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Archiv "Ausweitung von aut idem: Das Kreuz mit dem Kreuz" (03.08.2009)

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A1554 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 31–32⏐⏐3. August 2009

D

ass die großen Pharmaver- bände gemeinsam für eine Sache streiten, ist selten. Umso be- merkenswerter ist es, dass sich der Bundesverband der Pharmazeuti- schen Industrie, der Bundesverband der Arzneimittelhersteller, Pro-Ge- nerika und der Verband Forschen- der Arzneimittelhersteller (VFA) zusammengetan haben, um gegen Bestrebungen von Bundesregierung, Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung und AOK zu protestieren, die gesetzliche Aut- idem-Regelung neu zu interpretie- ren. Dadurch sei die Sicherheit von Patienten gefährdet, warnen die Verbände.

Zum Hintergrund: Das Bundes- gesundheitsministerium sowie die Krankenkassen sind der Auffas- sung, dass die Apotheken nach der Aut-idem-Regelung ein Original- präparat auch dann durch ein wirk- stoffgleiches Generikum ersetzen dürfen, wenn dieses nicht für alle Anwendungsgebiete des Originals zugelassen ist. So kann es formal zu einem sogenannten off-label use kommen, obwohl der Wirkstoff identisch ist. Unter Umständen be- kommen Patienten eine Packungs- beilage, in der ihre Erkrankung nicht aufgelistet ist und in der An- wendungshinweise fehlen. In der Praxis ist dies auch wegen der zwi-

schen Kassen und Herstellern ge- schlossenen Rabattverträge rele- vant. Verschreibt der Arzt ein be- stimmtes Präparat und schließt ei- nen Austausch durch Ankreuzen nicht explizit aus, muss der Apothe- ker ein wirkstoffgleiches rabattier- tes Medikament abgeben, sofern die Kasse des Patienten einen entspre- chenden Vertrag geschlossen hat.

Nach Meinung der Hersteller be- steht eine Verpflichtung der Apothe- ken zur Substitution im Rahmen von aut idem jedoch nur dann, wenn das abgegebene Arzneimittel in allen Anwendungsgebieten des vom Arzt verordneten Ausgangs- präparats arzneimittelrechtlich zu- gelassen ist. Zu diesem Schluss kommt auch ein von den Pharma- verbänden in Auftrag gegebenes Gutachten des Medizinrechtlers Prof. Dr. med. Dr. jur. Christian Dierks. Demnach verlagert eine

„ausufernde Substitution“ das Haf- tungsrisiko auf Ärzte und Apothe- ker. Um dies zu verhindern, müssten Ärzte den Apothekern den Aus- tausch der Arzneimittel grundsätz- lich untersagen. Nach dem Gutach- ten greift die Herstellerhaftung nur bei einem „bestimmungsmäßigen Gebrauch“ des Medikaments. Die- ser sei beim „Off-label-Einsatz“ von Arzneimitteln aber zumindest nicht generell gegeben.

Tatsächlich bewegen sich Ärzte, Kassen und Apotheker beim off-label use auf dünnem Eis. Nicht nur bei der Verordnung von Generika, auch in anderen Bereichen ist die Rechts- lage kompliziert. Dies zeigt der Streit um die Zulässigkeit der Be- handlung der altersabhängigen Ma- kuladegeneration (AMD) mit dem Medikament Avastin (Bevacizu- mab). Das günstige Darmkrebs- präparat gilt als Alternative zu dem für die Behandlung von AMD zuge- lassenen, aber sehr viel teureren Lu- centis (Ranibizumab). Doch hat das Bundessozialgericht bereits 2002 den off-label use nur dann erlaubt, wenn es keine zugelassenen Alter- nativpräparate gibt.

Das Düsseldorfer Sozialgericht hält hingegen Verträge zwischen Kassen und Ärzten für zulässig, die den weiteren Einsatz von Avastin bei AMD vorsehen. Begründung:

Der off-label use sei zur Erhaltung der finanziellen Stabilität der Kran- kenkassen zulässig.

Obwohl die Originalpräparate- hersteller nicht direkt betroffen sind, hat sich wohl vor diesem Hin- tergrund auch der VFA den Protes- ten gegen die neue Rechtsauslegung bei aut idem angeschlossen. So be- fürchtet VFA-Experte Dr. Ulrich Vorderwülbecke, dass die Zulas- sungsbestimmungen allgemein auf- geweicht werden könnten.

Die AOK hingegen weist die Vor- würfe der Industrie als „Panikma- che“ zurück. „Wir lassen es nicht zu, dass die Pharmalobby mit ihren An- griffen den Arzt als Therapieverant- wortlichen infrage stellt und dazu noch die Patienten verunsichert“, sagt Dr. med. Christopher Hermann, stellvertretender Vorstand der AOK Baden-Württemberg und bundes- weiter Chefunterhändler der AOK- Arzneimittelrabattverträge. Ärzte hätten alle Möglichkeiten, die Ver- ordnung von Medikamenten ganz auf die Patienten auszurichten. I Samir Rabbata

AUSWEITUNG VON AUT IDEM

Das Kreuz mit dem Kreuz

Nach dem Willen der Krankenkassen sollen die gesetzlichen Regelungen für aut idem weiter ausgelegt werden dürfen. Für Ärzte können sich dadurch haftungsrechtliche Probleme ergeben.

Haftungsrechtlich sicherer ist es für Ärzte, wenn sie die Substitution des von ihnen verordneten Medikaments ausschließen.

Allerdings müssen sie begründen können, warum das Aut-idem-Kreuz medizinisch indiziert war.

Foto:dpa

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