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Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 23, 5. Juni 1998 (1)
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ie Bundesregierung berei- tet zur Zeit zwei Novellen„zugunsten der Ärzte“ vor, die längst überfällig sind und nichts mit „Wahlgeschenken“ zu tun ha- ben: So kündigte Bundesgesund- heitsminister Horst Seehofer vor dem jüngsten 101. Deutschen Ärz- tetag in Köln an, noch vor der Sommerpause werde er einen Entwurf zur Änderung der Amtli- chen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) einbringen. Andererseits soll in einem Spezialgesetz zur Än- derung von SGB V die für 1. Janu- ar 1999 vorgesehene Bedarfszulas- sung für niederlassungswillige Ver- tragsärzte abgeschafft oder zumin- dest gemildert werden.
Die GOÄ-Novelle, die durch den Bundesrat nicht zustimmungs- pflichtig ist, soll zum 1. Januar 1999 den derzeit geltenden Ostabschlag bei der Privatliquidation in Höhe von 17 Prozent auf 10 Prozent re- duzieren. Dann entspräche die Vorgabe für die Privatliquidation der Ärzte in den neuen Bundeslän- dern nicht mehr 83 Prozent des Westniveaus, sondern 90 Prozent.
Zum 1. Januar 2000 soll dann der Ostabschlag völlig entfallen, falls dies die wirtschaftliche Entwick- lung zuläßt, schränkte Seehofer ein. Die jetzt in Angriff genomme- ne Novelle ist längst fällig, unter- scheiden sich doch die gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedin- gungen bei den privat liquidieren- den Ärzten in den alten und in den neuen Ländern kaum. Auch die Praxiskosten sind identisch, und den Privatpatienten in den neuen Ländern werden gleich hohe Prä- mien von den Privatversicherern abverlangt. Andererseits beharrt das Bundesgesundheitsministeri-
um, obwohl bessere Einsichten eingekehrt sind, auf den Vorschrif- ten des Einigungsvertrages, der ei- ne stufenweise Angleichung in der GOÄ/GOZ zwischen Ost und West vorsieht. Die „Sozialmauer“
gilt dann allerdings noch im Be- reich der vertragsärztlichen Ver- sorgung nach Maßgabe des EBM.
Hier gibt es noch keine Niveau- angleichung. Begründung: Die Grundlohnentwicklung der gesetz- lich Versicherten in den alten und in den neuen Ländern differiere nach wie vor. Zudem seien die Grundlöhne und die Beitragsbe- messungsgrenze in der Gesetzli- chen Krankenversicherung in den Ländern Ost niedriger als in den alten Bundesländern. Entspre- chend gebe es Abweichungen bei den Gesamtvergütungen.
Am Ende ihres Lateins ist die Ministerialbürokratie bei der Prü- fung einer verfassungskonformen Bedarfszulassung, die nach Maß- gabe des am 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Gesundheitsstruktur- gesetzes ursprünglich ab 1999 lu- penrein vollzogen werden sollte.
Trotz aller Anstrengungen sei es nicht gelungen, eine „gerichtsfe- ste“ Regelung zu finden, die auch vor dem Bundesverfassungsge- richt standhalten würde. Deshalb werde der Gesetzgeber darauf verzichten, die strikte Zulassung nach Verhältniszahlen und nach vorgegebenen Stellenplänen („Be- darfszulassung“) so zu vollziehen.
Schließlich habe er, Seehofer, kei- ne Lust, einen Prozeß vor dem höchsten Verfassungsgericht zu verlieren (da wurden wohl Erinne- rungen an das Bundesverfassungs- gerichtsurteil vom 23. März 1960 wach). Dr. Harald Clade