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Archiv "Niedergelassene Ärzte: Wie der Investitionsstau in den Praxen aufzulösen ist" (08.07.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 27–28

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8. Juli 2013 A 1387 NIEDERGELASSENE ÄRZTE

Wie der Investitionsstau in den Praxen aufzulösen ist

Vertragsärzte investieren zu wenig. KBV-Vorstandschef Andreas Köhler befürchtet vor allem im ländlichen Raum einen Substanzverlust der Praxen. Aber

welche Investitionen rentieren sich? Und wie sollten Niedergelassene kalkulieren?

B

eim ersten Befund waren sich noch alle einig: Die Vertrags- ärzte investieren zu wenig. Das sag- ten die Banker, der Chef der Kassen- ärzte, der Berater und der Praxisinha- ber, die das Thema „Investitionen in die eigene Praxis: Kostentreiber oder Erfolgsgarant?“ auf dem Hauptstadt- kongress 2013 zusammengeführt hatte. Georg Heßbrügge, Bereichs- leiter Gesundheitsmärkte und -poli- tik der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank), verwies auf eine Schätzung, wonach der Investi- tionsstau in der ambulanten Medizin zwei Milliarden Euro erreicht. Kein auf Dauer befriedigender Zustand für das Gesundheitswesen – und auch nicht für ein Kreditinstitut, das Investitionen finanzieren möchte.

Dr. med. Andreas Köhler, Vor- standsvorsitzender der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung (KBV), legte Zahlen vor: Danach haben

sich die Investitionen je Praxis von durchschnittlich 14 855 Euro im Jahr 2006 auf 11 694 Euro 2010 vermindert. „Der Indikator Investi- tionstätigkeit bereitet mir Sorgen“, bekannte Köhler. So fallen nach den Zahlen aus dem Praxis-Panel des Zentralinstituts für die kassenärztli- che Versorgung die im ländlichen Raum angesiedelten Praxen deut- lich gegenüber den anderen zurück.

Während 2006 die Inhaber ländli- cher Praxen noch 15 730 Euro im Schnitt investiert haben, waren es vier Jahre später mit knapp 9 000 Euro 42 Prozent weniger. Vertragsärzte mit Sitz in Kernstädten hielten ihre Investitionen dagegen eher stabil. In vielen ärztlichen Fachgruppen droht nach Worten Köhlers wegen des Investitionsstaus ein Substanzverlust.

Vor allem bei den fachärzt lichen Grundversorgern, den ope rierenden Fachärzten und den Radiologen

klaffen getätigte Investitionen und Investitionsbedarf weit auseinander (Grafik).

Köhler verwies zudem auf große Unterschiede zwischen Einzel- und Gemeinschaftspraxen. Bei Letzte- ren schwankten die Investitionen im Zeitraum 2006 bis 2010 zwischen 18 700 und 26 100 Euro im Durch- schnitt, während der Trend bei den Einzelpraxen eindeutig nach unten zeigte: von rund 13 000 Euro jähr- lich auf 9 100 Euro. Dabei hat sich der Jahresüberschuss je Praxisin - haber in beiden Praxisformen von 2007 bis 2009 erhöht: um 18,5 Pro- zent bei den Einzelpraxen und um 12,4 Prozent bei den Gemein- schaftspraxen. Den Gewinnanstieg für die Einzelpraxen erklärt Köhler mit der Vergütungsreform und eben mit der Investitionszurückhaltung.

Das Leben von der Substanz minde- re aber den Goodwill, also den ide- ellen Praxiswert – keine gute Vor - aussetzung für die Praxisübergabe.

Köhler: „Was Praxisinhaber erwar- ten, lässt sich dann unter Umstän- den nicht realisieren.“ Die höheren Investitionen in Gemeinschaftspra- xen auf der anderen Seite minderten kurzfristig zwar den Jahresüber- schuss, seien aber auch Ausdruck einer längerfristigen Ausrichtung.

Was aber sind die Ursachen der Investitionszurückhaltung? Es fehle an Planungssicherheit für die Nie- dergelassenen, kritisierte Köhler.

Vor allem aber sei trotz deutli cher Effekte der Honorarreform der Re- ferenzwert, den man bei der Kal - kulation des Einheitlichen Be - wertungsmaßstabs zugrunde gelegt habe, nicht erreicht. Die Vollzeittä- tigkeit eines Vertragsarztes soll ohne Privateinnahmen nicht schlechter Eine Praxis zum

Wohlfühlen:

Wegen fehlender Planungssicherheit investieren derzeit jedoch eher wenige Ärzte in die Praxis-

ausstattung.

Foto: Fotolia/fhmedien

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8. Juli 2013 bezahlt werden als eine Oberarzttä-

tigkeit im Krankenhaus. Mit 98 300 Euro Jahresüberschuss lagen die Praxisinhaber 2009 allerdings um 16 Prozent unter dem Tarifentgelt ei- nes Oberarztes (114 500 Euro). Hier sieht Köhler auch den Ansatz, um den Investitionsstau aufzulösen. Der Überschuss aus vertragsärztlicher Tätigkeit müsse steigen, die Weiter- entwicklung der Vergütung müsse auch die Kosten für Löhne und Mie- ten sowie die Preisentwicklung von Investitionsgütern berücksichtigen.

Unzureichende Gewinne In unzureichenden Gewinnen sieht auch Thomas Voeste, Mitinhaber der Beratungsgesellschaft Kock + Voes- te GmbH, den Grund für die In - vestitionszurückhaltung. Voeste gab einen Einblick, wie er Investitions- projekte von ärztlichen Mandanten beurteilt. Auf der Basis der Regel- leistungsvolumina (RLV) und der qualifikationsgebundenen Zusatzvo- lumina (QZV) ergeben sich durch- schnittliche Stundensätze der Ver-

tragsärzte von beispielsweise 165/

153 Euro für Hausärzte (West/Ost), 245/187 Euro für Augenärzte, 193/193 Euro für Internisten oder 241/207 Euro für Urologen. Daraus errechnet Voeste nach Abzug von Steuern, Darlehenstilgungen und Aufwendungen für Altersvorsorge eine monatliche Liquidität (nicht zu verwechseln mit dem Nettoeinkom- men) von 5 800 Euro bei den Haus-

ärzten. Damit muss der Vertragsarzt seinen Lebensunterhalt bestreiten, Rücklagen bilden und Investitionen bezahlen. Keine Arztgruppe, vom Sonderfall Radiologie abgesehen, habe monatlich mehr als 8 200 Euro liquide Mittel zur Verfügung, sagte Voeste. Sein Fazit: „Investitionen in Leistungen innerhalb der RLV- und QZV-Budgets rechnen sich in der Regel nicht. Nur wer am Lebens - unterhalt spart, kann investieren.“

Eine Ausnahme ließ Voeste nur gelten für den Fall, dass die Inves - tition den Mittelzufluss steigere.

Investitionen müssten also einen höheren Stundensatz erwirtschaften als den Durchschnittswert, beispiels - weise 200 Euro für das Ultraschall- gerät in der Hausarztpraxis. Wenn aber im QZV in Berlin je Leistungs- fall nur 11,41 Euro Mehreinnahmen aus der GKV erzielbar seien, rechne sich ein 25 000 Euro teures neues Gerät erst, wenn es pro Quartal für 133 Sonographien eingesetzt werde.

Dann aber komme ein Vertragsarzt mit ziemlicher Sicherheit in die

Wirtschaftlichkeitsprüfung. Voeste:

„Gerätemedizin rechnet sich in der GKV nicht. Nur mit Privatleistun- gen und individuellen Gesundheits- leistungen (IGeL) kann ein gerade noch ausreichender medizinischer Standard gewährleistet werden“.

Voestes Rat, nur in Geräte zu inves- tieren, die den IGel- und Privatver - sichertenmarkt bedienten, forderte Widerspruch her aus. „Wenn ich das

Sonographiegerät nicht kaufe, wird auch mein GKV-Patient nicht kom- men“, entgegnete Köhler. Die Quer- subventionierung aus der privaten Krankenversicherung bestritt der KBV- Vorstandschef nicht, aber für die Tragfähigkeit einer Praxis brau- che man die Kassenzulassung.

Mit spitzem Bleistift

Investiert wird aus ganz unterschied- lichen Motiven, wie Jessica Beyer, Referentin Gesundheitsmärkte und -politik bei der Apobank, herausstell- te: um die Wettbewerbssituation der Praxis zu verbessern, um Geld und Zeit zu sparen. Selbst vor einer Praxisabgabe könnten Investitionen sinnvoll sein. Bei der Antwort auf die Frage, ob eine Investition wirtschaft- lich ist, bieten Banken ihre Hilfestel- lung an. Die Apobank arbeitet, wie Beyer erläuterte, mit dem Investiti- ons- und Kostenberatungsprogramm INKO als Entscheidungshilfe.

Dass es durchaus Niedergelasse- ne gibt, die mit ihrer täglichen Ar- beit und ihren Investitionen vollauf zufrieden sind, bekannte Marcus Jünemann, Internist in Großhans- dorf bei Hamburg. „Ich investiere gern, auch wenn ich mit spitzem Bleistift rechnen muss.“ Jünemann hatte gerade für 50 000 Euro eine Praxis übernommen und 20 000 Euro in die Renovierung der Räume gesteckt, als ihm größere Praxisräu- me in einem Ärztehaus in besserer Lage angeboten wurden. Zusam- men mit einem Kollegen griff er zu und hat es nicht bereut. Auch Jüne- mann investiert, um Gewinn zu er- zielen –„aber wir wollen uns auch wohlfühlen und unseren Patienten etwas bieten“. Dabei geht es auch um kleine Dinge: Dass in der haus- ärztlichen Gemeinschaftspraxis ei- ne Espressomaschine steht, erzähl- ten die Patienten begeistert herum.

Möglicherweise trug auch dieses Angebot, bei überschaubaren Kos- ten von 60 Euro monatlich, zum Wachstum der Patientenzahlen bei.

Praxisinhaber Jünemann und Pra- xisberater Voeste sind sich sicher:

Die Zukunft in der ambulanten Ver- sorgung gehört, auch im Hinblick auf eine bessere Auslastung von Ge- räten, der Kooperation.

Heinz Stüwe GRAFIK

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Erheblicher Investitionsstau in den Arztpraxen

alle Praxen Hausarzt

praxen

fachärztliche Grun

dversorge r

fachärztliche Opera- teure/Radiologie fachärztliche I

nternisten

fachärztliche Neuro- logen/Psychiater

bereichs übe

rgreifend Psychotherapeuten 13,1

22,5

7,210,0 13,3 26,7

getätigte Investitionen offener Investitionsbedarf

Quelle: Zipp-Jahresbericht 2011

in Tausend Euro

8,8

15,5 18,0 40,1

3,9 3,9 52,1

108,5

37,2 37,4

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