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Bemerkungen zu Brans-Sachau : „Syrisch - römisches
Rechtsbuch aus dem fünften Jahrhundert" II.
(Zu Bd. XXXV, 139—141.) Von
Dr. Perles, Rabbiner.
Noch eine zweite bisher unbeachtete und verliannte Stelle
des Midrasch spricht gleichfalls von xaxi) ngäaig in Verbindung
mit dem Verkaufe von Sklaven: nipn '?^2a .... "jiymsn lipy n-'m
iap3'3 ims-s ir^D DDnN nais isn« d"'n30 vnr\ ab buivb
wby «■'3'3 ■'SN "p aba Nsn?:^ Tm bsa ■jio'^mp ims -nanb
p^n nj'T . . . ■'bs« DDaab ns (Var. i:iiDn\ö) ir-'sni» T'-no-'
apsn iy ^-ns:73 luaiama iy — apyn iy san« -\ov2
(Debarim Rabba c. 3 zu Deut. 7, 46).
Von den Lexicographen bat blqss Lonsano "po-'mp verzeichnet
und es ohne Angabe einer Etymologie durch blTl ,zu wohlfeilem
Preise" erklärt. Der Commentator n:inD m:nn übersetzt im Gegen¬
theil ,zu hohem Preise" und scheint es von CTp , xvgiog ab¬
zuleiten (-ipi-iai mDTN ']"n). Darauf gestützt denkt Eisler Bei¬
träge II, 73 an carus, während Wolf Einhorn im Commentar
zum Midrasch das Wort mit 0 1 p n 115 T'"'' sauer gewordenem
Weine in Verbindung bringt, also TS-^np "lay = ein sauer ge¬
wordener, verdorbener, missrathener Sklave bpbipUT yinn
bpbipui Vi lay '■'D). Samuel Chagis bespricht zwar in seinem
Spezialcommentar zu Debarim Rabba: bNi):ia im, Venedig 1596
unsre Stelle, übergeht aber das kritische Wort O"""!!" mit Still¬
schweigen. David Luria (bn"-i, Commentar zum Midrasch) ver¬
weist auf die B. XXXV, 140 — 141 besprochne Stelle in Schemoth
Rabba c. 43, liest wie dort vc-iip und erklärt es iDmc yi lay
i:7373 -!::Dnb ■'iaa NStuaiU n73 bsa 11372b als einen bösen Sclaven,
den sein HeiT um jeden beliebigen Preis verkauft,, um sich seiner
zu entledigen. Für die Phrase n72 bsa ist Debarira
Rabba c. 7: bsN nriN omb T2:p372 Nim nisia na ib aua eins
173123 ■'72, „Vater einer heirathsfähigen Tochter, der dieselbe
an den ersten besten Ehecandidaten , den er hndet, verbeirathen
Bd. XXXV. 47
726 Perles, Bemerkutiijen zu Bruns-Sachau: „Syrisch-römisches
will' zu vergleichen. Luria's Zusammenstellung ist vollkommen
richtig und wird durch die Münchener Handschrift 229, welche
eine von dem Texte unserer Ausgahen ahweichende Recension des
Debarim Rabba entbält und an unsrer Stelle licipp liest, be¬
stätigt. ■)^D"'ipp und pcnp hier sind wie yo-'-iaipsp in Schemotb
Rabba aus v 0 B 1 p p , xaxri ngäaig verstümmelt. Der Sinn der
Midraschstelle, anknüpfend an Deut. 7, 46, ist also :
„Gott spricht zu den Israeliten : Glaubet nicht, dass ich euch
behandle, wie ein Herr seinen Sclaven behandelt, den er mit xaxrj
ngäaig um jeden Preis verkaufen will (um dessen weitere Er¬
ziehung und Ausbildung er sich nicht kümmert), sondern ich verhänge
Strafen über euch, damit ihr euere Herzen mir zuwendet und mir
gehorchet (um euch zu erziehen und in ein dauerndes Verhältniss
zu nair zu bringen)'.
Auch in dem älteren talmudiscben Rechte vmrde die Präge
des Regresses bei nachträghch entdeckten Fehlem gekaufter Sklaven
diskutirt. Die wichtigsten Bestimmungen hierüber lauten :
a) Tosefta Baba Bathra c. 4: „Wenn Jemand eine Sklavin
unter der Bedingung, dass sie mit Fehlern behaftet sei, verkauft
• mit der speziellen Angabe, dass sie krank, närrisch, epileptisch sei
während sie noch einen andren Fehler besitzt, den er hloss unter
den übrigen Fehlem generell zusammenfasst (T'mnn pa lD5Di),
so ist dies ein iiTthümlicher Kauf (den der Käufer rückgängig
machen kann); sagt jedocb der Verkäufer beim Verkaufe: sie be¬
sitzt diesen Fehler und noch andere Fehler ausserdem, so kann
der Käufer bei später entdeckten Fehlem den Kauf nicht rück¬
gängig machen". Der richtige Text des letzten Satzes muss wie
aus dem Zusammenhange und dem Citat in Baba Mezia 80 a her¬
vorgeht, nicht wie die Tosefta ed. Zuckermandel 403, 12 liest: cn
mya n•p^2 yn itzy ihn dijs 1"'NT mnn nrns ^b in«,
sondern also lauten:
mya np72 r,^ ya iny -ms mm dT2n im« -ib -ikn dn.
Vgh die Erklämng dieser SteUe bei R. Hajja Gaon im np?3 'o
1373731 cap. 45, ed. Vened. 1602 p. 81b imd R. Nathan im Arnch
s. V. ci:o.
b) Bahh Kethuboth 57b, Kidduschin IIa: „Der Regress oder
die AnnuUimng des Kaufes bei nachträglich entdeckten Fehlern
gekaufter Sklaven ist nicht zulässig, denn äussere Fehler hätte
der Käufer vor Abscbluss des Kaufes wahrnehmen können; was
aber gebeime Fehler betrifft, so wird präsumirt, dass der Sklave
lediglich zu Arbeitszwecken gekauft wurde und in dieser Beziehung
liegt nichts daran, ob der Sklave mit geheimen Fehlern behaftet
ist oder nicht" mb imp «n ■'NiaNT ^Ni N3ib D iiay a -iTdmo
n-'b ncDiN Nb -inoaioi -ya n- n3Hb)3b inui -ni.
Dass hier zwei divergirende Ansichten oder Rechtstheorieen vorliegen : die der Tosefta, welche den Regress unter .bestimqiten
Voraussetzungen zulässt und die der Gemara, welche den Regress
Rechtsbuch atis dem fünften Jahrhundert" II. 727
ein für allemal ausschliesst, hat schon R. Jacob Tam in den Tosa¬
photh zu B. Mezia 80 a s. v. IT nnDa hervorgehoben.
Interessant ist der Rechtsterminus ND-b D-Taya TiDUD. R.
Nathan s. v. -jiSJiO 2 erklärt pcHD als einen Fehler im Allgemeinen,
Raschi zu B. Mezia 1. 1. als einen die Ungültigkeit des Kaufes
herbeiführenden Fehler, er bringt das Wort mit dem gleichfalls in
der talmudischen Sprache vorkommenden pDao = (SVficptovov, ßvfi-
(pwvriais Contrakt, Vertrag in Verbindung (die Fehler an Sklaven
bilden den vertragsmässigen Grund zur Annullirung des Kaufes),
während R. Nathan die beiden ymo auseinander hält und jedem
einen besondren Artikel widmet. Maimonides endlich versteht
unter pE73D bloss diejenigen verborgenen Leibesfehler, die zwar
den Köii^er verunzieren oder beeinträchtigen, aber den Sklaven an
der erfolgreichen Verrichtung seiner Sklavenarbeit nicht verhindern
(Maimonides Jad Hachasaka, Hilchoth Mechira XV, 12).
Nachdem das Eindringen der xaXr) ngäaig und xaxr] ngäaig,
der änXij wvr] und der simplaria venditio in die jüdischen
Rechtsanschauungen nachgewiesen wurde, könnte die Vermuthung
entstehen, dass wir in dem räthselhaften iisno auch etymologisch
die simplaria venditio vor uns haben, die, vrie aus dem Scholion
von Stephanos zu Basih 18, 6, 2: tovro Sk votjaov , ^vrfa /itj
änXtäg xai ävanoSottp ngäaet rov olxkrrjv ö ngärrig knoä-
Xtjas xrk. i. e. hoc accipe, si non simplarie et non reddenda
venditione servum venditor vendiderit (Bruns-Sachau röm. Rechts¬
buch S. 208) hervorgeht, gleich der ävaywyi) oixkrov im älteren
griechischen Rechte (Sam. Mayer, die Rechte der Israeliten, Athener
und Römer II, 222) vorzugsweise bei Sklavenverkäufen üb¬
lich war. Obzwar nun römische Rechtstermini, wie vindicta,
manumissio u. A. auch sonst im Talmud und Midrasch vor¬
kommen, wie ich an einem anderen Orte nachweisen werde, so
scheint mir doch hier ND-b D^iasa IT DMO mit Di73l7:n pn iBiOl
der Tosefta zusammenzuhängen, so dass von S]30 avväntio der
113730 avvacpi'j die generelle Zusammenfassung aller Eigenschaften
und Febler der verkauften Sklaven bedeutete, wornach bei später
entdeckter Untauglichkeit der Sklaven ein Regress nicht zu¬
lässig wäre.
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Palmyrenische Inschriften.
Mitgetheilt und erklärt von Ed. Sachau.
Die drei Hauptfundstätten von Inschriften auf dem aus¬
gedehnten Ruinenfeld Palmyra's sind die grosse Colonnade im
Centrum, die Gräherstrasse und der arabische Kirchhof. Von der
ersteren, welche das Stadtgebiet von SO. nach NW. durchzieht,
ist die südliche (genauer: die südwestliche) Säulenreihe noch zur
grösseren Hälfte erhalten, tmd auf diesen Säulen stehen die meisten
der inscriptions Jwnorifiqves bei Graf de Vogü6. In der nörd¬
hchen (nordöstlichen) Reihe stehen nur noch wenige Säulen auf¬
recht, tind unter diesen ist wiederum die Zahl derjenigen, welche
Inschriften tragen, ganz gering. Was ist aus den Säulen dieser
nördhchen Reihe geworden? hegen sie noch dort über dem Erd¬
boden oder sind sie vom Sande verschüttet? konnte man nicht
hoffen, noch manche Säule oder Pragmente einer solchen in situ,
zu finden und sie dem Sand zu entreissen? duiite man ferner
nicht annehmen, dass diese Säulen in demselben Grade mit Staats¬
inschriften geschmückt worden seien wie diejenigen der südlichen
Reihe ? Ich gestehe, dass ich nicht am wenigsten zu diesen Hoff¬
nungen angeregt wurde durch die Worte von de Vogüe in seinen
Inseriptions Semitiques S. 2: ,Plus de> la moitie des colonnes du
grand portique, ä son extrömite Orientale, sont renversees. et
recouvertes d'une 16gfere couche de sable; celles qni sont encore
debout portent presque toutes une inscription; il est permis de
croire que les colonnes tomhees en ont aussi.* Dass diese Hoff¬
nungen trügerisch waren, hatte ich Gelegenheit hei meiner An¬
wesenheit in Palmyra im October 1879 zu constatiren.
Von den fehlenden Säulen der Nordreihe sind nur noch
sehr wenige in situ vorhanden. Es machte keine grosse Mühe
die einzelnen, im Sande hegenden Blöcke, von denen je drei eine
Säule bildeten, freizulegen und umzudrehen, und festzustellen, dass
keine derselben eine Inschrift trägt. Dieser Theil Palmyra's, der
am höchsten gelegene, ist im Gegensatz zu vielen anderen Ruinen¬
feldern so wenig vom Sande verschüttet, dass die Basen der
Säulen fast überall sichtbar sind '). Die Untersuchung aller Säulen¬
stücke in der ganzen Länge der Colonnade und auf beiden
Seiten derselben blieb voUkommen erfolglos. Die Säulen jener
Reihe sind in den Sonnentempel verschleppt und jetzt durch die
Lehmhütten der Araber verdeckt. Wenn einmal Menschenhand
1) Ob diese Säuleu vielleicht auf einem hohen Unterbau ruhen, ist bisher noch nicht untofsucht.