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Archiv "Europäischer Krebskongreß: Kluft zwischen Forschung und klinischem Alltag" (26.11.1999)

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ine unübersehbare Fülle von Daten aus der Forschung und von frühen klinischen Stu- dien kennzeichnete bei der diesjäh- rigen European Cancer Conference in Wien die Hoffnungen auf neue, wirksame Formen der Krebstherapie.

Trotz rasantem Erkenntniswachstum auf dem Gebiet der Tumorbiolo- gie bleiben die Therapieerfolge der Hauptkrebsarten (Brust-, Dickdarm- und Lungenkrebs) bescheiden. Lei- stungsfähige Medikamente reichen allein nicht aus, so der Tenor in Wien, um diese Kluft zu überbrücken; The- rapieerfolg und Überleben der Pati- enten hängen vielmehr von der Er- fahrung des Operateurs, der Koope- ration im multidisziplinären Team und der gesicherten Qualität ab.

Erfahrung des Operateurs ist ausschlaggebend

Die Erstbehandlung durch den Spezialisten stellt unwiderruflich die Weichen: Die Rate an Lokalrezidiven variiert sowohl beim Brustkrebs (drei bis 30 Prozent) als auch beim Rek- tumkarzinom (neun bis 36 Prozent) erheblich – und zwar abhängig von der Qualität des chirurgischen Ein- griffs, denn die Unterschiede sind durch das biologische Wachstumsver- halten der Malignome alleine nicht er- klärbar. Seine Auffassung untermau- erte Prof. Emiel Rutgers (Amster- dam) mit einer großen europäischen Studie, in der sich alleine die Erfah- rung des Operateurs als ausschlag- gebend für eine niedrigere Inzidenz an Lokalrezidiven und eine höhere Überlebenszeit erwiesen hat.

Sein Landsmann Prof. C. J. H.

van de Velde (Leiden) sieht weitrei-

chende Folgen: Wenn ausgewiesene Spezialisten durch ihre hohe Operati- onsqualität signifikant höhere Über- lebensraten erreichen, ist bei Studien nicht mehr so klar auszumachen, wel- chen zusätzlichen Profit eine adjuvan- te Therapie bringt. Deshalb forderte er nachdrücklich eine Standardisie- rung der Onkochirurgie mit Training und Supervision.

Die organschonende Chirurgie – gefördert durch adjuvante Therapie- formen – hat heute ihren festen Platz:

Beim Brustkrebs ist nach 13jährigen

Nachbeobachtungen klar, daß zwi- schen der radikalen Mastektomie und dem brusterhaltenden Vorgehen kein Unterschied hinsichtlich Lokalrezi- divrate und Überlebenszeit besteht – positive Exzisionsränder dagegen ver- schlechtern die Prognose erheblich.

Dies gilt nach Worten des Onkochir- urgen auch für das Rektumkarzinom, wobei hier die Strahlentherapie eine

„unsaubere“ Chirurgie wettmachen

kann. Unklar ist, ob bei guter Chirur- gie durch eine zusätzliche Radiatio noch Vorteile entstehen.

Durch Fortschritte in der Früher- kennung werden immer häufiger lo- kal begrenzte Karzinome operiert; da- bei erfolgt normalerweise eine regio- nale Lymphknotendissektion – auch wenn kein Befall vorliegt. Der neue Trend geht nach den Ausführungen von Prof. Umberto Veronesi (Mai- land) dahin, nicht befallene Lymph- knoten zu erhalten, um die körperei- gene Immunabwehr nicht unnötig zu verschlechtern. Ein viel- versprechender diagno- stischer Ansatz ist die Biopsie des Schildwäch- ter-Lymphknotens, die aber noch nicht als Stan- dard anzusehen ist.

Die 3-D-tumorkon- forme Radiatio mit inten- sitätsmodulierten Strah- len eröffnet neue Mög- lichkeiten für eine hoch- präzise, selektive Bestrah- lung von Tumoren mit bisher unerreicht hohen Strahlendosen. Radio- Onkologen wie Prof. Zvi Fuks (New York) erwar- ten von dieser tumorkon- formen Bestrahlung, bei der das umliegende Ge- webe geschont wird, ein erhöhtes Hei- lungspotential speziell beim Prosta- takarzinom mit seinen unterschiedli- chen Tumortypen. Dabei ist bei ver- minderter Toxizität und zielgerichtet sehr hohen Strahlendosen (80 Gray) die Heilungsrate von 50 auf 96 Prozent zu steigern. Zukünftige Einsatzgebie- te könnten Lungen-, Kopf-, HNO- und Beckenkarzinome sein. In den vergangenen Jahren wurden über 60 A-3022

P O L I T I K

(22) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 47, 26. November 1999 MEDIZINREPORT

Europäischer Krebskongreß

Kluft zwischen Forschung und klinischem Alltag

Der rasante Erkenntniszuwachs in der Tumorbiologie spiegelt sich (noch) nicht in Therapieerfolgen wider.

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Eine Tumorzelle wird von zwei T-Lymphozyten attackiert. Foto: P. Groscurth

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neue antineoplastisch wirksame Me- dikamente entwickelt. „Damit lassen sich aber nur zehn Prozent der Ma- lignome heilen“, so die ernüchternde Bilanz von Prof. Dieter Hossfeld (Hamburg). Die Kluft zwischen For- schung und klinischer Praxis ist seiner Ansicht nach nur zu überbrücken über klinische Studien, in denen die Wirksamkeit von vielversprechenden Ansätzen aus der Forschung vali- diert wird.

Derzeit werden jedoch nur fünf Prozent der Karzinompatienten im Rahmen kontrollierter Studien thera- piert. Um diesen Prozentsatz zu stei- gern, ist es laut Hossfeld notwendig, die Haltung der Ärzte zu verändern, die Patienten besser zu informieren und bei der Randomisierung Studien- arme ohne aktive Therapie zu vermei- den. Um Ängste der Patienten hin- sichtlich der Randomisierung auszu- schließen, sollten auch nach Meinung von Dr. V. A. Jenkins (London) in al- len Armen aktive Therapien angebo- ten werden. Nach seinen Beobachtun- gen erfahren Patienten innerhalb von Studien eine intensivere Betreuung und bessere Behandlung.

Zu einer adäquaten, umfassen- den Krebstherapie gehören jedoch nicht nur leistungsfähige Medikamen- te – wünschenswert sind hier vor al- lem weniger toxische Chemothera- peutika sowie eine verbesserte pallia- tive Therapie, wie Prof. Harry Barte- link (Amsterdam) betonte. Aber ge- steigerte Überlebensraten seien allein auch durch die Behandlung im multi- disziplinären Team und kompetente psychische sowie pflegerische Betreu- ung zu erreichen, mahnte der Refe- rent. Zur guten Betreuung gehören insbesondere die Enttabuisierung von sexuellen Problemen infolge der The- rapie, die dezidierte Beratung hin- sichtlich der Kontrazeption und Kennt- nisse über Alternativ- oder Komple- mentärmedizin.

Aufgrund der mutagenen und te- ratogenen Effekte der Chemothera- pie besteht der Konsens, diesen Kar- zinompatienten eine Empfängnisver- hütung über ein Jahr nahezulegen, um ihnen das psychologische Trauma ei- ner ungeplanten Schwangerschaft in diesem Zeitraum zu ersparen. Daß diese Empfehlung in der Praxis wenig beachtet wird, zeigte Dr. Lynn Lomax

(Manchester) anhand einer Fragebo- genaktion bei Ärzten und Schwestern in England auf: Rund 40 Prozent ra- ten nicht routinemäßig zur Kontra- zeption, in weniger als der Hälfte der Fälle schätzten die Befragten die Be- ratung als adäquat ein.

Alternativ- oder Komplementär- medizin erfreut sich bei Krebspa- tienten hoher Beliebtheit. Während Klinikärzte und -schwestern über- wiegend „Quacksalberei“ assoziieren, scheint bei niedergelassenen Haus- ärzten eher die Bereitschaft zu beste- hen, sich mit diesen Methoden zu be- schäftigen, die additiv eingesetzt wer- den. Nach Auffassung von Prof. W. F.

Jungi (St. Gallen) sollte der beratende Arzt dem Patienten nur dann helfen, die „therapeutische Lücke“ komple- mentär zu schließen, wenn die ge- wünschte Behandlung nachweislich nicht schadet – auch dem Portemon- naie – und der Patient bereit ist, die notwendigen Kontroll-Untersuchun- gen wahrzunehmen.

Früherkennung erblicher Karzinome – und dann?

Familiäre Karzinome entstehen aufgrund von Keimbahn-Mutationen.

Hier sind durch die Molekularbiolo- gie zwar bedeutsame Mechanismen entschlüsselt worden, der „Profit“ für die Patienten läßt allerdings noch auf sich warten, konzedierte Prof. Albert de la Chapelle (Columbus, Ohio).

Über Genanalysen gelingt es heute, ein erhöhtes Risiko für erbliche For- men von Brustkrebs oder kombinier- tem Mamma- und Ovarialkarzinom, aber auch für familiären Schilddrü- senkrebs, adenomatöse Polyposis, und nichtpolypösen Darmkrebs früh zu erkennen. Als Konsequenz bleibt al- lerdings wenig mehr als eine engma- schige Vorsorge.

Die adjuvante Behandlung wird diktiert von Art und Größe des Karzi- noms sowie der regionalen Ausbrei- tung – insbesondere aber von der Sen- sitivität der Krebszellen gegenüber Zellgiften. Ein großes Problem ist da- bei die Heterogenität der Tumorzel- len. Molekulare Erkennungsmetho- den könnten in Zukunft bei Therapie- Entscheidungen weiterhelfen. Aus mo- lekularbiologischer Sicht ist inzwi-

schen klar, durch welche prinzipiellen Veränderungen eine Zelle maligne entartet: die Aktivierung von Proto- Onkogenen (familiärer Schilddrüsen- krebs) und/oder die Suppression von Tumor-Suppressorgenen (familiäre adenomatöse Polyposis). Sonden, die entsprechende Mutationen „anzeigen“, könnten in Zukunft zur Identifizierung kleinster Tumormengen, disseminier- ter Tumorzellen oder Residualzellen eingesetzt werden – aber auch zur indi- viduellen Voraussage über die Wirk- samkeit von Chemotherapeutika.

Die Grundlagenforschung hat an- dererseits zur Entschlüsselung der Tu- morresistenz gegen Chemotherapeuti- ka beigetragen, wodurch sich neue Ansätze über die Gentherapie eröff- nen: Antineoplastica schädigen die Zelle durch unterschiedliche Wirkme- chanismen – unter anderem über die chemotherapie-induzierte Apoptose.

Wenn nun aber die Gene für den programmierten „Selbstmord“ fehlten, oder die Signaltransduktion gestört sei, könne die Apoptose nicht erfolgen – die erhoffte Wirkung des Medikamen- tes bleibe aus, erläuterte Prof. Klaus- Michael Debatin (Ulm).

Zum Wachstum des Tumors ist eine entsprechende Gefäßversorgung unabdingbar. Karzinome versorgen sich über autokrine und parakrine Me- chanismen mit den notwendigen Ge- fäßen. Bei der Neubildung sind angio- gene Wachstumsfaktoren wie VEGF (vascular epithelial growth factor) be- teiligt, deren Bildung über aktivier- te Onkogene oder „lahmgelegte“ Tu- mor-Suppressorgene kontrolliert wird.

Neue Therapieansätze zielen darauf ab, diese Tumor-Angiogenese mit spe- zifischen Hemmstoffen zu unterbin- den. In Freiburg laufen erste klinische Prüfungen mit einem VEGF-Inhibitor an, der sich im Tierversuch als wachs- tumshemmend erwiesen hat. In den USA sind infolge positiver Tierver- suche mit den Angiogenese-Inhibi- toren Angiostatin und Endostatin ebenfalls klinische Prüfungen ge- plant. Denkbar ist für Debatin, daß diese Inhibitoren in Zukunft im An- schluß an eine herkömmliche Che- mo- oder Strahlentherapie zur Hem- mung der Metastasenbildung eingesetzt werden oder aber in Kombination mit einer niedrigdosierten Chemo- therapie. Dr. Renate Leinmüller A-3023

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 47, 26. November 1999 (23)

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