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Wasser ist vielfältig

Warum die Entwicklungszusammenarbeit Wasser nicht nur als Ware behandeln darf

von Jean Carlo Rodriguez de Francisco und Mirja Schoderer,

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Die aktuelle Kolumne

vom 22.03.2021

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Wasser ist vielfältig

Warum die Entwicklungszusammenarbeit Wasser nicht nur als Ware behandeln darf

Am 22. März findet der Weltwassertag statt, dieses Jahr unter dem Thema „Der Wert von Wasser“. Wie UN-Water erklärt,

„geht es beim Wert des Wassers um viel mehr als seinen Preis – Wasser hat einen enormen und komplexen Wert für unsere Haushalte, Ernährung, Kultur, [Gemeinschaften, kollektives Handeln], Gesundheit, Bildung, Wirtschaft und die Integrität unserer natürlichen Umwelt. Wenn wir einen dieser Werte übersehen, riskieren wir einen falschen Umgang mit dieser endlichen, unersetzlichen Ressource“. Das Thema des diesjäh- rigen Weltwassertags erinnert uns daran, dass die Suche nach dem „richtigen Preis“ Nachhaltigkeit und Wassergerechtigkeit eher behindert als fördert, wenn hierüber andere Werte, die sich nicht in eine Zahl fassen lassen, außer Acht gelassen wer- den.

In Verbindung mit ungleichem Zugang zu und ungleicher Kontrolle über Wasserressourcen, nicht nachhaltigem Wirt- schaftswachstum und steigenden Bevölkerungszahlen er- höht der Klimawandel den Druck auf Wasserverfügbarkeit, insbesondere für gefährdete Gruppen. Dies hat zu der Wahr- nehmung von Wasser als „das neue Gold“ geführt – als Ware, deren Knappheit und eine steigende Nachfrage sie wirtschaft- lich wertvoll machen. Investoren haben sogar damit begon- nen, Wasser an der US-Börse als zukünftige Ware zu handeln, unter der Prämisse, dass sich mit Wasserknappheit Geld ver- dienen lässt. Wissenschaftler*innen haben gezeigt, dass Was- serknappheit durch Wasserzuteilung entsteht und nicht ein- fach durch Mangel an Regen und dass sie deswegen mit Machtverteilung zusammenhängt. Mit Wasser an der Börse zu handeln, bietet nun einen weiteren Anreiz, Bedingungen von Wasserknappheit aufrechtzuerhalten.

Politische Antworten auf Wasserkonflikte und -krisen sind traditionell technokratisch von oben nach unten gesteuert.

Seit der Jahrtausendwende setzen sie zunehmend auf die Ein- führung eines integrierten Wasserressourcenmanagements (IWRM). Eines der vier Kernprinzipien von IWRM ist die Aner- kennung von Wasser als wirtschaftliches Gut. Daher greifen politische Ansätze, die die Umsetzung von IWRM als Lösung für Probleme der Wasserbewirtschaftung verfolgen, oft auf den ökonomischen Wert des Wassers als Kurzformel, als ge- meinsame Sprache, zurück, die die unterschiedlichen Werte des Wassers zusammenfassen und sie hiermit vergleichbar machen soll. Dies soll helfen, um zwischen divergierenden In- teressen zu vermitteln. Ein Beispiel hierfür wäre die (herbeige- führte oder erwartete) Zerstörung wasserbezogener Ökosys- teme durch ein Bergbauunternehmen flussaufwärts und die Auswirkungen auf Kleinbäuerinnen und Kleinbauern flussab- wärts. Wenn der Preis stimmt, so die gängige Meinung, kann das Bergbauunternehmen die Kleinbäuerinnen und Kleinbau- ern für die entstandenen Schäden angemessen entschädigen und damit das Problem gegensätzlicher Interessen lösen. In

dieser Logik wird die ökonomische Bewertung von Wasser zu einer Voraussetzung, um divergierende Interessen zu koordi- nieren und Konflikte zu lösen. Wassergovernance befasst sich dann damit, den richtigen Preis für Wasser festzulegen, Was- serrechte zu vergeben und die Voraussetzungen für ein marktbasiertes Wassermanagement zu schaffen (z.B. über Privatisierung der Wasserversorgung oder handelbare Was- serrechte).

Diese Antworten verkennen jedoch, dass eine monetäre Größe eine unzureichende gemeinsame Sprache für die viel- fältigen Werte des Wassers ist. Denn sie vernachlässigt die so- ziale Einbettung von Wasser, die ihm in verschiedenen Gesell- schaften und hydrologischen, geographischen, ökologischen und politischen Kontexten unterschiedliche Bedeutungen verleiht. Jedes Wasser ist H2O, aber das Wasser, das der mon- golische Hirte seinem Vieh gibt, hat nicht die gleiche Bedeu- tung wie das, das eine Biochemikerin im gleichen Wasserein- zugsgebiet beprobt. Ebenso hat das Wasser, das indigene Ge- meinden im Andenhochland seit Generationen gemein- schaftlich kontrollieren, nicht dieselbe Bedeutung wie das Wasser, für dessen Erhalt und Aneignung die Blumenfarm weiter flussabwärts zahlt. Das bedeutet, dass Wasser selbst vielfältig ist und dass Probleme der Wasserbewirtschaftung oft ihren Ursprung in divergierenden Wasserwerten haben, die von Akteuren in ungleichen Machtpositionen vertreten werden. Auseinandersetzungen um die Kontrolle über Was- serressourcen sind auch Auseinandersetzungen um Wasser- werte, um kulturelle Anerkennung und politische Teilhabe.

Der Versuch, die vielfältigen Bedeutungen und Werte von Wasser in eine einzige ökonomische Größe zu komprimieren, begünstigt somit die Perspektive der (in der Regel privilegier- ten) Akteure, die Wasser als Ware betrachten und ignoriert die Werte derjenigen, die Wasser anders verstehen. Da Wasser Menschen, Orte und Dinge miteinander verbindet, ist es ein Medium ebenso wie ein Element, das unsere Beziehung zu an- deren und zur Natur konfiguriert. Entsprechend läuft eine Entwicklungszusammenarbeit, die marktorientierte Wasser- politik fördert und dabei andere Wasserwerte außer Acht lässt, Gefahr, diese vielschichtigen Bedeutungen und Bezie- hungen auf die Höhe einer Dollarnote zu verflachen.

Die radikale Integration von Umweltgerechtigkeit in Gestal- tung, Umsetzung und Evaluierung von Projekten und Pro- grammen bietet einen konkreten Weg für die Entwicklungs- zusammenarbeit, um Brücken und ausgewogene Allianzen über Differenzen hinweg zu bauen. Nur eine Entwicklungszu- sammenarbeit, die die vielfältigen Werte des Wassers und die unterschiedlichen Gesellschaften, die Wasser nutzen, mitpro- duzieren und von ihm abhängig sind, respektiert und fördert, kann tatsächlich zu einer gerechten Wasserversorgung beitra- gen.

Die aktuelle Kolumne von Jean Carlo Rodriguez de Francisco und Mirja Schoderer, 22.03.2021, ISSN 2512-9074

© German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

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