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Archiv "Krankenhäuser: Monistische Finanzierung belastet Kassen" (22.10.1999)

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reh- und Angelpunkt der ge- planten Gesundheitsreform ist eine grundlegende Revisi- on der geltenden Krankenhausfinan- zierung und die strikte Einbindung des stationären Sektors in die Ausga- bendisziplin und in den Beitragssta- bilitätspakt. Aber gerade die stufen- weise Umstellung der seit 1972 mit Inkrafttreten des Krankenhausfinan- zierungsgesetzes (KHG) geltenden dualistischen Finanzierung auf Fi- nanzierungsmonistik ab dem Jahr 2008 ist bei gedeckelten sektoralen Ausgabenbudgets und Globalbudge- tierung nicht ohne eine erneute fi- nanzielle Belastung sowohl der Kran- kenhausträger als auch der Kranken- kassen verkraftbar.

Nach Einschätzung von Kran- kenhausexperten, die vor dem Bun- destagsausschuß für Gesundheit an- läßlich des öffentlichen „Hearing“

Ende September in Berlin die Finan- zierungsrechnung des Gesetzentwurfs kritisch analysierten, sind bei ge- deckelter monistischer Finanzierung rund 20 bis 30 Milliarden DM Investi- tionsvolumen bisher ohne finanzielle Deckung. Sowohl die Deutsche Kran- kenhausgesellschaft e.V. (DKG), Düsseldorf, als auch der Marburger Bund lehnen die Umstellung der Fi- nanzierung auf Monistik (also aus- schließlich zu Lasten der Kranken- kassen) ab, insoweit keine gesicher- ten, seriösen Finanzierungsrechnun- gen diesem Kraftakt zugrunde gelegt werden. Für die Deutsche Kranken- hausgesellschaft sind verläßliche ge- setzliche und finanzielle Rahmenbe- dingungen für notwendige Investi- tionsentscheidungen im stationären

Sektor bei schieflastigen Finanzie- rungsvoraussetzungen nicht mehr ge- geben, wenn die Bundesländer sich vollends ihrer Einstandspflicht für die Investitionskosten im Kliniksek- tor entledigten und diese zugleich von ihrer Verantwortung für die Krankenhausangebotsplanung und Letztverantwortung für die Sicher- stellung zurückziehen. An ihre Stelle träte der noch mehr aufs Sparen ver- sessene Finanzier Krankenkassen.

In der Tat: Die Umstellung auf Finanzierungsmonistik und die Verla- gerung der Vertrags- und Entschei- dungskompetenzen auf die Kranken- kassen bedeutet für die Krankenhäu- ser eine kopernikanische Trendwen- de, ähnlich wie sie das Krankenhaus- finanzierungsgesetz von 1972 bei der Einführung der Dualistik bewirkt hat.

Finanzierung auf schwankendem Boden

Für die Finanzierungsmonistik sprechen zwar manche überzeugend klingende ordnungs- und gesund- heitspolitische Gesichtspunkte. Al- lerdings setzt die Realisierung eine planbare Finanzierung auf Dauer voraus, damit die Krankenhäuser ihren Versorgungsauftrag weiter er- füllen können. Dies ist aber, so wie sich die Finanzierung und Gegenfi- nanzierung darstellen, nicht gesi- chert. Vor allem können die erwarte- ten und unterstellten Kosteneinspa- rungen und Realisierungsreserven nicht belegt werden, jedenfalls nicht in dem Umfang realisiert werden, wie optimistische Schätzungen unterstel-

len. Oftmals wird behauptet, in den Leistungssektoren, so auch im Kli- nikbereich, gebe es bis zu zehn Pro- zent Sparreserven, die es zu mobili- sieren gilt. Diesen Erwartungen stell- te der Krankenhausexperte des Nie- dersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales, Ltd. Mi- nisterialrat Dr. jur. Ernst Brucken- berger, Hannover, verblüffende Zah- len und Argumente entgegen:

c Damit die Bundesländer bis zum Jahr 2008 – dem Beginn der Monistik – noch Haushaltsmittel nach dem Krankenhausfinanzie- rungsgesetz zur Verfügung stellen können, müßte die Letztverant- wortung der Bundesländer für die Feststellung und Durchführung der Krankenhausangebotsplanung zumindest formal weiterbestehen bleiben.

c Ungeklärt sind wichtige Fra- gen der Umsetzung des Global- budgets auf Landesebene, der Ein- führung der landesweiten Gesamt- vergütung und der Verlagerung der Entscheidungs- und Planungskom- petenzen auf die Krankenkassen.

Die Finanzierungsspielräume für die Finanzierungsmonistik werden bei gedeckelten Budgets noch enger.

Damit die Bundesländer bis zum Jahr 2008 noch Haushaltsmittel nach dem KHG zur Verfügung stel- len können, müßte formal die Letzt- verantwortung der Länder für die Festlegung und Durchführung der Krankenhausplanung vorerst weiter gelten.

c Die nach dem KHG vorgese- henen Mittel für die Pauschalförde- rung zur Finanzierung kurzfristiger A-2637

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 42, 22. Oktober 1999 (17)

Krankenhäuser

Monistische Finanzierung belastet Kassen

Rund 20 bis 30 Milliarden DM Investitionsvolumen bisher ohne Deckung

D

(2)

Anlagegüter – mit einer Nutzung von drei bis 15 Jahren – in Höhe von zur Zeit 2,3 Milliarden DM (Basis: 1998) sei nicht solide berechnet worden, so die Krankenhausgesellschaft. Der Betrag müßte nach Schätzung des Kranken- hausexperten Bruckenberger bereits jetzt verdoppelt werden, wenn man den im Krankenhausfinanzierungsge- setz verankerten umfassenden Rechts- anspruch der Versicherten auf stationä- re Krankenhausleistungen weiter gel- ten läßt und man betriebswirtschaftlich kalkulierte Beträge für eine nutzungs- gerechte Wiederbeschaffung der Anla- gegüter mit kurzfristiger Lebensdauer entsprechend berücksichtigt. Auch läßt die Finanzierungsrechnung den auch in Zukunft ungebremsten technologi- schen und medizinischen Fortschritt unberücksichtigt. Dies gilt insbesonde-

re für die im Krankenhaus zunehmend angewandte Technik der Telemedizin, der Robotik und der zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung der Leistungsprozesse im Kranken- haus, vor allem in der Verwaltung.

Nach Berechnungen von Bruckenber- ger müßte allein im Bereich der kurz- fristigen Anlagegüter bei einer Einbin- dung der Universitätskliniken in die Finanzierungsmonistik der von den Krankenkassen aufzubringende Finan- zierungsbetrag um weitere 0,4 Milliar- den DM erhöht werden.

Für die Einzelförderung der Krankenhäuser, die im Jahr 1998 rund 4,5 Milliarden DM betrug, müßten die Krankenkassen ab dem Jahr 2008 ei- nen Betrag von 2,8 Milliarden DM zu-

sätzlich bereitstellen und über die Budgets und Pflegesätze „bedienen“.

c Bei der Einzelinvestitionsför- derung wären die Krankenhäuser mit einer „Eigenquote“ in Höhe von min- destens 1,7 Milliarden DM ab dem Jahr 2008 beteiligt. Im Jahr 1998 be- trug die Einzelförderung 4,5 Milliar- den DM. Zu diesem Betrag sollen die Krankenkassen nach dem Gesetzes- vorhaben ab dem Jahr 2008 ein Fi- nanzierungsvolumen von 2,8 Milliar- den DM zusätzlich bereitstellen. Hin- zu kommt: Die derzeitige Höhe der Krankenhausfinanzierung ist von Land zu Land sehr unterschiedlich.

Länder mit einem überdurchschnittli- chen Engagement bei der Kranken- hausfinanzierung – so etwa Mecklen- burg-Vorpommern, das für die Ein- zelförderung im Durchschnitt 24 152 DM je Planbett bereitstellt (zum Ver- gleich: Nordrhein-Westfalen: 2 980 DM je Planbett) – würden besonders be- nachteiligt, falls alles wie bisher wei- terläuft. Würden die Hochschulklini- ka ebenfalls in die monistische Finan- zierung einbezogen werden (was bis- her nicht beabsichtigt ist), worauf der Wissenschaftsrat und der Kulturaus- schuß des Bundesrates drängen, müß- te der Betrag der Einzelinvestitions- förderung ab 2008 um mindestens 1,3 Milliarden DM aufgestockt werden.

c Unterstellt man, daß die Bun- desländer das derzeitige Finanzie- rungsvolumen für die Einzelförderung bis zum Ende der stufenweisen Umstel- lung zum 31. Dezember 2007 aufrecht- erhalten, müßten sie ab dem Jahr 2008 noch 15 Milliarden DM finanzieren.

Dies ist eine Folge der bereits erteilten Bewilligungsbescheide der Länder. Die durchschnittliche Finanzierungsdauer bei größeren Baumaßnahmen im Krankenhaussektor liegt bei rund vier Jahren. Bruckenberger räumt ein, daß die Länder dies jedoch vermeiden könnten. Sie müßten dann entweder ab dem Jahr 2003 keine weiteren neuen Maßnahmen in die Klinikinvestitions- programme aufnehmen, oder aber der Gesetzgeber verpflichtet die Kranken- kassen, den von den Ländern noch nicht „ausfinanzierten“ Betrag zusätz- lich zu übernehmen. Letzterer Alterna- tive steht allerdings der Grundsatz der strikten Beitragssatzstabilität entge- gen. Die Finanzierung dieser Inve- stitionskosten ginge demnach aus-

schließlich zu Lasten der Benutzerko- sten. Die Krankenhäuser würden ver- anlaßt, höhere Pflegesätze bei den Krankenkassen anzusetzen, allerdings mit relativ geringen Durchsetzungs- möglichkeiten. Das Finanzierungsge- schäft ginge dann zu Lasten der Sub- stanz oder einer noch stärker belaste- ten Personalkostenfinanzierung.

Zufüttern erforderlich

c Auch nach Inkrafttreten der Finanzierungsmonistik werden die Krankenhäuser veranlaßt, Baumaß- nahmen wie bisher teilweise aus Ei- genmitteln (also außerhalb des KHG) zu finanzieren. 1998 steuerten die Krankenhäuser dafür insgesamt 2,5 Milliarden DM bei, vor allem Klinik- träger in öffentlich-rechtlicher Hand.

c Der Investitionsstau wird bei der Finanzierungsmonistik noch wei- ter vergrößert. Experten veranschla- gen für den Investitionsstau einen Be- trag von 50 Milliarden DM, wenn man beispielsweise die von Bayern aufge- brachten Finanzierungsmittel je Plan- bett heranzieht (1972 bis 1998). Legt man dagegen Bundesdurchschnitts- werte zugrunde, würde der Investiti- onsstau noch rund 15 Milliarden DM betragen (Basis: 1998). Auf Nord- rhein-Westfalen und Niedersachsen entfiele dabei der höchste Anteil.

c Ab 2008 müßten die Kranken- hausinvestitionen auch über den Ka- pitalmarkt finanziert werden. Von den gedeckelten landesweiten Gesamtbe- trägen zur Finanzierung der Klinik- investitionskosten verblieben dann den Krankenhäusern nur zwei Drittel, weil ein Drittel des Volumens für den Kapitaldienst dann aufgewandt wer- den müßte.

Sowohl die Deutsche Kranken- hausgesellschaft als auch der Marbur- ger Bund sind pessimistisch, daß ab dem Jahr 2008 die Finanzierung von großen Klinikbaumaßnahmen gesi- chert ist. Bruckenberger schätzt, daß mehr als elf Prozent aller Gesamtfi- nanzierungskosten zusätzlich über Ei- genmittel oder über Zuschüsse durch die Krankenhäuser finanziert werden müßten. Dies fördere die Konzentra- tion und die Privatisierung öffentlich- rechtlicher und freigemeinnütziger Krankenhäuser. Dr. Harald Clade A-2638

P O L I T I K LEITARTIKEL

(18) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 42, 22. Oktober 1999 Tabelle

Fehlende Investitionsmittel im Kranken- haussektor ab 2008

• Erhaltungsaufwand in Höhe von jährlich rund 1 Milliarde DM

• Pauschalförderung in Höhe von jährlich rund 2,3 Milliarden DM

• Einzelförderung in Höhe von jährlich rund 4,5 Milliarden DM

• „Ausfinanzierung“ in Höhe von rund 15 Milliarden DM

• Eigenbeteiligung in Höhe von jährlich rund 2,5 Milliarden DM

• Investitionsstau in Höhe von rund 15 Milliarden DM

Quelle: Ernst Bruckenberger, Oktober 1999

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