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Archiv "Krankenhäuser: Geschröpft, aber lebensfähig" (23.03.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 12⏐⏐23. März 2007 A751

P O L I T I K

N

achdem die Krankenhäuser bereits in den vergangenen Jahren durch milliardenschwere Kos- tendämpfungsprogramme belastet wurden, zieht der Gesetzgeber die Daumenschrauben mit dem GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV- WSG) noch ein wenig fester an.

Diesmal wird den Kliniken ein Son- deropfer in Höhe von etwa 380 Mil- lionen Euro abverlangt. Zur Er- klärung heißt es lapidar: „Um die Krankenhäuser als größten Ausga- benfaktor der GKV, der in der Ver- gangenheit überproportionale Aus- gabenzuwächse aufwies, angemes- sen an der Stabilisierung der gesetzli- chen Krankenversicherung zu betei- ligen, werden sie zu einem soge- nannten Sanierungsbeitrag herange- zogen.“ Da ist es ein kleiner Trost, dass dieses Sonderopfer um rund 120 Millionen Euro geringer ausfällt, als noch in den Eckpunkten vorgesehen.

Der Sanierungsbeitrag ergibt sich aus folgenden Maßnahmen:

>Bei gesetzlich krankenversi- cherten Patienten, die nach dem

31. Dezember 2006 entlassen wer- den, ist von den Krankenhäusern ein Abschlag in Höhe von 0,5 Prozent des Rechnungsbeitrags vorzuneh- men und auf der Rechnung des Krankenhauses auszuweisen. Die- ser Abschlag ist zeitlich begrenzt. Er gilt bis zum Inkrafttreten neuer ge- setzlicher Finanzierungsregelungen für die Krankenhäuser, also voraus- sichtlich bis zum Ablauf der DRG- Konvergenzphase Ende 2008 (DRG

= Diagnosis Related Groups).

>Die Mindererlösquote wird ge- senkt. Krankenhäuser, die weniger Leistungen erbringen, als in den Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen vereinbart, erhielten bisher für die Finanzierung der Vor- haltekosten einen Anteil in Höhe von 40 Prozent der nicht erzielten Erlöse von den Krankenkassen.

Dieser Anteil wird als Bestandteil des Sanierungsbeitrags rückwir- kend zum 1. Januar 2007 auf 20 Pro- zent gesenkt. Dadurch steigt der An- reiz, realistische Fallzahlen mit den Krankenkassen zu vereinbaren.

>Für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung haben die Krankenkassen auch bei den Krankenhäusern Mittel einbehalten.

Für die nicht zweckgebunden ver- wendeten Gelder besteht eigentlich eine Rückzahlungspflicht. Diese wird für die Vergangenheit gestri- chen. Nicht verwendete Mittel für die Jahre 2004 bis 2006 verbleiben somit bei den Krankenkassen.

Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) belaufen sich die daraus resultieren- den zusätzlichen Belastungen für die Krankenhäuser auf 380 Millio- nen Euro. Davon entfallen 230 Mil- lionen Euro auf die Kürzung der Krankenhausrechnungen und 150 Millionen Euro auf die beiden ande- ren Maßnahmen. Die Rechtferti- gung für die Zwangsabgabe sei nicht nachvollziehbar, betont DKG- Hauptgeschäftsführer Georg Baum.

So habe der stationäre Sektor im Jahr 2006 mit einer Steigerungsrate von 2,7 Prozent je Mitglied in der Größenordnung der Steigerungsrate bei den durchschnittlichen GKV- Gesamtausgaben (2,6 Prozent je Mitglied) gelegen.

Das Sonderopfer wird den Kran- kenhäusern zu einem Zeitpunkt ab- verlangt, zu dem sie ohnehin außer- gewöhnliche Belastungen zu bewäl- tigen haben. So haben jüngst mehr als 1 000 Krankenhäuser mit Belas- KRANKENHÄUSER

Geschröpft, aber lebensfähig

Die meisten Krankenhäuser können den „Sanierungsbeitrag“ verkraften, weil sie im Gegenzug mehr ambulante Leistungen anbieten dürfen.

DKG-Protest vor dem Bundesrat:

den „Sanierungs- beitrag“ zwar nicht verhindert, aber zu- mindest reduziert

Foto:Vario Images

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A752 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 12⏐⏐23. März 2007

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tungsanalysen nachgewiesen, dass ihre Kosten im Jahr 2007 wegen der Tarifabschlüsse, der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes und der Mehr- wertsteuererhöhung um mindestens fünf Prozent steigen werden. Hinzu kommt, dass die Krankenhäuser in- folge des Arzneimittelversorgungs- Wirtschaftlichkeitsgesetzes allein im Jahr 2007 rund 330 Millionen Euro Einsparungen für die Krankenkas- sen erbringen müssen. Zudem sind die Energiekosten gestiegen. Bei ei- ner gesetzlich zugestandenen Bud- getsteigerungsrate von nur 0,28 Pro- zent in den alten und 1,05 Prozent in den neuen Bundesländern, hätte sich die ohnehin kritische Finanzlage vieler Krankenhäuser also auch oh- ne den zusätzlichen Sanierungsbei- trag noch einmal deutlich verschärft.

Nicht wenige Krankenhäuser dro- hen wegen der zusätzlichen Belas- tungen aus dem GKV-WSG selbst zu Sanierungsfällen zu werden. Um dies zu verhindern, müssen sie ihre Ausgaben reduzieren und die Ein- nahmen steigern. Zu erwarten ist da- her, dass die Krankenhäuser weiter Personal abbauen. Dies dürfte aller- dings wie in den vergangenen Jahren vor allem im Pflegedienst geschehen – erfordert doch die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes die Einstellung von Ärzten. Zusätzliche Einnahmen können die Krankenhäuser im am- bulanten Bereich erzielen. Denn hier eröffnet das GKV-WSG vielverspre- chende Möglichkeiten bei den hoch spezialisierten Leistungen.

§ 116 b SGB V öffnet die Kran- kenhäuser in besonderen Fällen für die ambulante Versorgung. Im Zuge der Gesundheitsreform werden die Möglichkeiten deutlich erweitert und die Krankenhäuser berechtigt, mit hoch spezialisierten Leistungen zur Behandlung seltener Erkrankun- gen und bei Erkrankungen mit be- sonderen Krankheitsverläufen an der ambulanten Versorgung teilzu- nehmen – „wenn und soweit das Krankenhaus im Rahmen der Kran- kenhausplanung des Landes auf An- trag des Krankenhausträgers dazu bestimmt worden ist“. Bislang durf- ten Ärzte in Krankenhäusern ambu- lante Leistungen nur dann erbringen, wenn sie dazu vom Zulassungsaus- schuss ermächtigt worden waren.

Somit können die Krankenhaus- träger künftig im engen Zusammen- spiel mit den für die Krankenhaus- planung des Landes Verantwortli- chen eine entsprechende Teilnahme an der ambulanten Versorgung ver- einbaren. Da die Krankenhausträger zusätzliche außerbudgetäre Einnah- men generieren wollen und die Län- der kein Interesse daran haben, ihnen diese zu verweigern, ist mit vielen Anträgen und Zulassungen zu rech- nen. Eine Bedarfsprüfung erfolgt da- bei nicht, die Öffnung der Kranken- häuser erfolgt also unabhängig von der ambulanten Bedarfsplanung. Die Vergütungen der Leistungen werden in den Jahren 2007 und 2008 nach einem durchschnittlichen Punktwert aus den Quartalsabrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung be- rechnet. Regelleistungsvolumen-Be- schränkungen sind nicht vorgesehen.

Ab 2009 sollen die ambulanten Leis- tungen dann mit dem Preis für den Regelfall der Euro-Gebührenord- nung vergütet werden. Dies gilt auch in überversorgten Gebieten.

Konkurrenz für die

niedergelassenen Fachärzte Als einziges komplettes Fachgebiet der Medizin führt der Leistungskata- log des § 116 b SGB V die Onkolo- gie auf. „Menschen, die an schweren oder seltenen Krankheiten leiden und eine spezialisierte Versorgung benötigen – vor allem Krebspatien- ten – sollen eine bestmögliche Be- handlung erhalten“, erläutert das Bundesgesundheitsministerium. Der Berufsverband der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO) hält diese Ar- gumentation für vorgeschoben: „Die Annahme, dass Krankenhausam- bulanzen grundsätzlich über eine bessere Struktur- und Prozessqua- lität als Vertragsarztpraxen verfü- gen, ist durch Fakten nicht zu bele- gen und schlichtweg falsch“, betont der BNHO-Vorsitzende, Priv.-Doz.

Dr. med. Stephan Schmitz. „Eine Versorgungslücke gibt es nicht.“ Ei- gentliches Ziel von Ministerin Ulla Schmidt sei es, die von ihr seit Jah- ren bekämpfte, weil angeblich zu teure „doppelte Facharztschiene“

aufzuheben. Die bundesweit rund 320 onkologischen Schwerpunkt-

praxen hätten kein Problem damit, sich dem neuen Wettbewerb mit den Krankenhausambulanzen zu stellen, unterstreicht Schmitz – „dies gilt aber nur, wenn er zu gleichen und fairen Bedingungen stattfindet“.

Auch die Kassenärztliche Bun- desvereinigung (KBV) spricht von einer „verfassungs- und gemein- schaftsrechtlich nicht haltbaren Bes- serstellung von Krankenhäusern ge- genüber niedergelassenen Fachärz- ten“. Sowohl beim Zugang als auch bei der Vergütung würden die Kran- kenhäuser gegenüber den niederge- lassenen Fachärzten bevorzugt. Die KBV verweist darauf, dass die Kli- niken ihre ambulanten Leistungen unabhängig von der Bedarfsplanung erbringen können, dass sie ohne Re- gelleistungsvolumen-Beschränkun- gen nach Durchschnittspunktwerten vergütet werden und dass sie ab 2009 auch in überversorgten Gebie- ten die Regelvergütung erhalten.

„Die Fachärzte haben einen er- heblichen finanziellen Nachteil“, ergänzt Dr. med. Werner Baumgärt- ner, Vorsitzender des Ärzteverbunds MEDI. Ärzte, die sich niederlassen, müssten für den Praxiseinstieg viel Geld bezahlen. Für die Kliniken ent- falle diese finanzielle Belastung.

„Dabei werden viele Krankenhäuser aus öffentlichen Mitteln bezuschusst, wohingegen die niedergelassenen Ärzte ihr unternehmerisches Risiko selbst tragen müssen.“ Auch Baum- gärtner wirft der Bundesregierung vor, die mittelständischen Strukturen der Facharztpraxen gezielt zu zer- stören: „Die politisch Verantwortli- chen kennen die Konsequenzen.“

Den Krankenhäusern wird die Kritik der niedergelassenen Ärzte egal sein. Um die gestiegenen Be- lastungen bewältigen zu können, sind sie darauf angewiesen, die neu- en Einnahmequellen zu erschließen.

Und sie können sich dabei sogar auf die lukrativen Fälle konzentrieren.

Denn eines ist auch klar: Patienten, deren ambulante Weiterbehandlung sich für die Kliniken nicht „rech- net“, werden wie bisher an die nie- dergelassenen Kollegen überwiesen.

„Wir behandeln schließlich jeden Patienten“, stellt der BNHO-Vorsit- zende Schmitz resigniert klar. I Jens Flintrop

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