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Archiv "Kein Systemwechsel im Steuerrecht: Steuerentlastung um 13 Milliarden DM: ein politischer Kompromiß" (08.08.1974)

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Die Information:

Bericht und Meinung

NACHRICHTEN

Zum ersten Mal seit Mitte der sechziger Jahre werden breite Schichten der Bevölkerung steuer- lich entlastet. SPD/FDP-Koalition und CDU/CSU-Opposition haben sich nach monatelangem Ringen auf Steuererleichterungen um ins- gesamt rund 13 Milliarden Mark von 1975 an geeinigt. Der Betrag liegt um etwa zwei Milliarden Mark über der Summe, die von der Bun- desregierung bislang für vertretbar gehalten worden war. (Einen Ge- samtüberblick über die beschlos- senen Änderungen des Steuer- rechts finden sie auf den Seiten 2397 und 2398 der vorliegenden Ausgabe.) Mit diesem politischen Kompromiß haben sowohl Koalition wie Opposition gemeinsam die Verantwortung dafür übernommen, daß die enormen Steuerausfälle der nächsten Jahre in den Haushal- ten von Bund, Ländern und Ge- meinden verkraftet werden.

Die Auffassung, daß es hier weder Sieger noch Besiegte gebe, ist — sieht man auf das gesamte Geset- zespaket — wohl richtig. Aus der politischen Schlußrunde ging die Opposition jedoch eindeutig als Punktsieger hervor. Finanzminister Apel hat lange gezögert, das Ver- handlungsergebnis mitzutragen;

dabei sah er sich ausschließlich in der Rolle des Etatministers und nicht in der des Steuerreformers.

Apel weiß heute noch nicht, wie er die Haushaltsdefizite der nächsten Jahre abdecken soll.

Die eigentlichen Verlierer in die- sem Pokerspiel um die Steuerre- form sind die Gleichheitsapostel in der SPD. Sie haben ihr Ziel, durch die Änderung des Abzugsverfah- rens bei den Vorsorgeaufwendun- gen und beim Arbeitnehmerfreibe- trag das Steuerrecht auf Gleichheit zu trimmen, nicht erreicht. Der Sy- stemwechsel gelang nur beim Fa- milienlastenausgleich, der aller- dings nun ganz aus dem Steuer-

recht herausgelöst ist. Künftig zah- len die Arbeitsämter monatlich für jedes erste Kind 50 Mark, für jedes zweite Kind 70 Mark und für jedes dritte und weitere Kind 120 Mark.

Die Kinderfreibeträge verschwin- den. Die CDU/CSU trägt diesen Sy- stemwechsel beim Kindergeld mit, obwohl gerade unter ihren Steuer- politikern viele schon darin den

„Sündenfall" sehen.

Um so entschiedener haben sie sich gegen jede weitere System- umstellung im Steuerrecht ge- wandt. Dabei nehmen sie bewußt in Kauf, daß die nun gefundene Lö- sung bei den Vorsorgeaufwendun- gen auch nicht voll befriedigend ist. Mit Blick auf die zu erwar- tenden Steuerausfälle sind die Höchstbeträge für die Berücksich- tigung von Vorsorgeaufwendungen nur um 50 Prozent angehoben wor- den. Diese Höchstbeträge werden bei Ledigen und Ehepaaren, von denen beide Partner berufstätig sind, nicht ausreichen. Dabei muß aber gesehen werden, daß sich Steuersätze und Höchstbeträge verhältnismäßig leicht korrigieren lassen. Eine grundlegende System- umstellung dagegen wäre kaum rückgängig zu machen.

Ziel des von der Koalition ange- strebten Abzugsverfahrens bei den Sonderausgaben und beim Arbeit- nehmerfreibetrag war es doch, die steuerlich zulässigen Abzüge trotz progressiv wirkender Steuersätze zu nivellieren. Im Ergebnis führt dies zu einer Verschärfung des Progressionseffekts- des Steuer- rechts und damit zu einer Auswei- tung der Umverteilung der Lei- stungseinkommen, und zwar zu La- sten aller derjenigen Bürger, die

überdurchschnittlich verdienen. Das jetzt weiter geltende Abzugssysem vom Einkommen vor Anwendung des Steuertarifs begünstigt eben nicht die Reichen, sondern gewähr- leistet die gleichmäßige Besteue-

rung, gemessen an der steuer- lichen Leistungsfähigkeit des einzelnen. Das von der Koalition erfolglos verfochtene Abzugsy- stem — einheitlich 22 Prozent von der Steuerschuld — würde dagegen alle Steuerpflichtigen benachteili- gen, die mehr als 16 000/32 000 Mark (Ledige/Verheiratete) verdie- nen. Wenn dieses Prinzip erst ein- mal für die Vorsorgeaufwendungen und beim Arbeitnehmerfreibetrag eingeführt worden wäre, so hätte es sich schrittweise im gesamten Steuerrecht durchgesetzt.

Die Beibehaltung des geltenden Abzugssystems, von der Union durchgesetzt, ist also von weitrei- chender prinzipieller Bedeutung.

Der Angriff der Gleichheitsideolo- gen auf das Steuerrecht scheint je- denfalls vorerst abgeschlagen; es bleibt im Grundsatz bei der Be- steuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit. Die Beseitigung der Kinderfreibeträge ist freilich mehr als nur ein Schönheitsfeh- ler.

Dennoch wird die Umverteilung der Leistungseinkommen auch mit die- sem Steuergesetz ausgeweitet. Die Entlastung kommt ausschließlich den Beziehern kleinerer und mittle- rer Einkommen und vor allem den Familien mit einem und zwei Kin- dern zugute. Hohen Einkommen wird eine höhere Steuer abver- langt. (Beachten Sie auch die ver- gleichenden Modell-Berechnungen auf der nebenstehenden Seite so- wie weitere Berechnungsbeispiele auf Seite 2398.) So wird die Pro- gression in der Spitze bis auf 56 Prozent (unter Fortfall der Ergän- zungsabgabe) gebracht. Die gezahl- te Vermögenssteuer ist auch nicht mehr als Sonderausgabe abzugs- fähig. Hinzu kommt, daß der Ver- mögenssteuersatz für juristische Personen, also für Unternehmer, wieder auf 'ein Prozent angehoben wird. Die Vermögensteuer soll 1,6 Milliarden DM mehr bringen. Ge- rade für mittlere Betriebe und für die Selbständigen kann sich dies als eine schwere, zu schwere Last erweisen. wst

Kein Systemwechsel im Steuerrecht

Steuerentlastung um 13 Milliarden DM: ein politischer Kompromiß

2356 Heft

32 vom

8. August 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung

Die Einkommensteuerbelastung bei Angehörigen der freien Berufe (Ärzte) nach geltendem Recht (einschließlich Ergänzungsabgabe)') und nach dem

Einkommensteuerreformgesetz, dargestellt an Einzelbeispielen 1975

Modellfall I : Selbständiger Arzt über 50 Jahre, verheiratet ohne Kinder; Ehefrau als Arzthelferin in der Praxis tätig

Jahreseinkünfte Geltendes Recht Reform

Ehemanne) Geleistete Berücksich- Einkommen- Berücksich- Einkommen- Jahresgehalt Vorsorge- tigungsfähige steuer tigungsfähige steuer Ehefrau aufwendungen 3) Vorsorge einschl. Vorsorge-

Ergänzungsabg. aufwendg.

DM DM DM DM DM DM

Entlastung (-) bzw.

Mehrbelastung (+)

in DM in Prozent

1 2 3 4 5 6

Ehemann 60.000 Ehefrau 18.000 Ehemann 100.000 Ehefrau 18.000 Ehemann 150.000 Ehefrau 18.000 Ehemann 200.000 Ehefrau 18.000 Ehemann 275.000 Ehefrau 18.000

6.980 20.394 6.780 19.536

6.980 38.060 6.780 37.542

6.980 62.100 6.780 61.854

6.980 87.032 6.780 87.520

6.980 125.725 6.780 127.124

- 858 - 4,2 - 518 - 1,4 - 246 - 0,4 + 488 + 0,6 + 1.399 + 1,1 7.525

2.655 7.525 2.655 7.525 2.655 7.525 2.655 7.525 2.655 1) ohne Kirchensteuer

2) Freibetrag von 1.200 DM berücksichtigt

3) Die Vorsorgeaufwendungen wurden in der Höhe angesetzt, die zur Ausschöpfung des Höchstbetrages nach geltendem Recht erforderlich ist. Darüber hinausgehende Aufwendungen sind ohne steuerliche Auswirkungen

Modellfall II : Selbständiger Arzt unter 50 Jahre, verheiratet, zwei Kinder;

Ehefrau nicht berufstätig

Geltendes Recht Reform

Geleistete Berücksich- Einkommen- Berücksich- Einkommen- Jahreseinkünfte 2) Vorsorge- tigungsfähige steuer tigungsfähige steuer 4 )

aufwendungen 3) Vorsorge einschl. Vorsorge- Ergänzungsabg.l) aufwendg.

DM DM DM DM

6.800 6.800 6.800 6.800 6.800 DM

60.000 100.000 150.000 200.000 275.000

DM 8.745 12.600 12.600 12.600 12.600

12.520 29.101 52.408 77.039 115.441

8.272 10.200 10.200 10.200 10.200

10.808 26.824 50.436 75.628 115.000

- 1.712 - 13,7 - 2.277 - 7,8 - 1.972 - 3,8 - 1.411 - 1,8 - 441 - 0,4

Entlastung

in DM in Prozent

1) ohne Kirchensteuer

2) Freibetrag von 1200 DM berücksichtigt

3) Die Vorsorgeaufwendungen bei Einkünften von 60.000 DM sind in Höhe der Beiträge der Sozialversicherung und eines Zuschlags von 7 Prozent der Einkünfte angesetzt. Bei den Einkünften ab 100.000 DM sind die Vorsorgeaufwendungen in der Höhe angesetzt, die zur Ausschöpfung des Höchstbetrages nach neuem Recht erforderlich ist. Darüber hinaus geleistete Beträge bleiben steuerlich unwirksam

4) Unter Berücksichtigung des Kindergeldes

Anmerkung: Andere Einkünfte wurden nicht berücksichtigt, weil nur eine schematische Darstellung gegeben werden soll

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 32 vom 8. August 1974 2357

Referenzen

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