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Archiv "Chiles Ärzte und die Menschenrechte" (23.07.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

THEMEN DER ZEIT

Chiles Ärzte

und die Menschenrechte

Die Amerikanische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften hat ihre jährliche Auszeichnung für Verdienste um Freiheit und Verantwortung in der Wissen- schaft 1986 der Chilenischen Ärz- tekammer verliehen.

Dem „Colegio de Medicos de Chi- le" gehören etwa 9000 Ärzte an, 90 Prozent aller praktizierenden Ärz- te. Die Kammer hat sich in den letzten Jahren immer vernehm- licher gegen die im Lande prakti- zierten Folterungen politischer Häftlinge eingesetzt. Im Jahre 1985 verabschiedete sie Richtli- nien, die es verhindern sollen, daß ein Arzt in Folterungshandlungen oder ihre Vertuschung auch unwil- lentlich verstrickt werden kann.

Danach sollen Ärzte unter den fol- genden Umständen die Begutach- tung von Patienten vermeiden:

• Wenn dem Arzt befohlen wird, seine Identität gegenüber dem Pa- tienten zu verschleiern, oder wenn seine Identität durch „physikali- sche Mittel" verhüllt wird;

wenn dem Arzt ein Patient vor- geführt wird, dem die Augen ver- bunden sind oder eine Kapuze übergestülpt ist, oder wenn der Patient auf andere Weise daran gehindert wird, den untersuchen- den Arzt zu sehen;

• wenn der Patient sich in einer geheimen Haftanstalt befindet, und

• wenn der Patient-Kontakt nur in Gegenwart Dritter möglich ist.

Dies sind — so berichtet das

„World Medical Journal", die Zeit- schrift des Weltärztebundes — Re- geln, die es den einzelnen Ärzten ermöglichen, den Anforderungen der „Deklaration von Tokio" des Weltärztebundes (1975) über das ärztliche Verhalten in solchen Um-

ständen zu genügen — eine Dekla- ration übrigens, die sinngemäß auch in den Kodex der ärztlichen Ethik der Vereinten Nationen übernommen worden ist (1982).

Die Chilenische Ärztekammer hat Ende vergangenen Jahres in San- tiago ein internationales Kolloqui- um über „Die Rolle ärztlicher Ver- einigungen bei der Verteidigung der Menschenrechte" durchge- führt und es sogar fertiggebracht,

Wappen des Colegio de Medicos de Chile, dem etwa 9000 Ärzte angehören

das Protokoll drucken zu lassen.

Bei dem Kolloquium sprachen dreizehn Redner aus Chile, Argen- tinien, Frankreich, Großbritannien und Uruguay.

Nach einem Bericht des „Journal of the American Medical Associa- tion" beschlagnahmte die Polizei am ersten Tag die Programme des Kolloquiums. Am zweiten Tag wur- den die Räume der „Nationalen Kommission gegen die Folter" von maskierten Männern verwüstet, das Adressenverzeichnis und drei Aktenordner wurden entwendet.

Präsident dieser Kommission ist der Arzt Dr. Pedro Castillo, Vor- standsmitglied in der Ärztekam-

mer. Unter anderem ist er auch Mitglied des US-College of Surge- ry. Er hatte schon ein Abenteuer hinter sich: Wenige Wochen zuvor war er von der Polizei verhaftet worden; nach zwei Tagen wurde er ohne Angabe von Gründen und ohne irgendeine Anklage auf eine abgelegene Insel in Südchile ver- bannt. Die Ärztekammer informier- te sofort ärztliche und wissen- schaftliche Organisationen und In- stitutionen in aller Welt über die- sen Vorfall; binnen kurzem häuf- ten sich auf dem Schreibtisch des Innenministers die Protesttele- gramme, und die chilenischen Botschaften hatten einen Besu- cheransturm. Nach sechzehn Ta- gen konnte Dr. Castillo nach San- tiago zurückkehren.

Die Kammer ermittelt inzwischen gegen einige Ärzte, besonders in der Armee, denen Beteiligung an oder Vertuschung von Folterun- gen vorgeworfen wird. Ein Arzt wurde bisher aus der Kammer aus- gestoßen, weil ihm konkret die Ab- fassung eines falschen Attestes nachgewiesen werden konnte. Die Entscheidungen der Kammer ha- ben allerdings zur Zeit nur morali- sches Gewicht, nachdem die Mili- tärregierung 1981 eine Reihe von Kammerrechten beseitigt und die Pflichtmitgliedschaft aufgehoben hatte. Damit bedeutet ein Aus- schluß aus der Kammer nicht mehr automatisch den Verlust des Rechtes zu praktizieren. Anderer- seits: Erst dieser Eingriff der Re- gierung hat dem Colegio Bewe- gungsfreiheit verschafft. Denn die Regierung Pinochet verzichtete dabei auf ihre bisherigen Einflüsse bei der Besetzung des Vorstandes, und Neuwahlen brachten neue und couragierte Vorstandsmitglie- der ins Amt. „Das war ihr Fehler", sagt Auslandsreferent Dr. Jorge Jimenez de la Jara dazu — sichtlich zufrieden. Einer der Begründer der Chilenischen Ärztekammer mit Pflichtmitgliedschaft und diszipli- narischen Rechten und einer ihrer ersten Präsidenten war übrigens, lange vor seiner unglücklichen po- litischen Karriere, der Arzt Dr. Sal- vadore Allende. bt 2066 (14) Heft 30 vom 23. Juli 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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