Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 274. Juli 2003 AA1829
S E I T E E I N S
Biopatente
Rot-Grün uneins D
ie umstrittene Umsetzung derEU-Biopatentrichtlinie in deut- sches Recht könnte nach der Som- merpause des Bundestages zu einem handfesten Streit zwischen den rot- grünen Koalitionären führen. Trotz Bedenken der bündnisgrünen Bun- destagsfraktion setzte Bundesjustiz- ministerin Brigitte Zypries am Mitt- woch vergangener Woche im Kabi- nett einen Gesetzentwurf zum Schutz biotechnologischer Erfin- dungen durch.
Das Gesetz soll klarstellen, wel- che biotechnologischen Erfindun- gen patentiert werden können und welche nicht. So sind etwa Patente auf menschliche Embryonen, auf Verfahren zum Klonen menschli- cher Lebewesen sowie die Verwen- dung von menschlichen Embryonen zu industriellen Zwecken verboten.
Den Grünen gehen diese Vor- schriften allerdings nicht weit genug.
Die Regierung schöpfe die juristi- schen Spielräume bei der Einschrän- kung der Stoffpatente in ihrem Ent- wurf nicht aus, kritisierte der Vize- fraktionsvorsitzende und Gentech- nikexperte von Bündnis90/Die Grü- nen, Reinhard Loske. Bisher sei vor- gesehen, dass Patentanmelder nur eine Funktion eines Gens angeben müssen, um ein Patent zu bekom- men, das den „Stoff“ umfasst. So könnten sie alle Funktionen mitpa- tentieren, die später gefunden wer- den. Dies führe zu „Vorratspatentie- rungen“ und behindere die künftige Forschung, kritisierte Loske.
In dem Entwurf gibt die Bundes- regierung zudem nur eine unver- bindliche Absichtserklärung ab, nach der sie auf eine von den Grü-
nen geforderte Überarbeitung der EU-Biopatentrichtlinie in Brüssel hinwirken wolle. Strittige Fragen sollen nun bei den Beratungen im Bundestag geklärt werden. Dass sich die Koalitionäre dann einigen, ob- wohl ihnen dies vorher nicht gelang, bleibt abzuwarten.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace nannte unterdessen den Beschluss des Bundeskabinetts eine „Provokation“. Auch die Bun- desärztekammer spricht sich ent- schieden gegen die Patentierbarkeit des menschlichen Genoms, Teilen da- von sowie von Organen und Zellen aus. Gemeinsam mit Greenpeace und dem Hilfswerk Misereor forderte die Bundesärztekammer kürzlich in einer Berliner Erklärung, die EU-Biopa- tentrichtlinie noch einmal zu überar-
beiten. Samir Rabbata
Private Krankenversicherung
Missverhältnis D
ie private Krankenversicherung(PKV) ist mit dem Geschäftsjahr 2002 zufrieden. Der Verband meldet für das vergangene Jahr zwar „stetig gestiegene“ Leistungsausgaben je Versicherten, die Leistungsausga- ben in der Vollkostenversicherung erhöhten sich je Versicherten jedoch im Durchschnitt nur um 3,6 Prozent, mithin der drittniedrigste Kostenan- stieg in der Vollkostenversicherung seit zwölf Jahren.
Trotz zum Teil spürbarer Prämien- erhöhungen zu Jahresbeginn 2002 betrug der Netto-Neuzugang 220 800 Personen (Vorjahr: 216 400). Der Bestand in der Vollversicherung liegt jetzt bei 7,93 Millionen (Vor- jahr: 7,7 Millionen) Personen. Eine Krankenhauszusatzversicherung hat- ten im vergangenen Jahr 4,525 Mil- lionen Personen abgeschlossen.
Was dagegen eher nur zufällig in den Bilanzen angeführt und im jüng- sten Rechenschaftsbericht des PKV- Verbandes zu lesen ist: Bei den Ver- waltungs- und Abschlusskosten wird in die Vollen gegangen, ohne Rück- sicht auf die Ausgabenexpansion ge- powert – mit einer branchentypi- schen Kosteninflation. Auch beim Marketing, der Werbung und bei den Abschlussprämien wird geklotzt. Auf stolze 3,04 Milliarden Euro (2001:
2,822 Milliarden Euro) addieren sich die Verwaltungs- und Abschlussko- sten der Branche im Jahr 2002. Dies sind rund 20 Prozent, gemessen an den Versicherungsleistungen (ohne Regulierungskosten). Die ambulan- ten privatärztlichen Kosten betrugen dagegen 24,2 Prozent, gemessen an den Versicherungsleistungen. Mithin entsprechen die PKV-Verwaltungs-
und Abschlusskosten 82,5 Prozent der Kosten für die ambulante pri- vatärztliche Behandlung! Dies ist ein krasses Missverhältnis, vor allem wenn man die Provisionen und Ab- schlussaufwendungen unter die Lupe nimmt. Insidervermutungen zufolge wird eine ganze Versicherungsjahres- prämie als Abschlussvergütung ge- zahlt, nicht nur für echte Neuab- schlüsse, sondern auch für so genann- te Umdeckungen und Umstufungen bereits bestehender Verträge. Bei manchen Unternehmen beansprucht allein die Abschlussprovision 14 bis 19 Prozent aller Leistungsausgaben.
Hier sollte der „Gesundheitsdienst- leister“ PKV ansetzen, um die schie- fen Verhältnisse wieder ins Lot zu bringen und der Gesetzlichen Kran- kenversicherung beim Kostendämpfen nachzueifern. Dr. rer. pol. Harald Clade