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Archiv "Private Krankenversicherung: Identitätskrise" (29.07.2005)

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A2066 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 3029. Juli 2005

KOMMENTAR

D

ie private Krankenversicherung (PKV) kann sich nicht entschei- den.Versteht sie sich mit ihrer be- haupteten Quersubventionierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Milliardenhöhe als Retter des deutschen Gesundheitswesens, oder wäre sie lieber doch eine verkapp- te Gesetzliche Krankenversicherung?

Dieser „Spagat“ zeigt sich erneut in jüngsten Presseverlautbarungen. Da wird der Beitrag von 8,5 Milliarden Eu- ro zur Quersubventionierung der GKV betont, aber mit Schuldzuweisungen an die niedergelassenen Ärzte verbun- den, sie würden ungerechtfertigt die Kosten der privaten Krankenversiche- rung in die Höhe treiben. Die PKV versucht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Ei- nerseits will sie belegen, dass sie als Mitfinanzier des Gesund- heitswesens unverzichtbar ist, andererseits hätte sie es dann doch gerne wieder etwas billi- ger und zielt damit offensichtlich auf die Reform der Amtlichen Gebühren- ordnung für Ärzte (GOÄ), deren Ver- gütungsniveau sie herunterfahren möchte. Offenbar hält sie ihre Leistun- gen – anders als ihre Versicherten, die sich für die privatärztliche Versorgung entschieden haben – auch nicht für bes- ser als diejenigen der gesetzlichen Krankenkassen, die einen Mindest- standard unter Budgetzwängen ge- währt. Denn die PKV tut so, als ob sie für gleiche Leistungen diese 8,5 Milliar- den Euro mehr zahle. Was will sie nun?

Für gleiche Leistungen gleiches Geld zahlen und damit die Angleichung an die Krankenkassen betreiben, oder un- ter Hinweis auf ihren Finanzierungs- beitrag ihre existenzielle Gefährdung durch Bürgerversicherung oder Ge- sundheitsprämie abwenden. Beides lässt sich nicht erreichen.

Es stimmt, dass die PKV in allen Ver- sorgungsbereichen höhere Vergütun- gen und Belastungen trägt als die unter- finanzierte Gesetzliche Krankenversi- cherung. Insoweit ist es ordnungspoli- tisch richtig und systemgerecht, dass Arzthonorare in einem privat- oder

marktwirtschaftlichen System höher sind als in der GKV mit jahrzehntelan- ger Budgetierung. Dies unterstreicht den Wert der PKV für die Versorgung.

Die Höhe der Quersubventionierung ist allerdings bisher nicht belegt. Die be- haupteten Ausgabenentwicklungen der PKV werden seit Jahrzehnten von der Ärzteschaft, wegen ihrer fragwürdigen Grundlage einer nichtrepräsentativen Stichprobe von 30 000 Rechnungen, an- gezweifelt. Die PKV wird allerdings un- glaubwürdig, wenn sie als Mitfinanzier zu Recht ihre Existenzsicherung bean- sprucht, dann jedoch ihren Finanzie- rungsbeitrag als durch die Liquidations- praxis der Ärzte erzwungen hinstellt

und dazu erneut die seit Jahren laufen- de Kampagne gegen die Ärzteschaft stereotyp wiederholt, wonach die Be- rechnung des Schwellenwertes nach GOÄ die Ursache für Kostensteigerun- gen in der PKV sein soll. Diese einseiti- ge Schuldzuweisung an die Ärzteschaft soll das Fehlen einer sachlichen Argu- mentationsgrundlage kaschieren. Sie wird auch durch permanente Wieder- holungen nicht richtiger, denn

1. der Schwellenwert, der bei ärztli- chen Grundleistungen mit dem Faktor 2,3 berechnet wird, bei Sachleistungen mit 1,8 und beim Labor mit 1,15, ist für alle diejenigen Fälle gedacht, die einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad haben. Dies ist die Mehrzahl aller Fäl- le in der Arztpraxis.

2. Der Faktor 2,3 besteht inzwischen seit 23 Jahren. Dies hat der PKV in die- sem Zeitraum den Vorteil der Kalkula- tionssicherheit gebracht, weil die Ärzte- schaft aufgrund der bürokratischen An- forderungen an ein Überschreiten die- ses Schwellenwertes weitgehend auf ei- ne Berechnung höherer Faktoren ver- zichtet hat. In diesem Zeitraum ist der Ärzteschaft lediglich 13,6 Prozent Ho-

norarzuwachs als Ausgleich für die Ko- stenentwicklung zugestanden worden, obgleich die Preise für Dienstleistungen allein in den letzten 14 Jahren (1988 bis 2002) um 47,9 Prozent gestiegen sind.

3. Der Faktor 2,3 heißt noch lange nicht, dass damit das 2,3fache des EBM-Einfachsatzes gezahlt würde.

Zwischenzeitlich liegen die EBM-Sätze weit über den Einfachsätzen der GOÄ, sodass die Argumentation, die privaten Krankenversicherten zahlten das Zwei- bis Dreifache der GKV-Vergütungen, schon lange nicht mehr richtig ist.

4. Zu Recht ist das Arzthonorar im ambulanten Bereich gewachsen. In zu- nehmendem Umfang werden Leistun- gen in den ambulanten Bereich verlagert, wie seit Jahren sin- kende Ausgaben im Kranken- hausbereich belegen, eine Tat- sache, die den Privatversiche- rern erhebliche Kosten spart.

5. Die Ausgaben werden im Übrigen vonseiten der PKV häufig nicht bestandsbereinigt in die Diskussion eingebracht; das heißt, der Ausgabenzuwachs aufgrund wachsen- der Versichertenzahlen wird nicht her- ausgerechnet.

6. Unübersehbar hoch sind auch die ständig steigenden Verwaltungs- und Abschlusskosten (einschließlich der Umdeckungskosten), die inzwischen 77,9 Prozent der Ausgaben ausmachen, die die PKV insgesamt für die ambulant privatärztlichen Leistungen bezahlt.

Außerdem trägt sie klaglos wachsende Heilpraktikerkosten, die ausweislich des Rechenschaftsberichtes 2004 um 8,5 Prozent gewachsen sind.

Die private Krankenversicherung muss sich entscheiden: Will sie, wie es politische Pläne vorsehen, mit den ge- setzlichen Kassen gleichgestellt wer- den? Dann spart sie ihre Quersubven- tionierung, zahlt gleiches Geld für glei- che Leistungen. Oder will sie sich ab- grenzen und damit ihre Existenz und ihr eigenes Profil wahren? Dann muss sie ihren Finanzierungsbeitrag leisten, und zwar in anderer Höhe als das unter Budgetzwängen ächzende GKV-Sy- stem. Renate Hess,Bundesärztekammer

Private Krankenversicherung

Identitätskrise

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