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Archiv "Einfluss von Rabattverträgen auf die Aut-idem-Nutzung" (27.11.2009)

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ORIGINALARBEIT

Einfluss von Rabattverträgen auf die Aut-idem-Nutzung

Falk Hoffmann, Gerd Glaeske, Matthias S. Pfannkuche

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Seit 1. April 2007 sind Apotheker verpflichtet, bei Verordnungen zulasten der gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV) rabattierte Arzneimittel bevorzugt abzuge- ben. Der Arzt kann diese Substitution durch ein Kreuz im Aut-idem-Feld auf dem Rezept ausschließen. Eine Aut- idem-Regelung existiert bereits seit 2002. Die Autoren un- tersuchten, ob sich die Nutzung von aut idem durch die Einführung der Rabattverträge verändert hat.

Methoden: Aus Routinedaten der Gmünder Ersatzkasse (GEK) wurden 3 unabhängige Zufallsstichproben gezogen.

Diese schlossen 0,5 % der Erwachsenen ein, die jeweils im Oktober der Jahre 2006, 2007 und 2008 durchgängig bei der GEK versichert waren (n = 6 195; n = 6 300;

n = 6 845). Anschließend wurden alle Verordnungen für diese Personen im aut-idem-fähigen Markt selektiert und die zugehörigen Rezepte gesichtet.

Ergebnisse: Insgesamt stieg zwischen Oktober 2006, 2007 und 2008 die Zahl der Verordnungen an, für die aut idem von den Vertragsärzten auf dem Rezept angekreuzt wurde (14,4 %; 18,4 %; 19,0 %; p für Trend < 0,0001). Die Autoren fanden erhebliche Unterschiede zwischen den Kassenärzt- lichen Vereinigungen. Bei einem Viertel der Verordnungen aus den Jahren 2007 und 2008 (25,1 % beziehungsweise 25,7 %), bei denen eine Substitution ausgeschlossen worden war, wurde zugleich ein rabattiertes Arzneimittel ver- schrieben.

Schlussfolgerung: Aut idem wird derzeit bundesweit un- einheitlich eingesetzt. Weitere Untersuchungen zu Rabatt- verträgen und aut idem sind notwendig. Die Arzneimittel- versorgung benötigt darüber hinaus dringend stabilere Rahmenbedingungen.

Schlüsselwörter: Arzneimittelverordnung, Arzneimittelpreis, Aut-idem-Regelung, Wettbewerb, Generikum

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2009; 106(48): 783–8 DOI: 10.3238/arztebl.2009.0783

A

m 1. April 2007 trat das GKV-Wettbewerbsstär- kungsgesetz (GKV-WSG) in Kraft. Mit diesem Gesetz wurde der Weg entscheidend dafür geebnet, dass Krankenkassen mit Pharmaunternehmen Rabatt- verträge abschließen können. Im Dezember 2008 hat- ten 215 Krankenkassen mit 116 Pharmaunternehmen insgesamt 5 777 Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V abgeschlossen. Das entspricht einem Zuwachs um 80,9 % gegenüber dem Vorjahresmonat (Dezember 2007) (1).

Bei der Rezeptbelieferung sind Apotheken seit In- krafttreten des GKV-WSG zur bevorzugten Abgabe ei- nes rabattierten, wirkstoffgleichen Arzneimittels (Ge- nerikum) verpflichtet. Sie dürfen hiervon nur abwei- chen, wenn

kein Rabattvertrag vorliegt

der Hersteller lieferunfähig ist

„pharmazeutische Bedenken“ vorliegen

Dringlichkeit die unverzügliche Abgabe des Arz- neimittels erfordert (Notdienst, Akutversorgung)

der Vertragsarzt eine Substitution ausgeschlossen hat (2).

Das Verbot zum wirkstoffgleichen Austausch kann der Arzt durch ein Kreuz im Aut-idem-Feld auf dem Rezept kenntlich machen („Aut-idem-Verbot“). Dabei behält der Arzt die Entscheidung über das vom Patien- ten einzunehmende Präparat. Demgegenüber werden Rabattarzneimittel bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen gesondert berücksichtigt. Durch die Verordnung eines rabattierten Arzneimittels und das gleichzeitige An- kreuzen des Aut-idem-Verbots kann sowohl die Ent- scheidung über das Präparat beim Arzt bleiben als auch sein Budget entlastet werden.

Die Aut-idem-Regelung gibt es bereits seit dem Arz- neimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AABG), das im Jahre 2002 in Kraft trat. Unter der „alten“ Regelung war der Apotheker verpflichtet, eines der drei günstigs- ten beziehungsweise das namentlich verordnete Präpa- rat abzugeben. Dies gilt noch heute, wenn keine Rabatt- verträge von der jeweiligen Krankenkasse abgeschlos- sen wurden. Über Auswirkungen der Rabattverträge für den Patienten und den vertragsärztlichen Alltag wurde bereits im Deutschen Ärzteblatt diskutiert (3, 4).

Ziel der vorliegenden Studie war es, zu untersuchen, ob es durch die Einführung von Rabattverträgen zu ei- ner veränderten Nutzung der Aut-idem-Regelung und damit der „Ankreuzcharakteristik“ im vorgesehenen Kästchen auf dem Rezept gekommen ist.

Universität Bremen, ZeS, Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung: Dr. P. H. Hoffmann, MPH; Prof. Dr. rer. nat. Glaeske;

Pfannkuche

(2)

Methoden

Für diese Studie wurden Arzneimittelroutinedaten der Gmünder ErsatzKasse (GEK), die deutschlandweit ei- nen Marktanteil von etwa 2,4 % innerhalb der Gesetzli- chen Krankenversicherung (GKV) hat (Stand:

10/2008), verwendet. Um die Auswirkungen von Ra- battverträgen zu analysieren, zogen die Autoren 3 un- abhängige Zufallsstichproben von 0,5 % der jeweils im Oktober der Jahre 2006, 2007 und 2008 durchgängig bei der GEK versicherten Erwachsenen (1,24 Millio- nen, 1,26 Millionen und 1,37 Millionen). Die Stichpro- benumfänge betrugen dementsprechend 6 195, 6 300 sowie 6 845 Personen. Ein Abstand von jeweils 12 Mo- naten wurde gewählt, um mögliche saisonale Effekte auszuschließen. Kinder und Jugendliche blieben unbe- rücksichtigt, da sich deren Arzneimittelversorgung zum Teil deutlich vom Behandlungsspektrum von Erwach- senen unterscheidet und der Arbeit ein homogeneres Kollektiv zugrunde gelegt werden sollte.

Nach der Stichprobenziehung wurden alle Verord- nungen dieser Personen im Aut-idem-fähigen Markt aus den jeweiligen Untersuchungsmonaten selektiert.

Die den Krankenkassen vorliegenden eingescannten Bilder der zugehörigen Rezepte (Images) wurden dann von einer Mitarbeiterin der GEK in deren Räumen ge- sichtet. (Zur Erklärung: Die in öffentlichen Apotheken zu Lasten der GKV eingelösten Rezepte werden in meist regional tätigen Apothekenrechenzentren einge- scannt, elektronisch erfasst und sowohl die Rezepte, Images als auch die elektronischen Informationen an die Krankenkasse weitergeleitet. Eine umfassendere Darstellung über den Weg, den die Rezepte bezie- hungsweise Daten nehmen, findet man bei Hoffmann, et al. [5].) Bei der Durchsicht der Rezepte prüfte die GEK-Mitarbeiterin, ob der verschreibende Arzt zum re- levanten Arzneimittel ein Kreuz im Aut-idem-Feld ge- setzt und damit die Substitution durch den Apotheker ausgeschlossen hatte.

Die interessierende Zielgröße war der prozentuale Anteil an Positionen (Verordnungen, unabhängig von der Zahl verschriebener Packungen), bei denen das Aut-idem-Verbotskästchen angekreuzt wurde. Um li- neare Trends im Zeitverlauf über die Jahre 2006 bis 2008 zu untersuchen, wurden Chi-Quadrat-Trendtests verwendet. Alle p-Werte von 0,05 und kleiner wurden als statistisch signifikant angesehen. Für die Analysen wurde das Softwarepaket SAS in der Version 9.2 ver- wendet.

Ergebnisse

Die Stichproben setzten sich zu etwas mehr als der Hälfte aus Männern zusammen (2006: 53,9 %; 2007:

53,1 %; 2008: 53,3 %). Die Personen waren durch- schnittlich 45 Jahre alt (44,5; 44,8; 45,5 Jahre). Insge- samt wurden 9 154 verordnete Positionen ausgewertet (n = 2 624; n = 2 981; n = 3 549). Von diesen konnten 17 Verordnungen nicht berücksichtigt werden, da sich das Aut-idem-Kreuz auf dem Rezept nicht eindeutig ei- ner Position zuordnen ließ beziehungsweise unleserlich war (Grundgesamtheit: n = 9 137).

Insgesamt stieg im untersuchten Zeitraum die Zahl der Verordnungen an, für die ein Aut-idem-Verbot von den Vertragsärzten angekreuzt wurde (2006:

14,4 %; 2007: 18,4 %; 2008: 19,0 %; p für Trend < 0,0001). Allerdings sind, wie in der Grafik gezeigt, erhebliche Unterschiede und stark variieren- de Muster zwischen den Kassenärztlichen Vereini- gungen (KV) zu erkennen. Bereits im Oktober 2006 fanden sich zwischen 5,5 % (KV Saarland) und 32,1 % (KV Sachsen-Anhalt) Verordnungen mit aus- geschlossener Substitution. Diese Anteile variierten im Oktober 2008 zwischen 6,4 % (KV Saarland) und 42,2 % (KV Sachsen). Besonders in den neuen Bun- desländern ergaben sich über die Jahre deutlich höhe- re Werte als im gesamten Bundesgebiet. Einzig bei der KV Nordrhein zeigte sich ein stetiger Rückgang der Verordnungsanteile, für die ein Aut-idem-Verbot angekreuzt war (17,6 %; 12,6 %; 11,6 %; p für Trend = 0,04). Auffällige lineare Anstiege beim Anteil Verordnungen mit ausgeschlossener Substitution sind bei den KVen Schleswig-Holstein (11,4 %; 23,9 %;

32,3 %; p für Trend < 0,0001) und Baden-Württem- berg (11,1 %; 30,2 %; 32,2 %; p für Trend < 0,001) aber auch in Bayern zu verzeichnen.

Betrachtet man die am häufigsten verordneten Wirkstoffe (Tabelle), zeigen sich im Vergleich zur Analyse nach KV-Regionen geringere Unterschiede.

Interessante Muster in den Verordnungsanteilen mit Aut-idem-Verbot bestanden für Levothyroxin (13,6 %; 13,2 %; 29,2 %; p für Trend = 0,001) sowie Simvastatin (9,4 %; 20,0 %; 23,0 %; p für Trend = 0,048), wobei sich die Werte zum Oktober 2008 im Vergleich zu 2006 mehr als verdoppelten.

Allgemeinmediziner und Internisten verschrieben insgesamt 80 % der Verordnungen im untersuchten aut-idem-fähigen Segment. Unterschiede zwischen diesen und sonstigen Vertragsärzten bei der Nutzung der Aut-idem-Regelung zeigten sich weder im Jahr 2006 (14,3 % beziehungsweise 14,8 %; p = 0,77), 2007 (18,2 % beziehungsweise 19,2 %; p = 0,57) noch 2008 (19,3 % beziehungsweise 18,3 %; p = 0,59).

Zudem wurde analysiert, ob eine Substitution in be- stimmten Altersgruppen häufiger ausgeschlossen wur- de. Hierzu wurden nur Personen berücksichtigt, die mindestens einmal im jeweiligen Untersuchungsmo- nat eine Verordnung aus dem aut-idem-fähigen Seg- ment erhielten (n = 4 697). Im Oktober 2006 lag der Anteil von Versicherten mit mindestens einer Verord- nung, bei der eine Substitution ausgeschlossen wurde, in allen Altersgruppen bei vergleichbaren Werten zwi- schen 16,1 % und 19,9 % (eGrafik). Nur bei den 18- bis 39-Jährigen zeigte sich kein linearer Anstieg über die Jahre 2006 bis 2008. Besonders deutlich ist ein Trend bei Personen im Alter von mindestens 80 Jahren erkennbar (16,1 %; 22,2 %; 32,4 %; p für Trend = 0,02).

Insgesamt wurde bei einem Viertel der Verordnun- gen vom Oktober 2007 (25,1 %) sowie 2008 (25,7 %), für die eine Substitution ausgeschlossen worden war, zugleich ein rabattiertes Arzneimittel verschrieben.

(3)

GRAFIK

Anteil Verordnungen mit Aut-idem-Verbotskreuz nach KV-Regionen; aufgrund der zu geringen Stichprobengröße wurde die KV Bremen nicht separat ausgewiesen.

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Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass nach Einführung der Rabattverträge insgesamt ein leichter Anstieg für Verordnungen zu verzeichnen war, bei denen die Vertragsärzte eine Substitution ausge- schlossen haben. Erkennbar sind altersspezifische so- wie erhebliche regionale Unterschiede. Auffällige An- stiege ergaben sich besonders bei älteren Menschen, was die Autoren als Reaktion der Vertragsärzte im Um- gang mit den veränderten Rahmenbedingungen und der individuellen Situation dieser Patienten interpretieren.

Im Vergleich zu jüngeren erhalten ältere Menschen mehr (auch kritisch austauschbare) Medikamente und haben mehr Probleme, diese voneinander zu unter- scheiden. Dadurch kann es unter anderem zu Verwechs- lungen oder Mehrfacheinnahme kommen. In diesen Fällen scheinen Vertragsärzte das Instrument der Aut- idem-Regelung gezielt zu nutzen, um die Therapiesi- cherheit vulnerabler Patienten nicht zu gefährden.

Je nach KV-Region des Vertragsarztes zeigten sich im Oktober 2008 Verordnungsanteile mit Aut-idem- Verbotskreuz zwischen 6,4 % (KV Saarland) und 42,2 % (KV Sachsen). Diese Ergebnisse waren uner- wartet und könnten durch unterschiedliche Empfehlun- gen der KVen bedingt sein (6). Eine unsystematische Internetrecherche ergab, dass die beiden KVen Saar- land (7) und Sachsen (8) jedoch empfehlen, preisgüns- tige Generika oder Wirkstoffe zu verordnen und aut idem zuzulassen, also kein Kreuz auf dem Rezept zu setzen. Wahrscheinlich haben weitere Faktoren und Prozesse wie zum Beispiel Informationen, Fortbildun- gen und Beratungen einen Einfluss.

Vergleichbare Unterschiede ergaben auch Analysen von INSIGHT Health (9) und IMS Health (6, 10). Eine aktuelle Untersuchung von INSIGHT Health fand zwi- schen dem ersten und zweiten Quartal 2008 einen An-

stieg der Verordnungsanteile mit Aut-idem-Verbot un- abhängig von der KV-Region des Verschreibers (9).

Grundsätzlich liegen diesen Analysen nahezu Vollerhe- bungen aller GKV-Verordnungen zugrunde und damit erheblich größere Rezeptumfänge als in der vorliegen- den Erhebung. Allerdings hat die eigene Studie den ent- scheidenden Vorteil, dass die Autoren sich nicht auf die elektronische Erfassung des Kreuzes im Aut-idem-Feld verlassen haben. Verglichen mit den Rezeptsichtungen, wurde das Feld bei lediglich 52,9 % der Positionen, für die im Oktober 2006 aut idem angekreuzt war, korrekt elektronisch erfasst (Sensitivität). Bei nur 40,1 % der Verordnungen, für die laut Routinedaten ein Aut-idem- Verbot angekreuzt wurde, stimmte dies mit den Infor- mationen auf dem Rezept überein (positiv prädiktiver Wert). Im Oktober 2008 verbesserte sich die Erfas- sungsqualität bei den Apothekenrechenzentren zwar, allerdings ist von einer erheblichen Untererfassung auszugehen. Von 100 Verordnungen, bei denen der Arzt eine Substitution ausschloss, wurde dies lediglich bei 80 erfasst (Sensitivität: 79,8 %). Der positiv prädiktive Wert lag in diesem Zeitraum bei 92,1 %. Die Autoren fanden erneut erhebliche Unterschiede in der Daten- qualität zwischen den Apothekenrechenzentren (11), die die elektronische Rezepterfassung durchführen.

Der Nachteil des eigenen Vorgehens ist, dass Analysen, zum Beispiel nach KV-Region, Wirkstoff oder Facharzt- gruppe, auf geringen Stichprobenumfängen basieren, wo- mit die statistische Aussagekraft eingeschränkt ist. Gene- rell ist es schwierig, die Ergebnisse unterschiedlicher Un- tersuchungen zum Aut-idem-Verbotsanteil jenseits von Trends direkt miteinander zu vergleichen, da verschiedene Nenner vorliegen können, wie beispielsweise alle Verord- nungen, nur Fertigarzneimittel oder nur aut-idem-fähiger Markt. Die Autoren haben sich für die letztere Variante entschieden, weil in diesem Fall alle potenziell substituier- baren Präparate eingeschlossen werden.

Tendenziell sehen Vertragsärzte kaum einen Einfluss der Rabattverträge auf ihre Therapieentscheidungen (12, 13). Laut einer Umfrage der KV Nordrhein unter 1 050 Vertragsärzten sahen 86 % die Umsetzung der Rabattverträge als Aufgabe des Apothekers (13). Mehr als zwei Drittel der Befragten (69 %) bejahten aller- dings, dass Rabattverträge die Compliance ihrer Patien- ten beeinflusst. Aus Sicht der Ärzte ist ihre Situation seit Einführung der Rabattverträge zunehmend unüber- sichtlicher geworden (12, 13). Um die Situation zu ver- bessern, sind neben stabilen rechtlichen Rahmenbedin- gungen in der Arzneimittelversorgung vermehrte und zeitnahe Informationen notwendig. Grundsätzlich hat der Vertragsarzt bei der Verordnung generisch verfüg- barer Präparate nach den aktuellen Rahmenbedingun- gen vier Möglichkeiten, die mit ihren Vor- und Nachtei- len abgewogen werden müssen.

Verordnung ohne Aut-idem-Verbotskreuz

Der Vertragsarzt überlässt dabei dem Apotheker die Auswahl des Präparates. Bei dieser Konstellation wird, wenn keine Rabattverträge der jeweiligen Krankenkas- se vorliegen, eines der drei günstigsten oder das na- TABELLE

Anteil Verordnungen mit Aut-idem-Verbotskreuz bei den am häufigsten verschriebenen Wirkstoffen

Wirkstoff Diclofenac (n = 422) Levothyroxin (n = 369) Metoprolol (n = 303) Ibuprofen (n = 300) Omeprazol (n = 273) Simvastatin (n = 255) Bisoprolol (n = 218) Ramipril (n = 198) Metformin (n = 197) Metamizol (n = 186)

Anteil Aut-idem-Verbot 10/2006

11,9 % 13,6 % 14,4 % 13,8 % 16,0 % 9,4 % 20,3 % 14,8 % 17,9 % 14,6 %

10/2007 18,5 % 13,2 % 24,7 % 12,0 % 16,0 % 20,0 % 20,5 % 20,3 % 27,0 % 17,2 %

10/2008 18,3 % 29,2 % 21,6 % 19,7 % 21,4 % 23,0 % 24,7 % 18,8 % 19,2 % 14,9 %

p-Wert für Trend p = 0,15 p = 0,001 p = 0,25 p = 0,19 p = 0,31 p = 0,048 p = 0,52 p = 0,60 p = 0,95 p = 0,99

(5)

mentlich verordnete Arzneimittel in der Apotheke ab- gegeben. Liegt ein Rabattvertrag vor, wird dieser be- dient. Sind für einen Wirkstoff mit mehreren Firmen Rabattverträge vorhanden, liegt die Auswahl des Her- stellers beim Apotheker. Für den Vertragsarzt bedeutet diese Konstellation den Verlust der Kenntnis darüber, welches Präparat der Patient erhält. Gerade bei Dauer- medikationen kann dies unter Umständen dazu führen, dass die Folgeverordnung auch zu einem Wechsel des Arzneimittels führt. Andererseits entlastet diese Varian- te den Vertragsarzt: Er muss kein Präparat auswählen, es reicht, den Wirkstoff, die Wirkstoffstärke und die Pa- ckungsgröße zu verordnen. Zudem werden rabattierte Arzneimittel bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen geson- dert berücksichtigt. Liegt ein Rabattvertrag mit nur ei- nem Hersteller vor (wie bei den zum 1. Juni 2009 in Kraft getretenen Rabattverträgen der AOK), kann der Arzt bei Verordnung des rabattierten Arzneimittels so- wohl (indirekt) die Therapiehoheit behalten als auch die Verantwortlichkeit hinsichtlich der Wirtschaftlich- keit abgeben und der Patient erhält für die Vertragslauf- zeit genau dieses Arzneimittel.

Verordnung eines rabattierten Generikums mit Aut-idem-Verbotskreuz

Diese Konstellation hat für den Vertragsarzt die Vortei- le, dass er sowohl die Wahl des Präparates – zumindest innerhalb eines abgegrenzten Rahmens – bestimmt als auch bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen gleichzeitig entlastet wird. Dies setzt allerdings zwingend voraus, dass auch die dem Arzt vorliegende Software mindes- tens einmal monatlich mit aktuellen Informationen zu Rabattverträgen gespeist wird. Bestehen Sortiments- verträge, können bei Patienten mit mehreren Therapien auch alle Produkte von der gleichen Firma ausgewählt werden. Die Kontinuität bei Dauermedikationen kann allerdings bei Rabattverträgen mit kurzer Laufzeit ebenfalls nicht gewährleistet sein.

Verordnung eines preisgünstigen und nicht rabattierten Generi- kums mit Aut-idem-Verbotskreuz

Bei dieser Konstellation wählt der Vertragsarzt eben- falls das Präparat und die Kontinuität bei Dauermedika- tionen kann hier möglicherweise eher gesichert werden als bei Rabattarzneimitteln. Die Wirtschaftlichkeit muss sich dadurch nicht zwangsläufig verschlechtern.

Es ist erkennbar, dass viele Krankenkassen auch mit höherpreisigen Herstellern Rabattverträge abschließen.

Liegen für einen Wirkstoff mehrere Rabattverträge vor, sprechen viele Gründe dafür, dass sich Arzt oder Apo- theker bei den bisher vorgestellten beiden Konstellatio- nen für einen bekannten (aber eben oftmals teureren) Hersteller mit breitem Sortiment entscheiden. Selbst wenn die Rückvergütungen für die Krankenkassen bis zu 30 bis 40 % (vom Herstellerabgabepreis) betragen sollte, gibt es unter Umständen rein rechnerisch immer noch günstigere Alternativen im Markt, die selbst nach Abzug von Rabatten für die Kasse weniger Ausgaben bedeuten (14, 15). Die Verordnung eines günstigen nicht rabattierten Generikums mit Aut-idem-Verbots-

kreuz könnte, so paradox es klingen mag, für die Kran- kenkasse wirtschaftlicher sein als ein hochpreisiges Ra- battarzneimittel. Ob dies allerdings der Fall ist, kann der Vertragsarzt zum Zeitpunkt der Verordnung kaum nachvollziehen, weil die Rabattkonditionen von den Kassen nicht offen gelegt werden. Andererseits kann der Vertragsarzt diese Vorgehensweise einsetzen, wenn rabattierte Arzneimittel für Versicherte aufgrund der Festbetragsregelung zuzahlungspflichtig sind, günsti- gere Generika hingegen nicht (16).

Verordnung eines hochpreisigen und nicht rabattierten Generi- kums oder patentfreien Altoriginals mit Aut-idem-Verbotskreuz Auch bei dieser Konstellation bleibt die Entscheidung über das Präparat beim Arzt, seine Verordnung gilt in der Regel allerdings als unwirtschaftlich, wenn günsti- gere und gleichwertige Alternativen existieren.

Insgesamt wurden durch Rabattverträge in einem be- reits hoch regulierten Bereich wie der Arzneimittelver- sorgung (17) weitere Eingriffe vorgenommen. Die kommunizierten Einsparungen in Höhe von rund 310 Millionen Euro für den gesamten GKV-Bereich im Jahr 2007 (18) machen dann auch deutlich, dass sich dieser Effekt durchaus in Grenzen hält (circa 1,1 % der ge- samten Arzneimittelausgaben). Konsequenterweise müssten hiervon mögliche zu erzielende Einsparungen bei der Nutzung der „alten“ Aut-idem-Regelung abge- zogen werden. Die Notwendigkeit einer umfassenden und öffentlichen Evaluation wird deutlich, wenn man zusätzlich die folgenden Faktoren berücksichtigt:

die steigende Intransparenz des Marktes durch die öffentlich nicht zugänglichen Rabattverträge

die administrativen Ausgaben (Ausschreibung, Controlling, Rechnungsstellung, et cetera)

die fast völlig verloren gegangene Preissensibili- tät der Vertragsärzte

die alleine auf die Arzneimittelpreise gerichtete und damit höchst eingeschränkte Wirtschaftlichkeit

die konkurrierenden Auswirkungen zum Beispiel zum Festbetragssystem

die juristischen Unsicherheiten.

Die aktuelle Situation kann nur ein Übergangsstadi- um sein. Möglicherweise können kassenspezifische Arzneimittellisten, wie sie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2005 und 2007 als offen kommunizierbare und wettbe- werblich orientierte Regelung vorgeschlagen hat (19, 20), ein Weg zu verlässlichen und stabilen Rahmenbe- dingungen für die Arzneimittelversorgung sein.

Fazit

Arzt und Apotheker sind gefordert, sich auf die vorlie- genden Bedingungen einzustellen und verantwortungs- voll und in Kooperation mit den „neuen“ Rabattverträ- gen beziehungsweise dem „alten“ Instrument der Aut- idem-Regelung umzugehen. Stabile Rahmenbedingun- gen sowie eine bessere Informationspolitik beziehungs- weise direkte Einbindung ist für alle Beteiligten drin- gend erforderlich. Die Auswirkungen der Rabattverträ- ge müssen evaluiert werden, um positive wie negative

(6)

Effekte kennenzulernen. Solange diese Regelungen in- transparent bleiben, sind adäquate Bewertungen nahezu unmöglich. Die hierzulande bisher kaum etablierte

„Politikfolgeforschung“ ist daher dringend überfällig.

Danksagung

Die Autoren danken Claudia Kretschmer und Daniela Stahn, Mitarbeiterinnen der GEK in Bremen, für die Durchführung der Rezeptsichtung.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie im Rahmen von Drittmittelprojekten für ver- schiedene Krankenkassen tätig sind.Herr Pfannkuche ist mittlerweile Mitarbei- ter der Firma Boehringer, Ingelheim. Der Text entstand während seiner Tätig- keit an der Universität Bremen.

Die Studie wurde ohne externe Finanzierung durchgeführt.

Manuskriptdaten

eingereicht: 6. 10. 2008, revidierte Fassung angenommen: 4. 6. 2009

LITERATUR

1. progenerika: Der Arzneimittelmarkt der gesetzlichen Krankenversi- cherung im Jahr 2008, 2009. Verfügbar unter:www.progenerika.

de/downloads/6387/090130_KurzanalyseDez.pdf (letzter Zugriff:

26.05.2009).

2. Pfannkuche MS, Hoffmann F, Glaeske G: Rabattverträge für Arznei- mittel. Noch mehr Intransparenz im Pharmamarkt? DAZ 2007; 147:

2508–12.

3. Müller CH: Ärzte dürfen nicht länger haften. Dtsch Arztebl 2008;

105(31–32): A 1646–7.

4. Giesecke S: Noch mehr Chaos. Dtsch Arztebl 2008; 105(7):

A 312–3.

5. Hoffmann F, Glaeske G, Pfannkuche MS: Korrekte Erfassung von Arzneimittelroutinedaten bei Betäubungsmittelrezepten und Muster 16 im Jahr 2006. GMS Med Inform Biom Epidemiol 2008, 4:

Doc07.

6. IMS Health: Bei Arzneimitteln unter Rabattvertrag erlauben Ärzte häufiger Austausch durch Apotheker als bei „unrabattierten“ Medi- kamenten. 2008; www.imshealth.de/de/artikel/id/14021 (letzter Zugriff: 26.05.2009).

7. KV Saarland: KVS-AKTUELL 3/2008 vom 06.08.2008. Verfügbar unter: www.kvsaarland.de/dante-cms/app_data/adam/repo/

5877_rundschreiben_03_2008.pdf (letzter Zugriff: 26.05.2009).

8. KV Sachsen: KVS-Mitteilungen Heft 7–8/2007. Verfügbar unter:

www.kvs-sachsen.de/uploads/media/vahhm_06.pdf (letzter Zugriff:

26.05.2009).

9. INSIGHT Health: INSIGHTs Einblicke, Ausgabe 04/2008, 2008. Ver- fügbar unter: www.insight-health.de/publikationen/presse/

newsletter_20080806.pdf (letzter Zugriff: 26.05.2009).

10. NN: Das Nein zum Austausch variiert je nach Region. Ärztezeitung 2007, 06.12.2007.

11. Hoffmann F, Pfannkuche MS, Glaeske G: Validität forschungsrele- vanter Informationen in Arzneimittelroutinedaten über die Jahre 2000 bis 2006. Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 945–9.

12. DocCheck 3D-Studie: DocCheck Online Studie Rabattverträge und Präparatesubstitution, 2008. http://research.doccheck.com/

uploads/tx_dcevents/Rabattvertraege_3D_Links_mediaplayer.pdf (letzter Zugriff: 26.05.2009).

13. Neye H: Rabatt- und Risk-Share-Verträge in der Auswirkung auf das Verordnungsverhalten der Ärzte. Vortrag im Rahmen der 4. focus Veranstaltung; Düsseldorf, 2008; www.kvno.de/importiert/focus/

neye_20080528_focus.pdf (letzter Zugriff: 26.05.2009).

14. Häussler B, Höer A, Hempel E, Storz P: Arzneimittel-Atlas 2008. Der Arzneimittelverbrauch in der GKV. München: Urban & Vogel 2008.

15. Pfannkuche MS, Hoffmann F, Glaeske G: Wirtschaftlichkeitsreserven im Zeitalter von Rabattverträgen. In: Glaeske G, Schicktanz C, Janhsen K (eds.): GEK-Arzneimittelreport 2008. St. Augustin: As- gard-Verlag 2008; 93–100.

16. NN: Rabattverträge: Teure Präparate und Zuzahlungszwang für Pa- tienten. arznei-telegramm 2008; 39: 76–7.

17. Cassel D: GKV-Arzneimittelversorgung in der Regulierungsfalle.

Med Klin 2008; 103: 260–3.

18. Rücker D: Rabattverträge: Einsparungen unter Zielpreisniveau.

Pharmazeutische Zeitung 2008; 153: 12.

19. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesund- heitswesen: Koordination und Qualität im Gesundheitswesen (Gut- achten 2005); 2005.

20. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesund- heitswesen: Kooperation und Verantwortung. Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung (Gutachten 2007); 2007.

Anschrift für die Verfasser Dr. P. H. Falk Hoffmann, MPH Universität Bremen

ZeS, Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung Außer der Schleifmühle 35–37

28203 Bremen

E-Mail: hoffmann@zes.uni-bremen.de

SUMMARY

The Effect of Introducing Rebate Contracts to Promote Generic Drug Substitution, on Doctors’ Prescribing Practices

Background: As of 1 April 2007, pharmacists in Germany filling pre - scriptions covered by the statutory health insurance system (Gesetzliche Krankenversicherung, GKV) are required, whenever possible, to dis - pense a preparation that contains the same active substance and for which a rebate contract is in effect. The physician can block drug substitution by crossing out “aut idem” (“or the like”) on the prescription form. The latter option has existed since 2002. We studied the possible effect of the introduction of rebate contracts on the use of the no-substitution option.

Methods: Three independent random samples were taken from the rou- tine data of the Gmünder ErsatzKasse (GEK, a statutory health insur - ance carrier). The samples consisted of 0.5% of the insured adult popula- tion in the month of October in the years 2006, 2007, and 2008 (n = 6195; n = 6300; n = 6845). Within these sample groups, all medica tion orders in which the physician could potentially have exercised a no- substitution option were selected, and the corresponding prescriptions were examined.

Results: The percentage of no-substitution prescriptions rose from October 2006 to October 2007, and then rose still further to October 2008 (14.4%, 18.4%, 19.0%; p for trend < 0.0001). Considerable dif- ferences were seen between physicians belonging to different regional Associations of Statutory Health Insurance Physicians (Kassenärztliche Vereinigungen). In about one-quarter of the no-substitution prescrip - tions for 2007 and 2008 (25.1%, 25.7%), the prescribed medication was itself included in a rebate contract.

Conclusions: The use of the no-substitution option is not uniform across Germany at present. Rebate contracts and the no-substitution option require further evaluation. Moreover, the dispensing of medications ur- gently needs a more stable regulatory framework.

Key words: drug prescribing, drug prices, no substitution, competition, generic drugs

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2009; 106(48): 783–8 DOI: 10.3238/arztebl.2009.0783

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Falk Hoffmann, Gerd Glaeske, Matthias S. Pfannkuche

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