Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 37½½½½14. September 2001 AA2301
S E I T E E I N S
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llen Kostendämpfungsbemühun- gen und Sparabsichten zum Trotz powert die private Krankenversiche- rung (PKV) beim Werbeaufwand, beim Marketing und bei Reklame- feldzügen in Funk und Fernsehen und in den Printmedien. Solche Ak- tionen gehen zumeist zulasten der langjährigen Versicherten, die bereits im Sommer vorsorglich auf „Beitrags- anpassungen“ sachte vorbereitet wur- den. Zugleich wird Druck auf die Ärzte ausgeübt, nicht zuletzt mit ei- nem als Disease Management getarn- ten erhöhten Kontroll- und Prüfauf- wand bei den Privatliquidationen.Selbst Branchen-Insidern ist es bisher nicht gelungen, aus der Ent- wicklung des Brutto-Neugeschäfts verlässliche Rückschlüsse auf den Abschlussaufwand der PKV zu zie- hen. Tatsache: Auf 4,93 Milliarden
DM (1999: 4,85 Milliarden DM) ad- dieren sich die Verwaltungs- und Abschlusskosten der Branche im Jahr 2000, wie der jüngste Rechen- schaftsbericht des PKV-Verbandes ausweist. Davon entfielen allein 3,48 Milliarden DM auf die Abschlussko- sten, weitere 1,45 Milliarden DM auf die Verwaltungskosten. Diese Sum- men sind happig, kontrastieren sie doch mit der Entwicklung der Er- stattungsleistungen für die privat- ärztliche Behandlung. Besonders um die steigenden Abschlussprämi- en macht die PKV ein Geheimnis.
Insider vermuten, dass manche Ge- sellschaften eine ganze Jahresprä- mie für Provisionen investieren.
Abschlussprämien werden aber nicht nur für echte Neuabschlüsse ausgeschüttet, sondern auch für so genannte Umdeckungen. Damit sind
privat Krankenversicherte gemeint, die der Makler von einem Kran- kenversicherungsunternehmen zum nächsten bringt. Die hohen Provi- sionssätze reizen zu weiteren Um- deckungen. Ihre Zahl hat in den letz- ten Jahren erheblich zugenommen.
Maximierungsgrenzen im Hinblick auf die höchsten zulässigen Ab- schlusskosten gibt es bei der PKV nicht – im Gegensatz beispielswei- se zur Lebensversicherung. Aller- dings können beschränkte Abschluss- provisionen das Problem der Um- deckungen nicht lösen. Hier wäre der Verband der privaten Kranken- versicherung gefordert, ordnend ein- zugreifen. Wenn hier nicht ein bran- cheninterner Konsens erzielt wird, sollte der Gesetzgeber eingreifen und den Ausuferungen Einhalt ge- bieten. Dr. rer. pol. Harald Clade
Private Krankenversicherung
Aus dem Ruder
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m 3. Dezember 1967 begann in zweifacher Hinsicht eine neue Ära: An diesem Tage erhielt nicht nur Louis Washkansky im Groote- Schuur-Krankenhaus von Kapstadt erstmals das Herz eines anderen Men- schen, es wurde auch eine neue Art von Star „geboren“. Mit dem spekta- kulären Eingriff wurde erstmals ein Mediziner, der Chirurg Christiaan Barnard, über Nacht weltweit zum Liebling der Medien, des Jet-Sets und der Frauen. Und der „Sunnyboy mit dem ewigen Lächeln“ genoss die ihm plötzlich zuteil gewordene Popula- rität und das Leben in vollen Zügen.Für Mediziner damals völlig unüblich wurde sein Privatleben – drei geschei- terte Ehen und zahlreiche Affären – in allen Gazetten abgehandelt.
Das Leben in Glamour ist aller- dings nur eine Seite von Christiaan
Barnard. Selbst Kritiker attestierten ihm, dass er das chirurgische Hand- werk in den USA von der „Pieke auf“
gelernt habe und beherrsche. Vor dem spektakulären Eingriff hatte Barnard nicht nur etwa tausend Herzoperationen vorgenommen, sondern in Tierversuchen auch spe- zielle Gefäßnahttechniken erprobt und die Wirkung von Medikamenten am isolierten Herzen getestet. Am 3. Dezember 1967 unternahm er schließlich den – nach seinen eigenen Worten – „Sprung ins kalte Wasser“, der ihn zu einem der populärsten Me- diziner seiner Zeit machte.
Für ihn stellte die erste Verpflan- zung eines menschlichen Herzens keinen wissenschaftlichen Durch- bruch dar, sondern lediglich die Ein- führung einer neuen herzchirurgi- schen Technik. Dass mit dem Ein-
griff eine ethische Grenze über- schritten worden war, wurde seiner- zeit viel weniger diskutiert als bei- spielsweise heute die Verwendung embryonaler Stammzellen.
Barnard und sein Team trans- plantierten 420 Herzen; weltweit kam seine Technik über 40 000 Mal zum Einsatz. Mit einer Fünf-Jahres- Überlebensrate von über 80 Prozent gilt das Verfahren – nicht zuletzt auf- grund der Entwicklung immunsup- pressiver Therapien – als etabliert.
Weniger bekannt als das bewegte Privatleben Barnards wurde sein so- ziales Engagement. Nachdem der Chirurg 1983 seine Operationstätig- keit infolge einer schweren Arthritis aufgeben musste, engagierte er sich mit der „Christiaan-Barnard-Foun- dation“ für herzkranke Kinder in al- ler Welt. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn