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Archiv "Diskussionsbeiträge" (25.06.2004)

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nem Promille und die Enzephalitisrate bei zwei Promille lag (6). Gestorben waren zwei Kinder und ein Jugendli- cher im Alter von zwei, drei bezie- hungsweise 17 Jahren.

Bei dem Coburger Masernausbruch waren die Komplikationen gleich- mäßig über die Altersgruppen verteilt.

Von zwölf Säuglingen, für die vollstän- dige Angaben vorlagen, erkrankten zwei an einer Pneumonie und sechs an einer Otitis media. Die Gruppe der über 20-Jährigen war nicht häufiger von Pneumonien (sechs Prozent), Otitiden (17 Prozent) oder Fieber- krämpfen (sechs Prozent) betroffen.

Genauere Altersangaben lagen für zwölf Säuglinge vor. Der Jüngste war sechs Monate, jeweils ein Säugling war sieben und neun Monate alt, und neun Säuglinge waren zehn Monate oder äl- ter. Unsere Daten lassen aufgrund der niedrigen Fallzahlen bei Maserner- krankungen im höheren Alter keine definitiven Aussagen über Häufigkei- ten von Komplikationsraten bei älte- ren Menschen zu. Auch in der Litera- tur findet man kaum belastbare Da- ten.

Es dürfte sehr schwierig sein, im Rahmen einer epidemiologischen Un- tersuchung ein individuelles Risiko- profil für das Auftreten von Komplika- tionen zu erstellen. Die Informatio- nen, die Frau Scheer zur Erstellung ei- nes Risikoprofils wünscht, sind nur in einer epidemiologischen Studie mit großen Fallzahlen zu Komplikationen zu erheben – eine solche Studie anzu- regen war nicht das Ziel unserer Un- tersuchung.

Stationäre Behandlung von Ma- sernkomplikationen: Aus den uns vor- liegenden Arztbriefen lässt sich nicht herauslesen, dass die stationär behan- delten Patienten aufgrund von „Panik- reaktionen“ eingewiesen oder in der Klinik vorgestellt wurden. Vielmehr lagen bei den Kindern ernste Kompli- kationen wie Pneumonien oder Exsik- kosen vor. Zur Verteilung der hospita- lisierten Kinder auf die verschiedenen Kinderarztpraxen liegen uns keine Zahlen vor. Unter anderem um eine Verunsicherung der Eltern gegenüber ihrem Kinderarzt zu vermeiden, wur- den die Kinderarztpraxen nicht mit- einander verglichen.

Maßnahmen nach dem Infektions- schutzgesetz (IfSG): Ein allgemeines Verbot von Schul- oder Kindergarten- besuch für Ungeimpfte ist im IfSG nicht erwähnt. Personen mit Masernerkran- kung oder Verdacht auf Masernerkran- kung ist der Besuch von Gemein- schaftseinrichtungen untersagt, um eine Weiterverbreitung zu verhindern (§ 34).

Kinder mit Kontakt zu diesen Per- sonen dürfen die Einrichtung eben- falls nicht besuchen. Der Zeitpunkt der Wiederzulassung der Kontaktper- sonen zur entsprechenden Einrich- tung hängt dann allerdings von ihrem Immunstatus ab. Dies ist in den ent- sprechenden Empfehlungen des RKI geregelt. Die Anordnung von Schutz- impfungen ist nach § 20 IfSG möglich,

„wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist.“ Davon kann dann ausgegangen werden, wenn die Krankheit „häufig oder immer zu schweren bleibenden Gesundheits- schäden oder sogar zum Tode führt“

(7). Diese Beschreibung trifft auf Masern in Deutschland nicht zu, wes- halb sich eine weitere Diskussion der vermeintlichen „Zwangsszenarien“ er- übrigt.

„Nestschutz“: Der Impfstatus der Mütter von Säuglingen wurde von uns nicht abgefragt, da diese Information mit Fragebögen nicht zuverlässig er- hoben werden kann. Um die Frage des

„Nestschutzes“ beantworten zu kön- nen, hätte zudem der Impfstatus der Mütter der nicht erkrankten Säuglinge erhoben werden müssen. In unserer Untersuchung wurden keine Kompli- kationen bei jungen Säuglingen unter sechs Monaten gefunden.

Aufklärung der Eltern („Schüren von Angst“): In dem Merkblatt, das den Eltern ausgehändigt wurde, wur- den sachliche Informationen zur Er- krankung, Impfung und insbesondere zum Masernausbruch in Coburg gege- ben. Es wurde keine Angst geschürt, das Merkblatt kann gerne bei den Ver- fassern angefordert werden.

Allerdings ist es Ansichtssache, ob die Masern mit 72 Prozent komplikati- onslosen Verläufen als nicht gefährlich zu werten sind. Wir halten die Kompli- kationsrate von 28 Prozent der Er-

krankten, überwiegend Kinder, für nicht unerheblich. Der größte Teil die- ser Komplikationen hätte durch eine rechtzeitige Impfung verhindert wer- den können.

Die Bezeichnung der Masern als Kinderkrankheit sagt nichts über eine vermeintliche Harmlosigkeit der Er- krankung aus, sondern hat ihren Ur- sprung in der hohen Kontagiosität und dem immunogenen Potenzial dieser Krankheit.

Darüber hinaus ist eine auf deutsche Verhältnisse eingeschränkte Betrach- tungsweise eines globalen Gesundheit- sproblems schwierig. Weltweit sterben nach Schätzung der Weltgesundheits- organisation jährlich 745 000 Kinder an Masern beziehungsweise deren Kom- plikationen (8). Ein argumentativer Rückzug auf die vergleichsweise gün- stige Situation in Deutschland wird den berechtigten Interessen anderer Men- schen und Länder wohl kaum gerecht.

Die weltweite Reisetätigkeit der offe- nen deutschen Gesellschaft verlangt letztlich auch einen weltweit verant- wortbaren Umgang mit übertragbaren Krankheitsbildern.

Literatur bei den Verfassern

Dr. med. Stephan Arenz, MPH, MSc Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit

Veterinärstraße 2 85764 Oberschleißheim M E D I Z I N

A

A1896 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2625. Juni 2004

Diskussionsbeiträge

Zuschriften zu Beiträgen im medizinisch-wissen- schaftlichen Teil – ausgenommen Editorials, Kon- gressberichte und Zeitschriftenreferate – können grundsätzlich in der Rubrik „Diskussion“ zusam- men mit einem dem Autor zustehenden Schluss- wort veröffentlicht werden, wenn sie innerhalb vier Wochen nach Erscheinen der betreffenden Publikation bei der medizinisch-wissenschaftli- chen Redaktion eingehen und bei einem Umfang von höchstens einer Schreibmaschinenseite (30 Zeilen mit je 60 Anschlägen, Literaturverzeichnis mit bis zu vier Zitaten) wissenschaftlich begrün- dete Ergänzungen oder Entgegnungen enthalten.

Für Leserbriefe anderer Ressorts gelten keine be- sonderen Regelungen (siehe regelmäßige Hinwei-

se). DÄ/MWR

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