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Archiv "Private Krankenversicherung: Systemfremde Eingriffe bereiten den Ärzten Sorgen" (30.03.2007)

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A828 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 13⏐⏐30. März 2007

P O L I T I K

O

bwohl der Anteil der privat Krankenversicherten an der Gesamtbevölkerung nur bei etwa zehn Prozent liegt, erzielen die nie- dergelassenen Ärzte durchschnitt- lich rund 20 Prozent ihres Praxis- umsatzes über die Behandlung dieser Personengruppe. Der überproportio- nale Anteil ist damit zu erklären, dass bei den Privatversicherten jede ärztli- che Leistung auch tatsächlich bezahlt wird – auch wenn der Patient mehr- mals in einem Quartal den Arzt auf- sucht. Zudem liegt das Vergütungs- niveau in der privaten Krankenver- sicherung (PKV) deutlich über dem

in der gesetzlichen Krankenversiche- rung (GKV). Dass mit Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsge- setzes (GKV-WSG) auch die PKV vor großen Veränderungen stehe, wie von der Bundesregierung angekün- digt, klingt für viele Ärzte vor die- sem Hintergrund wie eine Drohung.

Zwar fällt die Reform für die PKV-Unternehmen weniger exis- tenzbedrohend aus als zwischen- zeitlich befürchtet, dennoch sind die Eingriffe des Gesetzgebers gravie- rend. Die Stichworte lauten Basista- rif und Mitnahme der angesparten Alterungsrückstellungen. Die wich- tigsten Neuerungen:

Ab 2009 müssen alle privaten Krankenversicherungen einen bran- chenweit einheitlichen Basistarif anbieten, dessen Leistungen in Art und Umfang dem GKV-Leistungs- katalog vergleichbar sind. Dabei

darf die Prämie den durchschnittli- chen Höchstbeitrag in der GKV, derzeit 500 Euro, nicht übersteigen.

Eine Gesundheitsprüfung findet nicht statt, für die Unternehmen be- steht Annahmezwang.

Ab 1. Juni 2007 können sich alle Personen ohne Versicherungs- schutz, die dem System der PKV zu- zuordnen sind, dort zum bestehen- den Standardtarif ohne Risikozu- schläge oder Leistungsausschlüsse versichern. Verträge zum Stan- dardtarif können ab 1. Januar 2009 in Basistarif-Verträge umgewandelt werden. PKV-Neukunden steht der

Basistarif ab 1. Januar 2009 offen.

Abhängig Beschäftigte müssen aber künftig mindestens in drei aufeinan- derfolgenden Kalenderjahren ein Einkommen oberhalb der Versiche- rungspflichtgrenze von 47 700 Euro im Jahr bezogen haben. PKV-Be- standsversicherte können nur zwi- schen dem 1. Januar und dem 30. Ju- ni 2009 unter Mitnahme ihrer Alte- rungsrückstellungen in einen Ba- sistarif-Vertrag eines beliebigen An- bieters wechseln. Danach können sie nur noch den Basistarif ihrer ei- genen Versicherung wählen.

Behandlungspflicht für Ärzte Wie bisher nur in der gesetzlichen Krankenversicherung ist es die Auf- gabe der Kassenärztlichen Vereini- gungen (KVen) beziehungsweise der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die Versorgung der im PKV-

Basistarif Versicherten sicherzustel- len. Anders gesagt: Vertragsärzte dür- fen die Behandlung dieser Klientel nicht ablehnen, der Sicherstellungs- auftrag gilt auch für diese Personen- gruppe. Die Leistungen werden nach der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vergütet, sind aber zunächst auf das 1,8-Fache des Gebührenordnungssatzes begrenzt.

Diese Vergütungsgrenze kann jedoch in Verträgen zwischen dem PKV- Verband und den KVen oder der KBV ganz oder teilweise abwei- chend geregelt werden.

Unabhängig vom Basistarif wird der Wechsel von einer privaten Krankenversicherung zu einer ande- ren erleichtert. Denn von 2009 an können PKV-Kunden ihre Alte- rungsrückstellungen mitnehmen, wenn sie sich für einen anderen PKV-Anbieter entscheiden. Der Übertragungswert ist allerdings auf die Höhe des Basistarif-Leistungs- niveaus begrenzt.

„Der Basistarif und die Portabi- lität der Alterungsrückstellungen greifen in privatrechtliche Versiche- rungsverträge ein und werden zu teils deutlichen Beitragssteigerun- gen in der PKV führen“, prognosti- ziert Reinhold Schulte, Vorsitzender des PKV-Verbandes. Dabei gehen die PKV-Unternehmen davon aus, dass vor allem „schlechte Risiken“

den Basistarif wählen und dieser deshalb von den anderen PKV-Ver- sicherten subventioniert werden muss. Auch die Mitnahme der Alte- rungsrückstellungen gehe zulasten der Bestandskunden. Denn sie müs- sen, weil es weniger Stornogewinne gibt als bisher, höhere Prämien zah- len, um das Alterungsrisiko des Kol- lektivs abzusichern.

Stichwort Stornogewinn: Bislang verbleiben die angesparten Alte- PRIVATE KRANKENVERSICHERUNG

Systemfremde Eingriffe bereiten den Ärzten Sorgen

Wird der neue Basistarif – wie zu befürchten ist – zum Sammelbecken teurer Risiken, drohen den Ärzten Umsatzeinbußen in der Privatliquidation.

Man kann den Basistarif nicht für PKV-Vollversicherte unattraktiv machen und ihn

gleichzeitig für GKV-Versicherte attraktiv gestalten.

Dr. med. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 13⏐⏐30. März 2007 A829

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rungsrückstellungen von Kunden, die die Versicherung vorzeitig ver- lassen (wegen Kündigung, Tod oder Wechsel), im Kollektiv und sorgen so als „Stornogewinne“ für niedri- ge Prämien. Der PKV-Verband ist überzeugt, dass die gesetzlich ver- ordneten Prämiensteigerungen der PKV-Bestandsversicherten nicht rechtens sind, und wird dies verfas- sungsrechtlich prüfen lassen.

Welche Folgen die Gesetzesän- derungen in der PKV für den einzel- nen Arzt mit sich bringen, ist derzeit schwer abzuschätzen. Im schlimms- ten Fall kommt es zu einer massiven Abwanderung von bisher PKV- Vollversicherten in den günstigeren Basistarif. Da die Honorare im Ba- sistarif bis auf Weiteres auf den 1,8- fachen GOÄ-Satz begrenzt sind, könnten sich die PKV-Einnahmen nach groben Schätzungen um bis zu einem Drittel reduzieren. Für viele Praxen wäre dies ein heftiger Ein- schnitt (siehe Kurzinterview).

Kostenerstattung möglich Denkbar ist aber auch, dass bisher freiwillig in der GKV Versicherte in den privaten Basistarif wechseln.

Denn diese gut situierte Klientel müsste dafür nicht mehr bezahlen als den höchsten GKV-Beitragssatz.

Zwar entsprechen die Leistungen im Basistarif denen der GKV, doch könnten Patienten profitieren, weil Ärzte bei der Behandlung von Ba- sistarif-Versicherten keinen kosten- dämpfenden Sanktionen des Ge- setzgebers unterworfen wären. Zu- dem ist PKV-Basistarif-Versicher- ten der Abschluss von Zusatzversi- cherungen ausdrücklich erlaubt.

Den Ärzten käme eine Wande- rung ihrer Patienten von der GKV in den Basistarif vermutlich zugute.

Denn je nach Verhandlungsergebnis zwischen KBV/KVen und PKV könnte die Behandlung von Patien- ten im Basistarif etwas höher hono- riert werden als eine vergleichbare Kassenleistung. Ein weiterer Vor- teil: Die Behandlung von Basistarif- versicherten kann über Kostener- stattung abgerechnet werden.

Folglich wäre es für die Ärzte am besten, wenn die PKV-Bestandsver- sicherten in ihren bisherigen Verträ- gen verblieben und möglichst viele

GKV-Versicherte in den Basistarif wechselten. Doch könne man den Basistarif nicht für PKV-Vollversi- cherte unattraktiv machen und ihn gleichzeitig für GKV-Versicherte attraktiv gestalten, fasst der KBV- Vorstandsvorsitzende Dr. med. An- dreas Köhler das Dilemma für die Ärzte zusammen. Die KBV will deshalb zunächst die zu erwarten- den Wanderungsbewegungen der Versicherten in einem Gutachten untersuchen lassen und darauf auf- bauend ihre Strategie für die Ba- sistarif-Honorarverhandlungen mit dem PKV-Verband festlegen.

Die Bundesärztekammer (BÄK) fürchtet, dass sich die Änderungen langfristig negativ auf die Vergü- tungen der Ärzte auswirken. An- gestrebt werde die Zerstörung der privaten Krankenversicherung als Vollkostenversicherung. Anders sei- en die Angleichung der PKV an die GKV mittels Basistarif und die Einbeziehung der PKV in den Si- cherstellungsauftrag der KVen nicht zu erklären, heißt es bei der BÄK. Die Einbeziehung von Nicht- versicherten in den Krankenversi- cherungsschutz alleine rechtferti- ge eine so weit gehende Regelung jedenfalls nicht. Die BÄK vermu- tet vielmehr, dass PKV und GKV langfristig gleichgeschaltet wer- den sollen. Diesem Ziel diene au- genscheinlich die Nivellierung der Versorgung und Vergütung auf ein unattraktives „Basisniveau“. Auch die Tatsache, dass die PKV wegen der Belastung der Bestandstarife zur Subventionierung des Basista- rifs an Attraktivität verlieren wird, sieht die BÄK als politisch ge- wollt.

Zum Schluss noch eine positive Nachricht für die Ärzte: Die vor al- lem von einzelnen unionsgeführten Ländern betriebene Initiative, aus Kostengründen den Basistarif auch zum Maßstab für die Beihilfeerstat- tung ihrer Beamten zu machen, ist aktuell vom Tisch. Da rund 50 Pro- zent der PKV-Versicherten beihilfe- berechtigt sind, hätte sich eine sol- che drastische Absenkung des Bei- hilfeniveaus unmittelbar negativ auf die ärztlichen Honorare niederge-

schlagen. I

Jens Flintrop, Samir Rabbata

DÄ: Herr Dr. Broicher, als nieder- gelassener HNO-Arzt werden Sie mit den Auswirkungen des PKV- Basistarifs konfrontiert. Bereitet Ihnen die Neuregelung Sorge?

Broicher:Ja. Obwohl meine Kölner Praxis in einem sozial schwächeren Gebiet liegt und der Anteil an Privat- patienten weniger als zehn Prozent

beträgt, muss ich wegen des ge- planten Basistarifs mit Honorarein- bußen rechnen.

DÄ: Was bedeutet das für Ihre Praxisführung?

Broicher:Ich werde noch mehr spa- ren müssen als bisher – beim Per- sonal und bei Investitionen. Natürlich amortisieren sich die Ausgaben für Geräte nur über deren Gebrauch und eine entsprechende Vergütung.

Wenn die Honorierung nicht ausrei- chend ist, muss ich mich fragen, ob ich mir beispielsweise einen innova- tiven Laser leisten kann.

DÄ: Denkbar ist, dass Patienten einen Tarifwechsel vorher mit ihrem Arzt besprechen. Was ra- ten Sie ihnen?

Broicher:Solange nicht klar ist, wie die neuen Tarife aussehen, ist das schwer zu sagen. Vermutlich werden die Versicherungsunternehmen un- terschiedliche Verträge auflegen, was die Arbeit für Ärzte im Übrigen noch unübersichtlicher macht. Infor- mieren kann man die Patienten aber schon jetzt darüber, dass es künftig eine Dreiklassenmedizin geben wird, bestehend aus Angeboten für gesetzlich Versicherte, Basistarifver- sicherte und PKV-Vollversicherte.

Den Privatpatienten muss klar sein, dass sie im Basistarif nicht mehr den- selben Service erwarten können wie bisher. Schließlich ist das Gesund- heitswesen ein marktwirtschaftlich orientiertes System, auch wenn die Politik dies gerne ändern würde.

Die Fragen stellte Samir Rabbata.

KURZINTERVIEW

mit Dr. Dr. Rainer Broicher

Sorge vor

Basistarif

Referenzen

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