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Archiv "Arzneimittel-Zulassung: Der Staat will steuern" (08.08.1974)

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71. Jahrgang / Heft 32 8. August 1974 Postverlagsort Köln

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Die Information:

Bericht und Meinung DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Arzneimittel-Zulassung:

Der Staat will steuern

Eine erste Übersicht über den Regierungsentwurf für ein neues Arzneimittelgesetz

Verschiedene Einflüsse haben dazu beigetragen, daß das Arznei- mittelgesetz von 1961 am fünfzehnten Jahrestag seines Erlasses wohl nicht mehr gültig sein wird — eine Lebensdauer, die für grund- legende Gesetze dieses Umfangs eigentlich recht kurz ist. Der Thalidomid-Prozeß allerdings war nur einer der Faktoren, die das Gesetz überholt erscheinen lassen. Bundesregierung und pharma- zeutische Industrie stehen gleichermaßen vor der Tatsache, daß die Rechtsschöpfung der Europäischen Gemeinschaft (EG) auf dem Gebiet der Arzneimittel Wege geht, denen wir mit dem Gesetz von 1961 nicht mehr folgen können.

Und mit diesem Argument suchte deshalb Frau Dr. Katharina Focke, Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, bei der Veröffentlichung des Mitte Juli vom Kabinett verabschiedeten Entwurfs eines neuen Arzneimittelgesetzes der Industrie die beab- sichtigten Neuerungen schmackhaft zu machen: Wenn wir schnell unser Recht auf die Normen der Europäischen Gemeinschaft um- stellen, gewinnen wir — trotz mancher Belastungen, die das Gesetz bringen wird — sogar einen Wettbewerbsvorsprung für die Pharma- industrie der Bundesrepublik.

Die Argumentation vieler Fachleute — auch aus der Ärzteschaft — läßt sich in etwa so zusammenfassen: Bei allem Verständnis für die Forderungen nach möglichst umfassendem Schutz der Patien- ten vor Arzneimittelgefahren sollten jedoch Wege gesucht werden, auf denen dem medizinischen Fortschritt so wenig Hindernisse wie möglich entgegenstehen. Chance, Risiko und Verantwortung als Motoren des Fortschritts müssen beim Hersteller verbleiben; der Staat kann dies dem Hersteller nicht abnehmen. Ein staatliches Zulassungsverfahren für Arzneimittel stieß deshalb auf erhebliche Skepsis, wobei allerdings hinzuzufügen ist, daß sich die Intensität der Einwände änderte, je nachdem, was denn unter „Zulassung"

verstanden wurde.

Im neuen Arzneimittelgesetzentwurf wird nun eine staatliche Zulas- sung eingeführt. Eine ganze Anzahl von Paragraphen regelt das Zu- lassungsverfahren, das übrigens von der bereits geltenden Ersten pharmazeutischen EG-Richtlinie auch verlangt wird.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 32 vom 8. August 1974 2353

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Die Information:

Bericht und Meinung

Änderung des Arzneimittelrechts

.,.. Der Gesetzentwurf statuiert je- doch, daß die der Zulassung durch das Bundesgesundheitsamt vorauf- gehende Prüfung eine "Unterlagen- prüfung" ist: Nicht die Behörde - also der Staat - prüft das Arznei- mittel, sondern der die Zulassung beantragende Hersteller. Die Be- hörde hat festzustellen, ob die ein- gereichten Prüfungsunterlagen den Vorschriften des Gesetzes entspre- chen und die geforderten Eigen- schaften des neuen Arzneimittels befriedigend belegen - und dann besteht ein Anspruch auf Zulas- sung. Wörtlich heißt es hierzu in der Begründung: .. Eine selbständi- ge Prüfung der Zulassungsunter- lagen unter Nachvollziehung der Prüfung des pharmazeutischen Un- ternehmers würde nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand durchführbar sein und würde im Ergebnis zu einer vollen Verant- wortung durch den Staat führen."

.,.. Fazit: Die vorgesehene neue Zulassung unterscheidet sich wohl hinsichtlich ihrer Intensität sowie der Qualität der geforderten Unter- lagen, nicht aber im Prinzip vom bisherigen Registrierverfahren. Ei- ne direkte Steuerung des Arznei- mittelangebotes durch willkürliche Zulassung oder Nichtzulassung, beispielsweise nach Notwendig- keits- oder Bedürfnisvorstellungen der Behörden ist nach dem Entwurf nicht möglich.

Es ist anzuerkennen, daß Bundes- gesundheitsminister und Bundes- kabinett damit denjenigen, die eine dirigistische Steuerung des Arznei- mittelangebots fordern, eine klare Absage erteilt haben. Und man kann nur hoffen, daß das Parla- ment diesem Kurs folgt. Auf ein all- mähliches Geringerwerden der Zahl der angebotenen Arzneimittel hofft Frau Focke trotzdem: Zum ei- nen ist jede Zulassung auf fünf Jahre beschränkt und muß dann erneut beantragt werden - das mag in manchen Fällen zum Ver- zicht auf die weitere Ausbietung ei- nes Präparates führen. Zudem sind die Gebühren, die das Bundesge- sundheitsamt für seine Amtshand- lungen erhebt, recht gesalzen; da-

bei hat diese Behörde im Gesetz einen gewissen Ermessungsspiel- raum für die Gebührenhöhe, der natürlich auch als Steuerungs- instrument eingesetzt werden kann.

Andererseits will man jetzt einen Vorwurf aus dem Wege räumen, der dem bisherigen Registrie- rungsverfahren häufig gemacht worden ist: Das Warten auf den Verwaltungsakt soll ein Ende ha-

ben. Dem Bundesgesundheitsamt ist eine Frist von vier Monaten für die Zulassung gesetzt. Es gibt Ver- längerungsmöglichkeiten, aber die- se sind von der Behörde zu be- gründen und zu verantworten.

Folgerichtig wird in der Begrün- dung zu dem Gesetzentwurf eine personelle und bauliche Auswei- tung des Bundesgesundheitsamtes angekündigt. Das Problem liegt nun darin, qualifizierte Kräfte für die neuen Stellen zu finden.

Die Reduzierung des Arzneimittel- angebotes ist sicher auch eines der Motive, das zu der nunmehr gewählten Regelung für die Be- handlung der gegenwärtig auf dem Markt befindlichen Arzneimittel ge- führt hat - und laut Aussage von Frau Minister Focke vor der Presse liegt eben hier der gegenwärtige

"Hauptdissens mit der Industrie": Die Hersteller sollen binnen sechs Monaten nach lnkrafttreten des Gesetzes alle diejenigen Arzneimit- tel anmelden, die sie nach bisheri- gem Recht vertreiben. Auf Grund dieser Meldungen soll sich nun das Bundesgesundheitsamt jene Arz- neimittel oder Arzneimittelgruppen heraussuchen, für die es jeweils das Zulassungsverfahren nachträg- lich in Gang zu setzen wünscht.

Dabei sind Fristen vorgesehen, die die Beschaffung der Zulassungsun- terlagen ermöglichen sollen Mindestfrist ist jeweils ein Jahr.

Mindestens zwölf Jahre soll die Frist für phyletherapeutische Arz- neimittel betragen; man will sie "in der Endphase" des Nachzulas- sungsverfahrens aufrufen. Viel- leicht, so hofft das Ministerium, gelingt es bis dahin, geeignete Ver-

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fahren für den Wirksamkeitsnach- weis bei diesen Präparaten zu fin- den.

Sonderregelung

für homöopathische Präparate Für homöopathische Heilmittel gibt es insgesamt eine Sonderregelung:

Sie brauchen nicht zugelassen zu werden, sondern werden lediglich nach bisherigem Gebrauch regi- striert; Wirksamkeit und Unbedenk- lichkeit brauchen nicht nachgewie- sen zu werden; in den Packungs- beilagen und in der Werbung darf die für die Allopathika vorgeschrie- bene Angabe über die Anwen- dungsgebiete nicht gemacht wer- den. Ein besonderer Abschnitt im neuen Arzneibuch soll die "aner- kannten Regeln der Homöopathie"

kodifizieren. Eine Neuregistrierung von vorhandenen Homöopathika ist erst in zwölf Jahren vorgesehen.

Den Phyletherapeutika und den Homöopathika wird also nicht der Garaus gemacht. Dieser oder jener mag die Sonderbehandlung jener beiden Gruppen als Diskriminie- rung eines besonderen Arznei- schatzes und besonderer Heilan- schauungen ansehen; immerhin können diese deuts~hen Sonder- heiten so gegenüber den europäi- schen Partnern verteidigt werden, die beides nicht oder nur sehr we- nig kennen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Gesetzentwurfs kann hier nur auf eine noch folgende Publikation im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT ver- wiesen werden; im Anfangsstadium der parlamentarischen Behandlung ist aber ein grundsätzlicher Hin- weis wichtig:

Die Ärzteschaft muß damit rech- nen, daß sie in die Auseinanderset- zung um den sogenannten Ent- schädigungsfonds hineingezogen wird. Dieser Fonds ist eine Neue- rung, die erst im letzten Stadium der Vorbereitungen in den Entwurf eingebaut worden ist. Er soll, von der pharmazeutischen Industrie ge- füllt, als Körperschaft des öffentli- chen Rechts verwaltet und zur Dek- kung von Arzneimittelschäden -

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als Entschädigung, nicht als Scha- denersatz - herangezogen wer- den.

Die Industrie hat sich im Prinzip of- fenbar mit der Einführung dieses Fonds abgefunden; die Alternative, vor der sie stand, war eine rigoro- se allgemeine Gefährdungshaftung.

Im einzelnen wird jedoch noch Kri- tik an dieser durch den Fonds ge- milderten Haltung geübt, und auch außerhalb der Industrie stellt man verschiedentlich die Frage, ob denn nur die Pharma-Hersteller für Arzneimittelschäden verantwortlich und haftbar seien, warum nicht auch Apotheker als Arzneimittelab- geber und Ärzte als Arzneimittel- verschreiber in den Fonds zahlen sollten. Hierzu ist aber darauf hinzuweisen, daß es sich um eine lediglich subsidiäre Haftung für sonst nicht gedeckte Schädigun- gen handelt

~ Es wird sorgfältig darauf zu ach- ten sein, daß auch bei der weite- ren parlamentarischen Behandlung dieser subsidiäre Charakter des Fonds erhalten bleibt. Denn für nachgewiesenermaßen verschulde- te Schäden haftet ohnehin der Schuldige: ein Hersteller, der Feh- ler gemacht oder Ungesetzliches getan hat; ein Apotheker, der bei- spielsweise Lagerungshinweise mißachtet hat; ein Arzt, der kunst- fehlerhaft verschreibt. Für Schäden bei der klinischen Prüfung ist ein besonderes Deckungssystem vor- geschrieben.

Wenn dies aber alles so ist - und so bleibt! - , dann besteht für eine Beteiligung von Apothekern und Ärzten am Entschädigungsfonds keine Notwendigkeit und auch kei- ne rechtliche Veranlassung, weil deren Haftpflicht umfassend und vollständig für den Bereich ihrer Berufsausübung geregelt ist. Die Industrie fordert zusätzlich auch, daß der Staat sich an dem Fonds beteilige - aber solange der Staat keine materielle Arzneimittelprü- fung betreibt, sollte man diese For- derung doch noch einmal sorgfäl- tig überdenken.

Verschärfte Rezeptpflichten

Es bleibt zu erwähnen, daß einige ärztliche Forderungen an das neue Arzneimittelgesetz erfüllt worden sind. So die Erweiterung der Mög- lichkeiten für die Unterstellung von Arzneimitteln unter die Rezept- pflicht auf solche Präparate, die ohne ärztliche Überwachung erfah- rungsgemäß häufig mißbräuchlich angewendet werden. Die automati- sche Rezeptpflicht für neue Präpa- rate ist auf fünf Jahre ausgedehnt; die Hersteller müssen nach zwei Jahren Erfahrungsberichte und Umsatzangaben abliefern.

Übrigens sollen auch die "Gene-

ries" insgesamt dem Gesetz unter-

stellt werden; folgerichtig spricht der Gesetzentwurf nicht mehr von Arzneispezialitäten, sondern von Fertigarzneimitteln. Eine weHere Umgehungsmöglichkeit, die bisher bestand, ist damit versperrt.

Weitgehend den Vorstellungen der Ärzteschaft entsprechen die Vor- schriften über die Packungsbei- lagen und über den Inhalt der Arz- neimittelwerbung.

Einer sorgfältigen Diskussion be- dürfen noch die Bestimmungen über die klinische Prüfung, die üb- rigens jeweils erst möglich ist, wenn die pharmakologisch-toxiko- logischen Unterlagen über das zu prüfende Präparat beim Bundesge- sundheitsamt hinterlegt sind. ln der Begründung zu dem Gesetzentwurf ist ausdrücklich darauf hingewie- sen, daß die Anforderungen an die klinische Prüfung weitgehend auf der Deklaration des Weltärztebun- des von Helsinki beruhen.

Bemerkenswert ist, daß die klini- sche Prüfung an solchen Personen, die sich auf gerichtliche oder be- hördliche Anordnung in Verwah- rung befinden, ausdrücklich verbo- ten ist. Es wird jedoch sicherzustel- len sein, daß bei uns nicht unver- tretbare Behinderungen bei der kli- nischen Prüfung von Psychophar- maka auftauchen können.

Die Information:

Bericht und Meinung

Schwierigkeiten wird es möglicher- weise auch für klinische Prüfungen in der Pädiatrie geben; die Prüfer haben eine umfangreiche Arbeit zu leisten, um in jedem Fall die gefor- derte Einwilligung des gesetzlichen Vertreters sicherzustellen. Als klini- sche Prüfung im Sinne des Geset- zes wird auch die Prüfung in der Praxis des niedergelassenen Arz- tes ermöglicht. Das Problem, wie bei der geforderten Einwilligungs- pflicht des Patienten noch Doppel- blindversuche gemacht , werden können, taucht verstärkt auf - neu ist es nicht.

Arzneimittelkommissionen der Heilberufe

Erwähnenswert schließlich: Unter den zahlreichen Stellen, die mit der Sammlung und Auswertung von Ri- siken, Neben- und Wechselwirkun- gen, Kontraindikationen und Ver- fälschungen von Arzneimitteln be- auftragt und zur Zusammenarbeit aufgefordert sind, befinden sich auch die "Arzneimittelkommissio- nen der Kammern der Heilberufe".

Die Begründung sagt dazu, daß

"die Kammern der Heilberufe, so-

weit dies bisher noch nicht ge- schehen ist, nach dem Vorbild der Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft Arzneimittelkom- missionen ins Leben rufen, die die Meldungen ihrer Mitglieder. . . er- fassen und der für die Zulassung des Arzneimittels verantwortlichen Bundesoberbehörde weiterleiten."

Hier kommt auf die Gesamtheit der Heilberufe in der Bundesrepublik eine bedeutsame organisatorische Aufgabe zu.

Die Fragen um die Arzneimittel- preise und die (wirtschaftliche)

"Transparenz" des Arzneimittel- marktes sind in diesem Gesetz nicht angesprochen. Der vorparla- mentarische Streit um diese The- matik kann also weitergehen - es ist zu wünschen, daß diese Ausein- andersetzungen um die ökonomi- schen Probleme des Arzneimittel- marktes die sachliche Behandlung des Arzneimittelgesetzes im Parla- ment nicht stören. Walter Burkart

DEUTSCHES ARZTEBLA'IT Heft 32 vom B.August 1974 2355

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