War in vergangenen Jah- ren für den niedergelassenen Arzt der wirtschaftliche Er- folg kaum gefährdet, so er- reicht er dies heute vielfach nur noch durch gezielte öko- nomische Entscheidungen.
Die sogenannte Unterneh- merfunktion, die einem frei- beruflich tätigen Arzt zwei- felsohne zukommt, gewinnt immer größere Bedeutung.
Wird sie vernachlässigt, zieht dies verminderte Praxisge- winne, Verluste und bei dau- erhaften Fehlbeträgen die Pleite nach sich.
Unternehmerische Ent- scheidungen trifft ein Arzt aber nicht erst ab dem Zeit- punkt der Praxiseröffnung, sondern bereits im Vorfeld.
Wesentliche Entscheidungen zum Beispiel hinsichtlich Raumwahl, Einrichtung, Fi- nanzierung u. a. bestimmen die Höhe des Schuldenber- ges, den er sich notgedrunge- nermaßen am Anfang seiner
„Karriere“ auftürmt, und da- mit seine zukünftigen Zins- und Tilgungsbelastungen. Bei Praxisübernahmen, die auf- grund der Niederlassungs- sperren heute die Regel dar- stellen, ist ein wesentlicher Bestandteil des Investitions- volumens der immaterielle Wert oder Goodwill der Pra- xis. Dabei werden oft zwei Begriffe synonym gebraucht oder zusammengeworfen, die aber einen völlig verschiede- nen Bedeutungsinhalt haben:
Preis und Wert.
Ein Preis kommt auf ei- nem Markt zustande und wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Ver- langt ein Praxisabgeber von einem potentiellen Käufer, der auch dementsprechend die Zulassung erhält, einen Goodwill von 300 000 DM und ist dieser bereit, diese Summe zu bezahlen, so ist ein Preis auf einem Markt für Arztpraxen zustande gekom- men.
Profitieren vom Überschuß
Anders gestaltet sich der betriebswirtschaftliche Wert- begriff. Der Wert eines Wirt- schaftsgutes spiegelt sich in dessen Nutzen wider, und Nutzen bedeutet in bezug auf den Kauf eines Unter- nehmens – sieht man von in- dividuellen Präferenzen wie etwa der regionalen Lage einmal ab – nichts anders als zukünftige Gewinne bezie- hungsweise davon abgeleitet zukünftiges Einkommen.
Wirft eine Praxis durch gutes Management einen hohen Gewinn ab, erhöht dies folg- lich auch ihren Wert, da übli- cherweise unterstellt wird,
daß ein Praxisübernehmer von einem hohen Überschuß des Vorgängers profitieren kann.
Die beiden Aspekte Preis und Wert können sich nun aber in Zukunft völlig unter- schiedlich entwickeln. Be- trachtet man das eher be- schränkte Angebot an Ver- tragsarztpraxen, das in den nächsten Jahren insbesonde- re durch altersbedingte Ab- gaben auf den Markt kommt, und sieht demgegenüber ein
prognostiziertes Anwachsen der Zahl niederlassungswilli- ger Ärzte, so ist damit zu rechnen, daß die Preise für Vertragsarztpraxen langfri- stig steigen werden.
Anders könnte hingegen eine mögliche Entwicklung der Praxiswerte aussehen.
Beurteilt man die künftigen Gewinn- und Einkommens- aussichten niedergelassener Ärzte insbesondere aufgrund der begrenzten Gesamtver- gütung eher skeptisch und
sieht sie für die Zukunft sta- gnieren oder eher abnehmen, so muß sich dies ebenfalls ne- gativ auf den Großteil der Praxiswerte auswirken.
Kluft zwischen Preis und Wert
Für eine Vielzahl von Praxisübernehmern birgt diese sich öffnende Kluft zwischen Preis und Wert dann eine existentielle Ge- fahr: Gestiegene Investiti- onsvolumina aufgrund eines höheren abverlangten Kauf- preises müssen künftig durch geringerere Gewinne und mit verminder- ten Einkom- men finanziert werden. Ein neu niederge- lassener Arzt, dem ein über- höhter Kauf- preis aufgebür- det wurde und der in solch ei- ner „wackligen“
Situation seine Umsatzzahlen in spe über- schätzt oder sei- ne Praxis- oder Privatausgaben ausufern läßt, verliert dann sehr schnell sei- ne finanzielle Balance.
Der maxi- male Preis, der einer Arztpra- xis aus Sicht des Überneh- mers zugemes- sen werden kann, bestimmt sich insbesondere aus dem individuell stark differieren- den Betrag, den er letztend- lich auch finanzieren kann.
Ob er dazu mit seinen Pra- xisgewinnen in der Lage sein wird, sprich ob die Praxis auch für ihn den dement- sprechenden Wert hatte, muß sich in der Zukunft zei- gen. Doch die Zukunft hat leider einen entscheidenden Haken: sie ist trotz aller Pro- gnosen und Gutachten unge- wiß. Wolfgang Merk A-608 (60) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 10, 7. März 1997
V A R I A WIRTSCHAFT
Preis und Wert der Praxis:
Die Kluft wird größer
Fast zwei Billionen DM betrug nach einer Aufstellung der Deutschen Bundesbank der Bestand an Krediten für Unternehmen und Selbständige zum Jahresende 1995. Die Nummer eins unter den Geldgebern der Wirtschaft sind die Sparkassen. Auf Platz zwei folgen die Kreditbanken. Die Plätze drei und vier belegen die Kreditgenossenschaften und die Hypothekenbanken.
Geldgeber der Wirtschaft