• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Aktive Sterbehilfe: Ein Menschenrecht?" (29.03.2002)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Aktive Sterbehilfe: Ein Menschenrecht?" (29.03.2002)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 13½½½½29. März 2002 AA813

S E I T E E I N S

F

ür die Richter des Europäischen Menschengerichtshofs in Straß- burg geht es zurzeit um einen bisher einmaligen „Fall“: Eine todkranke Frau verlangt das Recht auf Sterbe- hilfe durch ihren Ehemann. Da die 43-Jährige nach Einschätzung der Ärzte nur noch wenige Wochen zu leben hat, ordnete der Gerichtshof ein Eilverfahren ein.

Diane Pretty leidet an einer amyotrophen Lateralsklerose (ALS).

1999 war die Krankheit bei ihr dia- gnostiziert worden. Daraufhin hatte sie die britischen Behörden darum ge- beten, ihrem Mann Straffreiheit zu garantieren, wenn er ihr Sterbehilfe leiste. Der Antrag wurde im Novem- ber abgelehnt. Wenn ihr Mann dem Wunsch seiner Frau nachkommt, dro- hen ihm in Großbritannien bis zu 14 Jahren Gefängnis. Der Kranken wer- de das zentrale Grundrecht verwei-

gert, selbst über ihr Leben und ihren Körper zu entscheiden, argumentier- te ihr Anwalt. Außerdem drohe der leidenden Frau ein „entsetzlicher und entwürdigender Tod“ durch Lungen- entzündung und Ersticken. Dennoch verweigere ihr die britische Justiz ein humanes Sterben in Würde. Da Großbritannien zu den Unterzeich- nern der Menschenrechtskonvention gehört, hat sich das Land verpflichtet, die Urteile des Straßburger Gerichts- hofes umzusetzen. Damit ist auch ei- ne Änderung des Gesetzes aus dem Jahr 1961 möglich, das aktive Sterbe- hilfe grundsätzlich verbietet.

Die Richter werden sich die Entscheidung nicht leicht machen, und auch die Öffentlichkeit sollte sich mit vorschnellen Urteilen zurückhalten. Zu Recht schreibt die Deutsche Gesellschaft für Palliativ- medizin: „Die Not der Britin ist

zweifellos ein schweres persönliches Schicksal, über das zu urteilen uns nicht ansteht.“ Die Argumentation von Prettys Anwalt lässt sich je- doch durchaus kritisieren. Denn aktuelle Forschungsergebnisse, auf die sich die Palliativmediziner be- ziehen, belegen, dass mehr als 90 Prozent der ALS-Patienten kei- neswegs einen qualvollen Tod durch Ersticken erleiden, sondern dass sie friedlich sterben und die Ange- hörigen palliativmedizinische Maß- nahmen zu schätzen wissen. Doch häufig sind die Möglichkeiten ei- ner guten Schmerztherapie und ei- ner einfühlsamen psychotherapeu- tischen Begleitung noch nicht gege- ben oder nicht bekannt. So sind in Deutschland palliativmedizinische Inhalte bisher weder im Medizin- studium noch in der Weiterbildung Pflicht. Gisela Klinkhammer

Aktive Sterbehilfe

Ein Menschenrecht?

R

uhe an der „Gesundheitsfront“

hat sich Bundeskanzler Gerhard Schröder für den Bundestagswahl- kampf 2002 gewünscht. Daraus wird nichts. Stattdessen kristallisiert sich der Streit über die Ausgestaltung des Gesundheitssystems als ein zentrales Wahlkampfthema heraus. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mischt mit. Unter dem Motto „Für eine gesunde Reform“ will ver.di als

„Versichertenorganisation“ bundes- weit Flagge zeigen und mit Großver- anstaltungen und Diskussionen mit Politikern auf die Probleme im Ge- sundheitswesen hinweisen.

Im Gesundheitssystem sei genug Geld vorhanden, bemühte ver.di- Chef Frank Bsirske bei der Vorstel- lung der Kampagne in Berlin eine alt- bekannte These. Es müsse nur bes- ser eingesetzt werden. Unverzicht-

bar sei die Beibehaltung der paritä- tischen Finanzierung der Gesetzli- chen Krankenversicherung (GKV).

Die Gewerkschaft werde es nicht zu- lassen, dass sich die Arbeitgeber aus der Verantwortung stehlen und ihren Beitrag zur Krankenversiche- rung einfrieren, so Bsirske.

ver.di greift auch eine alte Forde- rung der Ärzteschaft auf und plä- diert für das Ende der Verschiebe- bahnhofpolitik zulasten der GKV.

Die Krankenkassen müssten von versicherungsfremden Leistungen, wie etwa dem Mutterschaftsgeld, be- freit werden. Diese Ausgabenblöcke seien nicht Sache der Versicherten- gemeinschaft, sondern der Allge- meinheit, folglich der Steuerzahler.

Beim Thema Grund- und Wahl- leistungen ist es dann aber auch schon vorbei mit der Ärztefreundlichkeit:

Mit Wahlleistungen wolle die Ärzte- schaft nur über Privatabrechnungen an den Geldbeutel der Patienten, un- terstellte der Gewerkschaftsfunktio- när. Bei vergangenen Gesundheits- reformen hätten es die Ärzte ge- schafft, dass sich die Versicherten mit ihnen gegen die Krankenkassen soli- darisierten. Die Kassen müssten des- halb stärker als bisher als Interessen- vertreter der Versicherten auftreten.

Bsirske übersieht, dass der medi- zinische Sachverstand beim Arzt liegt. Dass sich Ärzte und Patienten solidarisieren, zeigt nur, wie dicht die Forderungen der Ärzteschaft an den Interessen der Patienten liegen.

Für die Krankenkassen ist der Versi- cherte in erster Linie eine ökonomi- sche Größe. Als Anwälte des Pati- enten sind sie deshalb denkbar un-

geeignet. Samir Rabbata

Gewerkschaft

„Gesunde Reform“

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Hier den Ärzten die Schuld zu geben wäre völlig unange- bracht, das hat allein eine ver- fehlte Politik zu verantwor- ten: Es wird aber in Zukunft dazu beitragen, die

Sollte sich die Selbstver- waltung nicht einigen, müsse die Gesamtvergütung aufge- stockt werden.. Zu erwägen sei, „ein Budget in diesem Be- reich vollständig zu

Konkret folgt aus dem Frankfur- ter Beschluß, daß in entsprechenden Fällen die Einstellung einer künstli- chen Ernährung mittels PEG gerecht- fertigt sein kann, wenn es dem Willen

Laut einer aktuellen Umfrage sprechen sich über 80 Prozent der Befragten in Deutschland dafür aus, dass die Wasserversorgung in öffentlicher Hand bleibt. Die Kampagne läuft noch

Bleibt zu hoffen, dass sich aus dieser Misere eine neue Ärz- tegeneration erhebt, die das nicht mehr mit sich machen lässt und dafür sorgt, dass ein Stand wieder die Achtung er-

weites Forschungsprojekt zeigte, dass Ausschrei- bungs- und Quotenmodelle wie sie in Großbri- tannien und den Niederlanden verbreitet waren, weder zu einem nennenswerten Ausbau der

„Eines weiß ich genau: Mit der Würde des Menschen ist es unvereinbar, eine kranke und sterbende Frau, die sich nicht mehr dagegen wehren kann, in den Medien zur Schau zu

Aktive Sterbehilfe auch auf ausdrücklichen Wunsch des Sterbenden sei mit Recht strafbar und dürfe auch Ärzten nicht ge- stattet sein, hat Bundesju- stizminister Hans A.. Engel-