SEMITISTIK
Leitung: E. von Schuler
UGARITISCH bns(m)
Von Kjell Aartun, Oslo
Im ugaritischen Material begegnet, wie bekannt, in zahlreichen Prosatexten -vomehmlich in Texten administrativer, seltener in solchen kultischer Art-der
eigenartige Ausdmck bnS bzw. bnSm. Wie aus den betreffenden Kontexten
hervorgeht, handelt es sich dabei um ein Nomen im Singular resp. Plural Status consüuctus (bnS) und im Plural Status absolutus (bnSm). Für die meisten bisher
bekannten Belege sei auf R.E. Whitaker, A concordance of the Ugaritic
literature, S. 136 ff., verwiesen. Vgl. femer CH. Gordon, Ugaritic textbook, S.
373 f.; J. Aistieitner, Wörterbuch der ugaritischen Sprache, S. 54.
In einigen mehrsprachigen Listen von Einzelwörtem aus Ugarit wird in ak¬
kadischer syllabischer Schrift die Lautung des Wortes im Singular sowie der
lexikalische Sinn desselben durch die aufgeführten bedeutungsmässigen Ent¬
sprechungen dü-ekt angegeben. Syllabisch folgerecht bu-nu-Su geschrieben,
wh-d so die Singularform - übereinstimmend mit dem dokumentierten Ge¬
brauch von bnS bzw. bnSm in den genannten keilalphabetischen Texten aus
Ugarit (vgl. oben) - semitisch mit akkadisch amilu „Mensch, Bürger" iden¬
tifiziert. Bezüglich der letzteren Zeugnisse siehe J. Nougayrol, Ugaritica V, an verschiedenen Stellen; dazu besonders ibid., S. 351 (Index).
Was nun die Herkunft dieses besonderen Wortgebildes betrifft, steht man
immer noch einem ungelösten Problem gegenüber. Mehrere Lösungsversuche
liegen vor. Meist sieht man darin ein Kompositum bestehend aus semitisch bn
„Sohn" und nJf „Mensch"; so z.B. Aistieitner, Wörterbuch, S. 54: bn + nS
„Menschensohn" mit Verweis auf syrisch bar näSä „Mensch". Ebenso nimmt
Gordon, Textbook, S. 373, als erste Altemative die Kombination an: bun
„Sohn" mit Hinweis auf punisch byn „Sohn" -i- nöS < näi mit genauerem
sprachlichem Bezug auf arabisch näs „Menschen" und hebräisch '^nöS „die
Menschheit, die Menschen"; ähnlich z.B. A.F. Rainey, UF 7 (1975), S. 431
(bunnüSu < bin + nüS); dementsprechend auch z.B. J. Blau und S.E.
Loewenstamm, UF 2 (1970), S. 22: bnS (bu-nu-Su) < *ben + 'unäS „Men¬
schensohn"; vgl. auch F.A. Dombrowski, ZDMG 134,1 (1984), S. 60; und
andere. Dagegen betrachten M. Dietrich und O. Loretz, OLZ 62 11/12 (1967),
Sp. 537, bnS {bu-nu-Su: von ihnen = bünMu interpretiert) als eine Zusam¬
mensetzung aus bünu „Sohn" -i- S „Mann" (angeblich = iS (hebräisch 'iS) mit
Elision des '). Als zweite Altemative behauptet endlich Gordon, Textbook, S.
373, folgende Deutung: bun „Sohn" + $\m angeblichen Sinn von „Mensch" mit Verweis auf die flektierte akkadische pronominale Bildung Su, Si, Sa.
Aus guten Gründen kann aber keine dieser Erklämngen als befriedigend an¬
gesehen werden, d.h. vorausgesetzt, daß man also nicht das Problem spekulativ
erörtern will. Vom sprachlichen Gesichtspunkt aus betrachtet sprechen ent¬
scheidend dagegen mehrere Umstände, namentlich sprachliche Tatbestände
grammatisch-morphologischer Art des Ugaritischen/Semitischen.
Wenn man zunächst von der Annahme ausgeht, dass bnS (bu-nu-Su) eine
Zusammensetzung vertrete, bestehend aus den beiden nominalen Komponen¬
ten bn „Sohn" und nS (nöS, nüS) bzw. 'nS ('unäS) „Menschen" oder gar iS(=
hebräisch 'iS) „Mann", so wird dieses Verfahren vor allem in zwei wichtigen
Punkten den konkreten sprachlichen Voraussetzungen nicht gerecht. Einmal
hat man dabei für die beiden Komponenten, die der üblichen Nominalsyntax
zufolge eine reguläre Status constmctus-Verbindung darstellen müssten, die
Erhaltung der Kasusvokale der beiden Wörter in Betracht zu ziehen. Auf jeden
Fall westsemitisch sind bekanntlich - in verschiedener Weise - die Kasus¬
vokale für beide Status, also auch für den Status constmctus, nachzuweisen. Das
Ugaritische nimmt in dieser Beziehung keine Sonderstellung ein. Als sichere
Beweise für die Markiemng der Kasusunterschiede auch im Status constmctus
können aus dem ugaritischen Material z.B. Fälle angeführt werden, wie 51
(CTA 4; KTU 1.4): VHI: 12-13 ksu[bth „der Thron seines Sitzes"; 49 (CTA 6;
KTU 1.6): VI: 28 /:5a mlkk „ den Thron deiner Herrschaft"; 68 (CTA 2: IV; KTU 1.2: IV): 7 tht ksi zbl ym „unter dem Thron des Fürsten Ym"; usw. Demnach
wäre dem sprachlichen System zufolge auch in dem hier besonders in Frage
kommenden Fall eine entsprechende Konstmktion zu erwarten. Das bedeutet:
Statt bnS (bu-nu-Su) hätte man somit - bezugnehmend auf die genannten
Deutungen - unbedingt ugaritisch bnnS bzw. bn iS (syllabisch bu-nu-nu-Si resp.
bu-nu-i-Si) erwarten sollen. Daß diese stmkturelle Fordemng des Ugaritischen
berechtigt ist, zeigen ausserdem auch die in diesem Zusammenhang direkt
sprachlich zu vergleichenden Analogien aus den verwandten Idiomen, nämlich
altarabisch ibnu 'ädama (also mit Kasusvokalen für beide Status) verglichen mit
hebräisch ben-'ädäm, jüdisch-aramäisch bar 'änäSä, syrisch bar ('e)näSä,
mandäisch bar (a)naSa (d.h. mit Weglassung der Kasusunterschiede für beide
Status). Siehe die Grammatiken und Lexika.
Femer müssten dieser Erklämng zufolge - wie analog in den verwandten
Sprachen - auch im Ugaritischen die beiden nominalen Teile ihre völlige
Selbständigkeit erhalten nicht nur im Singular, sondem auch im Plural. Also:
Statt des ugaritisch folgerecht geschriebenen bnSm = dem Plural, wo -m das
grammatische Morphem der Mehrzahl bezeichnet, wäre der grammatische
Plural des Nomen regens + dem grammatischen Plural oder dem Singular
(Kollektivbegriff) des Nomen rectum am Platze, wie bereits ugaritisch 49 (CTA 6; KTU 1.6): II: 18 bn (Stat. cstr. Plural) nSm (Stat. abs. Plural) „die Menschen (wörtlich: die Menschensöhne)"; femer hebräisch bene{Stat. cstr. Plural) 'ädäm
(KollektivbegrifO; arabisch banü 'ädama; biblisch-aramäisch bene änäSä;
jüdisch-aramäisch bene 'enäSä; syrisch benay ('e)naSä, mandäisch bnatanaSa
oder bnat anaSia (d.h. grammatischer Plural des Nomen rectum); usw. Siehe
ebenfalls die Grammatiken und Lexika.
Die Erklämng von ugaritisch bnS (bu-nu-Su) (Singular); bnS, bnSm (Status
constmctus bzw. absolutus Plural) als entstanden aus dem Nomen bn (bun)
„Sohn" + dem Nomen nS(nöS, nüS) resp. 'nS ('unäS) oder iS entspricht somit
nicht den tatsächlichen Sprachverhältnissen des Ugaritischen/Semitischen. Le¬
diglich auf bloss hypothetischen Annahmen basiert, entbehren diese Deutun¬
gen der notwendigen sprachlichen Verankemng und kommen daher als unbe¬
gründete arbiträre Lösungen in Wegfall.
Als unhaltbar zu betrachten ist in Wirklichkeit auch der altemative Versuch Gordons, bei dem er bnS (bu-nu-Su) = bun „Sohn" -t- S „Mensch" zu erklären
sucht. Auch bei dieser Fassung wäre nämlich stmkturell betrachtet damit zu
rechnen, dass die beiden vermeintlichen Teile im Singular und Plural ihre Selb¬
ständigkeit erhielten. Statt bu-nu-Su hätte man dann also für den Singular bu-nu- Si erwarten sollen. Femer ist in betreff des letzteren Teils ein Wort S in der Bedeutung „Mensch" realiter in keinem Sprachstadium des Ugaritischen/Se¬
mitischen nachweisbar. Auch diese Faktoren sind ausschlaggebender Art und
zeigen zur Genüge die Willkür der letztgenannten Deutung. Vgl. dazu auch
schon Blau und Loewenstamm, a.a.O.
Auf Gmnd des hier Dargelegten darf deshalb eine emeute Erwägung des
Problems zu Recht bestehen. Dabei kann methodisch betrachtet ein haltbarer
Ausgangspunkt und ein zum Ziele führender Weg für die Untersuchung der
Frage - der Natur der Sache nach - nur dann gewonnen werden, wenn nach¬
weisbare Sprachbelege die Basis der Auseinandersetzung bilden. Es gilt daher,
dem Formtypus, der gmndlegenden Formbildung, auf die Spuren zu kommen,
die - entsprechend den belegten Sprachregeln des Ugaritischen/Semitischen -
einerseits den Singular bnS ( bu-nu-Su), andererseits den Plural bnS, bnSm restios erklären kann.
Welche diese Gmndform ist, kann jedoch, wie es scheint, auf vergleichen¬
der Gmndlage gar keine Frage sein, die gegebenen lautiichen sowie stmkturell-
semantischen Momente in Betracht gezogen. Unter besonderer Bezugnahme
auf die syllabische Überliefemng: bu-nu-Su, bedeutungsmässig mit akkadisch
amilu „Mensch, Bürger" (vgl. oben) gleichgesetzt, sowie weitere Bildungen
desselben Typus im Semitischen (siehe unten) ist die einzige Lösung, die den
erwähnten Voraussetzungen entsprechend ohne Einschränkung begründet wer¬
den kann, die Kombination: bu = bü (altes Präfix des Semitischen) + -nu-Su =
-nü-Su ,J4enschheit, Menschen" (Kollektivbegriff). Wie in mehreren anderen
semitischen Sprachen (vgl. unten) ist im vorliegenden ugaritischen Fall das
Präfix bu = bü sprachgeschichtlich mit dem folgenden Nomen völlig ver¬
schmolzen. Deswegen wird diese Vor(setz)silbe - wie schon übhch im Semiti¬
schen auch ugaritisch als ein isoliertes Überbleibsel auftretend - im betreffen¬
den Sprachstadium des Ugaritischen von der Sprache selbst schlechthin als ein
fester Teil des Nomens aufgefasst.
Bei der näheren Betrachtung dieser Komponenten richten wir zuerst unsere
Aufmerksamkeit auf den nominalen, dann auf den eigentümlichen präfigierten
Teil.
Wie bereits von den allermeisten Ugaritologen angenommen (vgl. oben), ist
der zweite Teil des Kompositums, namentiich nach Ausweis des deutlich
erkennbaren Sinnes von bnS, bnSm „Mensch bzw. Menschen, Leute" in den
administrativen und z.T. in kultischen Texten sowie der von den Ugariten selbst
direkt angegebenen bedeutungsmässigen Identifizierung des Nomens bu-nu-Su
mit akkadisch amttu „Mensch, Bürger" in den mehrsprachigen Listen (vgl.
oben), ganz offenbar etymologisch zu verbinden mit der überheferten
ugaritischen Sprachform nSm= nS-m (grammatischer Plural) „Menschen" (vgl.
schon oben). Bisher ist nun ugaritisch, was an sich beachtenswert ist,
sprachvergleichend nicht die „Langform" anS bzw. anS-m, sondem nur die
„Kurzform" -nS ( -nu-Su = -nü-Su) = dem Singular resp. -nS-m = dem Plural be¬
legt. Aus den verwandten Sprachen sind femer von der gleichen Wurzel zum
Vergleich heranzuziehen „Kurzformen" wie arabisch, syrisch, mandäisch näS- akkadisch niSü, neSu. Femer vergleiche man noch „Langformen" wie hebräisch '<r/iö^<*'anäf-(ebenso z.T. biblisch-aramäisch 'üFnö5=einem „Hebraismus";
für weitere „Hebraismen" im Biblisch-Aramäischen vgl. H. Bauer und P.
Leander, Grammatik des Biblisch-Aramäischen, S. 10 f ); jüdisch-aramäisch 'cenäS; syrisch z.T. der Schrift nach ('i)näS; mandäisch ariaSa, 'niS; daneben
auch von derselben Wurzel anuS, 'nuS; palmyrenisch und nabatäisch - der
Schrift nach - 'nwS = 'änüS; usw. Siehe die einschlägigen Grammatiken und
Lexika; femer schon G. Bergsträsser, Einführung in die semitischen Sprachen, S. 182.
Da im Ugaritischen ursprünglich langes a-Phonem = ä erhalten, also nicht
wie in den kana'anäischen Dialekten (und später im Westsyrischen) zu ö ge¬
trübt wurde (Gordon, Textbook, S. 31 (§ 5.17); femer z.B. Blau und Loe¬
wenstamm, a.a.O.), kann ugaritisch -nu-Su = -nüSu lautlich nicht „Kurzfor¬
men" wie arabisch, syrisch und mändäisch näS-, aber auch nicht akkadisch niSu, neSu (vgl. auch mandäisch 'niS; siehe oben) entsprechen. Es setzt die ugaritische
Aussprache -nuSu = -nüSu, hinsichüich der Qualität des langen Stammvokals
des Wortes, einfach das dritte altererbte lange Vokalphonem des Ugaritischen/
Semitischen voraus, nämlich das ü, wie auch bereits von Dietrich und Loretz,
OLZ 62 11/12 (1967), Sp. 537; Rainey, UFl (1975), S. 431, ausdrücklich betont
wurde. Bezüglich der richtigen Qualität des Stammvokals (ohne Rücksicht auf
die Quantität) vgl. auch Gordon, Textbook, S. 373: bunuS.
Die überlieferte Lautung -nuSu = -nüSu des Ugaritischen ist jedoch, wie
schon gesehen, vom vergleichenden Standpunkt aus nichts Befremdliches. Wie
angegeben herrscht ja gerade bei diesem Nomen, was die Qualität der
betreffenden Länge anbetrifft, - z.T. sogar innerhalb ein und desselben Idioms - keine Einheitiichkeit. Alle zu vergleichenden „Kurz-" und „Langformen" in
Betracht gezogen, sind in betreff der Vokalqualität in der gleichen Stellung
sämtliche Längen ä, i, ü vertreten. Vgl. oben. Indessen ist ja auch diese
morphologisch wichtige Erkenntnis ein schon längst beobachtetes Phänomen
im Semitischen. Nominale Bildungen von der gleichen Wurzel und zum
Ausdruck desselben Grundbegriffs zeigen nämlich semitisch oft verschiedene
morphologische Gestaltungen auf. Eine vergleichende Untersuchung der
Nominalbildungen erweist so mit Sicherheit, daß die semitischen Sprachen und
Dialekte hinsichüich der Bildung der kortespondierenden Nominalformen oft
von einander abweichen, so daß den einzelnen Sprachformen zur Bezeichnung
desselben Begriffs einzelsprachlich vielfach verschiedene Bildungsmuster
zugrundehegen. Als illustrierende Beispiele dieses Phänomens können - mit
besonderem Bezug auf den oben konstatierten Unterschied - gemeinsemitische
nominal-begriffliche Korrespondenzen angeführt werden, wie hebräisch zehfib.
(Stamm dibüb oder dubüb), aramäisch dabbafiä oder debbätä, dibbähä (Stamm
dabbäb oder dibbäb), arabisch dubäbun (Stamm dubäb), akkadisch zubbu
(Stamm dubb) (ugaritisch dbb) „Fliege(n), Bremse(n)"; hebräisch qiSSü'ä,
akkadisch qiSSü (Stamm qiitü'), arabisch qiOfl'un oder quUfl'un (Stamm qi[iä'
oder qutlä') „Gurke(n)"; hebräisch und mi^nä-hebräisch kammön, punisch
Xap-ov (x = semitisch k) (Stamm kammän), aramäisch (syrisch) kammünä,
arabisch kammünun (Stamm kammün), akkadisch kammu oder kammünu
(Stamm kamün oder kammün) {■wie südarabisch-abessinisch kam(m)ün) (uga¬
ritisch kmn) „Kümmel"; usw. Überhaupt vergleiche man auch die abweichen¬
den Bildungen von nominalen Begriffswörtem wie hebräisch zätär, arabisch
dßkarun (Stamm dßkar), aramäisch diträ, Stat. indet. dekar, akkadisch zikaru
(Stamm ^iter) „Mann, männlich"; hebräisch läSön (Stamm laSän), aramäisch liSSänä oder leSSänä (Stamm liSSän), arabisch lisänun, akkadisch liSänu (Stamm liSän) „Zunge"; hebräisch Setör, akkadisch Sikaru, jüdisch-aramäisch Sikrä (Stamm Sikar), syrisch Saträ, Stat. indet. Setar, arabisch sakarun (Stamm Sakar),
südarabisch-abessinisch Sekär (Stamm Sikär) „Rauschtrank"; usw. Siehe die
Lexika; femer besonders Bergsti-ässer, Einfühmng, S. 182 ff , und die dort
angeführten weiteren Beispiele; ebenso Aartun, ZDMG 117,2 (1967), S. 256 f
Von hier aus dürfte somit die Frage nach Herkunft, Morphologie und Sinn
des zweiten d.h. des nominalen Teils des zusammengesetzten Ausdrucks, wie
forschungsgeschichtlich auch schon öfters zum Ausdruck gebracht, an sich
keine besonderen Schwierigkeiten bereiten: -nS, syllabisch -nu-Su = -nüSu, ge¬
meinsemitischer Kollektivbegriff: „Menschheit, Menschen".
Bezüglich des ersten Teils von bnS (bu-nu-Su), bnSm ist dieser, wie bereits
oben betont, ohne Zweifel nüt dem in den verwandten Idiomen bezeugten Prä¬
fix b, bü zu identifizieren. Die grundlegende Funktion dieses Elementes lässt
sich, in analoger Weise wie z.B. die der mehr oder weniger erstarrten einsil¬
bigen Gebilde von der Wurzel ^: ^iV < ^ (dü, di, dfl) oder S: SV (Su, Si, Sa) usw. des Semitischen, auf vergleichender Basis z.T. noch deutiich erkennen.
Immer noch sicher zu deutenden Belegen zufolge diente es von Haus aus
zunächst als besonderes Merkmal der Art, des Wesens, des Charakters, der
Natur u. dgl. Kombinatorisch wird dem Gebilde b, bü das nachfolgende Nomen
als eine Art Apposition im Singular oder Plural beigefügt. Neben der einfachen Form b, bü tritt vielfach auch die sprachgeschichtlich erweiterte Form 'b, 'abü
auf d.h. b, bü mit dem auch sonst semitisch bekannten Vorschlag ' , 'a- (vgl.
unten).
Forschungsgeschichtlich pflegt man allerdings die Form b, bü als eine
Verkürzung aus 'b, 'abü = dem Status constructus von 'ab- „Vater" zu erklären.
So z.B. A. de B. Kazimirski, Dictionnaire arabe-frangais I, S. 6 f.; 174. Das ist
aber aus mehreren zwingenden Gründen nicht möglich. Zunächst ist eine
derartige schon gemeinsemitisch d.h. altsemitisch durchgeführte Sprach¬
entwicklung analogielos. Auch ist eine solche Entwicklung vom einzel¬
sprachlichen Standpunkt aus nicht zu begründen. Dokumentarisch verhält sich
die Sache gerade umgekehrt. Die Erweiterung von Sprachformen durch vor-
oder nachgestellte Elemente steht sowohl altsemitisch als auch einzel¬
sprachlich ausser Frage. Ganze Reihen von formal erweiterten Strukturen
altsemitischer resp. einzelsprachlicher Art sind vorhanden. Siehe die Gramma¬
tiken und Lexika; femer besonders Aartun, AOAT 21,1, passim. Besonders
beliebt sind solche Erweitemngen bei Partikeln und Pronomina, also bei
Sprachformen, die in allen Sprachen einer älteren Entwicklungsschicht an¬
gehören als Nomina und Verba. Ein solches vor andere Wortbildungen
tretendes Element (Morphem) ist, dem hier unser besonderes Interesse gilt, eben
- in erster Linie - der Vorschlag ' V, namentlich 'a. Als Illustrationen ver¬
gleiche man so z.B. einfache bzw. durch den Vorschlag 'aerweiterte Typen, wie
hebräisch ken „so" neben 'äten <*'a + kin (vornehmlich emphatisch an¬
gewandt) „gewiss so" d.h. „wahrhaftig, fürwahr"; galiläisch-aramäisch 'äten <
*'a + kin neben hä-ten „so"; hebräisch nahnü neben 'änahnü <*'a + nahnü;
aramäisch nalknä (jüdisch-aramäisch) neben 'änahnä <*'a + nahnä (bibhsch- aramäisch); akkadisch ninu, nenu neben aninu, anenu; usw. „wir". Hinsichtlich
der Funktion des 'a-Vorschlags des Semitischen hat man auf Gmnd des gesam¬
ten Materials guten Gmnd anzunehmen, dass er auf jeden Fall ursprünglich eine
gewisse Emphase (Nachdriicklichkeit) oder Steigerung der Grundbedeutung
des Hauptwortes ausdrückte, wie dies noch z.B. beim genannten Gegensatz
hebräisch ken „so" gegenüber 'äten „gewiss so" = „wahrhaftig, fürwahr" usw.
zum Vorschein kommt. In der gleichen Richtung zeigt auch der morphologische
Gebrauch vom Vorschlag 'a am Nomen, nämlich zur Bildung des sogenannten
Elativs; usw. Zur Frage vgl. sonst die Grammatiken und Lexika; femer
besonders J. Barth, Die Pronominalbildung in den semitischen Sprachen, S. 5
f ; 75; C. Brockelmann, Grundriss der vergleichenden Grammatik der
semitischen Sprachen I, S. 299 f ; 372 f. Ausserdem wird ja, wie schon bemerkt,
die Form 'b, 'abü II b, bü mit folgendem attriburivem Nomen, also nicht mit
folgendem Genitiv, verbunden. Dies zeigt also auch - kombinatorisch - das
sprachliche Zusammengehören von b, bü (unerweiterte Bildung) und ' -b, 'a-bü
(erweiterte Bildung). Die übhche Identifikation von '-b, 'a-bü mit 'abü „Vater"
(Stat. cstr.) muss, wie es scheint, einfach auf einer Verwechslung von 'a-bü mit dem Homonym 'abü „Vater" bemhen. Die sehr beliebte, also produktiv gewor¬
dene, Konstmktion - vor allem im Arabischen - mit ' abü „Vater" sowie ' ummu
„Mutter", ibnu „Sohn", bintu „Tochter" + folgendem Genitiv, Sprachtypen, die bis zu einem gewissen Grade mit b, bü bzw. ' -b, 'a-bü + folgendem attributivem
Nomen funktionsverwandt sind (siehe die Lexika), dürfte ein weiterer Gmnd
für die vermutete Verwechslung sein.
In den meisten Einzelsprachen des Semitischen sind nunmehr nominale
Ausdmcksweisen mit präponiertem b, bü bzw. '-b, 'a-bü nicht allzu häufig.
Hierhergehörige Sprachtypen sind z.B., mit Bezug auf göttliche, dämonische
oder menschliche Wesen (Personen), Fälle wie mandäisch busaidia d.h. bü +
dem Status determinatus Plural des Nomens, im Sinne: „ständig jagende We¬
sen u. dgl.", wörtlich: „solche von der Art u. dgl. der Jagden (statt: der Jagen¬
den)", d.h. absti-actum pro concreto wie häufig im Semitischen, in Parallele zu daiuia „Dämonen", Sidia „(Dämonen,) Teufel" usw. Vgl. E.S. Drower und R.
Macuch, A Mandate dictionary, S. 56. Dieselbe Kombination wird auch, wie
dem Typus nach (vgl. oben) nur zu erwarten ist, im Singular von der Art der
Tätigkeit angewandt, im Syntagma: duktal busaid hauia „meine Stellung =
meine ausgeübte Beschäftigung ist von der Art des Jagens" d.h. „meine Tätig¬
keit ist die des Jägers"; siehe Drower und Macuch, ibid. Als weitgehend schon
erstarrte Stmkturen treten Sprachtypen dieser Art vor allem als geprägte
Personennamen auf, wie mandäisch busa' id, bus'aid, busi'id, wörtlich: „derein glückliches Wesen hat, eine glückliche Natur ist/hat u. dgl."; ebenso bushaq;
Drower und Macuch, ibid.; so auch in anderen Idiomen, besonders häufig im
Altsüdarabischen, und zwar hier öfters neben Typen mit dem genannten
erweiterten Gebilde 'b d.h. '-b ('a-b) (vgl. oljen), wie bhmd II 'b hmd; b}}l II 'b f}l; bd/cr II 'b dkr; bSms II 'b Sms; b'ttr II 'b 'itr, usw.; siehe G.L. Harding, An index and concordance of pre-islamic Arabian ruimes and inscriptions; passim;
ebenso vereinzelt althebräisch 'dkügayil (K^tili!) (zur Frage nach dem kul-
turgeschichtlich richtigen Verhältnis zwischen Ke^ und Qere in der semidschen (!) Hterarischen Überlieferung siehe zuletzt Aartun, UF 10 (1978),
S. 1-13) „Weibemame (!)", dem Sinne nach: „die Lebensfreude ausstrahlt u.
dgl.", wörthch: „die von der (Wesens-) Art, der Veranlagung, dem Charakter des
Jubels, des Jauchzens (vor Freude)" (LS. 25; 18); usw. In diesem Zusam¬
menhang ist überhaupt kulturgeschichthch von besonderer Wichtigkeit, sich
die grundlegenden ftinzipien der semitischen Namengebung zu vergegen¬
wärtigen. Gemeinsemitischer Anschauung zufolge deckt sich nämlich, wie be¬
kannt, der Name gerade mit dem Wesen, der Natur, dem Charakter usw. des
Trägers. Besonders aufschlussreich ist in dieser Beziehung aus der althebrä¬
ischen Literatur z.B. LS. 25 : 25 ' al-nä yäSlm 'ä^öni 'at-libbö 'cel 'iS hab-
beliya'alhaz-zä 'alNäjiälkiki-Smö kcen-hüNäkälSemö u-netfllä 'immö „mein
Herr errege sich nicht über diesen bösartigen Menschen, den Nabal; denn wie
sein Name (d.h. wie er heißt), so (ist) er. Nabal (d.h. Tor) (ist) sein Name (d.h.
heißt er) und Torheit (ist) bei ihm (d.h. voll Torheit ist er)". Für genau
entsprechende Vorstellungen bei anderen Semiten z.B. bei den Arabern siehe
schon z.B. das angeführte Material bei J. Wellhausen, Reste arabischen
Heidentums, S. 199.
Dem Obigen zufolge werden auch, wie erwartet, Ausdrucksweisen mit b, bü
bzw. ' -b, 'a-bü + Nomen mit Bezug auf verschiedene Arten oder Gattungen von
Vögeln, Tieren, Insekten angewandt, wie arabisch bü zarräd(-} „Franko-
hnhuhn", wörtlich: „(Vogel-)Art: mit Flecken (auf den Flügeln)"; bü
'umayr(-)', bü 'amir(-) „Seeadler"; vgl. dazu das Verb 'amara „den (Wohn-)Sitz oft besuchen u. dgl." (Kazimirski, Dictionnaire II, S. 363); 'abü su'n(-) „Mara¬
bu", wörtlich: „von der Art mit (einem) Schlauch"; 'abü tamäma(t-) „Hauben¬
vogel", wörtlich: „Art: Behaubtes"; femer 'abü sirhän(-) „Wolf, wörtlich:
„(Wesens-)Art, Weise: frei, ungebunden Umherstreifender". Daneben begeg¬
net synchronisch auch der gleichbedeutende Ausdmck sirhän(-) d.h. ohne das
präponierte, die (Wesens-)Art bezeichnende Merkmal 'cÄü. Wie auch durch
zahlreiche analoge Fälle bestätigt wird (siehe die Lexika), beweist also das
gleichbedeutende Nebeneinander von Ausdrücken mit oder ohne ('a)bü (vgl.
unten) den für die richtige Fassung des Begriffs an sich redundanten Charakter
des vorgestellten Elementes; femer 'abü qal(a)mün(-) d.h. präponiertes 'abü +
folgendem Nominativ Plural des Nomens: „Chamäleon", oder auch vom Stoff
„etoffe chatoyante"; wörtlich: „das/der von der Art der in wechselnden Farben
Glänzenden"; so auch bü zamzam(-) „Wespe", wörtlich: „von der Art des
Summens (statt: der Summenden)" (d.h. ebenso abstractum pro concreto; vgl.
oben); bü mi'a(t-) „Tausendfüssler", wörtlich: „von der Art (der Lebewesen) mit hundert (Füssen)"; usw.; ebenso von verschiedenen Arten von Pflanzen und
Früchten, wie phönizisch-punisch ßot)iveaad d.h. die Anchusa (Dioskurides
IV, 23); ßot)pxo\)p.aT3 d.h. die Chrysokome (Dioskurides IV, 55); Butzutzim
(also bü + dem Plural des Nomens) d.h. brassica silvatica (Apuleius 127);
arabisch bü f}anw(-) „Baumerdbeere"; vgl. dazu arabisch f}anwa(t-) „Ver¬
ächtliches" (Kazimirslci, Dictionnaire 1, S. 174); usw.; ebenso von besonderen Arten von Krankheiten u. dgl., wie arabisch bü dahhäs(-) „Nagelgeschwür,
Wurm am Finger". Auch in diesem Fall erscheint abwechselnd daneben - in
gleicher Bedeutung! -das blosse Nomen ohne das vorgestellte Kennzeichen der
Art, wobei also die Art als solche nicht ausdrücklich unterstrichen wird:
dähis(-), oder auch dähüs(-). Zum wörtlichen Sinn vgl. arabisch verbal: dahasa
„sich anfüllen, voll werden" (Kazimirski, Dictionnaire 1, S. 674); femer bü sufär(-) neben 'abü sufär(-) „Gelbsucht", wörtlich: „Art: Gelbes"; bü Sük(-)
neben 'abü Sük(-) „eine Art von Pusteln, denen stechende Schmerzen eigen
sind"; dazu arabisch Säka „stechen" (Kazimirski, Dictionnaire 1, S. 1289); 'abü
ham(a)rün(-) d.h. ebenso 'abü + dem Nominativ Plural des Nomens (vgl.
analog oben zu ' abüqal(a)mün(-)y. „Bläschen, (Hitz-)Blattem"; wörtlich: „von der Art der roten, rotfarbigen (Bläschen)"; auch vom Gebrauchsgegenstand, wie arabisch büsayyär(-) „Sieb", wörtlich: „(Wesens-) Art, Weise: sehr Durch¬
lässiger"; usw. Für weitere Belege siehe die Lexika.
Aus dem hier eingehend Dargelegten darf somit bezüglich der Frage nach
Herkunft und Sinn des eigenartigen ugaritischen Ausdmcks bnS (bu-nu-Su)
bzw. bnSm folgende Schlussfolgemng gezogen werden: Es handelt sich dabei
ugaritisch um komponierte Formen altsemitischer Stmktur: bnS (bu-nu-Su)
(Singular), bnS(m) (Plural) im Sinne von: „Mensch; Menschen, Leute", beste¬
hend aus: b (bu = bü) (altsemitisches vorgestelltes Merkmal zur Bezeichnung der Art, des Wesens u. dgl.) + -nS ( -nu-Su - -nüSu) bzw. -nS(m ) = Plural von -nS (gemeinsemirischer Kollektivbegriff: „Menschheit, Menschen").
DIE ERSTELLUNG EINES MEHRIWÖRTERBUCHES
MIT EINEM PERSONALCOMPUTER
Von Klaus Bockels, Beriin
Im Rahmen einer eingehenden Beschäftigung mit den modemen südsemi¬
tischen Sprachen stießen wir auf die große Lücke, die auf dem Gebiet der
Erforschung dieser Sprachgmppe seit der großen Wiener-Expedition 1898/99
in Bezug auf die Verarbeitung des damals gesammelten Materials gelassen
worden ist. Den Schwerpunkt der Arbeit bildete das Mehri. Dieses ist zuerst von
Alfred Jahn in Form einer grammatischen Skizze, dann von Maximilian Bittner
im Rahmen einer gmndlegenden grammatischen Darstellung, die allerdings
Syntax und Phonologic nur streift, bearbeitet worden. Für das Mehri steht zur