DER KOMMENTAR
Es überrascht nicht, daß bei der Vielfalt der Prostaglandinwirkun- gen dabei zahlreiche unerwünsch- te Wirkungen mit auftraten. Bisher waren zwei natürliche Pro- staglandine als Arzneimittel zuge- lassen: Dinoproston (Prostaglan- din E 2) und Dinoprost (Prosta- glandin F2 alpha).
Anlaß zu der Anhörung im Sep- tember war der Antrag auf Zulas- sung eines weiteren synthetischen Prostaglandins, des Sulproston.
Dieses soll deutlich weniger Be- schwerden machen als die bisher zugelassenen natürlichen Pro- staglandinpräparate. Immerhin hat auch Sulproston noch Begleit- erscheinungen wie Schmerzen und Krämpfe, die so erheblich sein können, daß sogar die Sachver- ständigen starke Schmerzmittel oder eine Lokalanästhesie für an- gezeigt halten. Allerdings spielen dabei viele unberechenbare Fak- toren eine Rolle: Dosis, Anwen- dungsform (intravenös, intra-, ex- traamnial), Dauer der Schwanger- schaft, Erwartungshaltung der Pa- tientin. Außerdem ist es wahr- scheinlich im ersten Drittel der Schwangerschaft den bisherigen mechanischen Methoden des Schwangerschaftsabbruches un- terlegen. Die positive Beurteilung durch die (männlichen) Wissen- schaftler wurde von den anwesen- den Vertretern der Frauengruppen nicht geteilt, die nach Abschluß der offiziellen Anhörung Gelegen- heit bekamen, ihre Argumente vor- zubringen. Das Bundesgesund- heitsamt wird nun entscheiden müssen, ob es den Nutzen der Prostaglandin-Anwendung (weni- ger gefährliche Nebenwirkungen) so hoch einschätzt, daß die uner- wünschten Begleiterscheinungen (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schmerzen und Krämpfe) in Kauf genommen werden können. Es ist um diese Aufgabe nicht zu benei- den. Möglicherweise lassen sich die Nachteile dadurch vermindern, daß die Dosis vermindert, be- stimmte Anwendungsarten oder die Anwendung während gewisser Schwangerschaftsabschnitte aus- geschlossen werden. HO
AUS DEN BUNDESLÄNDERN
BERLIN
Systemforschung ohne niedergelassene Ärzte?
Mitte Juni dieses Jahres wurde in Berlin die „GSD Gesellschaft für Systemforschung und Dienstlei- stungen im Gesundheitswesen mbH" gegründet. Alleiniger Ge- sellschafter ist das Land Berlin.
Der Aufgabenbereich der Gesell- schaft umfaßt nach dem Gesell- schaftsvertrag „die Durchführung von betriebswirtschaftlichen und
informations-technologischen Entwicklungs- und Beratungs- dienstleistungen für Einrichtun- gen des Gesundheitswesens so- wie anwendungsorientierte Sy- stemforschung im Gesundheitsbe- reich und in angrenzenden Ge- bieten".
Die neugegründete Gesellschaft wird auch Aktivitäten überneh- men, die bisher in der Senatsver- waltung für Gesundheit und Um- weltschutz durchgeführt worden sind, beispielsweise das kaufmän- nische Krankenhausrechnungs- wesen. Soweit der Einsatz von EDV-Anlagen notwendig ist, arbei- tet die GSD mit dem Berliner Landesamt für Elektronische Da- tenverarbeitung (LED) zusammen.
Für den Bereich der Systemfor- schung hat die GSD neue Ansätze entwickelt, die zur Zeit bei ver- schiedenen Förderern im Antrags- verfahren sind.
Mitte September waren bei der GSD 25 Mitarbeiter beschäftig. Die Zahl wird sich noch vergrößern.
Zwei Tage vor Gründung der GSD war eine andere Gesellschaft, die
„Medizinische Informations-Zen- trum Berlin GmbH" (MIZ), durch Urteil des Landgerichts Berlin auf- gelöst worden. Gesellschafter der MIZ waren je zur Hälfte das Land Berlin und die „Arbeitsgemein- schaft der Berliner Praxisgemein- schaften e. V." (APG). Gegenstand dieser Gesellschaft war das „Be- treiben einer Datenverarbeitungs-
einrichtung für anwendungsorien- tierte Forschung und technische Entwicklung zur Durchführung des Teilprojektes I (DOMINIG) im Rahmen der Förderung durch den Bundesminister für Forschung und Technologie . . . nach Maßga- be der Automationsplanung des Landes Berlin". Außerdem konnte die Gesellschaft im Bereich der anwendungsorientierten For- schung und technischen Entwick- lung weitere Aufgaben aus dem Gesamtprojekt DOMINIG über- nehmen.
Hinter dem Kürzel „DOMINIG" ver- birgt sich das Forschungsvorha- ben „Datenverarbeitungs-Einsatz zur Lösung überbetrieblicher Or- ganisations- und Management- Aufgaben durch Integration des normierten Informationsflusses zwischen verschiedenen Einrich- tungen des Gesundheitswesens - . Das Teilprojekt DOMINIG 1 umfaß- te ein „Regionales Medizinisches Organisations- und Planungssy- stem für überbetriebliche Aufga- ben und Aufgaben des öffentli- chen Gesundheitswesens" (RE- MOPLAS).
Das Forschungsprojekt DOMINIG I wurde vom Bundesforschungsmi- nisterium zum 30. September 1979 beendet. Dies ergibt sich aus einer Antwort des Senats von Berlin auf eine kleine Anfrage im Abgeordne- tenhaus von Berlin. Damit konnte die MIZ zwar die im Gesellschafts- vertrag vorgesehene Aufgabe nicht mehr erfüllen. Tatsächlich bearbeitete sie aber seit längerer Zeit auch eine Reihe anderer Pro- jekte, die außerhalb des Gesell- schaftszweckes lagen, u. a. drei Projekte, die mit Mitteln des Bun- desforschungsministeriums geför- dert wurden:
> Versorgungsfunktionen bei Langzeiterkrankungen (ARGOS),
> Berliner Organisationsmo- delle: Berliner Blutspendedienst, Zentraler Bettennachweis;
• Erfolgskrontrolle zur Erfas- sung von Nebenwirkungen der
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2526 Heft 43 vom 23. Oktober 1980
AUS DEN BUNDESLÄNDERN
Therapie bei Patienten mit Morbus Basedow und Untersuchungen zur Prognose-Konzeption der DV- Komponenten im Rahmen des Vorhabens.
Die MIZ war im Februar 1975 ge- gründet worden. Geschäftsfüh- rung und Aufsichtsrat waren pari- tätisch mit Vertretern beider Ge- sellschafter besetzt. Repräsentant der APG in der Geschäftsführung war deren damaliger Vorstand, Dr.
med. Gerhard Raudszus, gleich- zeitig Stellvertretender Vorsitzen- der der Kassenärztlichen Vereini- gung Berlin und Mitglied des NAV- Bundesvorstands; Vertreter des Landes Berlin war Volker Kästner, Beamter in der Senatsverwaltung für Gesundheit und Umwelt- schutz. Alleiniger Geschäftsführer war zuletzt Hansjürgen Meyer, der inzwischen zum Geschäftsführer der GSD bestellt worden ist.
Bemühungen der APG, den Zweck der MIZ von der Bindung an das Forschungsprojekt DOMINIG 1 zu lösen und entsprechend der tat- sächlichen Praxis im Gesell- schaftsvertrag einen erweiterten Aufgabenbereich festzulegen, scheiterten an der ablehnenden Haltung des Landes Berlin, das seinerseits auf Auflösung der MIZ klagte. Das die Gesellschaft auflö- sende Landgerichtsurteil wurde unmittelbar nach Urteilserlaß rechtskräftig, da die MIZ auf Beru- fung verzichtete.
Das Ende der Zusammenarbeit war auch von strafgerichtlichen Verfahren begleitet. Gegen die beiden ehemaligen Geschäftsfüh- rer der MIZ, Dr. Gerhard Raudszus und Volker Kästner, war Anklage wegen angeblicher Zweckent- fremdung von öffentlichen Förde- rungsmitteln erhoben worden. An- fang Juli 1980 wurden beide vom Schöffengericht des Amtsgerichts Tiergarten freigesprochen, und zwar auf Antrag der Staatsanwalt- schaft, die gleichzeitig schwere Vorwürfe gegen die Senatsverwal- tung für Gesundheit und Umwelt- schutz erhob, weil diese nur bela- stende Dokumente vorgelegt, ent-
lastende aber zurückgehalten und dadurch die Staatsanwaltschaft getäuscht habe.
Die neue Gesellschaft GSD legt Wert auf die Feststellung, daß sie andere Aufgaben als die aufgelö- ste MIZ habe. Sie könne, so Ge- schäftsführer Meyer, auch nicht als Nachfolge- oder Auffanggesell- schaft der MIZ angesehen werden.
Abgesehen von einer geringfügi- gen Ausnahme habe sie auch kei- nes der zuletzt von der MIZ betrie- benen Projekte übernommen.
Die Vertreter der in der APG zu- sammengeschlossenen niederge- lassenen Ärzte sehen das anders.
Nach ihrer Ansicht hätten alle jetzt in der GSD verfolgten Aktivitäten auch im Rahmen der MIZ durchge- führt werden können. Die Grün- dung der GSD sei überflüssig ge- wesen. Sie sei zu dem Zweck er- folgt, dem Land Berlin den alleini- gen Einfluß auf die Aktivitäten der Gesellschaft zu sichern und nicht zuletzt die Systemforschung im Gesundheitsbereich ohne die nie- dergelassenen Ärzte durchzufüh- ren. JK
RHEINLAND-PFALZ
15 Hilfskrankenhäuser
Naöh einer Mitteilung von Sozial- minister Dr. Georg Gölter sind für das Land Rheinland-Pfalz 15 Hilfs- krankenhäuser mit einer Grundflä- che von fast 9000 Quadratmetern für geschützte und unterirdische Operationssäle, Röntgenräume, Dekontaminationseinrichtungen, Laboratorien, Liegeräume und Kü- chen vorgesehen.
Diese Einrichtungen seien zum überwiegenden Teil fertiggestellt und stünden bei Bedarf auch für die Bewältigung ziviler Katastro- phen zur Verfügung. Weitere ge- schützte Einrichtungen bei Kran- kenhausneu- und -umbauten sei- en für das Land Rheinland-Pfalz nicht vorgesehen, weil die Bun- desregierung hierfür keine finan- ziellen Mittel bereitstelle. WZ
BADEN-WÜRTTEMBERG
140 Nieren verpflanzt
Die Universitätskliniken in Frei- burg, Heidelberg, Tübingen und Ulm haben im Jahre 1979 insge- samt 140 Nierentransplantationen durchgeführt. Das sind 15,8 Or- ganverpflanzungen pro eine Mil- lion Einwohner des Landes Ba- den-Württemberg. Diese Zahl liegt 70 Prozent über dem Bundes- durchschnitt.
Dennoch hält die Landesregie- rung eine Steigerung der Trans- plantationsaktivitäten innerhalb des Landes für notwendig. Nach- dem der Verein Rehabilitations- zentrum für chronische Nieren- kranke in Heidelberg im Frühjahr dieses Jahres zu erkennen gege- ben hatte, daß er den Investitions- aufwand für einen Erweiterungs- bau der Chirurgischen Universi- tätsklinik Heidelberg mit 24 Betten und drei Dialyseplätzen, der auf insgesamt 12 bis 15 Millionen DM geschätzt wird, nicht aufbringen könne, sei die Landesregierung entschlossen, diesen Erweite- rungsbau als Hochschulbaumaß- nahme durchzuführen.
In Baden-Württemberg werden zur Zeit etwa 1500 chronisch nieren- kranke Patienten durch Dialysebe- handlung versorgt. Das Wissen- schaftsministerium geht davon aus, daß jährlich 250 bis 300 Nie- renverpflanzungen in Baden- Württemberg durchgeführt wer- den müßten.
Zur Zeit muß ein Patient, der sich für eine Nierenverpflanzung an- meldet, durchschnittlich zweiein- halb Jahre auf die Operation war- ten. Selbst wenn man unterstelle, daß ein Verpflanzungsorgan nur drei Jahre lang funktionstüchtig ist, könnten die baden-württem- bergischen Kostenträger jährlich rund 15 Millionen DM an Dialyse- behandlungskosten einsparen, wenn es möglich wäre, in diesem Zeitraum die genannte Zahl an Nierenverpflanzungen durchzu-
führen. dr
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 43 vom 23. Oktober 1980 2527