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Archiv "Sterbebegleitung: Euthanasie bleibt tabu" (14.05.2004)

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an nennt sie Lebenswunscher- klärungen. Mitgeführt werden diese in den Niederlanden vor allem von älteren Menschen, die sich darin für den Fall aller Fälle explizit gegen aktive Sterbehilfe aussprechen.

Grund für die Vorsichtsmaßnahme der niederländischen Senioren ist die libera- le Gesetzgebung zur Sterbehilfe. Als er- stes Land der Welt legalisierten die Nie- derlande vor zwei Jahren Euthanasie und holten damit eine ohnehin schon gängige Praxis aus der juristischen Grauzone. Kritiker sprechen seither von einer „Lizenz zum Töten“. Sie befürch- ten, dass sich Sterbende, weil sie nie- mandem zur Last fallen wollen, zum frei- willigen Tod gedrängt fühlen könnten.

Oder schlimmer noch: Ärzte könnten den Willen des Patienten falsch deuten und vorschnell zur Giftspritze greifen.

Vorrang für Palliativmedizin

Nach Angaben von Prof. Dr. med. Jörg- Dietrich Hoppe, Präsident der Bundes- ärztekammer (BÄK) und Kenner des niederländischen Gesundheitswesens, sei bei etwa einem Drittel der holländi- schen Euthanasiefälle das ausdrückli- che Verlangen der Betroffenen nach Sterbehilfe zweifelhaft. Deshalb schwin- de mittlerweile auch das Vertrauen vieler Patienten zu ihren Ärzten. In Deutsch- land müsse aktive Sterbehilfe daher ein Tabu bleiben, forderte Hoppe an- lässlich der Vorstellung der aktuali- sierten Grundsätze der Bundesärzte- kammer zur ärztlichen Sterbebeglei- tung in Berlin.

Die Bundesärztekammer bekräftigt darin ihre ablehnende Haltung zur Eu- thanasie und spricht sich stattdessen dafür aus, der Betreuung und Hilfe todkran- ker Menschen in Form von palliativ-

medizinischer Versorgung den Vorrang zu geben (DÄ, Heft 19/2004, „Grundsät- ze zur Sterbebegleitung neu gefasst“).

„Ein einklagbares Recht auf aktive Ster- behilfe ist zwar vermeintlich die ulti- mative Verwirklichung des Rechts auf Selbstbestimmung, doch von da aus ist der Weg nicht mehr weit in eine Gesell- schaft, die den Menschen den Tod nahe legt, wenn sie mit dem Leben nicht mehr zurechtkommen“, warnte Hoppe.

Die Grundsätze zur ärztlichen Ster- bebegleitung wurden zuletzt 1998 über- arbeitet. Die jetzige Novellierung war notwendig geworden, weil in den ver-

gangenen Jahren diverse höchstrichter- liche Urteile zur Frage ärztlichen Ver- haltens am Lebensende gefällt wur- den. So hatte im vergangenen Jahr der Bundesgerichtshof in einem Urteil die Verbindlichkeit von so genannten Pa- tientenverfügungen ausdrücklich be- kräftigt, darüber hinaus aber auch Fra- gen zur Durchsetzbarkeit aufgeworfen.

Die Richter hatten entschieden, dass bei Konflikten zwischen Arzt und Be- treuer beim Abbruch lebenserhalten- der Maßnahmen das Vormundschafts- gericht eingeschaltet werden muss. Ei- ne Stärkung des geäußerten Patienten- willens findet sich nun auch in den

Grundsätzen der Bundesärztekammer wieder.

Prof. Dr. med. Eggert Beleites, Präsi- dent der Landesärztekammer Thüringen und federführend an der Erstellung der BÄK-Grundsätze beteiligt, ließ keinen Zweifel daran, dass diese nicht per se als Blaupause für den behandelnden Arzt vor Ort dienen können. Vielmehr müsse der Arzt den individuellen Fall betrach- ten und das Gespräch mit Kollegen und Angehörigen suchen. Angesichts der in den letzten Wochen national und inter- national erneut aufgeflammten Diskussi- on über die Legalisierung des Tötens auf Verlangen ist die Positionierung der Bun- desärztekammer dennoch eine wichtige Orientierungshilfe für den Arzt.

Für Empörung bei Kirchen, Teilen der Politik und bei der Ärzteschaft sorgte zuletzt eine Gesetzesinitiati- ve des SPD-Bundestagsabgeordneten Rolf Stöckel. Darin wird – allerdings mit gänzlich anderer Stoßrichtung als in den Grundsätzen der BÄK – auf eine Stärkung des Patientenwillens abgeho- ben. Wenn auch in dem gemeinsamen Papier Stöckels und verschiedener Ab- geordneter von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP nicht ausdrücklich von aktiver Sterbehilfe die Rede ist, so verschwimmen doch die Grenzen zwi- schen erlaubter Sterbebegleitung und bisher verbotener Euthanasie. Eben- falls eingestimmt in den Chor der Sterbehilfebefürworter hat Anfang Mai der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP). In extremen Ausnahmefällen halte er die aktive Sterbehilfe für gerechtfertigt, ließ Mer- tin gegenüber dem Focus durchblicken.

Der Minister nahm Bezug auf die rhein- land-pfälzische Ethik-Kommission, die Thesen zu einem selbstbestimmten Sterben aufgestellt hat.

Unterdessen hat der Europarat an- gesichts der völlig unvereinbaren Posi- tionen in den 45 Mitgliedsländern einen neuen Bericht über die Sterbehilfe in Auftrag gegeben. Mit großer Mehrheit beschloss die Versammlung Ende April, den umstrittenen Bericht des Schwei- zers Dick Marty mit seinem Vorstoß für die grundsätzliche Zulässigkeit akti- ver Sterbehilfe an den Sozialausschuss zurückzuverweisen. Der Ausschuss soll nun innerhalb eines Jahres einen neuen Bericht vorlegen. Samir Rabbata P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2014. Mai 2004 AA1383

Sterbebegleitung

Euthanasie bleibt tabu

Die Debatte über die aktive Sterbehilfe ist erneut entbrannt.

Die Bundesärztekammer hat ihre ablehnende Position bekräftigt und bietet Ärzten damit eine Orientierungshilfe.

Prof. Dr. med.

Eggert Beleites:

Ärzte müssen das Gespräch mit Kollegen und Angehörigen suchen.

Foto:Eberhard Hahne

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