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Archiv "Aut-idem-Regelung: Therapieverantwortung ist unteilbar" (01.03.2002)

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it dem so genannten Arzneimit- tel-Sparpaket beabsichtigt Bun- desgesundheitsministerin Ulla Schmidt, auch Arzneimittelhersteller und Apotheker ihren Teil zur Stabilisie- rung der Arzneimittelausgaben beitra- gen zu lassen. Einsparungen von rund 1,3 Milliarden Averspricht sie sich von diesem Maßnahmenbündel, die Absen- kung der Arzneimittelfestbeträge ein- geschlossen. Begleitet von heftiger Kri- tik trat das Gesetz am vergangenen Samstag in Kraft. Es sieht unter ande- rem vor, in den Jahren 2002 und 2003 den Rabatt, den die Apotheken den ge- setzlichen Krankenkassen einräumen müssen, von fünf auf sechs Prozent zu erhöhen. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen soll den Ver- tagsärzten Empfehlungen zur wirt- schaftlichen Verordnung von Analog- präparaten an die Hand geben. Außer- dem werden die Krankenhäuser ver- pflichtet, bei Therapievorschlägen für den weiterbehandelnden Arzt Wirk- stoffbezeichnungen zu verwenden. Ei- ne ursprünglich geplante Preissenkung für nicht festbetragsgebundene Medi- kamente kauften die forschenden Arz- neimittelhersteller der Bun-

desregierung für 204 Mil- lionen Aab – als freiwilliger Solidarbeitrag der pharma- zeutischen Industrie floss die Summe in das Gesetz ein. Kaum weniger umstrit- ten als dieser Coup ist die Umkehr der bisher gelten- den Aut-idem-Regelung, die das Arzneimittelaus- gaben-Begrenzungsgesetz vorsieht. Danach ist der Apotheker künftig automa- tisch verpflichtet, ein wirk- stoffgleiches Arzneimittel aus dem unteren Preisdrit- tel abzugeben, es sei denn,

der Arzt hat dies ausdrücklich ausge- schlossen oder bereits selbst ein Präpa- rat aus dem unteren Preisdrittel verord- net.

Die neue Regelung wirkt sich unmit- telbar auf die ärztliche Verordnungspra- xis aus, weil das Gesetz keine Über- gangsfristen vorsieht. „Ärzte, die die Auswahl des Präparates nicht dem Apo- theker überlassen wollen, sollten, wo immer möglich, ein preisgünstiges Gene- rikum verordnen und das Aut-idem-Feld auf dem Rezept durchstreichen“, emp- fiehlt der stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung (KBV), Dr. med. Leonhard Han- sen, seinen Kollegen. Denn mit In- Kraft-Treten des Gesetzes kehrt sich auch die bisherige Bedeutung des Aut- idem-Kästchens auf den Rezeptvor- drucken um: Nicht angekreuzt bedeu- tet, der Apotheker darf substituieren, angekreuzt bedeutet, der Arzt hat die Substitution ausgeschlossen. Diese po- tenziell verwirrende Sprachregelung hat jedoch nur Übergangscharakter. Zur- zeit diskutieren die KBV und die Spit- zenverbände der Krankenkassen, ob Rezeptformulare künftig zwei Kästchen

– aut idem und nec aut idem – verzeich- nen, die der Arzt wahlweise ankreuzen kann. Für den Apotheker gilt, dass er ein Arzneimittel nur gegen ein solches austauschen darf, das in Wirkstärke und Packungsgröße identisch und für den- selben Indikationsbereich zugelassen ist. Außerdem muss es die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzen. Hinweise über die therapeu- tische Vergleichbarkeit oder die Aus- tauschbarkeit von Darreichungsformen gibt der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in seinen Arzneimittel- Richtlinien.

Mit einer reibungslosen Umsetzung der Aut-idem-Regelung rechnen die Beteiligten jedoch erst ab Mitte dieses Jahres, denn die Selbstverwaltung muss noch weitere Vorarbeiten leisten. So muss zunächst einmal das untere Preis- drittel festgesetzt werden, damit Ärzte und Apotheker sich überhaupt orientie- ren können. Das Verfahren: In einer Gruppe wirkstoffgleicher Präparate wird der Durchschnittspreis der drei billigsten und der drei teuersten Medika- mente ermittelt. Anhand des Differenz- betrages berechnet man die Obergrenze des unteren Preisdrittels.

Innerhalb dieses Rahmens können Ärzte und Apothe- ker dann Medikamente ver- ordnen oder abgeben. Der Bundesausschuss hat inzwi- schen damit begonnen, die Präparategruppen zu bil- den. Danach legen die Spit- zenverbände der Kranken- kassen die Preisgrenzen fest, die jeweils für ein Quartal gelten sollen.

Obwohl noch heftig an den Vorgaben gearbeitet wird, sind die Apotheker bereits jetzt angehalten, preisgünstige Arzneimittel P O L I T I K

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A538 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 9½½½½1. März 2002

Aut-idem-Regelung

Therapieverantwortung ist unteilbar

Seit dem 23. Februar gilt das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz. Unter anderem kehrt es die bisher geltenden Substitutionsregeln bei ärztlichen Verordnungen um.

Mit In-Kraft-Treten des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes kehrt sich die bisherige Bedeutung des Aut-idem-Kästchens auf den Rezeptvordrucken um: Nicht ankreuzen bedeutet, der Apotheker darf substituieren, angekreuzt bedeutet, der Arzt hat die Substitution ausgeschlossen.

Foto: Peter Wirtz

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P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 9½½½½1. März 2002 AA539

abzugeben. Nach dem Gesetz sollen sie immer dann von der Aut-idem-Rege- lung Gebrauch machen, wenn eine preisgünstige Substitutionsmöglichkeit

„eindeutig“ erkennbar ist – beispiels- weise, wenn der Arzt ein Original- präparat verordnet. Anhaltspunkte für eine preiswerte Substitution liefert den Apothekern die Lauertaxe, auf die sie über ihre Apothekensoftware zugreifen können. Diese kennzeichnet innerhalb von Präparategruppen mit gleichem Wirkstoff, gleicher Dosierung, Darrei- chungsform und Packungsgröße das un- tere Preisdrittel.

Die Umkehr der bisherigen Aut- idem-Regelung ist nach wie vor höchst umstritten. Während die Apotheker mit Freude der Erfüllung eines lang geheg- ten Wunsches entgegensehen – einziger Wermutstropfen ist die Preisgrenze –, warnt die KBV davor, die Therapiefrei- heit der Vertragsärzte zu beschneiden.

„Für eine Arzneimittelwahl, die der Apotheker trifft, kann der Arzt nicht weiterhin die volle medizinische und wirtschaftliche Verantwortung tragen“, sagte der KBV-Vorsitzende, Dr. med.

Manfred Richter-Reichhelm, bereits im November letzten Jahres, als das Ge- setzgebungsverfahren noch in vollem Gang war. Zur selben Zeit warnte der KBV-Länderausschuss vor den Folgen für die Compliance der Patienten. Das Gremium befürchtete damals wie heu- te, dass insbesondere chronisch kranke Patienten verunsichert werden, wenn sie in der Apotheke häufig wechselnde Medikamentenpackungen erhalten.

Dennoch lassen sich nach Ansicht der KBV Compliance-Probleme vermeiden und die Therapieverantwortung erhal- ten, wenn die Vertragsärzte die Freiräu- me nutzen, die ihnen das Gesetz lässt. So schließe eine Verordnung im unteren Preisdrittel die Substitution des Apothe- kers automatisch aus – mithin auch den häufigen Präparatewechsel für die Pati- enten. In diesem Zusammenhang lohne es sich für die Ärzte auch, den Arznei- mittelmarkt zu beobachten. Einige Her- steller von Generika hätten offenbar aus Furcht vor Umsatzeinbußen inzwischen angekündigt, ihre Preise entsprechend zu senken. Darüber hinaus habe der Arzt letztlich immer noch die Möglich- keit, per Kreuz auf dem Rezept, Aut- idem zu verbieten. Heike Korzilius

Rheinland-Pfalz

Bald Ärztemangel auf dem Land

Aus dem einstigen Überangebot ist ein Mangel geworden.

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or allem in den ländlichen Gegen- den können freie Arztstellen in Kli- niken nur schwer wieder besetzt wer- den. In einem Flächenland wie Rhein- land-Pfalz mit dünn besiedelten Regio- nen kann diese Entwicklung bedroh- liche Ausmaße annehmen. Davor hat jetzt die Landesärztekammer Rhein- land-Pfalz in Mainz gewarnt.

Professor Dr. med. Frieder Hessenau- er (47), Chirurg, Oberarzt aus Ludwigs- hafen, Präsident der Landesärztekam- mer Rheinland-Pfalz, Mainz, fordert da- her: „Der Arztberuf muss

wieder attraktiver werden!

Bessere Arbeitsbedingun- gen können Abhilfe schaf- fen. Ganz wichtig ist hierbei die Einhaltung des Arbeits- zeitgesetzes in den Klini- ken.“ Die Landesärztekam- mer appelliert an Gesetzge- ber und Tarifpartner, mit der Fiktion Schluss zu machen, dass Bereitschaftszeit Ruhe- zeit sei. Zugleich fordert sie

alle Ärztinnen und Ärzte auf, keine un- tertariflichen oder gar unbezahlten Ar- beitsverhältnisse zu gewähren oder ein- zugehen. Hessenauer: „Dies ist berufs- rechtswidrig! Die Kammer wird derarti- ges Fehlverhalten verfolgen und konse- quent ahnden. Wenn nötig, mit dem Ent- zug der Weiterbildungsbefugnis.“

Die Landesärztekammer Rheinland- Pfalz will darüber hinaus der tatsächli- chen Belastung von Ärztinnen und Ärz- ten auf den Grund gehen und hat jetzt ei- ne Umfrage rund um das Thema Arbeits- zeit gestartet. Ziel der Umfrage ist es, ein repräsentatives Abbild der Arbeitsbela- stung in den Kliniken zu erhalten.

Rege in Anspruch genommen wird in Rheinland-Pfalz ferner die Ombudsstel- le in der Kammer. Ärztinnen und Ärzte, die arbeitsrechtliche Probleme in den Kliniken haben, können hier Rat suchen.

„Täglich wenden sich etwa drei Anrufer

an die Vertrauensstelle“, berichtet Dr.

Jürgen Hoffart, der als Ombudsmann der Landesärztekammer weiterhilft. Die Ratsuchenden beklagen, dass sie auf dem Papier nach dem Dienstplan zwar Feierabend haben, aber anschließend weiterarbeiten müssen, Überstunden aufzuzeichnen, werde ihnen aber unter- sagt. Die so geleistete Mehrarbeit werde oftmals weder mit Geld noch mit Freizeit ausgeglichen. Klinikträger begründeten dies häufig mit der finanziellen Klemme, in der die Häuser stecken. „Dass Bereit- schaftsdienste Ruhezeiten sind, ist schon lange ein Märchen“, erklärte Hoffart.

„Den Arzt, der nachts während seines Bereitschaftsdienstes wirklich schlafen kann, gibt es nicht.“

Die Erfahrungen des Ombudsmannes decken sich mit Zahlen der Gewerbeauf- sicht in Rheinland-Pfalz. Sie prüfte in ei- ner Schwerpunktaktion im vorigen Som- mer die Arbeitszeitnachweise für das ärztliche und pflegerische Personal. Nach einem ersten Zwischenbericht seien bis- lang in 45 Krankenhäusern die Arbeitszeiten von über 2 000 Ärztinnen und Ärzten und über 10 000 Beschäftig- ten im Pflegedienst geprüft worden. Bei einem großen Teil der Fälle hätten Auf- zeichnungen über geleistete Überstunden und Bereit- schaftsdienste gefehlt. In 31 von 45 Kliniken sei die höchst zulässige Arbeitszeit überschritten worden.

„Es ist erschreckend, mit welcher Einschüchterung und Verschwiegen- heit ein Großteil der betroffenen Ärz- tinnen und Ärzte auf diese unhaltbaren Zustände reagiert“, berichtete Hoffart,

„nur wenige haben die nötige Zivilcou- rage damit in die Öffentlichkeit zu ge- hen. Doch aufgrund des akut werden- den Ärztemangels werden die jungen Kolleginnen und Kollegen derzeit Gott sei Dank mutiger“, erklärte er.

Mit Klinikträgern, aus deren Häu- sern Vorwürfe kommen, nimmt Hoffart umgehend Kontakt auf. Ein erster Schritt, der Wirkung zeigt.

Die Ombudsstelle bei der Lan- desärztekammer ist erreichbar unter der Telefon-Nummer: 0 61 31/2 88 22-82 bzw. -21 oder per E-Mail: hoffart@laek-

rlp.de. Ines Engelmohr

Frieder Hessenauer

Foto: privat

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