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(1)

vor dem Einbruch der Assyrer.

Von Albrecht Alt.

Die altaramäischen Inschriften der Bruchstücke einer

Stele von Südschin bei Aleppo, die Ronzevallk 1931 ver¬

öffenthchte*), sind bisher in der Hauptsache nur philologisch

behandelt worden. Schon der Herausgeber versuchte sich in

dieser Richtung, indem er den Photographien der Fragmente

nicht nur Nachzeichnungen und Umschriften, sondern so¬

gleich auch eine vollständige Übersetzung und Erklärung bei¬

fügte. Er war jedoch den sprachlichen Schwierigkeiten der

ebenso eigenartigen wie umfangreichen Texte nicht ganz ge¬

wachsen und erreichte infolgedessen weder in der Deutung der

Einzelheiten noch im Verständnis des Ganzen das gesteckte

Ziel. So ergab es sich von selbst, daß andere die von ihm be¬

gonnene Arbeit aufnehmen und zu Ende führen mußten, so¬

weit dies auf Grund der ihnen allein vorliegenden Photo¬

graphien möglich war. Dussaud und mehr noch Cantikkau

1931 lieferten die ersten Beiträge zu einer besseren Interpre¬

tation wichtiger Punkte^) ; vor allem aber hat sich H. Bauer

1932 das Verdienst erworben, die Texte in ihrem vollen Wort¬

laut mit strenger Beschränkung auf das sicher Lesbare von

neuem philologisch durchzuarbeiten und im wesentlichen ein¬

wandfrei zu erklären*). Erst damit war eine wirklich trag-

1) Melanges de I'Universite St-Joseph Beyrouth 15, 7, S. 235rf.

2) DnssAUD, Academic des Inscriptions et Belles-Lettres. Comptes rendus 1931, S. 312 ff. (mit noch viel zu weit gehendem Vertrauen auf Rohzbvallb's Lesungen); Cahtinkao, Revue d'Assyriologie 28, S. 167 ff.

3) Archiv für Orientforschung 8, S. Iff.; vgl. ZAW N. F. 9 (1932), S. 178 ff.

(2)

234 A. Alt, Die syrische Staatenwelt vor dem Einbruch der Assyrer.

fähige Basis geschaffen, die dann Friedrich und Landsberger

sowie Driver 1933 durch ergänzende Beobachtungen noch

etwas verbreitern konnten Auch nach diesen Arbeiten kann

freilich die philologische Aufgabe noch nicht für endgültig

gelöst gelten ; denn es bleiben zum Teil erhebliche Textlücken

nicht nur da, wo noch ganze Bruchstücke der Stele fehlen,

sondern auch in den bis jetzt veröffentlichten Fragmenten

selbst, wo die vorliegenden Photographien keine sichere Le¬

sung der Texte ermöglichen. Man darf wohl hoffen, daß Lücken

der letzteren Art durch erneute Prüfung der Originale in

Aleppo und vielleicht auch solche der ersteren durch weitere

Absuchung des Geländes um Südschin noch einigermaßen

geschlossen werden. Aber mehr als eine Bereicherung um

Einzelheiten ist von solchen künftigen Vervollständigungen

der Texte kaum zu erwarten; das Gesamtbild der Inschriften

steht schon heute fest, und insofern hat die philologische

Arbeit ihr Ziel erreicht.

In diesem Stadium der Forschung scheint es mir nicht nur

berechtigt, sondern durch die Sache selbst geboten, die Gren¬

zen der rein philologischen Interpretation zu überschreiten

und von dem gewonnenen Textverständnis aus nun auch den

historischen Fragen näherzutreten, die durch die Inschriften

der Stele aufgeworfen werden, von den bisherigen Bearbeitern

aber mit gutem Grund einstweilen zurückgestellt worden

sind^). Daß die Aufhellung der historischen Situation des

Denkmals zur vollständigen Erfassung seines Sinnes unent¬

behrlich ist, bedarf nicht erst des Beweises. Denn seine Texte

sind offenbar der Wortlaut zweier formal voneinander unab¬

hängiger, inhaltlich aber eng zusammengehörender Staats¬

verträge; und daß Dokumente dieser hochpolitischen Art nicht

eher richtig verstanden werden können, als bis man sich von

1) Fbiedbich und Landsbeboeb, Zeitschrift für Assyriologie,

N. F. 7 (41), S. 3I3ff.; Dbiveb, Archiv für Orientforschung 8, S. 203ff.

2) Am weitesten hat sich bisher Dussadd a. a. O. auf das histo¬

rische Gebiet vorgewagt, aber in einem zu frühen Stadium der philo¬

logischen Arbeit und mit zu wenig sicherer Methode, als daß sich eine haltbare Auffassung hätte ergeben können.

(3)

dem Staatensystem, das sie voraussetzen, ein zutreffendes Bild

gemacht hat, wird wohl jeder ohne weiteres zugeben. Das

damit gestellte historische Problem fordert aber im vorliegen¬

den Fah um so dringender eine Lösung, da es hier durch be¬

sondere Umstände noch sehr verschärft wird. Von den beiden

Staaten nämlich, die hier in erster Linie als Vertragspartner

auftreten, ist nur der eine, das Reich von Arpad, aus andereii

Quellen gut bekannt, hingegen der andere, Ktk, scheinbar

völlig neu. Dieses unerwartete Auftauchen eines sonst, wie

man annimmt, nirgends bezeugten Reiches in der Nähe von

Arpad, also doch wohl in Nordsyrien, könnte nicht ernstlich

überraschen, wenn die Stele aus einer Zeit stammte, für die

uns keine oder nur unzureichende Nachrichten über die

syrische Staatenwelt zur Verfügung stünden. In Wirklichkeit

aber ist sie dadurch, daß in dem ersten der beiden Verträge

der aus assyrischen Inschriften Assurniraris V. und Tiglathpi-

lesers III. zur Genüge bekannte König Mati'el, im zweiten an¬

scheinend dessen Söhne das Reich von Arpad führend reprä¬

sentieren*), auf das bestimmteste in die Zeit vor und bis 740

v. Chr., d. h. gerade in die letzten Jahre der Existenz des Reiches

von Arpad vor seiner Vernichtung durch die Assyrer, datiert *),

und für diese Zeit sind wir durch die Feldzugsberichte und

1) In Anbetracht der analogen Gestaltung der Anfänge beider

Verträge drängt sich allerdings die Frage auf, ob nicht zu Beginn des

zweiten wie des ersten Vertrags, also am oberen Rand der Rückseite

der Stele, eine Zeile stand, die wiederum Mati'el als den führenden

Repräsentanten von Arpad nannte. Vgl. unten S. 252 ff.

2) Wenn die bisherigen Bearbeiter, soweit sie sich zu der chrono¬

logischen Frage überhaupt geäußert haben, wenigstens für den zweiten

Vertrag auch die Zeit nach 740 offen lassen wollten oder geradezu

forderten, so waren sie vermutlich von der Ansicht geleitet, das Reich von Arpad habe die Eroberung seiner Hauptstadt durch Tiglathpileser

in jenem Jahre noch überdauert, aber seinen König Mati'el bei dieser

Gelegenheit verloren. Dafür gibt es jedoch meines Wissens keinerlei

positives Zeugnis; die weit überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht

vielmehr für die Annahme, daß schon 740 die Umwandlung des Reiches

von Arpad in die später belegte assyrische Provinz gleichen Namens

erfolgte (so schon Forbbr, Die Provinzeinteilung des assyrischen Reiches [1921], S. 56).

(4)

236 A.. Alt, Die syrische Staatenwelt vor dem Einbruch der Assyrer.

sonstigen Aufzeichnungen Tiglathpilesers und seiner Nach¬

folger über das syrische Staatensystem besser unterrichtet als

für irgendeine andere, so gut, daß man sich schlecht vorstellen

kann, wie ein Glied dieses Systems, und sei es auch das un¬

scheinbarste, der Erwähnung in den assyrischen Texten ganz

entgangen sein sollte. Müßte es, wenn etwa zufällig von

seiner Unterwerfung nirgends die Rede wäre, nicht wenig¬

stens in dem Provinzialsystem des Großreichs eine Spur hinter¬

lassen haben, dem nun ahmähhch der ganze Bestand syrischer

Staaten einverleibt wurde? Das scheinbar völlige Schweigen

der assyrischen Inschriften macht es begreiflich, daß Cantineau

auf die Auskunft verfahen konnte, Ktk sei überhaupt nicht

der Name eines syrischen Staates jener Zeit, sondern ein Deck¬

name für Assur selbst, so daß die Verträge unserer Stele mit

dem in assyrischer Fassung erhaltenen Vertrag in einer Linie

stünden, den Assurnirari V. mit demselben König Mati'el von

Arpad schloß Aber dieser Ausweg ist in Anbetracht seiner

inneren Unwahrscheinlichkeit doch wohl nicht gangbar und

darf zum mindesten erst beschritten werden, wenn ein ernst¬

hafter Versuch, dem Staat von Ktk seinen Platz in dem

syrischen Staatensystem der Zeit um 740 anzuweisen, zu

keinem brauchbaren Ergebnis geführt hat. Wir wollen diesen

Versuch hier unternehmen.

Dabei kann uns leider der Name Ktk so wenig nützen

wie der des Königs von Ktk in den Inschriften unserer Stele:

Bar-Ga'ja; nur soviel wird man sagen dürfen, daß das Zu¬

sammentreffen dieser beiden Namen gerade dann sehr gut zu

verstehen ist, wenn sie ein Reich und einen König Nord¬

syriens im achten Jahrhundert v. Chr. bezeichnen. Denn Ktk,

nach dem Wortlaut der Texte selbst zunächst der Name einer

Stadt und dann erst der des zugehörigen Territoriums, ist

offenbar kein semitischer Name, sondern geht allem Anschein

nach auf jenes ältere mit Kleinasien zusammenhängende

sprachliche Substrat zurück, das in dem frühesten Orts¬

namenbestand Nordsyriens auch sonst zu beobachten ist; ich

1) A. a. O. S. 175 ff. Der Staatsvertrag Assurniraris mit Mati'el ist jetzt publiziert von Weidnbr, Archiv für Orientforschung 8, S. 17ff.

(5)

verweise zum Vergleich hier nur auf den Namen des benach¬

barten Hatarikka (Hadrach) und schlage nach dieser Analogie

mit allem Vorbehalt für Ktk die Aussprache Katikka vor.

Wenn nun aber dieser alte Ort im achten Jahrhundert der

Sitz eines Königs mit dem gut aramäischen Namen Bar-Ga'ja

ist, so entspricht das durchaus den Bevölkerungs- und Herr-

scbaftsverhältnissen, die in großen Teilen Nordsyriens infolge

der Landnahme der Aramäer seit dem Ausgang des zweiten

Jahrtausends zustande gekommen waren; auch dafür gibt es

in der Nachbarschaft zu gleicher Zeit Analogien genug. Mehr

als eine historische Möglichkeit ist jedoch mit diesen Beobach¬

tungen an den Namen von Stadt, Reich und König noch nicht

gewonnen.

Um von da aus auf den Boden der Wirklichkeit zu kom¬

men, müssen wir nun vor ahem die geographische Lagerung

der Dinge mitberücksichtigen und historisch auszuwerten

suchen. Der Fundort der Stele Südschin hegt etwa 25 km

ostsüdöstlich von Aleppo nahe dem Westrand des großen

Salzsees von Dschabbül und damit etwa 55 km südöstlich von

Teil Erfäd, dem Stadthügel des alten Arpad, also in einer

Entfernung von dem letzteren, die an sich gleich gut vorstell¬

bar ist, wenn er zum Herrschaftsbereich von Arpad oder zu

dem des Vertragspartners Katikka gehörte. Da jedoch beide

Verträge der Stele als solche von Katikka mit Arpad, nicht

umgekehrt, abgefaßt sind, spricht wohl die größere Wahr¬

scheinlichkeit dafür, daß die Stele vom König von Katikka

und in seinem Gebiet errichtet worden ist; für das letztere

ergibt sich dann das Becken des Sees von Dschabbül entweder

allein oder in Verbindung mit Nachbarlandschaften*) als

geographischer Raum. Sein Herrschaftszentrum, also die

Stadt Katikka selbst, nach der das ganze Staatsgebilde

benannt wird, ist aber mit diesen Feststellungen durchaus

1) Man könnte besonders an eine weitere Erstreckung nach

Norden, entlang dem altbesiedelten Talzug des Nahr ed-Dahab, denken;

gegen Süden und Südwesten bilden die Höhen des Dschebel el-'Ämiri

und el-Hass, gegen Osten die Steppe zum Euphrat hin eine natürliche Grenze.

(6)

238 A. Alt, Die syrische Staatenwelt vor dem Einbruch der Assyrer.

noch nicht bestimmt. Denn der Fundort der Stele ist nicht etwa

ein Stadthügel, in dem wir unter der Voraussetzung, daß der

König von Katikka die lapidare Ausfertigung seiner Staats¬

verträge an seinem eigenen Sitz habe aufstellen lassen, Katik¬

ka selbst sehen dürften, sondern eine ganz flache Trümmer¬

stätte abseits jeder größeren Siedlung, die man weit eher mit

RoNZKVALLK als die Stelle eines Heiligtums betrachten kann

Ob dieses Heiligtum wenigstens in der Nähe der Hauptstadt

lag oder weiter von ihr entfernt, etwa geradezu, was ich für

gut möglich halte, an einer Landesgrenze und dann am ersten

an der gegen Arpad hin, wird kaum zu entscheiden sein, so¬

lange der Name Katikka nicht entweder durch neue Funde

genauer lokalisiert oder als noch heute lebendige Ortsbezeich¬

nung wieder entdeckt ist^). Dann bleibt als Gewinn für uns

einstweilen nur die annähernde Bestimmung des Gebietes,

das den Herrschaftsbereich von Katikka gebildet haben müßte,

wenn das wirklich ein syrischer Staat war, und wir haben nun

weiter zu fragen, ob ein solcher Staat im Becken des Sees von

Dschabbül für die Mitte des achten Jahrhunderts v. Chr. auch

historisch denkbar oder vielleicht sogar nachzuweisen ist.

Eine der sogenannten Kleineren Inschriften Tiglathpile¬

sers III., die — leider sehr schlecht erhalten — eine lange

Reihe unterworfener syrischer Orte nach ihrer bisherigen

politischen Zugehörigkeit geordnet aufzählt, gestattet uns

meines Erachtens, mit einem hohen Grad von Wahrschein¬

lichkeit das größere Reich festzustehen, dem der Umkreis von

Südschin in der letzten Zeit vor seiner Einverleibung in das

assyrische Provinzialsystem angeschlossen war'). Dafür kom¬

men nach dieser Statistik von vornherein nur zwei vorassy-

1) Die Schürfungen in Südschin (vgl. Ronzevallb a. a. O.,

S. 257ff.) scheinen freilich nach dem, was ich bei einem Besuch der

Stätte im Sommer 1933 sehen konnte, noch kein klares Bild des ver¬

muteten Heiligtums ergeben zu haben.

2) Bei seinem nichtsemitischen Ursprung und Klang ist allerdings

sehr mit der Möglichkeit zu rechnen, daß man ihn längst durch einen

anderen ersetzt und vergessen hat.

3) III R. 10, Nr. 3; Rost, Die Keilschrifttexte Tiglat-Pilesers III.

(1893), PI. XXVII (S. 84f.).

(7)

rische Reiche der Nachbarschaft in Betracht, die gerade in

jener Gegend aneinander gegrenzt haben müssen: das Reich

von Arpad oder Bit-Agusi, wie es hier und anderwärts heißt*),

im Norden und das von Hamath im Süden; denn der südhchste

hier zu Arpad gerechnete Ort, der sicher identifiziert werden

kann, ist Nirabu, heute Nerab, 5 km ostsüdösthch von Aleppo

am Weg nach dem Becken des Sees von Dschabbül, und die

nördlichsten Orte des Reiches von Hamath sind die in der

Aufzählung unmittelbar nebeneinander stehenden Elhtarbi,

heute Terib, 33 km westlich von Aleppo, und Zitanu, heute

Zetän am ?^uwek, 20 km Südsüdwest!ich von Aleppo*). Für

den Gesamtverlauf der Grenze zwischen den Reichen von

Arpad und Hamath ergibt sich von da aus unter Berücksich¬

tigung der Geländeverhältnisse und des Besiedlungsstandes

im vorrömischen Altertum eine Linie etwa vom Dschebel

Sim'än im Nordwesten zum Dschebel el-Hass im Südosten als

so gut wie sicher, und das Becken des Sees von Dschabbül,

nach unserer Meinung das Territorium von Katikka, fällt

dann fast notwendig auf die Seite des Reiches von Arpad,

wofür sein nachbarliches Verhältnis zu Nirabu noch ganz

besonders spricht. In der Tat scheint es denn auch, als wäre

Katikka in der statistischen Aufzeichnung Tiglathpilesers

unter den Orten von Arpad genannt gewesen; unmittelbar

hinter Nirabu folgt hier nämlich ein Ortsname, von dem

leider nur die erste Silbe Ka- erhalten ist, und ich wüßte

nicht, was seiner Ergänzung zu Katikka im Wege stünde').

Doch wie immer man über diesen zwar sehr wahrschein¬

lichen, aber natürlich nicht zwingend beweisbaren Vorschlag

denken mag, auf jeden Fall hat uns das statistische Dokument

aus der Zeit Tiglathpilesers III. eine Situation in Nordsyrien

gezeigt, mit der sich die in den Verträgen der Stele von

1) So Kol. 2, ZI. 32 zweifellos richtig ergänzt von Fobbeb a. a. O.

S. 56 (statt des früher üblichen Bit-Adini).

2) Die beiden letztgenannten Orte werden auch in den Annalen

Tiglathpilesers III., ZI. 130, als Vororte von Bezirken des Reiches von

Hamath zusammen erwähnt.

3) Kol. 2, ZI. 28; der verfügbare Raum reicht für diese Ergänzung der Zeile auf jeden Fall aus.

(8)

240 A, Alt, Die syrische Staatenwelt vor dem Einbruch der Assyrer.

Südschin vorausgesetzten, nur um wenige Jahre früheren

Verhältnisse insofern deuthch berühren, als auch sie in ihrer

Weise eine besondere Verbundenheit der Gegend um den See

von Dschabbül mit dem Reich von Arpad zu erkennen geben.

Aber vöUig ist die Übereinstimmung noch nicht; denn zwi¬

schen dort und hier liegt nicht nur unausgesprochen das Er¬

eignis der Umwandlung jener Landschaften in assyrisches

Provinzialgebiet*), sondern auch der sehr bedeutsame Unter¬

schied, daß die Statistik Tiglathpilesers im Einklang mit

seinen Annalen und sonstigen Inschriften anscheinend nur

Arpad und Hamath als selbständige Größen des bisherigen

Staatensystems betrachtet, während die Stele von Südschin

ein dort ohne weiteres zum Reich von Arpad gerechnetes

Territorium als Staat für sich auftreten läßt, der gerade mit

Arpad Verträge schließt. Man wird diese offenkundige Diskre¬

panz der beiden Darstellungen schwerlich durch die Annahme

ausgleichen dürfen, daß eben noch in der kurzen Zwischen¬

zeit, also im letzten Augenblick vor dem entscheidenden Ein¬

griff der Assyrer, eine grundsätzliche Änderung der politischen

Ordnungen in Syrien stattgefunden habe, bei der so kleine

Staaten wie der von Katikka in größeren Reichen wie dem von

Arpad aufgingen. Die an sich schon wenig wahrscheinliche

Hypothese eines so plötzhchen Systemwechsels im letzten

Augenblick wird aber auch überflüssig, wenn wir uns von

der inneren Struktur der syrischen Staatenwelt vor und unter

Tiglathpileser III. ein Bild machen können, aus dem das

Nebeneinander jener beiden Darstellungen verständlich wird,

ohne daß wir den Gedanken an einen zwischen ihnen liegenden

Bruch zur Hilfe nehmen müssen. Diese Lösung des Problems

scheint mir in der Tat nicht nur möglich, sondern in Anbe¬

tracht sogleich zu erwähnender Umstände sogar notwendig.

1) Es trifft sich für unsere hiesigen Zwecke sehr günstig, daß

jenes statistische Dokument ausschließlich an dem vorgefundenen

Territorialbestand der jetzt ganz (so Arpad) oder erst teilweise (so

Hamath) einverleibten Reiche orientiert ist und etwaige Grenzände¬

rungen, die bei der Einrichtung der assyrischen Provinzen vorgenommen werden konnten, überhaupt nicht berücksichtigt, insoweit also nur den status quo ante verzeichnet.

(9)

Sie besagt, daß die verbältnismäßig großen und daher wenigen

Reiche in Syrien, die von den Assyrern ständig genannt wer¬

den, zwar von außen betrachtet wirkhch als politische Ein¬

heiten erscheinen konnten, in ihrem Innern aber komplexe

Gebilde aus ganzen Gruppen kleinerer Staaten waren, deren

Zusammenhang untereinander nur in ihrer so oder so gestal¬

teten Abhängigkeit von einem gemeinsamen Oberhaupt be¬

stand. In diese inneren Verhältnisse bieten uns dann die aus

ihnen selbst stammenden Verträge des Staates von Katikka

mit dem von Arpad, also mit einem Reich, das auch von den

Assyrern als solches bezeichnet und behandelt wird, einen

unmittelbaren, wenn auch naturgemäß eng begrenzten Ein¬

blick; auf der assyrischen Seite ist mit ihnen, und zwar für

einen viel weiteren Kreis, nur das oben behandelte statistische

Dokument befaßt, das dann voraussichtlich als ,, Städte von

Arpad" oder „von Hamath" nur solche Orte nennen wird, die

den Assyrern als Zentren der kleineren Teilstaaten im Rahmen

der Reiche von Arpad und Hamath bekannt waren*).

Wäre unser Bestand an einheimischen Inschriften Sy¬

riens aus der fraglichen Zeit nicht so außerordentlich gering,

so dürften wir wohl hoffen, diese Auffassung an einer größeren

Anzahl originaler Texte auf ihre Richtigkeit nachprüfen zu

können. Aber es gibt immerhin ein paar Denkmäler, die dafür

in Betracht kommen; daß sie aus etwas früheren Zeiten

stammen, kann ihren Zeugniswert für uns nicht beeinträch¬

tigen, da wir kaum einen Anlaß haben, mit einem ernstlichen

Wechsel in der Gestaltung der syrischen Staaten während

der letzten Menschenalter vor dem Einbruch der Assyrer zu

rechnen. Sogleich die bis jetzt älteste einheimische Inschrift,

die des Königs Kilamuwa von Ja'di (Sendschirli), die noch

aus der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts v. Chr.

1) Daß in jener Statistik wirklich nur solche politische Zentren und nicht etwa beliebige eroberte Orte ohne Rüclcsicht auf ihre staat¬

liche Bedeutung aufgezählt sind, geht mit ziemlicher Sicherheit schon

aus einem Vei^leich der Namenreihe für das Reich von Hamath mit

dem entsprechenden Abschnitt von Tiglathpilesers Annalen (ZI. 125 ff.)

hervor, der eine viel größere Anzahl von Namen nennt.

1 T

(10)

242 A. Alt, Die syrische Staatenwelt vor dem Einbruch der Assyrer.

stammt, gehört hierher*). Kilamuwa hebt nämlich unter den

Königen der Nachbarschaft, die ihm die Herrschaft erschwer¬

ten, besonders einen als übermächtigen Feind hervor: D"'J~T "]^D

(ZI. 7), und es läßt sich nicht anders denken, als daß auch

dieser in der Nähe, also im nördlichsten Syrien, zu Hause war.

Der Name des Landes oder eher des Volkes, das er regierte,

ist leider nicht ganz vollständig erhalten, und wenn auch die

Ergänzung eines J in Anbetracht der geringen Breite der

Lücke von vornherein die größte Wahrscheinlichkeit für sich

hatte"), so war doch mit ihr für das historische Verständnis

noch wenig gewonnen, solange man für diese Rekonstruktion

keine bessere Stütze beizubringen wußte als den nicht genauer

lokalisierbaren Namen Danuna einer syrischen Land- oder

Völkerschaft aus dem zweiten Jahrtausend v. Chr.'). Aber

schon Lidzbarski hoffte, daß sich ein entsprechender Name

vielleicht noch in den Keilinschriften nachweisen lassen werde,

und diese Hoffnung geht in Erfüllung, da wir in dem stati¬

stischen Dokument Tiglathpilesers III. unter den Orten des

Reiches von Arpad, also nach unserer Auffassung des Doku¬

ments als Zentrum eines der diesem Reiche eingegliederten

Kleinstaaten, eine Stadt Dinanu verzeichnet finden, die sehr

wohl in Grenzberührung mit dem Herrschaftsgebiet von Ja'di

gestanden haben kann, wenn sie im Norden oder Westen des

Reiches von Arpad lag*). Dann haben wir hier den gleichen

Tatbestand vor uns wie in dem Fall von Katikka: ein Ter-

1) Ausgrabungen in Sendschirli IV (1911), S. 374ff.; vgl. beson¬

ders Lidzbarski, Ephemeris für semitische Epigraphik 3 (1912),

S. 218 ff.

2) So schon Littmann, Sitzungsberichte der Preuß. Akademie,

1911, S. 981f.

3) Amarnabrief 151,52 Knudtzon; ägyptische Belege bei Bub-

chabdt. Die altkanaanäischen Fremdworte und Eigennamen im Ägyp¬

tischen II (1910), S. 60, Nr. 1188.

4) A. a. O. Kol. 2, ZI. 31. Identität mit jenem älteren Danuna ist wahrscheinlich, aber nicht beweisbar, und die vermutlich gentilizische Endung der Form O'lJlDn bedarf noch der Erklärung. Ein entsprechender

moderner Name ist meines Wissens bisher nicht gefunden, was bei dem

starken Vorherrschen der türkischen Ortsnamengebung im nördlichen

Syrien nicht überraschen kann.

(11)

ritorium unter eigenen Königen, von dem die Assyrer außer

in jener Statistik niemals reden, weil es sich ihnen einfach als

ein unselbständiger Teil des Reiches von Arpad darstellte,

und das dabei doch Eigenstaatlichkeit genug besaß, um bei

gegebener Gelegenheit einem nicht zu Arpad gehörigen Nach¬

barstaat gefährlich werden zu können. Daß es mit dem gleichen

größeren Reichsverband zusammenhing wie Katikka, macht

den Fall für uns noch besonders lehrreich*).

Aber auch für den Umkreis des Reiches von Hamath

haben wir ein analoges Zeugnis in der Inschrift des Königs

Zkr aus der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts, der ein¬

zigen semitischen Inschrift, durch die dieses Gebiet bis jetzt

zu uns spricht*). Es mag dahingestellt bleiben, ob etwa unter

den nicht mit Namen bezeichneten Königen der feindlichen

Koalition, deren Besiegung die Inschrift verewigt, der eine

oder andere ein solcher Kleinfürst war, dessen Herrschafts¬

gebiet die Assyrer nicht als Staat für sich in Anschlag bringen

würden; die Lückenhaftigkeit des Textes gerade an dieser

Stelle macht eine sichere Entscheidung darüber unmöglich').

1) Von den anderen epigraphischen Denkmälern aus dem Bereich

von Sendschirli könnte am ersten noch die sogenannte Panammu-

Inschrift aus der Zeit Tiglathpilesers III. für uns hier in Betracht

kommen, da sie anscheinend (der Text ist lückenhaft) die Annexion

von Städten des nördlichen Nachbarreiches Gurgum (über dessen Lage

vgl. Sachau, Sitzungsberichte der Preuß. Akademie, 1892, S. 314ff.)

durch den König von Ja'di erwähnt (ZI. 15). Es wird jedoch nicht

deutlich, ob die gemeinten Städte Eigenstaatlichkeit besaßen und dem

von den Assyrern als selbständige Größe behandelten Reich von Gur¬

gum nur in demselben Sinn angehörten wie Katikka und Dinanu dem

Reich von Arpad.

2) PooNON, Inscriptions semitiques de la Syrie (1907), Taf. IXf.

(S. 156ff.); vgl. besonders Lidzbakski a. a. O., S. Iff.

3) Selbst wer der von Tobrey (JAOS 35 [1915], S. 354 fL) vor¬

geschlagenen Ergänzung der Textlücken zustimmt und damit die Zahl

der Könige in der feindlichen Koalition auf ein Minimum reduziert,

behält für die Annahme, daß da am Ende der Aufzählung ein paar

Kleinfürsten genannt waren, noch einigen Spielraum und erst recht,

wer mit den früheren Bearbeitern glaubt, daß an der verstümmelten Stelle eine größere Anzahl (anscheinend sieben) feindlicher Könige ohne Nennung ihrer einzelnen Territorien unter einer allgemeineren Bezeich-

(12)

244 A. Axt, Die syrische Staatenwelt vor dem Einbruch der Assyrer.

Hingegen zeigt die Inschrift durch eine andere Eigentümlich¬

keit, deren Bedeutung erst Noth richtig herausgearbeitet

hat*), daß Zkr's eigenes Reich kein Einheitsstaat gewesen sein

kann. Er bezeichnet sich selbst sogleich in der ersten Zeile als

König von Hamath und tJ'J?^, nicht von Hamath ahein und gibt

schon damit zu erkennen, daß seine Herrschaft auf einer

PersoneJunion zwischen diesen beiden nicht von jeher und

darum auch nicht notwendig miteinander verbundenen

Staaten beruht. Im weiteren Verlauf der Inschrift aber be¬

schäftigt er sich überhaupt nicht mit Hamath, sondern aus¬

schließlich mit Ereignissen im Staat von B^J?^, als dessen Haupt¬

stadt dabei TlTH, das schon erwähnte Hatarikka der assy¬

rischen Inschriften, sichtbar wird; nur gegen diesen oder

genauer gegen seinen Zusammenschluß mit Hamath unter

Zkr's Herrschaft ist der dann beschriebene Angriff der feind¬

lichen Koalition gerichtet"). War aber demnach Hatarikka

von Hause aus ein Staat für sich, so bestätigt sich auch hier

wieder unsere Auffassung des statistischen Dokuments aus

der Zeit Tiglathpilesers III.; denn in diesem erscheint Ha¬

tarikka zwar auch nur als eine der Städte des Reiches von

Hamath, aber eben deswegen, weil es der Vorort eines Terri¬

toriums von altem politischen Eigenleben war. Und das

nung zusammengefaßt war. Der vorausgehende gut erhaltene Teil der

Aufzählung nennt freilich nur Könige größerer Reiche, die sämtlich

auch in den assyrischen Inschriften der Folgezeit als solche erscheinen,

und hält dabei im ganzen eine geographische Ordnung von Süden nach

Norden ein, die bis zu den äußersten Grenzen Syriens führt ; nach den

Zeitverhältnissen wäre gut denkbar, daß dahinter speziell noch der

König von Urau-tu als Verbündeter genannt war.

1) ZDPV 52 (1929), S. 124ff.

2) In diesem Zusammenhang scheint mir auch bedeutsam, daß

die Inschrift nach Schrift und Sprache semitisch abgefaßt ist, nicht

in jener „hettitischen" Hieroglyphenschrift und der damit verbundenen nichtsemitischen Sprache, die in den bis jetzt gefundenen Inschriften

aus Hamath und seiner näheren Umgebung (Restan) allein herrschen,

also offenbar dort offiziell waren. Der Staat von gatarikka besaß

demnach ein von Hamath unabhängiges Schriftwesen, und Zkr-hat

dieses auch nach Vollzug der Personalunion mit Hamath respektiert

und in seiner Eigenschaft als König von U7b selbst angewandt.

(13)

gleiche lehrt der assyrische Eponymenkanon dadurch, daß

er für die Jahre 772, 765 und 755 v. Chr. Feldzüge „gegen

Hatarikka" verzeichnet; die Stadt ist dabei gewiß nicht nur

als das militärische Ziel, sondern wie sonst zugleich als der

politische Gegner gemeint, dem die Unternehmungen galten').

Weit über den Einzelfall von Hatarikka hinaus aber belehrt

uns schließlich der Eingriff Tiglathpilesers III. in den Bestand

des Reiches von Hamath 738 über dessen komplexe Natur:

Hamath selbst bleibt damals ganz unberührt; hingegen

werden Hatarikka und zahlreiche andere zu Hamath gehörige

Städte im syrischen Binnenland und an der phönikischen

Küste — eben die, deren Reihe wir in dem statistischen

Dokument lesen — mit Krieg überzogen, von Hamath ab¬

getrennt und dem assyrischen Provinzialgebiet zugeschlagen,

weil sie sich einer außerhalb des Reiches von Hamath auf¬

gekommenen antiassyrischen Bewegung angeschlossen, also

im Bewußtsein ihrer alten Eigenstaatlichkeit eine selbstän¬

dige, von Hamath weder veranlaßte noch auch nur geteilte

Außenpolitik getrieben hatten"). Mit seiner Abtrennung dieser

Gebiete von Hamath gibt Tiglathpileser demnach alten

Grenzen nur einen neuen Sinn, und der ganze Vorgang zeigt,

wie locker man sich den inneren Zusammenhalt der syrischen

Reichsgebilde vorstellen muß, die von den Assyrern zumeist

ohne Berücksichtigung ihrer Zusammengesetztheit als ein¬

heitliche Größen behandelt werden.

Für den südlichen Nachbarn von Hamath, das Aramäer-

reich von Damaskus, fehlen uns einheimische Inschriften

leider noch ganz; aber die israelitische Überheferung im Alten

Testament leistet für diesen Mangel einen gewissen Ersatz.

Auch da entsteht zunächst leicht der Eindruck, als habe man

1) Dabei braucht nicht einmal angenommen zu werden, daß die

von Zkr geschaffene Personalunion inzwischen wieder zerfallen war. —

Ein ähnlicher Fall liegt im Eponymenkanon übrigens auch bei der Er¬

wähnung eines Feldzuges 805 ,, gegen Hazazi" (heute 'Azaz) vor, das

nach Tiglathpilesers Statistik zum Reich von Arpad gehörte.

2) Annalen Tiglathpilesers III., ZI. 125 ff. Besonders auch bei den

hier mitgenannten phönikischen Küstenstädten versteht sich altes

politisches Eigenleben von selbst.

ZeiUchrift d. D.M.O. Neue Folge Dd. XIII (Bd. 8s, 19

1 7 •

(14)

246 A.. Alt, Die syrische Staatenwelt vor dem Einbruch der Assyrer.

ein ganz einheitliches Reichsgebilde vor sich; die assyrischen

Nachrichten, deren Betrachtungsweise wir ja nun kennen¬

gelernt haben, können diesen Eindruck natürlich nur unter¬

stützen. Aber einzelne Züge der israelitischen Überlieferung

lassen auch im Reich von Damaskus unter der einheitlichen

Decke ein buntes staatliches Gewirre mindestens ahnen. So

redet eine Erzählung aus den Kämpfen zwischen Israel und

Damaskus wie selbstverständlich davon, daß Benhadad von

Damaskus 32 Könige mit ihren Kontingenten gegen Ahab

ins Feld stellt*); und wenn in derselben Erzählung weiterhin

im Interesse der Heereserneuerung nach einem verlorenen

Feldzug der Vorschlag gemacht wird, Benhadad sehe jene

32 Könige durch Beamte seiner eigenen Wahl ersetzen"), so

wird deutlich, daß der Erzähler nicht an eine Koalition von

Königen gleichberechtigter Reiche in Syrien denkt, wie sie

in den Abwehrkämpfen des neunten und achten Jahrhunderts

gegen die Assyrer wiederholt und zwar gerade auch unter

damaszenischer Führung zustande kam'), sondern an ab¬

hängige Fürsten, die ein für ahemal in einem Reichsverband

mit dem übergreifenden nationalen Namen Aram unter der

Hegemonie des Königs von Damaskus zusammengeschlossen

waren. Vielleicht überschätzt er die SteUung des letzteren,

wenn er ihm, und sei es auch nur theoretisch, die Macht und

Befugnis zutraut, seine sämthchen Unterkönige mit einem

Schlag abzusetzen, ihre Territorien einzuziehen und Statt¬

halter mit der Verwaltung zu betrauen, womit das Reich zu

einem wirklichen Einheitsstaat würde*). Hingegen wird kaum

zu bezweifeln sein, daß der Erzähler die Verhältnisse seiner

Zeit richtig wiedergibt, wenn er das Aramäerreich als ein aus

vielen kleinen Herrschaften zusammengesetztes Gebilde dar-

steUt. Das steht ja auch mit dem Wenigen, was wir aus dem

1) 1. Kön. 20,1.

2) Ebenda V. 24.

3) Dafür wäre auch die Zahl 32, die man natürlich nicht pressen darf, viel zu groß, es sei denn, daß Unterkönige mitgezählt sein sollten.

4) Da er die Statthalter mit dem assyrischen Wort niriD bezeich¬

net, schwebt ihm wohl das assyrische Verwaltungssystem vor; vgl. aber

auch die nirnsn ^-m im Reiche Israel (1. Kön. 20, 14ff.).

(15)

Alten Testament über die Vorgeschichte des Reiches von

Damaskus ersehen können, in bestem Einklang'); und noch

Amos im achten Jahrhundert hat offenbar ein ganz ähnliches

Bild vor Augen, wenn er in der gegen Aram gerichteten Strophe

eines großen Drohgedichts zusammen mit Damaskus auch

noch zwei zugewandte Orte oder Territorien und zwar nach

seinen Ausdrücken solche von politischer Eigenständigkeit,

gewiß zugleich als Vertreter aher übrigen, dem kommenden

Strafgericht Jahwes unterstellt"). Den Zusammenhang der

„sechzehn Bezirke von Damaskus", die Tiglathpileser III. bei

der Zerstörung des Aramäerreiches 733/32 einnahm'), und der

vier assyrischen Provinzen, die er dann daraus machte*), mit

der alten staatlichen Gliederung vermögen wir infolge des

Fehlens genauerer Nachrichten leider nicht zu erkennen; das

statistische Dokument, dem wir sonst den besten Einblick

verdanken, läßt uns hier ganz im Stich.

Auch aus Phönikien und aus Palästina ließe sich noch

manche Analogie zu dem bisher Beobachteten beibringen,

wenn schon das Gesamtbild der staatlichen Gestaltung in der

letzten vorassyrischen Zeit dort aus besonderen Gründen

etwas abweicht*). Aber wir brauchen darauf hier nicht mehr

1) Vgl. 2. Sam. 8, 3ff.; 1. Kön. 11, 23ff. Das im zehnten Jahr¬

hundert gebildete Reich von Damaskus knüpft über den Eingriff

Davids hinweg an ältere kleinere Aramäerstaaten an, von denen das

Alte Testament naturgemäß nur die Palästina benachbarten nennt.

2) Am. 1, 4 f. Auch Jesaja wird solche eigenstiindige Orte meinen,

wenn er in einer knappen Schilderung der Katastrophe des Aramäer¬

reiches neben Damaskus ,, seine Städte" (lies H'^ns) als mitbetroffen

erwähnt, ohne Namen zu nennen (17, 2).

3) Annalen ZI. 209.

4) Vgl. FoBEER a. a. O., S. 62 f.

5) Was Phönikien betrifft (über seinen nördlichen Teil s. oben

S. 245), so wäre vor allem zu untersuchen, ob die von Sanherib zum

Jahre 701 und die von Asarhaddon 677 genannten Orte an und nahe

der sidonischen Küste damals noch einen Rest von politischem Eigen¬

leben hatten. Für Palästina ist natürlich das Reich Davids und Salomos das beste Beispiel eines Herrschaftssystems, das sich auf der Zusammen¬

fassung mehrerer deutlich voneinander getrennter Staaten in einer

Hand aufbaut; aber das liegt im zehnten Jahrhundert und hat in der

19»

(16)

248 A.. Alt, Die syrisclie Staatenwelt vor dem Einbruch der Assyrer.

einzugehen ; schon die behandelten Beispiele werden als Grund¬

lage für die Feststellung genügen, daß die politische Struktur

Syriens in jener Zeit durch nichts so eigentümlich bestimmt

war wie durch den unausgeglichenen Dualismus zwischen

ganz kleinen staatlichen Gebilden, die uns nur in Einzelfällen

durch die spärlichen einheimischen Denkmäler greifbar wer¬

den, und den diese kleinen Gebilde in sich aufnehmenden

größeren Reichsverbänden, die sich besonders in den Inschrif¬

ten der assyrischen Eroberer stark hervordrängen. Die ersteren

sind offenbar die eigentlich tragenden Grundelemente des

ganzen Systems; sie wahren auch bei Eingliederung in die

größeren Verbände mindestens einen Rest ihres politischen

Eigenlebens und vermögen sich aus ihnen unter günstigen

Umständen sogar wieder zu lösen. Schon damit ist gegeben,

daß die größeren Verbände labiler sein müssen; je nach den

Machtverhältnissen gewinnen sie an äußerem Umfang oder

sinken zurück und können ihrem inneren Zusammenhalt

manchmal nur die Form lockerer Abhängigkeit der Glieder

von dem führenden Staat, manchmal aber auch einen volleren

Ausbau bis zur Herstellung der Personalunion zwischen Teil¬

staaten geben. Darum gilt für diese übergreifenden Gestal¬

tungen keine feste Regel; alles hängt bei ihnen von indivi¬

duellen historischen Faktoren ab und bleibt infolgedessen dem

Wechsel der Situationen unterworfen. Selbst der äußerste

Fall, daß ein Reichsverband wieder ganz zerbricht und über

kurz oder lang durch Neubildungen ersetzt wird, ist nicht

ausgeschlossen und scheint mindestens einmal wirklich vor¬

zuliegen: die assyrischen Inschriften kennen im neunten

Jahrhundert ein Reich von Hattina, das im achten nie mehr

genannt wird und dessen Raum sich, wenn nicht ganz, so doch

zu wesentlichen Teilen mit den Gebieten der späteren Reiche

von Arpad und von Unki westlich davon deckt, wie sie das sta-

Folgezeit nur sehr unvollkommene Nachbildungen in engerem Rahmen

gefunden. Eher liann man dann die Gruppe der fünf (später nur vier)

Pliilisterstädte als einen solchen Verband auffassen, wie es auch die Assyrer gern getan haben; doch bleibt dort die Frage der (permanenten

oder wechselnden) Führung der Gruppe ungeklärt.

(17)

tistische Dokument Tiglathpilesers III. verzeichnet'). Wir

müßten sehr viel mehr Nachrichten haben, als uns tatsächlich

zu Gebote stehen, um diesen Fluktuationen im einzelnen

nachzukommen; aber das Prinzip der staatlichen Gestaltun¬

gen im ganzen bleibt hei allem Wechsel der Erscheinungen

offenbar dasselbe.

Von da aus wird nun auch die historische Interpretation

der Verträge auf der Stele von Südschin weitergeführt werden

können und müssen, zu der wir hiermit noch einmal zurück¬

kehren. Wir sahen schon : nur einer der Partner, nämlich Ar¬

pad, ist der Vorort eines Reichsverbandes, den auch die

Assyrer zur gleichen Zeit als solchen kennen; in dem anderen

hingegen, Katikka, haben wir ein sehr viel bescheideneres

Staatswesen zu sehen, das, wenn wir die historisch-geogra¬

phische Situation richtig aufgefaßt haben, gerade damals zu

dem Reichsverband von Arpad gehörte. Es sind also sehr

ungleiche Partner, und man möchte erwarten, daß sich etwas

davon auch in der Formuherung der beiden Verträge zu er¬

kennen gäbe. Das scheint jedoch auf den ersten Blick nicht

zuzutreffen; denn nicht der König von Arpad als Inhaber der

höchsten Macht im ganzen Reichsverband legt hier dem ab¬

hängigen Gliedstaat Katikka von sich aus Verpflichtungen

auf und bedroht ihn für den Fall etwaiger Vertragsbrüchigkeit

mit schweren Flüchen, sondern dies letztere geschieht gerade

in der entgegengesetzten Richtung von Katikka gegen Arpad,

wie denn die Verträge überhaupt durchaus einseitig als solche

1) Von den im neunten Jahrhundert für Hattina genannten

Städten gehört Hazazu und wohl auch Aribua (wenn so zu ergänzen)

nach der Statistiii Tiglathpilesers III. später zum Reich von Arpad,

Kunulua und wohl auch Taja (wenn = Tae in den .\nnalen Tiglath¬

pilesers, ZI. 144) zum Reich von Un^i; von diesen letzteren Reichen

scheint jedoch mindestens das von Arpad (Bit Agusi) auch schon im

neunten Jahrhundert neben Hattina, also auf engerem Raum, be¬

standen zu haben oder doch schon in der Bildung begriffen gewesen

zu sein, wie man aus seinen Erwähnungen in den Inschriften Assur-

nasirpals und Salmanassars III. ersieht. Was Salmanassar zu seinem

28. Regierungsjahr über innere Wirren und den Sturz der alten Dynastie in Hattina berichtet (Schwarzer Obelisk, Z. 146 ff.), klingt schon ganz

wie ein Anfang vom Ende. — Vgl. unten S. 255 über Musril

(18)

250 A.. Alt, Die syrische Staatenwelt vor dem Einbruch der Assyrer.

von Katikka, nicht von Arpad gestaltet sind. Man braucht

nur beispielsweise einmal den nahezu gleichzeitigen Vertrag

Assurniraris V. mit demselben König Mati'el von Arpad zum

Vergleich heranzuziehen, so wird man sich leicht davon über¬

zeugen, daß auf der Stele von Südschin der Kleinkönig von

Katikka formal den gleichen Platz einnimmt wie dort der

Großkönig von Assur. Aber wenn zwei dasselbe tun, so ist es

deswegen noch nicht notwendig dasselbe; der Schein, der hier

durch einen rein formalen Vergleich entsteht, kann trügen.

Um uns ein richtiges Bild von den Dingen zu machen, werden

wir zunächst sehr mit der Wahrscheinhchkeit rechnen müssen,

daß den von Katikka aus formulierten Vertragstexten, die

uns allein vorliegen, andere gegenüberstanden, die von Arpad

aus formuliert waren, und daß erst beide zusammen nach dem

Bewußtsein der Partner das ganze Vertragswerk bildeten.

Dann wäre die Stellung der Partner im Vertragsverhältnis

formal die gleiche und ihre Bindung und Fluchbedrohung

gegenseitig. Daß aber auch dann die Verträge inhaltlich nicht

streng paritätisch zu sein brauchen, lehrt ein Vergleich mit

der zeitlich nächsten und auch räumlich nicht allzu fernen

größeren Gruppe altorientalischer Staatsverträge, die wir

besitzen, den Verträgen des hettitischen Neuen Reiches in der

zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts v. Chr.'). Paritätisch

im strengen Sinn ist unter diesen begreiflicherweise nur der

Vertrag eines Großkönigs der Hettiter mit dem Pharao

Ramses II. als dem Herrscher eines völlig selbständigen und

gleichberechtigten fremden Reiches; er liegt uns sogar in den

einander entsprechenden Fassungen beider Partner vor, und

wir wissen, daß diese zwischen ihnen feierlich ausgetauscht

wurden. Aber auch von den Verträgen mit mehr oder weniger

abhängigen Fürsten nähern sich einige der paritätischen Form

und legen den ungleichen Partnern so weithin gleiche Ver¬

pflichtungen auf, daß die oberherrliche Stellung des Gro߬

königs nur in gewissen Sonderbestimmungen bemerkbar wird,

1) Vgl. zum Folgenden Schachbrmeyr, Altorientalische Studien

für Br. Meissner (1929), S. 180ff., und besonders KoroSec, Hethitische Staatsverträge (1931), S. 4ff.

(19)

die ausschließlich für den minderberechtigten Partner gelten ;

sogar Doppelausfertigung, vermutlich wieder mit Austausch

der beiderseitigen Fassungen, kommt bei solchen Verträgen

vor. Wenn das im hettitischen Großreich möglich war, so

gewiß erst recht in den A'iel bescheideneren Verhältnissen eines

nordsyrischen Staatenverbandes im achten Jahrhundert,

wobei natürlich immer die Möglichkeit vorbehalten bleiben

muß, daß auch da der höherstehende Vertragspartner in seine

Fassung des Vertragswortlautes Sonderbestimmungen auf¬

nahm, die nur den abhängigen Partner belasteten. Dann ver¬

hindert uns nichts, in den Texten der Stele von Südschin

entsprechend der Stellung des Königs von Katikka gegenüber

dem von Arpad die Verlragsausfertigungen des abhängigen

Partners zu sehen, die natürlich von dieser Abhängigkeit

nichts verraten. Hätten wir die entsprechenden Formulierun¬

gen des Königs von Arpad zur Verfügung, so fänden wir dort

höchst wahrscheinlich die schweren Verfluchungen, mit denen

ihn der König von Katikka in dem ersten der vorliegenden

Texte für den Fall der Vertragsbrüchigkeit im voraus belegt,

durch mindestens ebenso starke Androhungen gegen diesen

ausgeglichen und erführen vielleicht auch mehr über die

beiderseitigen Vertragsverpflichtungen, die in dem ersten

Text ganz fehlen und im zweiten vorläufig nicht sicher zu

lesen sind; erst dann wäre das Rechtsverhältnis der Partner

zueinander dem Wortlaut unmittelbar zu entnehmen').

Daß aber in Wirklichkeit der König von Arpad dem von

Katikka überlegen war, kommt in den zwei einseitigen Ver¬

trägen, auf die wir angewiesen sind, doch zum Vorschein und

zwar sogleich in ihren Anfängen, wo jedesmal die am Ver-

1) Die von H. Bauer a. a. O., S. 6, mit Vorbehalt ausgesprochene Vermutung, daß die Verfluchungen des ersten Vertrages einigermaßen

paritätisch auf Arpad und Katikica verteilt gewesen sein und daß

speziell in den verlorenen Zeilen zwischen den beiden Bruchstücken der Stele Drohungen gegen Katikka gestanden haben könnten, scheitert

meines Erachtens schon daran, daß die erhaltenen Verfluchungen ohne

Ausnahme, sowohl vor wie hinter der Lücke, ausdrücklich gegen Arpad

gerichtet sind. Da sie über die Lücke hinwegreichen, ist in dieser auch für die vermißten Vertragsverpflichtungen kein Platz.

(20)

252 A- Alt, Die syrische Staatenwcit vor dem liinbrucii der Assyrer.

Iragsabschluß beteiligten Personen und Persoiicnkroi.se mit

offensichtlichem Streben nacli Volisliindigkoit aufgezählt sind.

Auch da herrscht freilich bis zu einem gewissen Punkte voll¬

kommene Entsprechung zwischen beiden Parteien, und diese

übereinstimmenden Teile der Aufzählungen geben uns einen

guten Einblick in die innere Struktur der Einzelstaaten, indem

sie zeigen, daß das Übereinkommen der Könige allein nicht

für genügend erachtet wurde, um die Staaten als solche

dauernd an die Abmachungen zu binden, sondern daß zu

diesem Zweck ferner noch die Söhne und Enkel der Könige,

ihre Residenzen und deren Adel, nach dem zweiten Vertrag

auch ihre Länder und Götter zum Vertragsabschluß bei¬

gezogen werden mußten. Damit ist aber der Kreis der He-

teiligten nur für den Staat von Katikka vollständig umschrie¬

ben; auf der Seite von Arpad kommen noch andere Teil¬

nehmer hinzu und geben ihm doch wohl ein Übergewicht.

Leider ist auch da nicht alles sicher zu lesen, und der Umstand,

daß im ersten Vertrag andere mitbeteiligte Gruppen genannt

werden als im zweiten, beraubt uns einer wichtigen Hilfe zur

Ergänzung und Deutung des Wortlautes, so wertvoll uns dies(i

Variation in anderer Hinsicht sein wird. Immerhin scheint

mir soviel klar, daß der Kreis im zweiten Vertrag noch wesent¬

lich enger gezogen ist als im ersten. Dort treten nämlich, wenn

ich recht verstehe, zusammen mit dem König von Arpad'),

seinen «Söhnen und Enkeln und im unmittelbaren Anschluß an

sie noch vor dem Land und dem Stadtadel Gruppen auf, die man

sich als die allernächste Umgebung der zur Zeit regierenden

Dynastie zu denken, also doch wohl in Arpad seihst zu suchen

hat: zuerst die Nachkommen eines uns leider völlig unbekann¬

ten Königs mit dem nichtseniitischen Nurnen HD^B, vielleicht

des Begründers oder auch des lelzttin Throninfiabers einei-

jetzt aus der Herrschaft verdrängten Dynastie von Arpad"),

1) Unter Voraussetzung der oben S. 'Z'i^>, Aiirii. I, <:mpfolilenen Ergänzung einer Zeile, die den König von .Arjiad nnd den von Katikka nannte.

2) Der Name erinnert mit seinen hdzten Konsonanten an d<;ii

durch die Inschrift des Kilamuwa bezeugten, gowiß ehenfalls nicht-

(21)

sodann Vi ""JS, also die Angehörigen des Geschlechts jenes

anderen Dynastiegründers, nach dem in der Zkr-lnschrift der

König von Arpad selbst Vfi 1^2 und bei den Assyrern sein Reich

oft Bit Agusi heißt'), endhch, wie es scheint, noch eine dritte

Gruppe ähnlicher Art mit vorläufig undeutbarer Bezeichnung.

Wenn das wirklich lauter hochadlige Geschlechter dyna¬

stischer Herkunft in Arpad sind — und diese Auffassung liegt

meines Erachtens am nächsten") —, so wird dadurch zwar

das innere Bild dieses Staates im Vergleich zu dem von Katik¬

ka verwickelter, was auf eine bewegte Vorgeschichte vermut¬

lich im Zusammenhang mit seinem Aufstieg zur Hegemonie

in einem größeren Reichsverband schließen läßt'); aber die

semitischen Namen naa. Man beachte, daß in den Texten der Stele

von Südschin sowohl der zur Zeit regierende König von Arpad wie

sein ebenfalls als König bezeichneter Vater semitische Namen tragen;

doch ist ja aus solchem Sprachenwechsel in Königsnamen noch nicht

notwendig auf Dynastiewechsel zu schließen, wie der Stammbaum der

Könige von Ja'di zeigt (vgl. Fbkdbich, Kleinasiat. Forschungen 1

[1930], S. 363, Anm. 3). Ob etwa der undeutbare Zusatz hinter dem

Namen des Königs nabD mit seiner Zugehörigkeit zu einer gestürzten

Dynastie zusammenhängt, kann man nur fragen.

1) Vgl. oben S. 239. Da solche einmal eingebürgerte Namen von

Reichen bei den Assyrern auch dann im Gebrauch blieben, wenn das

Geschlecht des betreffenden DynastiegrUnders schon wieder aus der

Herrschaft verdrängt war (vgl. Bit Qumria für Israel), kann auch

Mati'el von Arpad einer anderen als der auf Agusi zurückgehenden

Dynastie angehört haben, obwohl die Assyrer sein Reich noch immer

Bit Agusi nennen. Dann sind die Q3 '<33 unserer Stele ebenso wie die

Nachkommen des Königs nabD Mitglieder eines gestürzten Königs¬

geschlechts; andernfalls wären unter ihnen die Angehörigen der jetzigen Dynastie außerhalb der regierenden Linie zu verstehen.

2) Für sie scheint mir außer der schon betonten Stellung dieser

Gruppen in der Reihenfolge der Aufzählung auch der Umstand zu

sprechen, daß keine von ihnen durch ihre Bezeichnung mit einer anderen,

etwa außerhalb des Staates von Arpad gelegenen örtlichkeit ver¬

knüpft wird.

3) Vielleicht ist aber auch die Vorgeschichte des Staates von

Katikka nicht ganz glatt; denn es fällt auf, daß dem Namen seines

zur Zeit regierenden Königs (im Unterschied von dem von Arpad)

niemals der Name seines Vaters beigefügt ist, was für nichtkönigliche

Herkunft und damit für einen Dynastiewechsel sprechen kann. Dann

(22)

254 A.. Alt, Die syrische Staatenwelt vor dem Einbruch der Assyrer.

Grenzen des Einzelstaates sind damit noch nicht überschritten,

und der größere Verband bleibt vollkommen unsichtbar, so

daß man hier noch nicht von einem entscheidenden Über¬

gewicht von Arpad über Katikka sprechen kann.

Im ersten Vertrag der Stele hegen die Dinge wesenthch

anders. Da treten die soeben besprochenen Sondergruppen

von Vertragsteilnehmern auf der Seite von Arpad überhaupt

nicht auf; dagegen erscheinen andere und zwar diesmal am

Ende der ganzen Reihe, nachdem die normalen Repräsentan¬

ten von Arpad wie von Katikka aufgezählt sind. Schon diese

abweichende Anordnung spricht dafür, daß wir es diesmal

mit Größen zu tun bekommen, die nicht mehr im Rahmen

des Einzelstaates hegen, und das bestätigt sich denn auch an

den Bezeichnungen der neuen Gruppen, soweit sie lesbar

sind, durchaus. Vor allem eine von ihnen ist in dieser Hinsicht

sehr deutlich: „ganz Aram", „das ganze Ober- und Unterland

von Aram"'). Einer der umfassendsten Volks- und Landes¬

namen also, die Syrien zu jenen Zeiten kannte, wird jetzt in

den Vertragskreis mit einbezogen; und wenn auch unsicher

bleibt, wie eng oder weit man den gewiß mit Absicht möglichst

ausgedehnten Begriff ,,ganz Aram" hier fassen und auf welche

Teilgebiete man den differenzierenden Ausdruck „Ober- und

Unterland von Aram" beziehen soll — das Aramäerreich von

Damaskus wird gewiß eingeschlossen zu denken sein*) —, so

wäre nur anzunehmen, daß von der gestürzten Dynastie keine Reste

in Katikka zurückblieben, die als besondere Gruppe unter den Vertrags- teilnehmem hätten fungieren können.

1) Der syntaktische Zusammenhang des letzteren Ausdrucks ist

leider unklar; die naheliegende Einfügung der Präposition üS vor ihm

hätte zur Folge, daß „das ganze Ober- und Unterland von Aram" als

Vertragsteilnehmer für sich neben (und nicht einmal unmittelbar

neben) „ganz Aram" stünde.

2) H. Bauer a. a. O., S. 4, denkt sich den Ausdruck „Ober- und

Unterland von Aram" am Euphratlauf orientiert. Aber die dortigen Gebiete und Staatengebilde der Aramäer befanden sich zur Zeit unserer

Stele längst in den Händen der Assyrer und kamen infolgedessen als

Vertragsteilnehmer für Arpad kaum mehr in Betracht. Es wird sich

daher mehr empfehlen, den Ausdruck hier auf Syrien zu beziehen;

dann bezeichnet „Oberland" entsprechend der Höhenlage am ersten

(23)

ist doch soviel auf jeden Fall klar, daß damit weit über das

Territorium von Arpad hinausgegriffen wird und daß es für

Arpad eine mächtige Verstärkung seiner Position bedeutet,

wenn es „ganz Aram" als Vertragsteilnehmer auf seiner Seite

buchen kann. Das gleiche gilt aber auch, wenn schon in

beschränkterem Maße, von dem nächstgenannten Teilnehmer

ISD; denn wir werden in ihm den Namen des von den Assyrern

in früheren Jahrhunderten genannten Reiches Musri im

Grenzgebiet zwischen Syrien und Kleinasien zu erkennen

haben, der noch zur Zeit unserer Stele als zusammenfassende

Bezeichnung jenes Gebietes dienen konnte, obwohl das Reich

Musri inzwischen, wie es scheint, zerfallen und durch anders

benannte Neubildungen ersetzt war'). Damit erweitert sich

der Vertragskreis nur noch mehr in der Richtung auf Ein¬

schluß des ganzen Staatensystems der näheren und ferneren

Nachbarschaft. Und was dann etwa noch an Eideshelfern für

Arpad zu nennen wäre, das bringt das letzte Glied der Reihe

abrundend nach : „jeder, der in das Haus des Königs eintritt" ;

schlechthin alle Staaten, die mit Arpad freundschaftliche Be¬

ziehungen unterhalten, sollen an dem Vertragsabschluß be¬

teiligt sein"). So ist es offenbar nicht der ganz auf sich selbst

gestellte Kleinstaat, sondern das in größere Zusammenhänge

hineingewachsene Reich von Arpad, das hier die Dinge ge¬

staltet, und sein geringerer Partner, der ähnliche Beziehungen

anscheinend nicht aufzuweisen hat, muß sich dem in der For¬

mulierung des Vertragstextes anbequemen.

das Reich von Damaskus, , .Unterland" die nördlicheren Aramäerreiche

in der Umgebung von Arpad, und das unseres Wissens niemals zu Aram

gerechnete Gebiet von Hamath legt sich trennend dazwischen. Der

biblische Gebrauch des Namens Aram wäre mit dieser Auffassung im

Einklang.

1) Weidner's Zweifel an der Existenz eines nordsyrischen Musri

(bei H. Bauer a. a. O., S. 4, Anm. 3) scheinen mir schon angesichts der Aussagen assyrischer Inschriften, allerdings eben solcher aus früherer Zeit, nicht gerechtfertigt.

2) Friedrich und Landsberger a. a. O., S. 314, erwägen, ob sich

der Ausdruck vielleicht auf nomadische Untertanen des Königs von

Arpad bezieht, die dann und wann in seinem Palast erscheinen. Dann

gehörte er mindestens nicht an die Stelle der Aufzählung, an der er steht.

(24)

256 A.. Alt, Die syrische Staatenwelt vor dem Einbruch der Assyrer.

Dann treten aber die beiden Verträge der Stele an diesem

Punkt in ein sehr eigentümliches Verhältnis zueinander.

RoNZEVALLE hatte von vornherein als selbstverständlich an¬

genommen, daß sie durch einen gewissen Zeitraum von ein¬

ander getrennt seien, und hatte ferner, zum Teil auch um

technischer Einzelheiten in der Bearbeitung der Stele willen,

den Text für den älteren erklärt, den wir bisher ihm folgend

als den ersten bezeichnet hatten. Das würde nach unserer

Interpretation bedeuten, daß der König von Arpad bei seinem

späteren Vertragsabschluß mit Katikka auf die Heranziehung

des großen Aufgebots von Eideshelfern verzichtet hätte, mit

dem er sich in dem früheren Falle umgab. Brauchte er es nicht

mehr, weil seine eigene Macht inzwischen gewachsen, oder

hatte er es verloren, weil sie gesunken war? Weder für die

eine noch für die andere Erklärung lassen sich, soviel ich sehe,

den Vertragstexten oder den uns sonst bekannten Zeitum¬

ständen ernsthafte Wahrscheinhchkeitsgründe entnehmen.

Aber auch an eine Gleichzeitigkeit der zwei Verträge zu denken

liegt keine zwingende Veranlassung vor. In diesem FaUe

müßte ihre formale Trennung zusammen mit der Variation

des Kreises der Vertragsteilnehmer doch wohl dadurch her¬

beigeführt sein, daß der Inhalt des einen Vertrages sachgemäß

nur von Arpad und Katikka als den eigentlichen Partnern

garantiert werden konnte, während für den anderen eine

Mitverbürgung durch fernerstehende Staaten wiederum nach

der Natur seines Inhalts erwünscht erschien. Eine solche

Differenzierung vermögen wir aber schon deswegen nicht zu

erkennen, weil in dem ersten Vertrag überhaupt keine Ver¬

pflichtungen der Partner mitgeteilt sind'). Darum scheint mir

bei dem heutigen Stand der Textinterpretation auch noch

eine dritte Annahme möghch und erwägenswert zu sein,

nämhch die, daß nicht der erste, sondern der zweite Vertrag

1) Rohzevallb's unzweifelhaift richtige Beobachtung, daß die

Schriftfläche der Stele zur Aufnahme des ersten Textes technisch

besser vorbereitet ist als für den zweiten, scliließt meines Erachtens

die Annahme gleichzeitiger Anbringung beider Texte ebensowenig aus

wie die einer früheren Anbringung des zweiten.

(25)

der ältere ist und daß sich in der Ausweitung des Kreises der

Vertragsteilnehmer im ersten gegenüber dem zweiten der

inzwischen vollzogene Aufstieg von Arpad zu jener größeren

Geltung im syrischen Staatensystem spiegelt, die wir aus den

Inschriften Tiglathpilesers III. kennen. Für diese Annahme

kann meines Erachtens nicht nur die bescheidenere Stellung

sprechen, die der Staat von Arpad, wie wir sahen, im zweiten

Vertrag innehat, sondern auch noch ein anderer Zug, der nur

diesem Vertrag eigen ist und es mir sehr zweifelhaft macht,

ob hier überhaupt eine wie immer geartete Eingliederung des

Staates von Katikka in den größeren Verband von Arpad

vorausgesetzt oder auch nur beabsichtigt wird, wie sie im

ersten Vertrag doch wohl vorliegt. Wenn da nämhch in einem

leider noch nicht aufgeklärten Textzusammenhang, aber

offensichtlich im Parahehsmus zueinander die Ausdrücke

fallen: „vom Libanon bis . . ." und „von der Talebene bis

Katikka", so wird durch sie Katikka nicht mit seiner nörd¬

lichen Nachbarschaft in engere Verbindung gesetzt, also nicht

mit dem Staat oder Reich von Arpad, sondern mit dem

Süden; und wenn dieser bis zum Libanon und bis zu einer

Talebene (riyp2), die entweder die Bikä' zwischen Libanon

und Antilibanos oder die Buke'a zwischen Orontes und

Eleutheros sein muß, als einheitlicher Raum gesehen wird,

so ist auch deuthch, an welche politische Größe jener Zeit

wir dabei zu denken haben: an das Reich von Hamath in

seiner größten Ausdehnung'). Diesem also gehörte Katikka

in irgendeiner Form noch an, und auf ihn konnte es sich noch

stützen, als es über die Grenzen hinweg mit dem nördlichen

Nachbarreich von Arpad seine erste vertragliche Bindung

einging; erst in einem späteren Stadium wäre es dann durch

1) Dieses Ausgreifen von Hamath nach Norden bis einschließlich

Katikka wäre dann historisch als ein Schritt weiter auf dem Wege

aufzufassen, den wir es in der Zkr-lnschrift mit der Herstellung der

Personalunion mit gatarikka betreten sahen. Dazwischen müßte die

Aneignung von Nirabu und Zitanu liegen, die nach Tiglathpileser III.

in seinem statistischen Dokument zum Reich von Hamath gehörten,

und vielleicht bezieht sich schon auf sie, was die Zkr-lnschrift von einer

Vergrößerung des Territoriums von hatarikka sagt.

1 S

(26)

258 A. Alt, Die syrische Staatenwelt vor dem Einbruch der Assyrer.

einen neuen Vertrag, den ersten nach Ronzkvallk's Zählung,

in den Reichsverband von Arpad übergetreten, so daß sich

nun die Situation herausbildete, die Tiglathpileser III. bei

seinem Einbruch in Syrien fand').

Es braucht jedoch kaum erst gesagt zu werden, daß diesen

Folgerungen die letzte Sicherheit fehlt, solange die Texte

der Stele nicht vohständiger gelesen sind. So führt der Ver¬

such ihrer historischen Interpretation schließhch doch wieder

auf die Notwendigkeit fortgesetzter philologischer Arbeit an

ihnen zurück. Bei ihr wird sich zeigen müssen, wieweit er das

Richtige getroffen hat; sie wird ihm aber auch Fragestellun¬

gen entnehmen können, die ihr selbst zugute kommen. Die

weitere Vertiefung des gewonnenen historischen Bildes, das

ja nicht nur auf diesem einen Denkmal beruht, mag der Zu¬

kunft vorbehalten bleiben; daß es gehngen wird, die Grund¬

elemente der inneren Struktur des vorassyrischen Staaten¬

systems von Syrien in weit frühere Zeiten zurückzuverfolgen,

scheint mir schon jetzt nicht zweifelhaft.

1) Dann wäre der Übergang von IJatarikka und anderen dem

Reichsverband von Hamath angeschlossenen Gebieten zu einer eigenen,

Hamath entgegengesetzten Politik im Zusammenhang mit den nörd¬

lichen Nachbarreichen nach dem Fall von Arpad (s. oben S. 245) An¬

zeichen eines weiteren Fortschreitens der Machtverschiebung zugunsten des Nordens.

(27)

Geschichten in Tausendundeiner Nacht.

Von A. Schaade.

H. Stummb zu seinem 70. Geburtstag am 3. November 1934 gewidmet.

J. Okstbup hat in seinem wertvohen Artikel Alf Laila

wa-Laila in der Enzyklopaedie des Islam und schon vorher

in seinen Studier over tusind og en nat (Kopenhagen 1891),

S. 104—109 die Ansicht ausgesprochen, daß verschiedene

der uns als Bestandteile der 1001 Nacht vorliegenden Abü

Nu^äs- und Abü Duläma-Geschichten ebenso wie manche

der an den Namen des 'abbasidischen Hahlen Härün ar-

Ra§id anknüpfenden Erzählungen auf historische Anek¬

doten zurückgehen, die über die genannten Personen im

Umlauf waren. Das ist zweifellos richtig. Es fragt sich nur:

Woher stammen diese Anekdoten, wie sind sie entstanden,

wie sahen sie ursprünglich aus, welche Wandlungen haben

sie durchgemacht, und wer hat ihnen ihre literarische Form

gegeben ?

Ich glaube diese Fragen zunächst in bezug auf zwei von

den Abü Nuuäs-Geschichten in 1001 Nacht wenigstens teil¬

weise beantworten zu können, nämlich

1. die Geschichte von der schönen Sklavin, die den

liebesdurstigen Halifen mit leeren Versprechungen hinhält,

und von dem Wettdichten, das der Halife daraufhin ver¬

anstaltet'), und

1) V. Chauvin, Bibliogr. des Ouvrages arabes Vi, Nr. 299; Alf

Laila wa-Laila, Bülä^ 1251, 1, 567 f. = ed. Macnaohtsn II, 3881. = ed.

Habicht und Fleischeb VI, 179—182 = Übersetzung von E. Litt¬

mann III, 458—460.

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