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Archiv "Migranten: Realitätsfremd" (20.05.2005)

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Arztgeschichten

Zu dem „Varia“-Beitrag „Endlich los- lassen können“ von Dr. med. Horst Kalthoff in Heft 13/2005:

Umdenken notwendig

Sicher mag es Fälle geben, wo ein Patient zu früh „aufgege- ben“ wird und es sich im Nachhinein herausstellt, dass es richtig war, eine intensivme- dizinische Behandlung fortzu- setzen. Viel häufiger scheint mir aber das Gegenteil zu sein.

Die Tatsache, dass wir alle dem Prozess des Älterwer- dens, des Gebrechlich-Wer- dens und schlussendlich auch des Sterbens unterworfen sind, wird in unserer Gesell- schaft doch zunehmend ver- drängt. Es herrscht unum- schränkt der medizinische Machbarkeitswahn. Ausge- dehnte operative Eingriffe und maximale Pharmakothe- rapie – natürlich auch durch pekuniäre Interessen bedingt – selbst bei Hochbetagten sind die Regel geworden. Es kommt vor, dass 85-Jährige in der Sprechstunde vor einem sitzen und absolut nicht be- greifen können, dass sie nicht mehr so gut laufen können oder nicht mehr so belastbar sind wie mit 50. Dasselbe gilt für die Angehörigen solcher Patienten. Bisheriger trauriger

„Höhepunkt“ in meiner Praxis war der Fall einer 90-jährigen Heimbewohnerin, die seit mehr als zehn Jahren dement war und nur durch intensive Pflege und Ernährung via PEG-Son- de am Leben erhalten wurde.

Diese Patientin wurde mit ei- ner Pneumonie ins Kranken- haus eingeliefert. Als es zum terminalen kardiorespiratori- schen Versagen kam, wurde ei-

ne Reanimationsbehandlung eingeleitet, die erst nach 45 Minuten infolge Erfolglosig- keit abgebrochen wurde! Aus meiner Sicht handelt es sich hier um Körperverletzung.

Wenn hier nicht ein Umden- ken einsetzt, wird es noch ge- waltige Probleme geben, wenn der demographische Wandel erst voll durchschlägt.

Dr. med. Wolfgang Seeliger, Wunderstraße 8, 46049 Oberhausen

Migranten

Zu dem Beitrag „Ausländische Pati- enten: Insellösungen vermeiden“

von Harald Neuber in Heft 10/2005:

Deutschkenntnisse sind unumgänglich

In diesem Artikel wird für die Einrichtung von Dolmetscher- diensten für Migranten gewor- ben. Dies ist integrationsfeind- lich und gesundheitsschädlich.

Nicht die fremde Religion oder Kultur beeinträchtigt die Teilhabe an unserer Gesell- schaft, sondern die mangelnde Sprachkenntnis. Solange Ein- wanderer alle Dienstleistun- gen in der Sprache ihres Hei- matlandes erhalten, bleiben sie im Ghetto. Dolmetscher- dienste kosten nicht nur Geld, das an anderer Stelle im Ge- sundheitswesen fehlt, sondern nähren auch die gefährliche Illusion, es sei möglich, Be- handlungen zu erhalten, ohne deutsch oder englisch zu sprechen. In wesentlichen Be- reichen der Medizin, von der unvorhergesehenen Notfall- versorgung bis zur Psychiatrie, wird es nie möglich sein, die fehlende Sprachkenntnis des Patienten durch Dolmetscher zu korrigieren. Als Arzt sollte

ich jeden Patienten gewissen- haft über seine Gesundheitsri- siken aufklären, d. h. auch dar- über, dass sich selbst von der Behandlung ausschließt, wer nicht eigenverantwortlich aus- reichende Deutsch- oder Eng- lischkenntnisse erwirbt.

Dr. Holger Schmidt-Endres, Bezirkskrankenhaus Landshut, Prof.-Buchner-Straße 22, 84034 Landshut

Realitätsfremd

. . . Ohne Zweifel liegt es im Bestreben eines jeden Arztes, einerseits bei der Diagnose- stellung die Beschwerden sei- ner ausländischen Patienten ausreichend zu verstehen, an- dererseits vor der Therapie diesen eine adäquate Auf-

klärung zukommen zu lassen.

In den operativen Fächern ist die präoperative Aufklärung gesetzlich vorgesehen, sodass entsprechende standardisierte OP-Aufklärungsbögen der Medizinverlage in diversen Fremdsprachen existieren (die jedoch nicht von dem Auf- klärungsgespräch entbinden).

In den angloamerikanischen Ländern, auf die im Artikel verwiesen wird, habe ich noch keine Aufklärungsbögen in deutscher Sprache gefun- den, auch nicht im europäi- schen Ausland, geschweige denn in der Türkei oder in ara- bischen Ländern. Gastärzte aus diesen Ländern waren eher über die „deutsche Gründlichkeit“ bei der Auf- klärung trotz Zeitnot erstaunt.

Aus der Selbstverständlichkeit der Verständigung zwischen Arzt und Patient die Forde- rung zu erheben, dass ein staatlich (oder durch das Kran- kenhaus) finanzierter Dolmet- scherdienst möglichst flächen- deckend eingerichtet werden sollte, ist nicht nur realitäts- fremd, da es vielen Kliniken kaum mehr möglich ist, in Zei- ten zunehmender Arbeitsdich- te und Rationalisierung, die in Zukunft unter DRG-Bedin- gungen eher noch zunehmen werden, kostendeckend eine adäquate medizinische Versor- gung zu gewährleisten, son- dern wirft zudem die Frage auf, inwieweit solche Dienste eine verfehlte Ausländerpoli- tik unterstützen, da sie eine weitere Ausbildung von Paral- lelgesellschaften ohne ausrei- chende Sprachkenntnisse (zu- mindest in Ballungsgebieten mit hohem Ausländeranteil) unterstützten und zugleich ei- ne erfolgreiche Integration verhindern. Hinzu kommt, dass die in Europa gängigen Sprachen durch das „multikul- turelle“ – genauer multinatio- nale Krankenhauspersonal in der Regel vertreten sind; völlig unrealistisch wird diese Forde- rung nach Dolmetscherdien- sten, wenn man einzelne afri- kanische Länder wie Ghana mit über hundert verschiede- nen Volksgruppen und Spra- chen bzw. Dialekten betrach- tet. Während ein einzelner Facharzt unterbezahlt oder nicht selten auch unbezahlt (nach dem Nachdienst) zahl- reiche Patienten verschieden- ster Herkunft und Nationalität versorgt, die ein Gesundheits- system von immer noch hoher Qualität nutzen, zugleich es aber häufig an rudimentären Sprachkenntnissen mangeln lassen, sollen ihm Hunderte von Dolmetschern per Abruf zur Verfügung stehen, die nach einer Honorar-Ordnung aus städtischen, Landes- oder EU- Mitteln arbeiten. Nach dem abgewandelten Motto des Ar- tikels: „Was das Verstehenwol- len und Verstehenmüssen der deutschen Sprache angeht, ist Deutschland ein Paradies . . .“.

In einem Punkt sollte man auch nach Meinung zahlrei- A

A1438 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 2020. Mai 2005

B R I E F E

Leserzuschriften werden von der Redaktion sehr beachtet. Sie geben in erster Linie die Meinung des Briefschreibers wieder und nicht die der Redaktion. Die Veröffentlichungsmöglichkeiten sind leider beschränkt; der Redaktion bleibt oft keine andere Wahl, als unter der Vielzahl der Zuschriften eine Auswahl zu treffen. Die Chance, ins Heft zu kommen, ist umso größer, je kürzer der Brief ist. Die Redaktion muss sich zudem eine – selbst- verständlich sinnwahrende – Kürzung vorbehalten.

LESERZUSCHRIFTEN

Foto:Barbara Krobath

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cher Kollegen dem Autor, der die Realität in Krankenhäu- sern und Ambulanzen sicher nicht kennt, Recht geben: In Zukunft könnte dennoch ein Dolmetscherdienst in Klini- ken notwendig werden, damit nämlich die deutschen Patien- ten . . . ihre ausländischen Ärzte verstehen können, da die deutschen Ärzte aufgrund schlechter Arbeitsbedingun- gen und inadäquater Bezah- lung das System verlassen ha- ben und in alternativen Bran- chen, im Ausland oder in Pri- vatkliniken arbeiten.

Dr. med. Andreas Neuber, Franssens Busch 16, B-4731 Eynatten

Deutschland als Bahnhofsmission

Auch auf die Gefahr hin, als deutschtümelnder Finsterling zu gelten, doch Folgendes: Der auf sammetweichen Multi-Kul- ti-Pfötchen im Spät-68er-Par- lando daherkommende Artikel, die mangelnde medizinische Betreuung von „Migranten“ im Allgemeinen beklagend und im Besonderen die fehlende Be- reitschaft bemängelnd, zusätz- lich Dolmetscher mit „psycho- sozialer Kompetenz“ für die aus aller Herren Länder unser Land überschwemmenden Ausländer vorzuhalten, ist ein schönes Beispiel dafür, wie eine von allen guten Geistern verlas- sene, meist ordentlich dotierte Gutmenschenkaste, speziali- siert auf das weite Feld „Sozia- les“, bar jeder wirtschaftlichen Vernunft zum Zweck der eige- nen Legitimation und Arbeits- beschaffung die Wohltaten für die in unser Sozialsystem drän- genden Ausländer immer wei- ter ausdehnen möchten, eifrig bemüht, Deutschland zu einer Art Bahnhofsmission für die Bedürftigen dieser Welt umzu- gestalten. – Dass dieses Land mittlerweile finanziell und sozi- al selbst am Stock geht, 1,3 Bil- lionen Euro Staatsverschul- dung und 5,3 Millionen Ar- beitslose lassen grüßen, ge- schenkt. Schließlich wird ja nicht eigenes Geld, sondern das der Steuerzahler verbraten . . . Dr. med. Joachim Wiedmayer, Bahnhofsplatz 6, 91054 Erlangen

Zu dem Beitrag „Arzt-Patient-Ver- hältnis: Zusammenprall der Kultu- ren“ von Dr. phil. Daria Boll-Palievs- kaya in Heft 10/2005:

Die Unzufriedenheit hat Gründe

Obwohl der Autor insgesamt Recht hat, sind einige wichtige Ursachen für die Unzufrie- denheit der Migranten aus den GUS-Staaten mit der deutschen Medizin nicht er- fasst worden. Für diese Unzu- friedenheit gibt es meiner Meinung nach nur zwei Hauptgründe. Erstens: Die Migranten wollen sich auf kei- nen Fall in die Einsicht erge- ben, dass ihr Arzt kein unei- gennütziger Heilender ist, sondern auch unternehme- risch denken und handeln muss. Zweitens: Aus Gewohn- heit überschätzen sie Befra- gung und direkte (physikali- sche) Untersuchung in der Diagnostik. Daraus entsteht ihr Missvergnügen nach dem Arztbesuch: „Der Arzt hat kaum mit mir gesprochen, hat mich stichprobenartig und oberflächlich untersucht, er wollte nur eine Ultraschallun- tersuchung, Endoskopie usw.

durchführen. Aber wo bleiben die uns bekannten Magensaft- untersuchung, Magenrönt- genoskopie und Duodenal- sondierung?“ Übrigens, wel- cher deutsche Hausarzt weiß, dass sehr viele Migranten aus endemischen Gebieten (u. a.

aus der Wolga-Kama-Region und Westsibirien), was die Opisthorchiasis betrifft, kom- men und dass die schon längst vergessene Duodenalsondie- rung die beste Diagnostik bei den mit Leberegeln befalle- nen Gallengängen bringen könnte? Mit dieser Einstel- lung können die o. g. Patien- ten natürlich kaum begreifen, dass die Wirksamkeit der Be- gegnung mit dem Arzt nicht proportional zu dem Zeitauf- wand ist und dass der Arzt, um die Diagnose zu objekti- vieren, auf neuzeitliche appa- rative Untersuchungen nicht verzichten kann . . . Alle be- schweren sich über die fehlen- de Compliance. Aber wie soll- te sie sich entwickeln, wenn B R I E F E

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 2020. Mai 2005 AA1439

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der Patient die Nuancen der deutschen Sprache nicht kennt, über die Möglichkeiten der modernen Medizin nicht aufgeklärt ist und sich aus sow- jetischer Zeit erinnert, dass Psychosomatik, welche der Autor des Beitrages erwähnt hat, gleichartig mit Obskuran- tismus ist? Die Arzt-Patient- Beziehung ist nur dann opti- mal, wenn der Arzt in der La- ge ist, sich auf das Niveau des Patienten zu begeben. Und in solchen Fällen ist es mit Mi-

granten nicht einfach. Ein Entgegenkommen des Patien- ten wäre hier sehr nützlich, und mir erscheint, dass die russischsprachige deutsche Presse zu dem Durchbilden dieses Verständnisses bei den Migranten aus den GUS-Staa- ten beitragen müsste. Aber die macht leider hauptsächlich mit fragwürdiger Kurpfusche- rei Reklame.

Prof. (SU) Dr. med. habil. (SU) Salomon Weinstein,Postfach 19 02 36, 50499 Köln

Gesundheitskarte

Zu dem Beitrag „Noch im grünen Be- reich“ in Heft 8/2005:

Der gläserne Mensch

Was droht uns mit der even- tuell ab 2006 gültigen Ge- sundheitskarte? Der gläserne Mensch: George Orwell und Aldous Huxley lassen grü- ßen. Hiermit legen wir Pro- test gegen die einzuführende Gesundheitskarte ein: Es werden sich sehr viele sehr persönliche Daten auf dieser Karte befinden, und diese werden – nach den Plänen der Bundesregierung – in ei- nem Zentralcomputer gespei- chert. Das führt unweigerlich dazu, dass viele Personen Zu- griff auf unsere Daten haben werden, ohne dass wir das in irgendeiner Form beeinflus- sen können, ja wir werden nicht einmal erfahren, wer auf diese Daten zugreift. Wir sehen den Datenschutz als absolut nicht gewährleistet an. Es entsteht der gläserne Mensch, da immer mehr „Ge- heimnisse“ – wie das Bankge- heimnis – schon aufgehoben sind. Wir müssen annehmen,

dass die Regierung und Kas- sen auf diese Daten zurück- greifen und bei bestimmten Erkrankungen Aufschläge er- hoben werden. Der Bespitze- lung sind damit Tür und Tor geöffnet. Drohen Zeiten wie im Dritten Reich oder in der DDR? Als mündige Bürger sollten wir uns überlegen, ob wir uns das antun lassen wol- len.

Andrea Schwithal,Hermannstraße 1, 28857 Syke,

Angela Lox,Bremer Weg 4, 28857 Syke

Zu der Meldung „Chipkarten: Über- greifende E-Card-Strategie“ in Heft 11/2005:

Interessant

Im Jahr 2003 sind 239,7 Milli- arden Euro für Gesundheit ausgegeben worden: 11,3 Pro- zent des Bruttoinlandspro- duktes. Im Vergleich zu 2002 sind die Kosten um zwei Pro- zent gestiegen. Die Ausgaben je Einwohner erhöhten sich von 2 850 Euro auf 2 900 Eu- ro. Rund 57 Prozent der Aus- gaben trug die Gesetzliche Krankenversicherung. An zweiter Stelle standen die pri- A

A1440 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 2020. Mai 2005 B R I E F E

E-Mail

Briefe, die die Redaktion per E-Mail erreichen, werden aufmerksam gelesen. Sie können jedoch nur veröffentlicht werden, wenn sie ausdrücklich als „Leserbrief“ bezeichnet sind. Voraussetzung ist ferner die vollständige Anschrift des Verfassers (nicht die bloße E-Mail-Adresse). Die Re- daktion behält sich ohne weitere Mitteilung vor, E-Mail- Nachrichten, die als Leserbrief erscheinen sollen, zu

kürzen.

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