vorhandenen Fabeln, welche zuerst 1846 in dem
Sammelwerke „ Chofes Matmonim " ersebienen , dann aber vou
Landsberger ausführlich bearbeitet wurden in: oieidt N-'bn»,
die Fabeln des Sophos, syrisches Original der griechischen Fabeln
des Syntipas u. s. w. (Posen 1859, vgl. diese Zeitschr. Bd. XIV
S. 586 tf.). Aus der Probe nun, welche Herr Wr. mit den drei ersten Fabeln aus der Dubliner Hdschr. liefert (S. 4 f.), ergiebt es sich mit
Bestimmtheit, dass die in hebräiscben Buchstaben vorhandene Re¬
cension lediglich eine Umschrift der syrischen ist, nur verkürzt,
indem sie blos 67 statt der syrischen 83 enthält, daher schon die dritte
iu der syrischen Sammlung, welche Wr. mittheilt, in der hebr.
Ausgabe feblt, und arg durch Fehler entstellt. Dafür liefern uns
die zwei ersten syrischen Fabeln , welche der ersten und fünften
der hebräiscben Sammlung entsprechen und für weicbe wir einer
sonstigen Controle entbehren, da sie griechisch nicbt vorhanden
sind, belehrende Zeugnisse. Wer beide Texte mit einander ver¬
gleicht, findet, dass im Hebräischen nicht blos die Wortformen ent¬
stellt, sondern auch die Sätze versprengt sind, und daher Manches
unverständlich bleibt. So ist in Fab. 1 die Erzählung mitgetheilt,
dass Leute, die einen Gast eingeladen und ibn dann beim Mahle
geringschätzig behandelt, denselben, sich entschuldigend, zum zwei¬
ten Male einladen, n^rT'y-i n-'b ribnmam "j'^n. Für diese wenig
in den Zusammenhang passenden Worte hat das Syrische richtiger
^0)Xwi.^ . 0)\.. \« J« fcjojo , „als wenn sich ihre Gesinnung geändert
hätte". Und die Nutzanwendung, die dem Gaste in den Mund ge¬
legt wird, die Bösen könnten nun einmal nicht gut werden, schliesst
mit den Worten: ■]i!irna"'3 1» i^nsnnMi bian, was sprachlich wie
inhaltlich unzutreffend ist, da -iDirt< nicht mit ]^2 construirt wird, die „Erinnerung" an ihre Bosheit aber hier den Sinn ungenügend
ausdrückt. Alle Schwierigkeit schwindet bei der syrischen Lesart
^.oil»J , »weil sie von ihrer Bosheit überwältigt werden". — Die
152 Notizen und Corretpondenzen.
fttnfte hebr. Fabel ist bis zur vollständigen Sinnlosigkeit entstellt)
während die entsprechende zweite syrische Alles richtig angiebt.
Sie sagt: Der Meusch uud der Schwan beweisen, dass das ganze
Leben ();2DQ\,, was auch das corrumpirte s<n73a sein mag, wofür
L. Nnm"') der Menschen aus Leiden besteht ; der Mensch nämlich,
sobald er geboren wird (^fcjo; j» Ws^. hebr. nbTiian ninm, L.
'n n^MNTa), weint er, wie ein Solcher, der Uebel zu ertragen be¬
stimmt ist (\v->tYiY\ ♦«b»^ jb>JLOj oö) , ungelenk -ji«
baon TTS Nnis-'a, lies Nniaiai der Schwan aber, weun er
aus dem Leben scheidet (;^,2aoj jäD, hebr. fehlerhaft M^TaiN p
ibTi-m), singt wie einer der nun den Uebeln entrinnt (q.<o^^3J Jo),^^, T'Hi "jnjm!). — Dass der hebräische dibio eine blosse Cor¬
ruption aus Aesop ist, bestätigt die syrische Lesart, die ihrerseits
^qSucdQl» daraus gemacht.
So reihen sich Ergänzungen und Berichtigungen an einander;
so schlinge sich Jahr an Jahr in Förderung geistiger Klarheit!
Dag grammatische Bnch 3lD b'^Vi.
Von Ahr. Gelger.
In einer hebräisch geschriebenen Biographie des Moses
Kimchi, welche die periodische Schrift „Ozar nechmad" Bd. II
(Wieu 1857) enthält (S. 17—24) ging ich (S. 18 ff.) auch auf das
Büchlein aiu bDffl ein, welches Balmes in „Mikneb Abram" dem
Moses Kimchi beilegt; dessen Autorität folgend, führten die Biblio¬
graphen eine grammatische Schrift unter diesem Titel von ihm
an. Nun aber befindet sich eine solche, die sonst nirgends ange¬
führt wird , in Karlsruhe als Reuchlin'scher Codex , und aus Mit¬
theilungen, die Dukes früher über dieselbe gemacht und die ich
mir dann aus Karlsruhe vervollständigen liess, ging bervor, dass
dieselbe zwar einem Moses angehöre, aber nimmermehr dem Moses
Kimchi, da dieser selbst in der Schrift angeführt wird; ja der Vf.
nennt aucb den Menachem ben Simeon aus Posquieres, einen Schü¬
ler des Joseph Kimchi, der in seinen handschriftlich erhaltenen
Commentaren bereits des Moses Kimchi gedenkt, als seinen Oheim.
Der Vf. des in Karlsruhe befindlichen ait: bsia ist demnach nicht
Moses Kimchi, sondern ein später lebender Moses.
Ist aber dieses Büchlein identisch mit dem gleichnamigen, von
Balmes als dem Moses Kimchi angehörig angeführten ? Dieses muss sich daraus ergeben, ob die von Balmes mitgetheilte Stelle auch in jeuer
Hdschr. sich vorfindet. Unglücklicher Weise ist dieselbe gerade
an dem Orte, wo man das Citat zu suchen hat, defect. Balmes
nämlich führt im Namen Moses Kimchi's in ara bsttJ an, das No¬
men gentilicium werde erst bei dem vierten Geschlechte gebraucht,
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