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10 Jahre nach den arabischen Aufständen

Deutschland und Europa müssen die MENA-Region stärker im Kampf gegen die wirtschaftlichen

Auswirkungen von COVID-19 unterstützen

von Thomas Claes, Friedrich Ebert Stiftung &

Mark Furness, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Die aktuelle Kolumne

vom 08.03.2021

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Mehr Personal, Beratung, Weiterbildung

Deutschland und Europa müssen die MENA-Region stärker im Kampf gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen von COVID-19 unterstützen

Europas südliche Nachbarländer, die Region Naher Osten und Nordafrika (MENA), werden stärkere Unterstützung von Deutschland und der EU benötigen, um sich von der COVID- 19-Pandemie zu erholen. Europa hat bereits einige kurzfris- tige Unterstützungsmaßnahmen für Gesundheitssysteme und kleine Unternehmen und Konjunkturprogramme im Rah- men von „Team Europe“-Initiativen mobilisiert. Diese Initiati- ven sind zwar nicht unerheblich, doch sie werden wahrschein- lich nicht ausreichen.

Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID- 19-Pandemie erhöhen den Druck auf die angespannten Ge- sellschaftsverträge der MENA-Länder. Das Ende dieser Über- einkunft, wonach die Regierungen einen angemessenen Le- bensstandard ermöglichten, und die Bürger*innen im Gegen- zug stillschweigend die autoritären Systeme zu akzeptieren hatten, war der Hauptgrund der arabischen Aufstände vor ei- nem Jahrzehnt.

Die Pandemie zog eine drastische Verschlechterung der wirt- schaftlichen Lage in vielen Ländern nach sich. Langsames Wachstum, hohe Haushaltsdefizite und Sparmaßnahmen, die öffentliche Dienstleistungen aushöhlen, sind seit mehre- ren Jahren die Norm. Einrichtungen des Gesundheitswesens sind unterfinanziert. Die tunesische Haushaltskrise ist zurück- zuführen auf eine Diskrepanz zwischen den wirtschaftlichen Erwartungen der Öffentlichkeit und dem wenigen was eine instabile Regierung zu leisten in der Lage war. Die Pandemie bremst das Wirtschaftswachstum weiter und verschärft die Ungleichheit.

„Deutschland und Europa müssen die MENA-Region stärker im Kampf gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen von COVID- 19 unterstützen.“

Das Vertrauen der Bürger*innen in die Regierungen nahm weiteren Schaden, da diese nicht in der Lage waren, angemes- sen auf COVID-19 zu reagieren. In Jordanien kamen beispiels- weise Spannungen zwischen Arbeitnehmer*innen des öffent- lichen Sektors auf, die von der Krise nicht so stark betroffen waren, und Menschen, die im privaten und informellen Sektor arbeiten, die stärker unter den strikten Lockdowns litten.

Diese Spannungen werden sich wohl auch im Falle einer nach- lassenden Pandemie nicht in Luft auslösen. Die Weltbank sagt voraus, dass eine Erholung in der Region nicht „V-förmig“, sondern „K-förmig“ sein wird, das heißt, dass eine Minderheit profitiert, die Mehrheit jedoch nicht. Bestehende Ungleichhei- ten werden verschärft. Frauen, Beschäftigte des informellen Sektors und Migrant*innen sind von diesen Folgen der Pan- demie am stärksten betroffen.

Die Verteilung von Impfstoffen an die MENA-Länder ist die dringlichste Aufgabe. Zum dritten oder vierten Quartal 2021 stehen den EU-Ländern wahrscheinlich große Mengen zu viel bestellter Impfstoffe zur Verfügung. Diese Bestände sollten über die WHO-Initiative COVAX, die von Deutschland unter- stützt wird, oder bilateral verteilt werden. Dies wäre ein deut- liches Zeichen der Unterstützung Europas für die südliche Mit- telmeerregion.

Ein zweites Feld der Unterstützung wäre ein Schuldenerlass, um Regierungen der MENA-Länder in die Lage zu versetzen, ihre Haushalte auszugleichen ohne die öffentlichen Dienst- leistungen weiter einzuschränken. EU-Initiativen zum Erlass oder zur Umschuldung von Altschulden sollten mit eindeuti- gen Strategien kombiniert werden, um a) öffentliche Dienst- leistungen zu verbessern, v. a. im Gesundheitswesen, und ei- nen spürbaren sozialen Schutz für alle bieten, b) die Regie- rungsführung durch Investitionen in Digitalisierung und öf- fentliche Infrastruktur zu verbessern, und c) mit der Dekarbo- nisierung der Wirtschaft zu beginnen.

Daran schließt sich ein dritter Schlüsselbereich für die Zusam- menarbeit an: die grüne Transformation. Sowohl die Bundes- regierung als auch die EU-Kommission haben dieses Thema mittlerweile auf ihrer Prioritätenliste, denn es ist für die Zu- kunft der Gesellschaftsverträge in der Region von entschei- dender Bedeutung. Klimafreundliche Infrastrukturprojekte wie z. B. Solarkraftwerke oder grüne urbane Infrastruktur und grüner urbaner Verkehr könnten Arbeitskräfte des informellen Sektors, die derzeit besonders unter der Pandemie leiden, in den formellen Sektor eingliedern.

Ein Jahrzehnt nach den arabischen Aufständen ist es noch zu früh, um sagen zu können, ob der Wunsch nach politischer Transformation zu repräsentativeren Regierungen in der MENA-Region führen wird und ob die COVID-19-Pandemie ein Motor für positiven Wandel sein wird.

Im Hinblick auf die Unterstützung bei der Erholung von CO- VID-19 in den MENA-Ländern sind Deutschland und Europa daher doppelt gefordert. Einerseits müssen die EU-Staaten die Unterstützung von Initiativen, von denen die Bevölkerung profitiert, d. h., Impfungen, Dienstleistungen und grüne Ar- beitsplätze, im Rahmen der Beziehungen zu den MENA-Re- gierungen priorisieren. Andererseits ist Europa trotz der un- vermeidbaren Zusammenarbeit mit autoritären Regierungen gut beraten, die Prinzipien zu beachten, für die sie einstehen:

Bürger- und Menschenrechte, wirtschaftliche Gerechtigkeit und eine repräsentative und verantwortungsvolle Regierung.

Eine stärkere Unterstützung der MENA-Region wird teuer. Al- lerdings sind die politischen und wirtschaftlichen Kosten der Untätigkeit angesichts dieser Jahrhundertkrise gewiss erheb- lich größer.

Die aktuelle Kolumne von Thomas Claes und Mark Furness 08.03.2021, ISSN 2512-9074

© German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

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