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Archiv "Arzneimittel: Rezepte gegen Lieferengpässe" (15.02.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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15. Februar 2013 A 251 ARZNEIMITTEL

Rezepte gegen Lieferengpässe

Seit letztem Sommer häufen sich Probleme bei der Lieferung von Arzneimitteln.

Die Ursachen dafür sind vielfältig, die Lösungsvorschläge auch. Das Ministerium für Gesundheit will sich nun, zusammen mit den Akteuren, der Sache annehmen.

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oriconazol wird im Kranken- haus zur Behandlung schwe- rer Mykosen eingesetzt. Im vergan- genen Sommer jedoch konnte der Hersteller über mehrere Wochen nicht liefern. „Zum Glück hatten wir bei uns einen ausreichenden Vorrat angelegt. Deshalb hatte der Ausfall keine Auswirkung auf die Behandlung unserer Patienten“, be- richtet Dr. Torsten Hoppe-Tichy, Leiter der Krankenhausapotheke des Universitätsklinikums Heidel- berg. „Wäre der Vorrat kleiner ge- wesen, hätten wir auf andere Anti- mykotika umstellen müssen.“

In den USA sind Lieferengpässe bei Arzneimitteln schon seit länge- rem bekannt. In Deutschland ist das Problem im vergangenen Sommer angekommen. „Es ist zum Tages - geschäft geworden“, betont Hoppe- Tichy, der zugleich Präsident des Bundesverbands Deutscher Kran- kenhausapotheker (ADKA) ist. Wenn ein Arzneimittel nicht lieferbar ist, muss die Krankenhausapotheke rea- gieren. Eine Option ist, dasselbe Prä- parat von einem anderen Hersteller zu bekommen. Doch das ist nicht immer möglich. „Das Antibiotikum

Fosfomycin i.v. wird weltweit nur noch von einem Hersteller produ- ziert – in Japan“, erklärt Hoppe- Tichy. Aufgrund der weltweiten Nach frage, kontingentiere der Her- steller zudem seine Lieferungen. Ei- ne weitere Option, neben dem Im- port aus dem Ausland, sei es, den Rohstoff zu besorgen, um das Arz- neimittel in der Krankenhausapothe- ke selbst herzustellen. Leider seien aber auch die Rohstoffe nur noch schwer zu bekommen, da es auch hier zu einer Mono- oder zumindest zu einer Oligopolisierung gekommen sei.

Lagervorräte vergrößern Zurzeit müssten die Krankenhaus- apotheken das Problem auffangen, sagt der ADKA-Präsident: „Um auf mögliche Engpässe zu reagieren, legen wir heute schon größere Vor- räte an, als wir eigentlich müssten – auf unsere Kosten.“ Um Geld zu sparen, hätten die Hersteller zuvor ihre Lagervorräte verkleinert. „Sinn- voll wäre es, die Hersteller dazu zu verpflichten, ihre Bestände wieder zu vergrößern“, schlägt Hoppe- Tichy vor, „damit nicht die Sper- rung einer einzigen Charge, zum

Beispiel infolge eines Qualitätspro- blems, zu einem kompletten Liefer- ausfall führt.“

Für die Lieferengpässe gibt es noch weitere Ursachen. Die Deut- sche Gesellschaft für Hämatolo- gie und Medizinische Onkologie (DGHO) hat sie in fünf Problem - bereiche gegliedert: Zunächst die Herstellung. „Manche wichtigen Medikamente, die schon lange auf dem Markt sind, werden weltweit nur noch in einer oder einigen weni- gen Produktionsstätten hergestellt – denn die Produktion ist kompliziert und der Gewinn vergleichsweise gering“, erläutert Prof. Dr. med.

Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO. Zweitens die Verteilung. „Die weltweite Vertei- lung der Arzneimittel richtet sich auch nach dem Preis“, sagt Wör- mann. „Je besser die Wirtschaft ei- nes Landes dasteht, desto weniger Lieferengpässe sind zu erwarten.“

Umgekehrt bedeute das jedoch, dass arme Länder sich manche Arz- neimittel schon heute nicht mehr leisten könnten.

Die dritte Ursache sei die Preis- gestaltung. „In Deutschland gibt es

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en teuren Arzneimitteln und alten billigen“, stellt Wörmann fest. Dar - an hätten auch die Rabattverträge ihren Anteil. Wenn Lieferengpässe die Folge seien, müsse man die Rabattverträge, wie sie heute exis- tierten, überdenken und über eine Mindestgrenze für den Preis von Generika, in Verbindung beispiels- weise mit einer vertraglich zugesi- cherten Liefergarantie, nachdenken.

Viertens: Die Versorgung im Land. Wann ein Versorgungsman- gel eintrete, sei nicht definiert, sagt Wörmann. Denn nicht jedes Arz- neimittel, das fehle, habe Auswir- kungen auf eine Therapie. „Es gibt jedoch essenzielle Arzneimittel, die nicht durch andere ersetzt wer- den können“, betont Wörmann.

„Die DGHO hat zusammen mit den pädiatrischen Onkologen und Hä- matologen eine Liste mit 25 solcher Arzneimittel verfasst.“ Fehlten die- se, könne man von einem Versor- gungsmangel sprechen. Und fünf- tens sei der Umgang mit der Zulas- sung von Arzneimittel zu bedenken, denn es komme vor, dass Hersteller die Zulassung wichtiger Medika- mente zurückgäben – entweder weil sich die Produktion nicht mehr ren-

tiere oder um mit einer anderen In- dikation mehr Geld mit demselben Medikament zu verdienen, sagt Wörmann. „Wir können die Firmen nicht zwingen, die Zulassung nicht zurückzugeben“, meint er. „Aber wir sollten überlegen, wie es mög- lich sein kann, dadurch keinen Eng- pass zu erzeugen.“

Relevante Größenordnung Welches Ausmaß die Liefereng - pässe umfassen, hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) im vergangenen November untersucht.

Eine Abfrage in etwa 100 Kliniken hat ergeben, dass Engpässe meist plötzlich und ohne Vorabinforma - tion der Arzneimittelhersteller auf- treten. In den befragten Kliniken hätten in einem Monat durch- schnittlich 25 Arzneimittel nicht oder nicht ausreichend zur Verfü- gung gestanden. Da die meisten Kliniken etwa 400 bis 600 verschie- dene Arzneimittel einsetzten, sei dies bereits eine relevante Größen- ordnung, heißt es in ihrem Ende 2012 verfassten Positionspapier.

Nach Hinweisen aus der Ärzte- und Apothekerschaft hat sich nun die Politik des Themas angenom- men. In bislang zwei Spitzenge-

sprächen im Bundesgesundheits - ministerium wurden Lösungsansät- ze mit Vertretern von Ärzteschaft, Apothekern, Großhandel und phar- mazeutischer Industrie diskutiert (siehe „3 Fragen an . . .“). Im Vor- feld des letzten Gesprächs hatten sich die Vorstände der Kassenärzt - lichen Vereinigungen (KVen) sowie die Kassenärztliche Bundesverei - nigung für eine Bevorratung von notwendigen Medikamenten ausge- sprochen. Eine solche Vorratshal- tung durch Hersteller und Großhan- del in Deutschland sei wichtig, da viele Pharmaunternehmen ihre Pro- duktion ins Ausland verlagert hät- ten, hatte der Vorstandsvorsitzende der KV Baden-Württemberg, Dr.

med. Norbert Metke, erklärt, von dem der Vorschlag gekommen war.

Dass Lieferengpässe in der Tat vorkämen, räumt auch die Pharma- industrie ein. Der Idee einer natio- nalen Bevorratung mit lebenswich- tigen Arzneimitteln steht sie jedoch kritisch gegenüber. Denn diese ent- halte Lösungsansätze, werfe aber auch eine ganze Reihe offener Fra- gen auf, meint der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie.

Grundsätzlich könne eine nationale Reserve wichtiger Arzneimittel zwar Lieferprobleme ausgleichen, offen sei jedoch, wie ein Vorrat an- gelegt werden solle, wenn die Wirkstoffe auf dem Weltmarkt nicht verfügbar seien, und wie groß die Reserve sein müsse.

Auch der Verband Forschender Arzneimittelhersteller wehrt sich gegen eine gesetzliche Pflicht zur Vorratshaltung. Zudem seien die Vorschläge der Europäischen Zu- lassungsbehörde EMA ausreichend und zielführend. Diese veröffentli- che Hinweise auf Lieferengpässe und konkrete Empfehlungen für die Ärzte, welche Patienten bevorzugt mit den knappen Arzneimitteln be- handelt werden sollten.

Im Gesundheitsministerium sol- len bald weitere Gespräche stattfin- det. Die Notwendigkeit, Lösungen zu finden, beschreibt Hoppe-Tichy wie folgt: „Noch ist kein Patient in- folge von Lieferengpässen gestor- ben. Aber wir sollten nicht abwar- ten, bis es so weit ist.“

Falk Osterloh, Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Sie waren bei den Gesprä-

chen im Gesundheitsministe- rium dabei. Welche Lösungen wurden diskutiert, um Liefer- engpässe von Arzneimitteln künftig zu verhindern?

Ludwig: Im Gespräch ist eine Liste mit essenziellen Arznei- mitteln, die medizinisch absolut notwendig sind und immer aus- reichend vorhanden sein müs- sen. Eine solche Liste wurde für den Bereich der Onkologika be- reits von der DGHO erstellt. Wir halten eine solche Liste für un- bedingt erforderlich.

Die AkdÄ hatte auch ein Re- gister vorgeschlagen . . .

Ludwig: Wir haben im Mi - nisterium auch über die Ein- richtung eines Registers ge- sprochen, in dem Arzneimittel gelistet sind, bei denen ein Lieferengpass droht. Ein ähnli- ches Register hat die amerika- nische Arzneimittelbehörde FDA bereits in den USA einge- richtet. Pharmafirmen könnten die Bundesoberbehörden künf- tig darüber informieren, wenn sie ein in das Register aufge- nommenes Arzneimittel für einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen nicht liefern kön- nen – allerdings soll dies zu- nächst auf freiwilliger Basis geschehen.

Gab es weitere Ideen?

Ludwig: Ja, das Ministerium will zwei Gesetzesänderungen prüfen. Zum einen, ob die zu- ständigen Landesbehörden die Hersteller dazu verpflichten können, bestimmte Arzneimittel entsprechend ihres Bedarfs kontinuierlich zur Verfügung zu stellen. Eine entsprechende Passage war für die letzte No- velle des Arzneimittelgesetzes vorgesehen, dann aber kurzfris- tig gestrichen worden. Zum an- deren soll geprüft werden, ob bei einem Versorgungsmangel Arzneimittel, die nur im Ausland zugelassen sind, nach Deutsch- land importiert werden können.

3 FRAGEN AN . . .

Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

Foto: AkdÄ

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