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Archiv "Sewering: Schlußstrich" (28.05.1993)

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POLITIK 96. DEUTSCHER ARZTETAG

Sewering

Schlußstrich

Im Rahmen des „Tätigkeitsbe- richtes der Bundesärztekammer" be- wegten die Vorgänge um Sewering — dessen Begründung des Amtsver- zichts sowie die Haltung des Vor- standes der Bundesärztekammer — auch den 96. Deutschen Ärztetag.

Kritisch äußerten sich vornehm- lich Delegierte, die dem Kreis oppo- sitioneller Gruppen zuzurechnen sind, wobei freilich auch der Berliner Kammerpräsident, Dr. Ellis Huber, einzubeziehen wäre, der ja, nachdem er in Berlin eine Mehrheit hat, nicht mehr so recht als Oppositioneller be- zeichnet werden kann.

Kritik am Verfahren, Verteidigung der

Person

Der Tenor der Kritik: Sewering hätte nicht mehr derart in den Vor- dergrund treten dürfen. Der Vor- stand der Bundesärztekammer habe im Vorfeld der Wahl und bei der Be- handlung des Themas, nachdem es zu der öffentlichen Auseinanderset- zung gekommen war, nicht genügend Fingerspitzengefühl bewiesen. Man warf Sewering auch vor, den jüdi- schen Weltkongreß für die Aktion, die zu seinem Amtsverzicht führte, verantwortlich gemacht zu haben.

Und der Bundesärztekammer wurde vorgeworfen, die internationale Akti- on als Kampage bezeichnet zu haben.

Sewerings Verteidiger, darunter dessen bayerischer Landsmann, Dr.

Otto Schloßer — jener hatte Sewe- ring schon in ähnlicher Sache 1978 beim Deutschen Ärztetag in Mann- heim verteidigt — , erinnerten an die überragenden Verdienste Sewerings.

Sie forderten die Delegierten auf, endlich einen Schlußstrich zu ziehen und Sewering in Frieden zu lassen.

Schloßer wies auch auf das Spruch- kammerverfahren in Sachen Sewe- ring im Jahre 1946 hin.

Zeugenaussagen hatten bei die- sem Verfahren Sewering ein gutes Leumundszeugnis ausgestellt. So hatte ein Zeuge, der mit einer „Voll- jüdin" verheiratet war, bestätigt:

„Mit Hilfe des Herrn Dr. Sewering gelang es mir, bei der Gestapo die Zurückstellung meiner Frau von der Deportation (nach Theresienstadt, die Red.) ... zu erreichen." Der da- malige Leiter der Anstalt Schön- brunn, Prälat Steininger, bescheinig- te Sewering: „Es ist mir bekannt, daß Herr Dr. Sewering Parteigenosse war; aus den sehr häufigen Unterre- dungen politischen Inhaltes, die ich mit ihm hatte, und aus seinem Ver- halten aber weiß ich, daß Herr Dr.

Sewering mit der nationalsozialisti- schen Doktrin und mit den national- sozialistischen Maßnahmen keines- wegs einverstanden war."

Abgesehen von wenigen Entglei- sungen war die Diskussion auch sei- tens Sewerings Kritiker von Ver- ständnis getragen. Stellvertretend für mehrere sei etwa Dr. Ellis Huber zi- tiert: Er, Huber, sei überzeugt, daß Sewering sich nicht bewußt schuldig gemacht habe; und er, Huber, könne heute nicht sagen, wie er damals viel- leicht gehandelt hätte. Gemeinsam müsse man die Vergangenheit ertra- gen. Die Jüngeren müßten Verständ- nis für die Väter-Generation aufbrin- gen, ebenso müßten die Väter „für uns, die wir unter der Vergangenheit leiden, Verständnis aufbringen."

Die adäquate Autorenposition

Bei Mehrfachautorenschaften ist es wichtig, sich über die Reihenfolge der Autorenschaft zu einigen. Hierzu schlägt Winston (1985) eine Checkli- ste vor, die in Tabelle 2 wiedergege- ben wird.

Die Punkte innerhalb einer Tä- tigkeitskategorie können auch geteilt werden. Außerdem mögen Tätigkei- ten entfallen, beispielsweise die Ent- wicklung eines Fragebogens. Schließ- lich addiert man die Punkte für jeden beteiligten Autor auf. Wer die höch- ste Gesamtpunktzahl erhält, wird Erstautor, der Urheber mit der zweit- höchsten Zahl Zweitautor usw. Die Entscheidungen werden selbst bei vielen Autoren normalerweise ein- deutig ausgehen.

Vielleicht führen umfangreiche, vor allem interdisziplinäre Erfahrun- gen mit Leitlinien für die Autoren- schaft zu Veränderungen der in den Tabellen 1 und 2 unterbreiteten Vor- schläge. Diese können aber jetzt schon zu wesentlich mehr Fairneß in der Handhabung von Autorenschaf- ten als gegenwärtig verbreitet führen.

Schließlich dienen adäquate Auto- renzuordnungen zu Publikationen der Transparenz der Leistung von einzelnen und Gruppen in einer Lei- stungsgesellschaft. Nur so können die Öffentlichkeit und die Wissen- schaftspolitiker in der Medizin ein unverzerrtes Bild von wichtigen Aspekten der medizinischen Lei- stungsfähigkeit erlangen und gegebe- nenfalls zur Steigerung der Effizienz adäquat intervenieren.

Deutsches Ärzteblatt

90 (1993) A 1 -1568-1572 [Heft 21]

Literatur bei den Verfassern

Anschrift der Verfasser:

Dr. S. Lehrl/Dr. E. Gräßel Abteilung für

Medizinische Psychologie und Psychopathometrie der Universität

Erlangen—Nürnberg Schwabachanlage 10 W-8520 Erlangen

Im Januar hatte Prof. Dr. Hans Joachim Sewering darauf verzichtet, das Amt des Präsidenten des Weltärztebundes, für das er an sich gewählt worden war, anzutreten. Der Grund für diesen Verzicht war eine internationale, wesentlich auch von der American Medical As- sociation getragene Kampagne gegen Sewering. Die Vorwürfe be- trafen Sewerings Biografie in den Jahren nach 1933. Auf weitere Einzelheiten sei hier nicht eingegangen; sie wurden in Heft 5/1993 ausführlich geschildert („Sewering — Ende einer Karriere"). Die Vorgänge hatten jetzt in Dresden ein Nachspiel.

A1 -1572 (32) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 21, 28. Mai 1993

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Ausländische Gäste

Dr. Jan Adamus, Polnische Ärz- tekammer

Dr. Toomas Asser, Ärzteorgani- sation Estlands

Prof. Dr. György Berentey, Präsi- dent des Verbandes der ungarischen Medizinischen Gesellschaften

Prof. Tadeusz L. Chrusciel, Prä- sident der Polnischen Ärztekammer

Dr. Lech Czarnecki, Polnische Ärztekammer

Tatjana Drakse, Lettische Ärzte- gewerkschaft

Aida Drunka, Lettische Ärztege- werkschaft

Dr. Stephen Brearley, Europäi- scher Ausschuß der britischen Ärzte- organisation (BMA)

Prof. Dr. Gäbor Brooser, Präsi- dent der Ungarischen Ärztekammer

OMR Dr. Herbert Christ, Vize- präsident der Österreichischen Ärzte- kammer

Dr. Grigor Grigorov, Vizepräsi- dent der bulgarischen Ärzteorganisa- tion

Dr. Olgierd Kossowski, Medizi- nisch-Wissenschaftliche Gesellschaft Polens

Prof. Dr. M.E.M. Macedo, Präsi- dent des Ständigen Ausschusses der Ärzte der EG

Dr. Antoon Malfliet, Verwal- tungsrat der belgischen Ärztever- bände

Dr. Dieter Meier, Präsident des Liechtensteinischen Ärztevereins

Dr. Carolyn Motzel, Generalse-

kretärin des Internationalen Ärztin- nenverbandes (MWIA)

Dr. Jacques Moulin, Delegierter für europäische und internationale Angelegenheiten der französischen Ärzteorganisation

Dr. Lars Häkan Nilsson, Schwe- dische Ärzteorganisation

Dr. Bernt Einar Ostensen, Vize- präsident der norwegischen Ärzteor- ganisation

Prof. MUDr. Jozef Pechan, Prä- sident der Slowakischen Ärztekam- mer

Dr. Alan Rowe, Berater der Weltgesundheitsorganisation

Dr. Hans Rudolf Sahli, Präsident der Verbindung der Schweizer Ärzte

Dr. Pekka Saukko, Vorstand der finnischen Ärzteorganisation

Dr. Bela Szalma, Hauptge- schäftsführer des Verbandes der un- garischen Medizinischen Gesellschaf- ten

Dr. Terje Vigen, Norwegische Ärzteorganisation

Dr. Ruta Viksna, Präsident der lettischen Ärztegewerkschaft

Prof. Dr. Jerzy Woy-Wojcie- chowski, Präsident der Medizinisch- Wissenschaftlichen Gesellschaft Po- lens

Dr. Andre Wynen, Generalse- kretär des Weltärztebundes

Dr. Anthony Zammit, Ärzteor- ganisation Maltas

Marjo Zwart-van der Weerd, Niederländische Ärzteorganisation

Besonders zahlreich dieses Jahr: Gäste aus Osteuropa.

POLITIK 96. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Und abschließend: „Ich hätte mir ge- wünscht, daß wir Sewering vor dieser Auseinandersetzung bewahrt hät- ten."

Mehrfache Versuche oppositio- neller Delegierter, den Vorstand der Bundesärztekammer in die Vorgänge einzubeziehen, liefen ins Leere. Bun- desärztekammer-Präsident Dr. Kar- sten Vilmar erinnerte in einer Art Schlußwort in der Dresdener Debatte an seine Ausführungen zum Natio- nalsozialismus auf den Deutschen Ärztetagen 1987 und 1989. Vilmar fuhr fort: „Wir haben keinen Grund, dieses schreckliche Kapitel aus unse- rem Gedächtnis zu verdrängen. Wir dürfen nicht vergessen, was an Ent- setzlichem geschehen ist. Das sind wir einfach den vielen Opfern schuldig.

Schreckliche Folgen von zwei Diktaturen

Wir müssen aber auch Verständ- nis haben für alle, die seinerzeit ge- lebt haben, die das Unrecht nicht so erkannt haben, wie wir es heute er- kennen, und die sich dann in der Fol- gezeit um Sühne bemüht haben. Ich meine, beides gehört zusammen. Wir werden weiter dieses Vermächtnis mit uns tragen, so schwer das ist, ...

ebenso wie wir gemeinsam das tragen müssen, was an Unrecht in der sozia- listischen Diktatur geschehen ist. Wir leben als Deutsche in allen deut- schen Bundesländern mit den schrecklichen Folgen dieser beiden Diktaturen, und damit müssen wir umgehen, so schwer das ist."

Ein Antrag, der im wesentlichen aus Gruppierungen oppositioneller Delegierter kam und in dem der Vor- stand der Bundesärztekammer auf- gefordert wurde, Sewerings Ehren- mitgliedschaft im Vorstand aufzuhe- ben, scheiterte. Er fand nur wenige Pro-Stimmen. Stattdessen wurde der Antrag des hessischen Kammerpräsi- denten Dr. Alfred Möhrle angenom- men, in dem Sewerings Konsequenz, für das Amt des Präsidenten des Weltärztebundes nicht mehr zur Verfügung zu stehen, anerkannt wird. Abschließend heißt es darin:

„Der 96. Deutsche Ärztetag sieht diese Angelegenheit damit als erle- digt an." Norbert Jachertz

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 21, 28. Mai 1993 (33) A1-1573

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