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Archiv "Substitutionsbehandlung in der Postmenopause und Mammakarzinom-Risiko: Diskussionsbeiträge" (05.07.1996)

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(1)

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

D

ie Definition einer Kardiomyopathie als einer „Herzmuskel- erkrankung, die nicht durch Koronarsklerose, arte- rielle oder pulmonale Hy- pertonie, einem angeborenen oder erworbenen Herzfehler oder Perikarderkrankungen bedingt ist“, wird heute allge- mein akzeptiert.

Problematischer ist be- reits die Definition der dila- tativen Kardiomyopathie, die ursprünglich „eine durch myo- kardiale Erkrankung (unbe- kannter Ätiologie?) bedingte

Herzvergrößerung mit eingeschränk- ter Pumpfunktion“ bezeichnet. Im Gegensatz zu dieser klassischen Defi- nition von Goodwin werden jedoch heute die Begriffe „dilatative“ bezie- hungsweise „hypertrophe Kardio- myopatie“ auch bei bekannter Ätio- logie verwendet. So findet sich zum Beispiel im New England Journal of Medicine (7) eine neue Übersichtsar- beit mit dem Kurztitel „gene muta- tions in familial hypertrophic car- diomyopathy“.

Entsprechend müßte auch die di- latative Kardiomyopathie bekannter Ätiologie heute durch die zugrunde- liegende Schädigung charakterisiert werden, zum Beispiel „dilatative Kar- diomyopathie infolge Defektes im Dystrophin-Gen“.

Bei der Definition der chroni- schen Myokarditis entstehen zusätzli- che Schwierigkeiten. Braunwald um- schreibt in seinem Lehrbuch den Be- griff Myokarditis folgendermaßen:

„When the heart is involved in an in- flammatory process, often caused by an infective agent, myocarditis is said to be present“. Wenn auch mit Zurückhaltung formuliert, impliziert diese Definition eine ätiologische Zu- ordnung.

Diese klinische Begriffsbestim- mung der Herzmuskelentzündung ist mit der klassischen pathologisch-

anatomischen Definition nicht deckungsgleich. Nach Rössle und Letterer stellt die Entzündung einen

„parenteralen Verdauungsvorgang im Gewebe des Vielzellers“ dar, und entsprechend bezeichnet Lubarsch in Anlehnung an Virchow die Ent- zündung „als eine Kombination krankhafter Vorgänge, die gekenn- zeichnet ist durch Gewebsalteratio- nen, Austritt von zelligen und flüssi- gen Blutbestandteilen in die Gewebe und Gewebswucherungen“. Im Ge- gensatz zu den Klinikern bevorzugen die Pathologen also eine phänome- nologische, teleologisch orientierte Zuordnung.

Auf diese unterschiedlichen Be- griffsbestimmungen von Klinikern und Pathologen dürften zahlreiche Mißver- ständnisse in der Zuordnung von Herz- muskelerkrankungen mit systolischer Funktionsstörung und ungeklärter Ätiologie zurückzuführen sein.

Diagnostik

Die Diagnostik läßt sich in drei Ziele unterteilen:

Die Feststellung der Er- krankung, die Risikoabschät- zung und ätiologische Zuord- nung.

Die Feststellung der Erkrankung

Dazu werden außer den klinischen Routineuntersu- chungen lediglich die Echo- kardiographie und die Koro- narangiographie benötigt, ei- nerseits um die Herzvergröße- rung mit reduzierter Pumplei- stung zu erfassen, andererseits um Ursachen einer sekun- dären Herzmuskelschädigung auszu- schließen.

Risikoabschätzung

Die diagostischen Maßnahmen zur Risikoratifizierung sind – abgese- hen vom Nachweis eines prognostisch ungünstigen Linksschenkelblocks – schwierig zu bewerten. Dies gilt ins- besondere für die Abschätzung der Gefahr eines plötzlichen Herztodes, dem fast 80 Prozent der Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie letzt- endlich erliegen. Weder Langzeit- EKG noch programmierte Stimulati- on liefern zuverlässige Daten. Nach neueren Untersuchungen von Manci- ni et al. (4) soll die Erfassung von Spätpotentialen – trotz geringer Sen- sitivität – eine prognostische Aussage ermöglichen; dieser lediglich an 114 Patienten erhobene Befund bedarf aber noch der Bestätigung in einem größeren Kollektiv, insbesondere im Hinblick auf weniger günstige Ergeb- nisse anderer Studien (2).

Die ätiologische Zuordnung Hier bestehen die größten Schwierigkeiten. Umstritten ist vor al- lem die Abgrenzung der dilatativen Kardiomyopathie von einer soge- nannten „chronischen Myokarditis“,

A-1841 Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 27, 5. Juli 1996 (53)

Die Abgrenzung einer dilatativen Kardiomyopathie von einer chronischen Myokarditis ist nach wie vor ein un- geklärtes Problem trotz wichtiger methodischer Fort- schritte, wie Einführung der Myokardbiopsie, Nachweis von genomischem viralen Material in Myokardbiopsa- ten und Erfassung immunologischer Reaktionen. Auch Gendefekte können der Erkrankung zugrunde liegen.

Eine Prognoseabschätzung bei der dilatativen Kar- diomyopathie ist schwierig. Dies gilt insbesondere für den plötzlichen Herztod, dem die Mehrzahl der Pati- enten mit einer dilatativen Kardiomyopathie erliegen.

Dilatative Kardiomyopathie – chronische Myokarditis

Definition, Diagnose und Therapie

Wolfgang Kübler

Abteilung Innere Medizin III (Kardiologie, Pulmologie und Angiologie) (Ärztlicher Direk- tor: Prof. Dr. W. Kübler) der Ruprecht-Karls- Universität Heidelberg

(2)

für die eine virale beziehungsweise se- kundär immunologische Genese po- stuliert wird. Die übliche Bestimmung von Virustitern liefert in der Regel negative Resultate, die zumindest teilweise auf eine unzureichende Sen- sitivität der konventionellen Nach- weismethoden zurückzuführen sind.

Einen wesentlichen Fortschritt versprach man sich von der vor über 20 Jahren eingeführten Myokard- biopsie. Bei der Abgrenzung einer chronischen Myokarditis von einer di- latativen Kardiomyopathie zeigen je- doch die Resultate eine erhebliche Variabilität von 0 bis 64 Prozent. Zur Vereinheitlichung wurden 1986 in ei- ner Konsensuskonferenz in Dallas diagnostische Kriterien festgelegt, de- ren klinische Bedeutung – insbeson- dere nach der neuesten Studie zur im- munsuppressiven Therapie der Myo- karditis (5) – in Frage zu stellen ist.

Der Nachweis von genomischem viralen Material mittels in-situ-Hybri- disierung – wie erstmals von Kandolf (1) durchgeführt – stellt einen diagno- stischen Fortschritt dar, dessen klini- sche Bedeutung aber noch nicht end- gültig zu bewerten ist. Die Angaben über die Prävalenz von enteroviralem Genom im Myokard von Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie im Vergleich zu Kontrollgruppe sind zum Teil sehr unterschiedlich. Dabei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, daß die Ergebnisse von der Qualität der gewählten Primer abhängig sind und die PCR-Reaktion eine geringere Spezifität als die in-situ-Hybridisie- rung aufweist.

Ungeklärt ist ferner, welche pa- thogenetische Bedeutung dem Nach- weis von genomischem Material im Myokard zukommt. Handelt es sich um ein „mumifiziertes“ Substrat oder um ein chronisch inflammatorisch wirkendes Agens? Auch der Nach- weis von Zellinfiltrationen in der Nachbarschaft von enteroviraler RNA vermag diese Frage nicht end- gültig zu klären.

Die Myokardbiopsie erlaubt zwar in seltenen Einzelfällen eine ätiologische Zuordnung mit gesicher- ten therapeutischen Konsequenzen – zum Beispiel beim Nachweis einer Sarkoidose. Außer der Trefferquote und ihrer therapeutischen Konse- quenzen muß jedoch auch die Kom-

plikationsrate, die insgesamt mit 1 bis 6 Prozent und einer Todesrate von 0,03 bis 0,4 Prozent angegeben wird, berücksichtigt werden. Beim derzeiti- gen Stand der Erkenntnis erscheint bei Patienten mit dilatativer Kar- diomyopathie weder die Forderung nach einer obligatorischen Myokard- biopsie noch ihre generelle Ableh- nung gerechtfertigt. Die Indikation ist unter Berücksichtigung weiterführen- der Diagnostik, die zu therapeuti- schen und prognostischen Konse- quenzen führen kann, zu stellen.

Einen weiteren Fortschritt in der ätiologischen Zuordnung könnte der Nachweis zellulärer und humoraler Immunmechanismen darstellen. Eine kausale Beziehung zum Krankheits- prozeß könnte in einer autoantikör- pervermittelten chronischen Entzün- dungsreaktion (3) oder in einer Stoff- wechselbeeinflussung bestehen – zum Beispiel durch Hemmung des mito- chondrialen ATP/ADP-Transporters (6) oder der Pyruvatdehydrogenase.

Voraussetzung wäre zunächst, daß die Antikörper durch die Sarkolemmem- bran permeieren. Eine immunpatho- genetische Bedeutung kann aller- dings erst dann als gesichert angese- hen werden, wenn – zum Beispiel durch Therapiestudien – eine ursäch- liche Beziehung belegt ist.

Wie die hypertrophe Kardiomyo- patie kann auch die dilatative – vor al- lem die familiäre Form – auf Gende- fekten beruhen. Im Einzelfall beste- hen jedoch erhebliche diagnostische Schwierigkeiten, da die Veränderun- gen sehr unterschiedliche Bereiche des Genoms betreffen können und deshalb mit einfachen Sonden nicht erfaßbar sind. Auch die Art des Gen- defektes ist wahrscheinlich nicht ein- heitlich, er kann prinzipiell auf meh- reren Veränderungen beruhen, wie zum Beispiel:

1 Deletion einer chromosoma- len Region (Verlust einer exonischen oder intronischen Sequenz),

1 Verlust eines Exons in einem Gen, so daß nur noch ein verkürztes Protein synthetisiert werden kann,

1 Verdoppelung eines Genbe- reiches,

1 Einbau eines aus einem ande- ren Genbereich stammenden DNA- Abschnittes,

1 Punktmutation(en).

Am häufigsten dürfte es sich um Punktmutationen, Deletionen und in- stabile Triplets handeln. In allen Fäl- len resultiert hieraus die Synthese ei- nes veränderten Proteins.

Die Gendefekte bei der dilatativen Kardiomyopathie können nicht nur die nukleäre DNA, sondern auch die mito- chondriale DNA betreffen mit konse- kutiver Störung mitochondrialer Funk- tionen. Da die Kardiomyopathie eine primäre Erkrankung des Myokards darstellt, liegt es nahe, die herzspezifi- sche Moleküle kodierenden Gene als Kandidatengene für Mutationen zu be- trachten. Der Nachweis eines Gende- fektes kann zwar eine kausale Bezie- hung nahelegen, letztendlich ist sie aber erst bewiesen, wenn durch Gentrans- fer im Tiermodell ein entsprechendes Krankheitsbild erzeugt werden konnte.

Therapie

Die dilatative Kardiomyopathie ist ein ätiologisch uneinheitliches Krankheitsbild. Randomisierte Studi- en lassen deshalb vor allem dann posi- tive Ergebnisse erwarten, wenn die therapeutischen Maßnahmen – unab- hängig vom zugrundeliegenden Krankheitsprozeß – die Prognose von Patienten mit Herzinsuffizienz grundsätzlich verbessern. Überzeu- gend ist dies derzeit nur für die ACE- Hemmer nachgewiesen.

Für den b-Rezeptorenblocker Metoprolol liegt zwar eine positive Studie vor, die aber vor allem auf ei- ner Reduktion von Herztransplanta- tionen und nicht von Todesfällen be- ruht. Nach der Praise-Studie führt der Zusatz des Kalzium-Antagonisten Amlodipin zur konventionellen The- rapie – einschließlich ACE-Hemmern – zu einem positiven Resultat bei Pati- enten mit nichtischämisch bedingter Herzinsuffizienz; es handelt sich hier- bei allerdings um das Ergebnis einer Untergruppenanalyse.

Einen wesentlichen Fortschritt könnte der Einsatz von Carvedilol, ei- nem b-Blocker mit vasodilatierenden Eigenschaften durch alpha-1-Rezep- toren-Blockade, bringen. Additiv zum ACE-Hemmer gegeben, führt Carve- dilol nach vorläufigen Informationen in vier randomisierten Studien zu ei- ner so ausgeprägten Verbesserung der

A-1842

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

(54) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 27, 5. Juli 1996

(3)

Überlebensrate, daß das Safety Moni- toring Board in zwei Studien den vor- zeitigen Abbruch empfahl. Eine sym- ptomatische Besserung ist für Digita- lis und wohl auch für Diuretika belegt.

Weder für eine antivirale Thera- pie – zum Beispiel mit Interferon – noch für eine immunsuppressive The- rapie – zum Beispiel mit Kortison und/oder Zytostatika – liegen positive Resultate vor. Nach einer neuen, im New England Journal of Medicine (4) veröffentlichten Studie führt selbst bei Patienten mit histologisch nach den Dallas-Kriterien gesicherter Myokarditis eine immunsuppressive Therapie weder zu einer Verbesse- rung der linksventrikulären Funktion noch der Prognose. Aus diesem nega- tiven Studienergebnis darf zwar die grundsätzliche Unwirksamkeit dieses Therapieprinzips nicht abgeleitet werden; beim derzeitigen Kenntnis- stand stellt aber eine immunsuppres- sive Behandlung einer Myokarditis beziehungsweise dilatativen Kar- diomyopathie allenfalls ein experi- mentelles Therapieverfahren dar.

Obwohl der plötzliche Herztod die häufigste Komplikation bei Pati- enten mit dilatativer Kardiomyopa- thie darstellt, ist wegen des Fehlens prognostisch aussagefähiger Testver- fahren eine Einstellung mit Anti- arrhythmika grundsätzlich problema- tisch. Als ultima ratio bleibt bei Pati- enten mit dokumentierter anhalten- der ventrikulärer Tachykardie oder gar Kammerflimmern in der Regel nur die Implantation eines Defibrilla- tors. Aus ethischen Gründen wird dessen prognostische Effizienz aller- dings kaum in randomisierten kon- trollierten Studien zu belegen sein.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-1841–1843 [Heft 27]

Literatur

1. Kandolf R: Molekulare Pathogenese der Enterovirusmyokarditis. Viruspersistenz und chronische Entzündung. Internist 1995;

36: 430–438

2. Klein RM, Vester EG, Perings C, Strauer BE: Arrhythmien bei Myokarditis. Diagno- stische Verfahren und Therapieprinzipien.

Internist 1995; 36: 458–468

3. Maisch B, Schönian U, Herzum M, Hufna- gel G: Immunserologische und immunhi- stologische Untersuchungen bei Myokardi- tis und Perikarditis. Internist 1995; 36:

448–457

4. Mancini DM, Wong KL, Simson MB: Pro- gnostic value of an abnormal signal aver- aged electrocardiogram in patients with nonischemic congestive cardiomyopathy.

Circulation 1993; 87: 1083–1092

5. Mason JW, O’Connell JB, Herskowitz A, Rose NR, McManus BM, Billingham ME, Moch TE and the Myocarditis Treatment Trial Investigators. A clinical trial of im- munosuppressive therapy for myocarditis.

N Engl J Med 1995; 333: 269–275

6. Schultheiß HP, Schulze K, Kühl U, Ulrich G, Klingenberg M: The ADP/ATP carrier as a mitochondrial autoantigen – facts and perspectives. Ann NY Acad Sci; 488:

44–64.

7. Watkins H, McKenna WJ, Thierfelder L et al.: Mutations in the genes for cardiac tro- ponin T and o-tropomyosin in hypertrophic cardiomyopathy. N Engl J Med 1995; 333:

1058–1064

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Wolfgang Kübler Abteilung Innere Medizin III (Kardiologie, Angiologie, Pulmologie)

Medizinische Universitätsklinik Bergheimer Straße 58

69115 Heidelberg

A-1843

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT/DISKUSSION

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 27, 5. Juli 1996 (55) Bei Bewertung der Nurses

Health Study sollte nachdrücklicher auf die begrenzte Aussagekraft nicht experimenteller Untersuchungen hin- gewiesen und daran erinnert werden, daß Studien dieses Typs immer ein ho- hes Risiko für systematische Verzer- rungen durch „bias“ enthalten, die das relative Risiko (RR) für ein Prüf- ereignis erheblich verfälschen kön- nen. Sie können deshalb bestenfalls Gruppenunterschiede, niemals aber Ursache-Wirkungs-Beziehungen be- weisen. Bei Signifikanz sind Hypothe- sen erlaubt, die allerdings mit unab- hängigen Daten konsistent und biolo-

gisch plausibel sein sollten. Diese Ein- schränkungen gelten für retrospekti- ve und prospektive Studien und auch bei großen Fallzahlen. Epidemiologi- sche Daten sind daher grundsätzlich

„fragwürdig“ (2). Mißtrauen gegen-

über RR-Werten bis um 1,5 gilt unter professionellen Epidemiologen als Regel. Besonderer Argwohn ist bei Mammakarzinom-Daten angezeigt, da diese infolge typischer epidemiolo-

gischer Besonderheiten extrem

„bias“-empfindlich sind (4, 5).

Erstrangiger Risikofaktor des Mammakarzinoms ist die ausgeprägte Altersabhängigkeit (3). Eine 60jährige hat, verglichen mit einer 30jährigen, nur durch ihr Alter ein RR von 12.

Durch die steile Altersabhängigkeit können auch andere inzidenz- wirksame Kovariable das RR einer zu prüfenden Exposition verfälschen.

Einflüsse, die zum Beispiel bei 40jähri- gen die Inzidenz um Äquivalente von 6 fünf Lebensjahren verschieben, können RR-Änderungen um 0,30 bis 3,34 vortäuschen. Verschiebungen um Äquivalente von nur 6 ein oder 6 zwei Lebensjahren verursachen noch RR-Verfälschungen um 0,78 bis 1,29 oder um 0,60 bis 1,67. Im weniger stei-

Substitutionsbehandlung in der Postmenopause und Mammakarzinom-Risiko

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med.

Heinrich Maass et al.

in Heft 47/1995

Begrenzte Aussagekraft

der Nurses’ Health Study

(4)

len postmenopausalen Teil der Inzi- denzkurve kann die Verschiebung um 6 fünf Jahre bei 60jährigen das RR um 0,80 bis 1,26 verändern (5). Neben

„bias“-induzierten Verzerrungen die- ser Größenordnung können RR-Kal- kulationen für eine zu prüfende Expo- sition nicht mehr sinnvoll sein.

Herr Maass hat eine Reihe von Lücken sowie inkonsistenten und nicht plausiblen Daten kritisiert. Hin- zuzufügen ist, daß die Studien-Popu- lation als „volunteer sample“ (2) eine mehrfach selektierte Stichprobe dar- stellt („transition bias“[2]), die nicht für irgendeine weibliche Bevölke- rungsgruppe außerhalb der Studie re- präsentativ sein kann.

Kann Validität der Daten inner- halb der Studie angenommen wer- den? Einzelprüfung (5) offenkundiger

„bias“ ergab zusammengefaßt: Kova- riable zeigen bei hormonbehandelten und unbehandelten Frauen ungleiche Prävalenz; behandelte Frauen haben höhere präexistente Risiken als unbe- handelte; Risikofaktoren wurden bei RR-Adjustierung durch Multivariat- analyse unvollständig berücksichtigt.

Sofern diese „bias“-Quellen die Inzi- denz-Werte der verglichenen Grup- pen um Äquivalente von 6 ein Jahr (unter 50 Jahre) oder von 6fünf Jah- ren (über 50 Jahre) verändern, werden sämtliche RR-Kalkulationen der Stu- die unbrauchbar. Damit ist auch die

„interne“ Validität der Studien-Er- gebnisse anzuzweifeln (5).

Die Ergebnisse der Studie erwei- tern somit nur das konträre und in- konsistente Datenmaterial, das zur anstehenden Frage keinen Beitrag leisten kann. Die Gründe dafür sind nicht in der Qualität der Studie, son- dern in der grundsätzlichen Überfor- derung der observationellen Epide- miologie durch die Fragestellung zu suchen und dürften mit den epidemio- logischen Besonderheiten des Mammakarzinoms zusammenhän- gen. Definitive Klärung ist von ähnli- chen Studien nicht zu erwarten, son- dern, wenn überhaupt, nur von rando- misierten Untersuchungen.

Wissenschaftliche Beweise für die Steigerung des Mammakarzinom-Ri- sikos durch exogene Östrogene und Gestagene existieren nicht. Viele Gründe sprechen eher für die Mam- maprotektion durch beide Hormone

(4, 5). Nach einer kürzlichen Mittei- lung (1) erscheint es möglich, daß nicht nur für familiäre, sondern auch für die Mehrzahl sporadisch auftretender Mammakarzinome endogene geneti- sche Ursachen verantwortlich sind.

Vom Prinzip her „fragwürdige“

Studien sollten uns nicht veranlassen, den betroffenen Frauen die Vorteile der Substitution, insbesondere die Osteoprotektion und kardiovaskulä- re Protektion (4, 5), vorzuenthalten.

Die Empfehlung einer individuellen Nutzen-Risiko-Abschätzung und die Nutzung der Früherkennungs-Mög- lichkeiten bleiben davon unberührt.

Literatur

1. Chen Y et al: Aberrant subcellular localiza- tion of BRCA1 in breast cancer. Science 1995; 270: 789–791.

2. Feinstein AR: Clinical Biostatistics. The C.

V. Mosby Comp, Saint Louis, 1977.

3. Gambrell RD jr: Use of progestogen thera- py. Am J Obstet Gynecol 1987; 156 (5):

1304–1313.

4. Nocke W: Sexualhormonsubstitution nach der Menopause – für alle Frauen? Plädoyer für die Prävention mit Östrogenen und Gestagenen. Ther Umsch 1995; 52:

693–704.

5. Nocke W: Steigert die Substitution mit Östrogenen und Gestagenen das Risiko für Mammakarzinome? Anmerkungen zur Nurses‘ Health Study. (eingereicht).

Prof. (em.) Dr. med. W. Nocke Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie

Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde

der Universität Bonn Sigmund-Freud-Straße 25 53105 Bonn

Die Stellungnahme von Herrn Prof. Nocke ist eine sehr gute Ergän- zung meines Kommentars zu der

„Nurses’ Health Study“. Die Proble- matik epidemiologischer Studien wird hier von kompetenter Seite sehr gut dargestellt. Es wird auch betont, daß die alleine rechnerisch erhobenen Faktoren für ein relatives Risiko, ins- besondere beim Mammakarzinom, hochgradig problematisch sind.

Herr Nocke hat die grundsätzli- che methodische Problematik derarti- ger Studien gut herausgestellt. Abge- sehen davon werden in derartigen Studien häufig statistisch signifikante

Unterschiede aufgenommen und ver- wertet, die auf sehr geringen Fallzah- len beruhen. So ist in der „Nurses’

Health Study“ der relative Risikofak- tor in der Multivariatanalyse von 2,24 nach Applikation von „progestins alone“ signifikant. Dieser Risikofak- tor wird daher auch unkritisch in dem Text der Arbeit erwähnt.

Bei Betrachtung der Tabelle 1 stellt man fest, daß es sich hierbei um ganze 12 Fälle gehandelt hat. Ich habe die Gruppe „other estrogens“ nicht erwähnt, weil hier in der Multivariat- analyse der relative Risikofaktor nicht signifikant erhöht ist. Dieses liegt auch hier an der sehr niedrigen Zahl. Es darf aber dadurch nicht der Eindruck entstehen, daß das „erhöhte relative Risiko“ nur für konjugierte Östrogene gilt. Aufgrund der Analyse von Herrn Nocke sind diese Zahlen sowieso irrelevant.

Auch wenn ich mich etwas vor- sichtiger ausgedrückt habe, möchte ich den abschließenden Kommentar von Herrn Nocke unterstützen, daß derartige Studien „uns nicht veranlas- sen sollten, den betroffenen Frauen die Vorteile der Substitution (. . .) vorzuenthalten.“

Prof. Dr. med. Heinrich Maass Universitätskrankenhaus Eppendorf Martinistraße 52

20246 Hamburg

A-1844

M E D I Z I N DISKUSSION

(56) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 27, 5. Juli 1996

Schlußwort

Diskussionsbeiträge

Zuschriften zu Beiträgen im medizinisch-wissenschaftlichen Teil – ausgenommen Editorials, Kon- greßberichte und Zeitschriftenrefe- rate – können grundsätzlich in der Rubrik „Diskussion“ zusammen mit einem dem Autor zustehenden Schlußwort veröffentlicht werden, wenn sie innerhalb vier Wochen nach Erscheinen der betreffenden Publikation bei der Medizinisch- Wissenschaftlichen Redaktion ein- gehen und bei einem Umfang von höchstens zwei Schreibmaschinen- seiten (30 Zeilen mit je 60 Anschlä- gen) wissenschaftlich begründete Ergänzungen oder Entgegnungen enthalten. Für Leserbriefe zu ande- ren Beiträgen gelten keine beson- deren Regelungen (siehe regel- mäßige Hinweise). DÄ/MWR

Referenzen

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