Seite eins Zweiter Versuch
Ärztliche Vergütungen
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hne Rücksicht auf politi- sche Opportunitäten und trotz des erklärten Wider- standes der Oppositionsparteien hat die Bonner Koalition einen neuen Versuch unternommen, um sowohl die hausärztliche Vergü- tung anzuheben als auch die Ge- samtvergütungen für die Ver- tragsärzte in den neuen Bundes- ländern an die seit 1991 eingetrete- ne Kosten- und Preisentwicklung teilweise anzupassen. Konkret: Im Zuge des geplanten 4. Änderungs- gesetzes zum Sozialgesetzbuch V sollen die Vergütungen der hausärztlich tätigen Ärzte in den alten und in den neuen Bundeslän- dern noch in diesem Jahr um rund 600 Millionen DM erhöht werden.Zum anderen soll die Gesamtver- gütung der Vertragsärzte in den neuen Ländern um zusätzlich vier Prozent angehoben werden.
Das 4. SGB-V-Änderungsge- setz ist so konzipiert worden, daß es keine Zustimmung seitens der Länder erforderlich macht. Mit der Anhebung der hausärztlichen
Eklat cei cen Zahnärzten
W
er unlängst den Bun- desgesundheitsminister bei der Eröffnungsver- anstaltung des 98. Deutschen Ärz- tetages in Stuttgart erlebt hat, konnte den Eindruck gewinnen, Horst Seehofer wolle gegenwärtig am liebsten die gesamte medizini- sche Welt umarmen und nach Kräften herzen. Fast die gesamte medizinische Welt, muß man wohl einschränkend hinzufügen, denn im rund 400 Kilometer entfernten Köln machte die Kassenzahnärztli- che Bundesvereinigung (KZBV) etwa zur selben Zeit eine völlig an- dere Erfahrung.Wie die KZBV in ihrem neue- sten Nachrichtendienst berichtet, ist es im Rahmen einer aufsichts- rechtlichen Prüfung zu einem handfesten Eklat zwischen der Hauptgeschäftsführung der Kas-
Vergütung will die Bundesregie- rung ein Versprechen einlösen, das sie bereits im Herbst 1994 mit dem
„GKV-Anpassungsgesetz" gab, ein Gesetzespaket, das allerdings kurz vor der Bundestagswahl we- gen des Einspruchs des Bundesra- tes gescheitert ist.
Im Gesetz soll durch präzise Regelungen sichergestellt werden, daß die für die hausärztliche Grundvergütung bereitgestellten Mittel dauerhaft und in vollem Umfang zur Vergütung der hausärztlichen Leistungen zur Verfügung stehen. Es sollen Vor- kehrungen dafür getroffen wer- den, daß das für die hausärztliche Grundvergütung zusätzlich zur Verfügung zu stellende Honorar- volumen nicht von einer etwaigen Leistungsausweitung in anderen Bereichen kompensiert wird.
Wie es in der Begründung zu
§ 85 SGB V (Entwurf) heißt, sind die zusätzlichen Mittel deswegen notwendig, weil die von der Regie- rung für erforderlich gehaltenen Verbesserungen nicht allein durch
senzahnärztlichen Bundesvereini- gung und einem Beamten des See- hofer-Ministeriums gekommen.
Der Leiter der ministeriellen Prüf- gruppe, heißt es, habe ohne Rück- sicht auf datengeschützte Angaben Einsicht in interne Protokolle, sämtliche Geschäftspapiere und Personalakten gefordert. Als die Herausgabe von Sitzungsprotokol- len des Vorstandes verweigert wor- den sei, berichtet die KZBV, habe der besagte Beamte versucht, mas- siven Druck auszuüben.
Die Mitarbeiter des Zahn- ärztehauses seien „stromlinienför- mig an die Vorstandsansicht ange- paßt", habe Seehofers Gesandter gemäkelt und mit enormen Folgen für die KZBV bei Abbruch der Prüfung gedroht.
Die „enormen Folgen" nach Darstellung der Zahnärzte: Mini-
die Umschichtung eingesparter Mittel in anderen Sektoren oder durch (kaum noch vorhandene) Rationalisierungsreserven erzielt werden können. Eine zutreffende Erkenntnis, die die Repräsentan- ten der „verfaßten" Vertragsärzte- schaft längst kundgetan hat, ehe der Gesetzgeber initiativ wurde.
Horst Seehofer, bereits den Aufschrei der Krankenkassen vorausahnend, konterte vor dem jüngsten Ärztetag in Stuttgart:
Die gesetzlichen Krankenkassen werden im Jahr 1995 zwar mit Mehrausgaben in Höhe von 840 Millionen DM belastet (600 Mil- lionen für die erhöhte Hausarzt- vergütung; 240 Millionen DM für eine verbesserte Gesamtvergü- tung in den neuen Ländern). Dies sei aber beitragssatzneutral ver- kraftbar, wenn das erhöhte Bei- tragsaufkommen infolge der ge- stiegenen Grundlohnsumme be- rücksichtigt wird. Allenfalls wird ein Beitragssatzeffekt in der GKV von weniger als 0,1 Beitragssatz- punkten erwartet. HC
ster Seehofer, wird der Beamte zi- tiert, werde die KZBV mit einem
„Luftholen" abschaffen und damit den Zahnärzten jegliches Recht zur Mitbestimmung absprechen.
Auf die Frage, ob er zu diesen Äußerungen stehe, habe der Lei- ter der Prüfgruppe unter Zeugen geantwortet: „Aber locker!"
Das (vorläufige) Ende vom Lied: Dr. jur. Burkhard Tiemann, der Hauptgeschäftsführer der KZBV, erteilte dem Besucher aus Bonn Hausverbot — und schickte obendrein eine Dienstaufsichtsbe- schwerde ans Ministerium.
Die Zahnärzte, soviel ist klar, sehen sich bei Seehofers Liebes- werben eindeutig außen vor. Sie fürchten vielmehr eine gezielte po- litische Reglementierung mit zu- nehmender Schärfe. Bleibt abzu- warten, wie Bonn reagiert. JM
„Aber locker!"
Deutsches Arzteblatt 92, Heft 25/26, 26. Juni 1995 (1) A-1803