Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung
Leben erzählen – Leben verstehen
Marianne Horsdal
Übersetzt von Carsten Bösel
Dimensionen der Biografieforschung und
Narrativer Interviews für die Erwachsenenbildung
Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung
Eine Publikationsreihe des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE)
Die blaue Reihe des DIE richtet sich an die scientific community der Erwachsenenbildungsforschung und an die wissenschaftlich interessierte Praxis. Von Hans Tietgens im Jahr 1967 begründet, hat die Reihe im Lauf der Zeit wesentlich zur Konstituierung der Disziplin beigetragen. Die diskursiven Ab- handlungen auf theoretischer und empirischer Basis machen Forschungsergebnisse aus der Realität von Erwachsenenbildung zugänglich und regen so den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Praxis an. Adressat/inn/en sind Lehrende, Forschende und wissenschaftlich interessierte Praktiker/
innen der Erwachsenenbildung.
Wissenschaftliche Betreuung der Reihe am DIE: Dr. Thomas Jung
Herausgebende Institution
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen
Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) ist eine Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft und wird von Bund und Ländern gemeinsam gefördert. Das DIE vermittelt zwischen Wissenschaft und Praxis der Erwachsenenbildung und unterstützt sie durch Serviceleistungen.
Lektorat: Dr. Thomas Jung
Originalausgabe Marianne Horsdal
Telling Lives: Exploring Dimensions on Narratives
© Authorised translation from the English language edition published by Routledge, a member of the Taylor & Francis Group
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Umschlaggestaltung und Satz: Christiane Zay, Potsdam; Susanne Kemmner, DIE ISBN 978-3-7639-5237-3
DOI: 10.3278/14/1119w
Verlag:
W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG Postfach 10 06 33
33506 Bielefeld
Telefon: (0521) 9 11 01-11 Telefax: (0521) 9 11 01-19 E-Mail: service@wbv.de Internet: wbv.de
| 3 | Inhalt
Inhalt
Vorbemerkungen – Von vielfältigen Stimmen auf dem Weg zur Erzähl- und
%iograÀeforVFherin ...6
Einleitung ... 8
1 Zeit und Handlung ... 17
1.1 Grenzzeichen und Pausen ...17
1.2 Bewegung im Raum und Zeitlichkeit ...19
1.3 Autonoesis ...22
1.s Augustinus¯ ReqeÊionen ÅFer die Zeit ...23
1.p aFelkomosition und Bedeutungskonoguration ...25
1.6 Narrative Kausalität ...28
1.7 Konoguration in eFenserzählungen ...30
2 Stellvertretende Erfahrung ... 33
2.1 Reräsentation von andlungen (mimesis) und +iegelneuronen ...33
2.2 Emotionen und das soziale Gehirn ...36
2.3 Ein Reertoire an stellvertretender Ernahrung ...38
3 *eVFhiFhten erzählen ... 40
3.1 Narrative imensionen des Gesrächs ...40
3.2 +timme und ErzählFarkeit ...43
3.3 PlausiFilität ...45
3.4 er kulturelle Raum in verschiedenen KonteÊten ...48
4 Körper, Gehirn und Erfahrung ... 50
4.1 Wiedererkennen ...50
4.2 Eine Theorie des Bewusstseins ...51
4.3 Gehirnlastizität und der Einquss der Kultur ...54
4.4 andlungenV Geschehnisse und soziale Beziehungen ...57
4.5 Reräsentation von Ereignissen ...58
4.6 Proto-Narrative ...60
4.7 Gemeinsame Aunmerksamkeit ...63
5 GedäFhtniV ... 64
5.1 Verschiedene Gedächtnisarten ...64
5.2 Der Akt des Erinnerns ...69
| 4 | Inhalt
6 Frühe Interaktionen ... 73
6.1 0Fergangsräume und +ËmFolisierung ...73
6.2 Vom ier und etzt zum Dort und Damals ...74
6.3 emorË Talk ...77
6.4 Der GeFrauch von iktion ...79
7 Narrative Kompetenz ... 82
7.1 erkmale der narrativen Kometenz ...82
7.2 ReqeÊivität ...88
7.3 AnalËtische ähigkeit ...89
7.4 Pädagogische Intervention ...89
7.5 Narrativer ZusammenFruch ...92
8 Das narrative Interview ... 95
8.1 0FerFlick ÅFer die angewandte orschung ...95
8.2 ethodologische 0Ferlegungen ...97
8.3 Kontaktaunnahme ...98
8.4 Erstellen der Biograoen ...99
8.5 Reinschrint und Korrektur ...105
8.6 Interview-Varianten ...107
8.7 Das situierte Interview ...108
9 Interpretation und $nal\se von erzählten /ebensgesFhiFhten ... 111
9.1 Vorverständnis ...111
9.2 Zeit und Raum ...114
9.3 Teilnahme an communities of practice ...117
9.4 +timmenV PersonenV Beziehungen ...120
9.5 Themen und Konoguration ...124
9.6 etahern ...126
9.7 +tichroFen von Geschichten ...128
10 Kulturelle Identität ... 130
10.1 Kulturelle Narrative ...130
10.2 -mstände und Entscheidungsnreiheit ...132
10.3 AunFruch und Emanziation ...136
10.4 +ich selFst onden ...140
10.5 Narrative kollektive Identität ...144
| 5 | Inhalt
11 Personale Identität ... 147
11.1 Das +elFst nach der Postmoderne ...147
11.2 Das +elFst als ein Anderer ...151
11.3 Kontinuität und Wandel ...158
12 $ktive StaatsbürgersFhaft und biograÀsFhes /ernen ... 163
12.1 Politische Bildung ...163
12.2 Kometenzen nÅr aktive +taatsFÅrgerschant ...167
12.3 Demokratie lernen ...172
13 %ildungsperspektiven und $bsFhlussbemerkungen ... 178
Literatur ... 187
Zusammenfassung ... 200
$bstraFt ... 201
Die Autorin ... 202
| 6 | Vorbemerkungen
Vorbemerkungen – Von vielfältigen Stimmen auf Gem : eg ]ur (r]ähl unG %iograÀeforVFherin
arianne orsdal legt uns ein Buch vorV das vom Erzählen handelt. +ie schreiFt ÅFer Erzählen und schreiFt erzählend. +ie nimmt uns mit aun eine Reise von der literatur- wissenschantlich orientierten Wissenschantlerin zur +ammlerin von eFensgeschich- ten und schlievlich zur orscherin ÅFer autoFiograosche Narrationen. Aun dem Weg Fegegnen ihr einige Autorinnen und AutorenV Philosohen und Denkerinnen und DenkerV die sie Fei ihrer Entwicklung zur Erzähl- und Biograoenorscherin angeregt haFen. +o lässt sie sich von der ErzähltheorieV iteraturwissenschant und inguistik insirieren und verweilt insFesondere Fei akonn und ohnsonV Genette und Ricoeur.
+ie entlehnt Anregungen aus der kognitiven PsËchologie und der Neurowissenschant und setzt sich in diesem Zusammenhang insFesondere mit BrunerV chs und as sowie RizzolattiV GalleseV Dam9sio und ozolino auseinander. 0Fer weitere Etaen gelangt sie zur narrativen KometenzV die sie unter Bezug aun Bruner und +iegel aungrund ihrer eigenen orschungsernahrungen zu sechzehn erkmalen aunFereitet.
Dann geht es weiter zu den von ihr selFst entwickelten ErheFungs- und Auswer- tungsmethoden narrativer Interviews. Diese unterscheiden sich durchaus von dem in Deutschland seit den Vorschlägen ritz +chÅtzes aus den 1970er ahren verFrei- teten narrationsstrukturellen VernahrenV aun das sie keinen Bezug nimmt. arianne orsdal legt Fei der ErheFung von narrativen Interviews Wert aun die gleichzeitige itschrint des Interviews während des Erzählens und wertet das narrative Interview vor allem hermeneutisch aus unter eranziehen von literaturwissenschantlichen und lerntheoretischen Kategorien.
Ihre Reise setzt sie nortV indem sie die Themen «Kulturelle und ersonelle Identi- tät¬ FearFeitet und daFei die grundlegende KonteÊtualität und die Bezogenheit aun den Anderen in der Entwicklung der eigenen Identität Fetont. +chlievlich gelangt sie zum Zusammenhang von narrativer Kometenz und aktivem demokratischen En- gagement und lädiert hier nÅr BildungsinitiativenV die enschen helnenV mit Wandel und Vielnalt umzugehen.
eser und eserinnen sind eingeladenV sie aun ihrem Weg zu FegleitenV aun dem sie einige unterschiedliche TheoriestÅcke einsammelt und miteinander verFindet. «Ich mchte KrerV Geist und Geschichten in der Interaktion zusammenFringen. -nd ich mchte diesen Persektiven durch den okus aun eFenserzählungen eine zeitliche und historische Dimension verleihen¬V so ihr redo. DaFei entwickelt sie eine Ethik der orschungV die das Erzählen von eFensgeschichten als 0FergeFen von Geschen- ken Fetrachtet und die daran mitwirken willV die -nterschiedlichkeit und Andersheit der vielen Menschen durch Bedeutungsaushandeln zu verstehen.
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Was kann die ErwachsenenFildung von dieser Reise lernen¨ Marianne orsdal ver- steht esV die grundlegenden ragen der Menschen nach eigener IdentitätV nach den BezÅgen zu anderen MenschenV nach gesellschantlichem andeln und nach der Ent- wicklung von KometenzenV um in der aktuellen Welt der VielnaltV Mehrersekti- vität und Veränderung zurechtzukommenV aun das Erzählen zu Feziehen und damit eine Fedeutende Antwort aun diese ragen zu geFen. Im Erzählen konstituiert sich IdentitätV und narrative Kometenz kann dazu FeitragenV aun Wandel und Vielnalt mit Kommunikationsnähigkeit und Verständnis zu reagieren.
Die vom Deutschen Institut nÅr ErwachsenenFildung DIE herausgegeFene deutschsrachige AusgaFe dieses WerkesV dessen riginalausgaFe Fereits in mehrere +rachen ÅFersetzt wurdeV wird seine deutschsrachige eserschant voraussichtlich in verschiedenen diszilinären KonteÊten onden. -m die traditionelle Zielgrue der gedruckt erscheinenden BÅcher aus dem DIE zu erweiternV haFen sich DIE und W. Bertelsmann Verlag entschiedenV mit dem vorliegenden «Buch¬ erstmals den so- genannten goldenen Weg des en Access nÅr Neuerscheinungen aus dem DIE zu Feschreiten. Es wird aFer nicht nur kostenlos ins Internet gestelltV sondern mit allen harakteristika ausgestattetV die nÅr die FiFliograhische Ernassung und angzeitar- chivierung ntig sind. DarÅFer hinaus kann es aun dem Wege des Print-on-Demand Feim Verlag auch als gedrucktes Buch Festellt werden.
Allen eserinnen und esern sei diese anregende ektÅre j aun dem einen oder dem anderen Wege j ÅFer das Erzählen und ihre Bedeutung nÅr die Biograoenor- schung sehr emnohlen.
Heide von Felden Juni 2013
| 8 | Einleitung
Einleitung
Im aus meiner Eltern gaF es einen groven DachFoden voller alter Konner und Kis- ten mit BruchstÅcken aus dem eFen vergangener ZeitenU zurÅckgelassene Dinge irgendwo zwischen +chatz und +chund. År mich als Kind waren es meist +chätze.
Nur zu gerne stFerte ich aun dem DachFoden herum und stellte mir daFei die Ge- schichten hinter all diesen Gegenständen vor. «Was treiFst du denn da oFen¨¬ rien meine Mutter mir ont zu. «Ich honneV du Fringst nicht alles durcheinanderl¬
Dreivig ahre säterV nach dem Tod meiner MutterV musste ich mein Elternhaus leer räumenV auch den DachFoden. Ein letztes Mal durchnorstete ich die 0FerFleiFsel aus der VergangenheitV die halF vergessenen GeschichtenV verForgen in DingenV die niemand mehr Fenutzte. Ich ging alle Konner und Kisten durch und Fehielt nur wenige wertvolle ragmenteV den Brautstrauv meiner Mutter aus dem ahr 1935V ein +ei- denkleid aus ihrer Zeit in ondon in den 1920er ahren und einige alte +chulFÅcher.
Das meiste entsorgte ich in einem MÅllcontainer.
+äter in enem ahr j es war 1989 j ong ich damit anV eFensgeschichten zu sammeln und aunzuschreiFen. +eitdem sind eFensgeschichten und Erzähltheorie zu meinem autnorschungsgeFiet geworden.
Das aus leer zu räumenV in dem die eigene amilie lange Zeit geleFt hatV kann das 0Ferschreiten einer strikten Trennlinie Fedeuten. Erinnerungen werden wachge- runenV und nicht selten stvt man aun vllig neue InnormationenV aFer es giFt nieman- den mehrV der diese FruchstÅckhanten Geschichten vervollständigen knnte. Von nun an lässt sich die amiliengeschichte nur noch ÅFer Erzählungen weitergeFenV die aun Erinnertem Feruhen.
An derlei Ernahrungen erkennen wirV wie wichtig narrative Kohärenz nÅr die erstellung von Bedeutung ist. +ie machen uns FewusstV wie viel es FedarnV um der Zeitlichkeit einen +inn zu geFenV sowohl durch Erzählungen als auch durch einen kulturellen Raum zwischen Erzähler und Zuhrer. Woher soll ich wissenV wo ich hingehen sollV wenn ich nicht weivV wo ich Fin¨ -nd woher soll ich wissenV wo ich FinV wenn ich nicht weivV wie ich dorthin gekommen Fin¨ -nd wie knnen wir die WegeV die wir allein gegangen sindV mit anderen Menschen teilenV wenn wir uns nicht gegenseitig von unseren Ernahrungen Ferichten knnen¨
Bevor ich damit FegannV eFensgeschichten zu erheFenV war ich aungrund meines literaturwissenschantlichen intergrunds Fereits gut mit der Erzähltheorie vertraut.
Ich hatte mehrere ahre lang Kurse zur TeÊtanalËse an der -niversität unterrichtetV dann aFer mit einer ArFeit zum Thema sËchoseÊuelle Entwicklung und Identität
orsdal 1982 einen anderenV etwas aFseits gelegenen Weg Feschritten. Zu meiner eigenen +tudienzeit war das Thema Erzählen hautsächlich in der iteraturwissen- schant von InteresseV was sich edoch in der olgezeit ändern sollte. Das wachsende Interesse am Erzählen in den 1980er ahren trug entscheidend zur Ausweitung dieses orschungsneldes Fei. Die von Mitchell herausgegeFene Anthologie On narrativeV erstmals 1980 erschienenV war eines der ersten wegweisenden BÅcherV genolgt von zahlreichen weiteren hervorragenden +tudien z.B. +arFin 1986· Bruner 1986· Ricoer
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1984· McAdams 1985· Polkinghorne 1988 . Bald rÅckte das Erzählen in den Mit- telunkt von ächern wie PsËchologieV +oziologieV rganisationsnorschungV Kultur- wissenschantV Geschichte und Erziehungswissenschant· seitdem hat sich das Interesse daran noch weiter ausgeweitet. Kein Wunder eigentlich. Wie schrieF Elinor chs
1998 U
Imagine a world without narrative. Going through line not telling others what ha-
ened to Ëou or someone elseV and not recounting what Ëou read in a Fook or saw in a olm. Not Feing aFle to hear or see dramas cranted FË others. No access to conver- sationsV rinted teÊtsV icturesV or olms that are aFout events nramed as actual or oc- tional. Imagine not even comosing interior narrativesV to and nor Ëourseln. No. +uch a universe is unimaginaFleV nor it would mean a world without historËV mËthsV or drama· and lives without reminiscenceV revelationV and interretive revision +. 185 .
Annänglich erhoF ich die eFensgeschichten nicht zu orschungszweckenV sondern zur Erstellung von -nterrichtsmaterialien nÅr das ach Dänisch als remdsrache.
Ich arFeitete an einem ehrFuchV das Ausländern dänische Kulturgeschichte vermit- teln und gleichzeitig mithilne der individuellen eFensgeschichten ein gewisses Mav an Identiokation ermglichen sollte. Anschlievend wechselte ich an den achFereich KulturwissenschantenV wo ich mich weiter mit eFensgeschichten und Erzählungen Feschäntigte und Fald auch in die Biograoenorschung einstieg. Das orschungsgeFiet damals war ErwachsenenFildungV und seit mehr als zehn ahren Fin ich nun am achFereich Erziehungswissenschanten der -niversität von +Åddänemark tätig.
Meine lang ährige Beschäntigung mit diesem orschungsneld hat zwei +eiten.
Zum einen haFe ich versuchtV eine Methode zur Ernorschung erzählter Biograoen zu entwickelnV und zwar sowohl in inFlick aun die ErheFung von eFensgeschichten in orm von narrativen Interviews als auch FezÅglich der Auswertung des erhoFe- nen Materials. Zum anderen haFe ich versuchtV mein theoretisches Wissen ÅFer das Wesen des Erzählens kontinuierlich auszuweiten. Ich haFe mich diesem GeFiet aus verschiedenen theoretischen Blickwinkeln und unterschiedlichen Diszilinen genä- hertV um Antworten aun die zahlreichen ragen zu ondenV die sich im Zuge meiner weiteren Beschäntigung mit dem Erzählen stellten. Dass ich im aune der Zeit an ver- schiedenen achFereichen der -niversität tätig warV erwies sich daFei als grove Berei- cherungV denn so lernte ich theoretische Ansätze aus unterschiedlichen achgeFieten kennen und gewhnte mich daranV interdiszilinär zur arFeiten. In meiner theoreti- schen orschung zum Thema eFensgeschichten wie auch in der angewandten Er- zählnorschung wurde mir eindringlich FewusstV wie wichtig narrative Kometenz ist.
0Ferall giFt es naFelhante GeschichtenerzählerV aFer genauso giFt es MenschenV die kaum in der age sindV Ereignisse wiederzugeFen oder ihnen einen +inn zu verleihen.
Dies Frachte mich dazuV mich mit dem ErwerF narrativer Kometenz auseinander- zusetzen. Wie lernen kleine KinderV Geschichten zu erzählen und ÅFer Vergangenheit und Zukunnt zu srechen¨ -nd wie hängen die Entwicklung des Gedächtnisses und die ähigkeit zum Geschichtenerzählen zusammen¨ Der +chwerunkt aun ernro-
| 10 | Einleitung
zessen im Kleinkindalter und in leFenslanger Persektive und Identität ondet sich in allen Asekten meiner orschung.
Mein Ziel in diesem Buch ist esV die GeschichtenV die Menschen ÅFer ihr eFen er- zählenV grÅndlich und in mglichst vielen acetten zu Feleuchten. Es geht mir darumV die Zusammenhänge zwischen den Feiden Asekten meiner Beschäntigung mit der Erzählnorschung aunzeigen. -nser theoretisches Verständnis vom Wesen des Erzäh- lens sollte mit den Methoden der Fiograoschen Erzählnorschung verknÅnt werdenV und mein Ehrgeiz ist esV zu Feiden +eiten dieser ArFeit einen Beitrag zu leisten. Au- verdem lädiere ich danÅrV die Entwicklung narrativer Kometenzen während des Bil- dungserwerFs stärker zu nrdernV denn in einer sich rasant verändernden Welt wird es immer wichtigerV Ernahrungen integrieren und ihnen einen +inn verleihen zu knnen.
Mein Vorschlag nÅr eine Theorie des Erzählens komFiniert drei voneinander aFhängige und ineinander verschränkte narrative DimensionenU Ich mchte einen krerlichenV einen kognitiv-emotionalen und einen sozial-kulturellen Ansatz zur -ntersuchung des Erzählens komFinieren und daFei einen Fesonderen +chwerunkt aun eFenserzählungen legen. Es geht mir darumV die krerhante Ernahrung die
hänomenologische +ichtweise V kognitive PsËchologie einschlievlich der Beiträge aus der emotionalen und sozialen Neurowissenschant sowie soziale und kulturelle Konstruktionen zwischen den Teilnehmenden interersonaler Interaktionen mitein- ander zu verknÅnen. Ich mchte KrerV Geist und Geschichten in der Interaktion zusammenFringen. -nd ich mchte diesen Persektiven durch den okus aun e- Fenserzählungen eine zeitliche und historische Dimension verleihen. Ich Fetrachte Erzählungen als sËmFolische AusdrucksnormV und narrative Kometenz als etwasV das nach und nach während der Kindheit im kulturellen Raum der interersonalen Interaktion erworFen wird und das somit von den vorhandenen kulturellen Interakti- onsnormen und der Entwicklung von +rache und Gedächtnis aFhängt. Zwar sind die kulturellen Interaktionsnormen ÅFerall unterschiedlichV aFer es eÊistiert keine KulturV die nicht ausgieFig von Erzählungen GeFrauch macht. Des Weiteren Fehaute ichV dass erzählte eFensgeschichten gerägt sind durch Gedächtnissuren unserer hË- sischen Reise von einem rt zum anderen in einer sozialen und kulturellen -mwelt.
Der WegV den wir in Zeit und Raum zurÅcklegenV ist nÅr eden Menschen anders.
Aungrund der neuronalen Plastizität ist wahrscheinlich auch die Gehirnstruktur Fei edem Menschen einzigartig und aFhängig von den InteraktionenV die wir im aune des eFens ernahren. Gleichzeitig sind wir immer schon in einem sozialen Netz aus IntersuF ektivität und Interdeendenz verstricktV das unsere Ernahrungen und Emo- tionen strukturiert. -nsere Individualität grÅndet sich aun ersnliche Beziehungen und ist untrennFar mit ihnen verknÅnt. Wir eÊistieren nur durch andere Menschen·
wir sind nicht aus uns selFst heraus geForen.
Wir nehmen das eFen als eine KomFination von Veränderung und Beständigkeit wahr. In der Interaktion mit der -mwelt kommen neue Dinge zum VorscheinV Dinge verschwinden und tauchen wieder aun· wir erkennen GleichesV hnliches und Ver- schiedenesV und zwar sowohl in uns selFst wie auch in der -mgeFungV der wir Fegeg- nenV mit der wir interagierenV und aun die wir reagieren. Wir Feonden uns in einem
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Zustand des WerdensV in einem kontinuierlichen ProzessV Fei dem wir versuchenV allemV was geschiehtV +inn und Bedeutung zu geFen. Der vorrangige WegV um dies zu erreichenV ist nÅr den Menschen das Erzählen und Austauschen von Geschichten.
Insiriert von den Philosohen Paul Ricoeur 1992V 2004 V alvin . +chrag 1997 und harles TaËlor 1989 versuche ich eine Position einzunehmenV die dem Rela- tivismus und dem -niversalismus gleichermaven kritisch gegenÅFersteht. Aungrund der hohen BedeutungV die ich der Interaktion mit der -mwelt FeimesseV lehne ich eine +uF ekt- F ekt-Dichotomie strikt aF. Ich nehme mir allerdings die reiheitV mich von Wissenschantlern mit anderen 0Ferzeugungen insirieren zu lassen und diese in meine AnalËsen einzuFeziehenV selFst wenn ich ihre Aunnassungen nicht vollständig teileV wie im alle der sozialen KonstruktivistenV die das Individuum als soziale Kons truktion Fegreinen.
In Kaitel 1 «Zeit und andlung¬ Fenenne ich die grundlegenden Merkmale des Erzählens· Annänge und EndenV Dauer und Zeitlichkeit. Ich FeschreiFe eine Er- zählung als eine umgrenzte temorale +e§uenz und untersuche den Erzählzeitraum aus der Persektive der Erkenntnis und der Ernahrung. DaFei Feziehe ich mich haut- sächlich aun akonn und ohnsonV WheelerV +tuss und TulvingV AristotelesV Augus- tinusV Kermode und Ricoeur. Ich FehauteV dass die Art und WeiseV wie wir den Erzählzeitraum konzetualisieren und ernahrenV aun hËsischer Bewegung im Raum Fasiert. Auch unsere mentale ähigkeit als MenschenV die unmittelFare Gegenwart auszudehnen und zu transzendierenV uns vorwärts und rÅckwärts in der Zeit zu Fewe- genV ist eng mit dem Wesen des Erzählens verFunden. Wir Frauchen und geFrauchen ErzählungenV um demV was geschiehtV einen +inn zu geFenV und um die Bedeutung einer zeitlichen AFnolge von Ereignissen auszuhandeln. Ereignisse linear anzuordnen reicht selten ausV um dem Geschehenen einen +inn zu geFen. Die aFelkomosition oder narrative Modellierung (emplotment) ist ein zentrales Merkmal des ErzählensV um eine solche +innkonstruktion zu erreichen und ÅFer die einnache Auqistung oder AFnolge von Ereignissen hinauszugehen. Die narrative +innkonstruktion ist situa- tionsgeFunden und vorläuog· deshalF stellt die Konoguration von Bedeutung eine Interretation der EÊistenz darV einen narrativen KausalzusammenhangV der einzig- artig ist und sich nur ÅFer Analogien aun zukÅnntige +ituationen ÅFertragen lässt.
Im letzten AFschnitt des Kaitels wird kurz die Fesondere Eigenschant der erzählten eFensgeschichte als einer Konoguration unserer Ernahrungen der TeilhaFe und Ein- Findung in unterschiedliche Gemeinschanten diskutiert.
Wir sind nicht nur in der ageV die Gegenwart zu ÅFerschreitenV uns an Geschehe- nes zu erinnernV uns vorzustellenV was in Zukunnt geschehen wirdV und darÅFer eine Geschichte zu erzählenV sondern wir sind auch in der ageV uns ÅFer Geschichten mit den Ernahrungen anderer Menschen zu identiozieren. In Kaitel 2 gehe ich daraun einV wie uns Erzählungen einen Zugang zu stellvertretenden Ernahrungen in orm von Mimesis ermglichen knnen. Erzählungen stehen nÅr Interaktionen und Emo- tionen. Ich vertrete die AunnassungV dass die soziale und emotionale Neurowissen- schant zu unserem Verständnis davonV wie dies mglich istV Feitragen kannV und ich diskutiere Theorien des +iegelneuronensËstems unter Bezugnahme aun RizzolattiV
| 12 | Einleitung
raigheroV GalleseV ohnson und arr. Diesen Theorien zunolge wird stellvertretende Ernahrung ÅFer die +imulation von andlungen und Emotionen vermitteltV denen wir FeiwohnenV die wir uns vorstellenV oder denen wir zuhren. -nsere IntersuF ekti- vität und geteilten GenÅhle sind wahrscheinlich in rämotorischen Reräsentationen von andlungen FegrÅndet. Auverdem gehe ich aun die Theorie des sozialen Gehirns
ozolino und der «sozialen +Ënase¬ einV woFei ich den +chwerunkt daraun legeV was zwischen den Menschen assiert und wie diese Interaktion und Interdeendenz unser Gehirn rägen. Die Theorie der +iegelneuronen und des sozialen Gehirns verFinden den KrerV den Geist und die GeschichtenV da Erzählungen von stellver- tretender Ernahrung kulturelle WeitergaFe ÅFer Zeit und Raum hinweg ermglichen.
Des Weiteren hat die Theorie der +iegelneuronen Imlikationen im inFlick aun die Methodologie narrativer InterviewsV die säter in Kaitel 8 diskutiert werden.
Das Erzählen von Geschichten ist zugleich eine Praktik und ein ernormativer Akt. Dieser Asekt steht im Mittelunkt von Kaitel 3. Zu Beginn des Kaitels un- tersuche ich in Anlehnung an BrunerV Nair sowie chs und as die narrativen Di- mensionen von Gesrächssituationen. Anschlievend diskutiere ich die Voraussetzun- gen von Erzählstimme und ErzählFarkeit. Wer darn wem welche Art von Geschichte erzählen¨ Wer darn zuhren¨ -nd wann und wo ist die richtige +ituation¨ Welche Version ist akzetaFelV und unter welchen -mständen gilt eine Erzählung als lau- siFel¨ MachtverhältnisseV kulturelle KonventionenV sekundäre Ziele und Intentionen sowie die rage der Verlässlichkeit sielen hier eine Rolle. Die narrative PraÊis ondet in einem kulturellen Raum zwischen Erzähler und Zuhörer statt. Doch nicht alle Interaktionsräume sind gleichermaven emnänglich nÅr Erzählungen oder Fieten das gleiche Mav an Aunmerksamkeit. Aus einer Erzählung kann statt geteilter Ernahrung auch rhetorische Rechtnertigung werden.
Während sich die ersten drei Kaitel mit Eigenschanten und Dimensionen des Er- zählens FeschäntigenV nehme ich in den daraun nolgenden Kaiteln eine Entwicklungs-
ersektive einV indem ich den Blick aun den ErwerF narrativer Kometenz richte. Die ersten Feiden Fehandeln wichtige kognitive und soziale Entwicklungen als Grundlage und NährFoden nÅr narrative ähigkeiten. In Kaitel 4 «KörerV Gehirn und Ernah- rung¬ diskutiere ich BewusstseinV Emotionen und die Entwicklung des erweiterten autoFiograoschen +elFst in Anlehnung an Dam9sios Theorie des BewusstseinsV die unsere Begegnungen und Interaktionen mit der -mwelt zum Ausgangsunkt nimmt.
Ich Feziehe mich aun neurosËchologische Beiträge zur kognitiven EntwicklungV und zwar hautsächlich aun Grundlage der ArFeiten von +iegel und ozolinoV die Feto- nenV wie sehr die Entwicklung unseres Gehirns vom harakter sozialer Interaktionen und Beziehungen aFhängt. Die Reräsentation von Ereignissen wird unter Bezug- nahme aun Katherine Nelson Fehandelt. Auverdem Feziehe ich mich aun die Beiträge von TrevarthenV +chore und Tomasello zur entscheidenden Bedeutung der Kommu- nikationen zwischen Eltern und Kleinkindern. In meiner Argumentation Fetone ich die Wichtigkeit von räverFaler und nonverFaler KommunikationV von «hatischer¬
Kooeration sowie des -mneldsV in dem Kinder aunwachsen.
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Kaitel 5 Fenasst sich mit dem Gedächtnis. hne die Erinnerung an unsere Ernahrun- gen können wir nichts von unserem eFen erzählen. In diesem Kaitel gehe ich die verschiedenen ormen des Gedächtnisses durchV d.h. imlizite und eÊlizite ormen des Gedächtnisses und wie sie zusammenarFeiten. DaFei knÅne ich hautsächlich an ArFeiten von TulvingV MilnerV +§uireV Kandel und +iegel an. Ich FehauteV dass das autoFiograosche Gedächtnis eine narrative +truktur Fesitzt. Anschlievend widme ich mich dem Akt des Erinnerns und dem Akt des VergessensV und ich erkläreV wie unser Gedächtnis durch die Gegenwart Feeinqusst wird.
In Kaitel 6 geht es um die nrÅhen Interaktionen zwischen Kleinkindern und ihren erwachsenen BezugsersonenV die den ErwerF narrativer ähigkeiten in einem +tadium des kulturellen 0Fergangs unterstÅtzenU die Entwicklung der +ËmFolisie- rungV die Ausweitung der Aunmerksamkeit ÅFer die Gegenwart hinausV der Feinahe magische Eintritt in die kulturelle KommunikationV verschiedene ormen des me- mory talk sowie die Verwendung oktionaler Erzählungen. Ich Fetone den Einquss des kulturellen -mnelds aun die Entwicklung von Gedächtnis und Erzählen. Beisiele nÅr Neugestaltungen und Nacherzählungen werden im letzten AFschnitt des Kaitels aungenÅhrt. In diesem Kaitel Feziehe ich mich unter anderem aun WinnicottV Auk- rustV WolnV ivushV ReeseV Nelson und Miller.
Kaitel 7 Feschäntigt sich mit narrativer Kometenz und ihren Auswirkungen.
Als Resultat lang ähriger angewandter Fiograoscher Erzählnorschung in KomFina- tion mit theoretischen 0Ferlegungen hautsächlich insiriert von +iegel und Bruner stelle ich eine iste mit 16 Merkmalen narrativer Kometenz vor. Ich gehe die Merk- male und unktionen einzeln durch und schlage vorV das Erzählen zu einem nesten Bestandteil der ehrläne an +chulen und vorschulischen Einrichtungen zu machenV um den Kindern mehr Möglichkeiten zu geFenV +innzusammenhänge herzustellenV ihre Emotionen zu regulieren und ihre Ernahrungen zu integrieren. Vielschichtige narrative Praktiken nördern zudem die Toleranz gegenÅFer -nterschiedenV reqeÊive und analËtische ähigkeiten sowie den AunFau von Gemeinschanten. Auverdem hel- nen sie Menschen daFeiV sich zwischen rdnung und haos in einer sich wandelnden Welt zurechtzuonden. Im nächsten +chritt gehe ich aun einige narrative Praktiken im BildungsFereich ein und Fetone die grove Bedeutung des narrativen -mnelds in WohnungenV äusern und InstitutionenV in denen Kinder aunwachsen. Am Ende des Kaitels sreche ich ÅFer den ZusammenFruch narrativer Kometenz innolge trau- matischer ErleFnisse oder einschneidender VeränderungenV die häuog zum Verlust der ähigkeit nÅhrenV eine kohärente eFensgeschichte zu erzählen. Auch hier ist ein emathisches -mneld von entscheidender Bedeutung nÅr die narrative Integration.
Vom ErwerF narrativer Kometenz wende ich mich dann der Anwendung von Erzählungen in der Biograoenorschung zu. Die nolgenden Feiden Kaitel mit ihrem okus aun methodologischen ragestellungen sind in dieser insicht zentral. Nach einem kurzen 0FerFlick ÅFer die angewandte orschung erläutere ich in Kaitel 8 die von mir entwickelte Methode zur ErheFung von narrativen Interviews im Ein- klang mit den theoretischen 0Ferlegungen aus den vorherigen Kaiteln. Bei meiner Methode werden die eFensgeschichten vom Interviewer Wort nÅr Wort handschrint-
| 14 | Einleitung
lich notiertV während sie erzählt werden. Der Interviewer nolgt also dem Weg der erzählenden Person durch die stellvertretende ErnahrungV um nachzuzeichnenV wie diese Person einen +innzusammenhang nÅr ihr eFen herstellt. Die Konoguration der Narration wird während des Erzählens der eFensgeschichte nicht durch ragen unterFrochen. Die Theorie vom +iegelneuronensËstem und der sozialen +Ënase lienert eine Erklärung nÅr dasV was Fei dem Interview vor sich gehtU Der Interviewer siegelt die Reräsentation von andlungen und deren emotionaler Wirkung. Betont werden die ethischen Imlikationen dieser Methode und die +channung eines sicheren Raumes nÅr den ernormativen Akt des Erzählens. Anschlievend wird der erzählen- den Person eine Reinschrint des Interviews zur Korrektur und Ergänzung vorgelegtV ehe die eFensgeschichte honnentlich nreigegeFen und verwendet werden kann. Am Ende dieses Kaitels werden mehrere Variationen der Methode diskutiert und die theoretischen Imlikationen des situierten Interviews herausgearFeitet.
Kaitel 9 Fenasst sich mit der Interretation und Auswertung erzählter eFens- geschichten. Die Entwicklung geeigneter analËtischer Methoden und Instrumente stellt meines Erachtens ein dringendes Desiderat der Biograoenorschung dar. Der hier vorgestellte methodologische Rahmen j das ErgeFnis von zehn ahren Fiograoscher orschung im BildungsFereich j ist rimär hermeneutisch angelegtV da die AnalËse in erster inie dazu dienen soll zu verstehenV wie Menschen einen +innzusammen- hang nÅr ihr eFen herstellen. Zunächst werden die Rolle der WissenschantlerinV ihre +ituation sowie deren Wirkung Fetrachtet. Zeit und Raum im narrativen Interview können mithilne der literaturwissenschantlichen Kategorien nach Genette vgl. 1972 analËsiert werdenU «Reihennolge¬V «Dauer¬ und «äuogkeit¬. Im nächsten +chritt liegt der okus in Anlehnung an aveºWenger aun der Teilnahme an und den Ver- Findungen zu den verschiedenen communities of practice sowie aun den Auswirkun- gen dieser Teilnahme aun die Identitätskonstruktion in der Erzählung und dem Fio- graoschen ernen. Auverdem werden die verschiedenen Erzählstimmen analËsiertV indem zwischen dem Erzähler-Ich und dem Protagonisten-Ich dinnerenziert wird. Die Konstruktion des «Ich¬V des «Wir¬ und des «Anderen¬ ist von grover Bedeutung.
Die thematische AnalËse und die Beziehung zwischen Wandel und +taFilität in der Erzählung werden diskutiertV Fevor aFschlievend eine AnalËse der verwendeten Me- tahern vorgeschlagen wird. Die Auswertung der +tichroFen wird FeschrieFenV und am Ende des Kaitels erläutere ichV warum ich eine Reduktion oder ragmentierung der eFenserzählungen zu AnalËsezwecken nÅr nalsch halte.
Vor dem intergrund von mehr als 100 erzählten eFensgeschichten geht es in Kaitel 10 um den Asekt der kulturellen Identität. Aus der PolËhonie der erhoFe- nen eFensgeschichten kristallisieren sich gemeinsame kulturelle Narrative heraus.
Aus der Vielzahl der +timmen in der Biograoenorschung stechen Festimmte Muster der +elFst- und Weltinterretation hervor. Ich untersuche sowohl diese Interreta- tionsmusterV die wir mehr oder weniger Fewusst nÅr selFstverständlich haltenV als auch die kulturellen NarrativeV in die die Interretationen eingeFettet sind. Auver- dem FeschreiFe ichV wie sie sich seit Beginn des zwanzigsten ahrhunderts verändert haFen. -m diese Transnormationen herauszuarFeitenV unterscheide ich zwischen drei
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Generationen von Erzählern. Der Wandel lässt sich zusammennassen als Entwicklung von einer Reräsentation des eFens als gemeinsamem +chicksal aungrund gegeFener Umstände hin zu einer Sache individueller Entscheidungen und Verantwortung. Ge- steigerte MoFilität sielt hier eine wichtige Rolle. Am Ende des Kaitels gehe ich kurz aun die Voraussetzungen und Möglichkeiten zur Aushandlung narrativer kultureller Identität ein und erönnne die Diskussion ÅFer die Beziehung zum AnderenV die im nolgenden Kaitel weiterentwickelt wird.
In Kaitel 11 Feschäntige ich mit dem Thema ersonale Identität. Zum «SelFst¬
gehört die Ko-Konstruktion von Erzählungen in einem kulturellen RaumV aFer zur
ersonalen Identität gehört mehr als die Ko-Konstruktion von Geschichten. Der Aus- gangsunkt nÅr meine 0Ferlegungen sind die hilosohischen Schrinten von Schrag und Ricoeur. Beide verschieFen Fei der Betrachtung der ersonalen Identität ihren okus vom «Was¬ zum «Wer¬. Beide sind von cvinas insiriertV und Feide lehnen sowohl den Relativismus als auch den ahistorischen Universalismus aF. Schrag dis- kutiert in The self after postmodernity das SelFst in diskursiven KonteÊtenV and- lungskonteÊtenV rituellen KonteÊten und transzendentalen KonteÊten. In Das Selbst als ein Anderer geht Ricoeur in zehn AFhandlungen zum Thema SelFst und Identität den nolgenden ragen nachU Wer sricht¨ Wer handelt¨ Wer erzählt¨ Wer ist SuF ekt der moralischen ZuschreiFung¨ Die Antwort aun diese rage j «Das Fin ichl¬ nrz.
C’est moi! j zeigt die Vorrangigkeit der Andersheit. Wir wurden nicht aus uns selFst heraus geForenV und wir sind stets verstrickt in einem Netz aus IntersuF ektivität.
Das SelFst als F ektV nicht als kartesianisches SuF ektV ist der Ausgangsunkt nÅr die
ersonale Identität. Es giFt kein SelFst ohne den AnderenV der nach Antworten und Verantwortung verlangt. Die PrioritätV die der Verantwortlichkeit eingeräumt wirdV grenzt die Vorstellung des SelFst sowohl gegen einen Mangel an Konstanz als auch gegen eine rigide orm von Konstanz aF. Ricoeur argumentiertV dass wir in unse- ren Interaktionen und Beziehungen zueinander austauschFar und rezirok und doch gleichzeitig gleich und unersetzlich sind. Säter Feziehe ich mich aun Ricoeurs ArFei- ten zu Geschichte und Gedächtnis aus dem ahr 2004. Im letzten Teil des Kaitels diskutiere ich die Ernahrungsdimension der eÊistenziellen Tatsache von Veränderung und BeständigkeitV die Dialektik von «Ich¬ (I) und «ich¬ (me) und FegrÅndeV warum wir vom SelFst vornehmlich als etwas Werdendem srechen sollten. SinnFildung ist immer vorläuog.
NeFen der Fedeutsamen rage der Identität stehen Fei der Auswertung von erzähl- ten eFensgeschichten die Themen BÅrgerFeteiligung und ernen im Mittelunkt.
Kaitel 12 Feschäntigt sich mit aktiver StaatsFÅrgerschant und Fiograoschem ernen.
Ich Feginne mit einem kurzen AFriss der Entwicklung demokratischer BÅrgerFetei- ligung und stelle diesFezÅglich einige erausnorderungen in einer sich rasant wan- delnden Gesellschant vor. Ich ÅFe Kritik an universalistischen Vorstellungen von in- dividueller Autonomie und Fetone unsere starke Vernetzung unter- und miteinander.
Auverdem lädiere ich nÅr BildungsinitiativenV die den Menschen helnenV mit Wandel und Vielnalt zurechtzukommen. DaFei Feziehe ich mich aun das Euroarat-Pro ekt
«Education nor Democratic itizenshi¬ sowie aun meine eigene orschung zu den
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Kometenzen nÅr aktive StaatsFÅrgerschant. etztere FestätigtV wie wichtig es istV in verschiedenen KonteÊten involviert und angeFunden zu sein und geFraucht zu wer- den. Eine vielschichtigeV olËkonteÊtuelle Konoguration scheint hier von Bedeutung zu sein. Das Ausmav und die )ualität Fiograoschen ernens sielt eine wichtige Rolle Fei der Ausweitung der eFenswelt. Ich FehauteV dass es eine Anonität zwi- schen der Entwicklung narrativer Kometenzen und den Kometenzen nÅr aktives demokratisches Engagement giFt. eFensgeschichten können zudem einen Weg zur Bekämnung des Unwissens ÅFer den Anderen darstellen.
Zum Schluss werden in Kaitel 13 Persektiven nÅr Bildung und Erziehung er- önnnet. Ich diskutiere die FildungsFezogenen Konse§uenzen der These von Immor- dino-5ang und Dam9sio 2007 V dass «MenschenV wie die moderne Biologie gezeigt hatV im Wesentlichen emotionale und soziale eFewesen sind.¬ Ein mögliches ProF lem daFei Fetrinnt otenziell widersrÅchliches emotionales und soziales eedFack in unterschiedlichen ernkonteÊten und erngemeinschantenV die AmFivalenz oder urcht erzeugen könnten· aun diesem GeFiet ist weitere orschung vonnöten. Des Weiteren werden einige Fildungsrelevante Persektiven FezÅglich der Anwendung von Erzählungen aungezeigt und im KonteÊt der aktuellen Biograoenorschung ver- ortetV vor allem mit Blick aun einen Band zum Thema Neurowissenschant und Er- wachsenenFildung ohnsonºTaËlor 2006 V in dem die emotionalen und sozialen Di- mensionen des ernens Fetont werden. 0Fer die Bedeutung von Erzählungen nÅr die Bildung sollten wir allerdings nicht vergessenV die eFensgeschichte als ein aus nreien StÅcken ÅFerreichtes Geschenk zu wÅrdigenV das wir erhalten. Ich schlieve mit dem inweisV dass zur örderung vielschichtigen Fiograoschen ernens ein Freites Sektrum an Bildungsotionen und Freiter Zugang zu eFenslangem ernen ernor- derlich istV in KomFination mit ädagogischen Initiativen und der Schannung Fesserer ernumgeFungen.
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1 Zeit und Handlung
11 *ren]]eiFhen und 3auVen
“Read them,” said the King.
The White Rabbit put on his spectacles.
“Where shall I begin, please your Majesty?” he asked.
“Begin at the beginning,” the King said, very gravely, “and go on till you come to the end: then stop.”
ewis arrollU Alice’s Adventures in Wonderland 1865
Zeichensetzung ist nÅr unser Verständnis eines geschrieFenen TeÊtes unverzichtFar.
Kommata und Punkte siegeln die Pausen in der gesrochenen Srache wider. AF- sätze und Kaitel siegeln längere Pausen widerV und die leeren Seiten am Annang und am Ende eines Buches markieren die Grenzen der Geschichte. Trotz des aktuellen Trends zur VerqÅssigung von Grenzen können wir aun PausenV UnterFrechungen und Grenzzeichen nicht verzichtenV wenn es darum gehtV einen TeÊt zu verstehen sowie Bedeutung und Kohärenz herzustellen. Bei zeitlichen Se§uenzenV zum Beisiel einer GeschichteV oF nun aungeschrieFen oder mÅndlich erzähltV ist dies onnenkundig. Auch Musik ist ohne Pausen genauso unverständlich wie Bilder ohne RahmenV selFst wenn man Rahmen und andere Begrenzungen aun verschiedene Art und Weise innrage stel- len kannV wie wir aus der Fildenden Kunst und oktionalen WerkenV wie etwa den Romanen und Dramen Samuel BeckettsV wissen. Die Verletzung von Grenzlinien und Rahmen in der Kunst ist edoch nur möglichV weil diese nach wie vor gÅltig sind.
Doch wie können wir die Annänge und Enden verstehenV die nÅr die SinnFildung und das Erzählen von so zentraler Bedeutung sind¨ In ihrer Einleitung zu Philo- sophy in the qesh Fringen akonn und ohnson 1999 ihr Grundverständnis der Kognitionswissenschant mit nolgenden drei Aussagen zum AusdruckU «The mind is inherentlË emFodied.¬ «Thought is mostlË unconscious.¬ «AFstract concets are largelË metahorical.¬ Ich stimme diesen Annahmen voll und ganz zu. DarÅFer hi- naus Fin ich der AunnassungV dass die BeschreiFungen konzetueller Schemata und konzetueller MetahernV die akonn und ohnson aun der Grundlage körerhanter
sensomotorischer Ernahrung lienernV dazu Feitragen könnenV unser Verständnis des Erzählens mavgeFlich zu vertienenV auch wenn die Autoren selFst sich gar nicht aun diesen Asekt konzentrieren. År akonn und ohnson machen räumliche Vorstel- lungsmodelle den Kern unseres konzetuellen SËstems aus vgl. eFd.V S. 30 . År die kognitive Kategorisierung sehen sie das Behälter-Schema (container schema) als zentral anU Wir stellen uns Dinge oder Ereignisse ganz selFstverständlich als ent-
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weder innerhalF oder auverhalF Fzw. am Rand oder an der Grenze eines Behälters Feondlich vorV ähnlich wie in Aristoteles® Deonition von Annängen und Enden in Geschichten und DramenV1 wenn wir sie als Ganzes in den Blick nehmen wollen j als Fedeutungstragende Entität. Die Behälter-Kategorie kann neFen Gegenständen auch RäumeV zeitliche AFschnitte oder Geisteszustände umnassen. Wir können innerhalF oder auverhalF eines RaumsV eines ahrzehnts oder einer Deression seinV und wir können unsere Aunmerksamkeit Fewusst aun etwas Seziosches richten und daFei andere mögliche EindrÅcke oder Beschäntigungen vorläuog ausFlenden.
Aus hänomenologischer Sicht sind wir visuell stets durch den orizont ein- gerahmtV und oFwohl sich der orizont leicht verändertV wenn wir uns FewegenV erleFen wir trotz unserer Bewegung im Raum ein gewisses Mav an Ganzheitlichkeit und Identität.2 Wir können uns innerhalb eines gröveren Raums Behälter FewegenV ohne die Grenze zu ÅFerschreiten.
AFer Fei der Bewegung können wir uns auch aun die Veränderungen konzentrie- ren. Wir können von einem Raum in den anderen wechseln oder Feim Saziergang an der KÅste die nächste andzunge umrundenV um zu sehenV was dahinter liegt. Wir können einem Ziel näher kommen oder einen rt langsam hinter uns verschwinden sehen. An Bord eines Zuges oder eines Flugzeugs können wir den Fluss der sich ver- ändernden andschant FeoFachten j doch stets hat unsere Reise einen Annang und ein Ende.
Das kontinuierliche Erscheinen und SichtFarwerden und UnsichtFarwerden und Verschwinden ist ein zentraler Teil unserer Ernahrung des eFensV verFunden mit den Wiedererscheinungen und RedundanzenV die uns die Welt als vertraut erscheinen lassen. Veränderung und Wiedererkennung sind grundlegende und unverzichtFare Asekte der menschlichen Ernahrung.
Im zeitlichen Fluss des Erscheinens und Verschwindens können wir Bewegungen in gegliederten ZeitaFschnitten erkennen. Wenn wir einem MusikstÅck oder einer Geschichte zuhörenV Filden die einzelnen Töne oder Wörter einen strukturierten Zu- sammenhangV der das Kommende antiziiert und aun dem Vorangegangenen aunFaut.
Im ersten AFsatz seines lesenswerten Buches The sense of an ending schreiFt Kermode 1966 U
It is not eÊected on critics as it is on oets that theË should hel us to make sense on our lives· theË are Found onlË to attemt the lesser neat on making sense on the waËs we trË to make sense on our lives eFd.V S. 3 .
1 „Ein Ganzes ist, was Anfang, Mitte und Ende hat. Ein Anfang ist, was selbst nicht mit Notwen- digkeit auf etwas anderes folgt, nach dem jedoch natürlicherweise etwas anderes eintritt oder entsteht. Ein Ende ist umgekehrt, was selbst natürlicherweise auf etwas anderes folgt, und zwar notwendigerweise oder in der Regel, während nach ihm nichts anderes mehr eintritt. Eine Mitte ist, was sowohl selbst auf etwas anderes folgt als auch etwas anderes nach sich zieht“ (Poetik) (1994, S. 14).
2 Vgl. z.B. Winograd, Fivush und Hirst (1999).
| 19 | 1.2 Bewegung im Raum und Zeitlichkeit
Eine Art der SinnFildung Festeht in unserer FähigkeitV die chronologische Vorstellung von Zeit als einer Floven Auneinandernolge3 durch eine kairetische Zeit zu ersetzenV indem wir die Wahrnehmung der Zeit als Dauer zwischen einem Annang und einem Ende strukturieren und humanisierenU «kairos is the seasonV a oint in time olled with signiocanceV charged with a meaning derived nrom its relation to the end¬ eFd.V S. 47 . Die kairetische Zeitsanne kann riesig sein und vom ersten Annang Fis zum Ende der Zeit reichenV oder sie kann winzig klein sein. Kermode zunolge sind wir in der ageV die Zeitsanne zwischen dem Tick und dem Tack der Uhr zu reroduzierenV nicht edoch die eerstelle zwischen dem Tack und dem Tick. Kermode schlägt vorV dass wir uns diese strukturierte Vorstellung der ZeitV die es uns erlauFtV in geleFter Er- nahrung einen Sinn zu onden und Sinn daraus zu FildenV aus dem Bereich der Fiktion ausForgen. Das mag sein· edennalls ondet die kognitive Kategorie eines umgrenzten Raumes in oktionalen Werken ontmals einen sehr kohärenten und normal gegliederten Ausdruck. Im menschlichen eFen dagegen ist dies nicht immer der Fall. Wir Feon- den uns in der Mitte unserer Ernahrung des eFensV wie es Ricoeur vgl. 1984 aus- drÅckte·4 wir können Zeuge von GeFurt und Tod anderer Menschen seinV nicht aFer Zeuge unserer eigenen GeFurt und unseres eigenen Todes. AlFright vgl. 1994 zunolge verschwinden unser Annang und unser Ende im Vergessen und im Nichts· er sricht vom «Alzheimer der nrÅhen Kindheit¬ innantile Amnesie und vom verkÅmmerten Gedächtnis des Alters. Es ist genau diese Persektive des In-der-Mitte-Seins aus Sicht des Individuums V die veranschaulichtV warum wir andere Menschen FrauchenV um ei- nem eFenslaun Sinn und Kohärenz zu verleihen. Wir können unsere eigenen Annänge und Enden nicht allein herstellen. Wir schulden unser eFen anderenV und wir geFen anderen ihr eFen. Auch der Akt der SinngeFung ist keine individuelle eistung.
1 %eZegung im 5aum und ZeitliFhkeit
Eine Erzählung lässt sich deonieren als AFnolge von Ereignissen mit einem Annang und einem EndeV als eine umgrenzte zeitliche Se§uenz. Eine Erzählung entnaltet sich innerhalF einer ZeitsanneV die vom Annang der Erzählung Fis zu ihrem Ende reicht.
Da Fei den Grenzlinien der Geschichte die Behälter-Kategorie eine Rolle sieltV im-
liziert die temorale AFnolge der Ereignisse das kognitive Schema eines Weges von einem Startunkt zu einem Ziel.
akonn und ohnson vgl. 1999 FeschreiFen das Start-Weg-Ziel-Schema source- path-goal schema) als ein kognitiv-toologisches Schema mit einer inneren räum- lichen «ogik¬ eFd.V S. 33 .5 Dieses Schema verwenden wirV wenn wir uns einen Bewegungsverlaun aun einer Bahn von einem Start zu einem Ziel vorstellen.
3 Der Begriff „Chronologie“ leitet sich vom antiken Gott Chronos ab, der der griechischen Mytholo- gie zufolge seine eigenen Kinder auffraß.
4 Auch Connelly und Clandinin (1999) sprechen von „being in the midst“.
5 Je größer z.B. die Distanz, die wir vom Ausgangspunkt aus bereits zurückgelegt haben, desto näher befinden wir uns dem Ziel.
| 20 | 1 Zeit und Handlung
Eine narrative Struktur lässt sich als kognitive Mischung der Feiden Schemata Fe- schreiFenV mit denen wir räumliche Beziehungen aFleitenU das Behälter-Schema eine umgrenzte Region im Raum und das Start-Weg-Ziel-SchemaV mit dem wir eine tem-
orale AFnolge von andlungen und Ereignissen aFleiten können.
Fwohl sich akonn und ohnson aun Konzete nÅr hilosohische Betrachtun- gen konzentrieren und nicht aun ErzählungenV kann ihre Diskussion der Art und WeiseV wie wir Konzete wie z.B. «Zustände¬V «Veränderungen¬ und «Ereignisse¬
Fegrinqich nassenV auch zu unserem Verständnis der körerhanten Ernahrung hin- ter der narrativen Struktur Feitragen. «States are concetualized as containersV as Founded regions in sace. hanges are concetualized as movements nrom location to location eFd.V S. 176 . In ihrer BeschreiFung der rt-Ereignisstruktur-Metaher (Location Event-Structure Metaphor) heivt esU
KThe ocation Event-Structure MetahorL is a singleV comleÊ maing with a num- Fer on suFmaings. The source domain is the domain on motion j in sace. The target domain is the domain on events. This maing rovides our most common and eÊtensive understanding on the internal structure on eventsV and it uses our everËdaË knowledge on motion in sace that comes nrom our movements and nrom the mo- vements on others that we erceive.
Some movements are movements to desired locations called destinations . Some mo- vements Fegin in one Founded region on sace and end in another. Some movements are norcedV others are not. The norce on a norced movement maË Fe internal or eÊter- nal. In someone moves to a desired locationV that erson must nollow a ath. There are various kinds on imediments that can kee someone nrom moving to a desired locationV nor eÊamle Flockages or neatures on the terrain. What this maing does is to allow us to concetualize events and all asects on them j actionV causesV chan- gesV statesV urosesV and so north j in terms on our eÊtensive eÊerience withV and knowledge aFoutV motion in sace eFd.V S. 179 .
akonn und ohnson hätten noch hinzunÅgen könnenV dass diese Zuordnung es uns auch erlauFtV eine narrative Zeitsanne zu konzetualisieren. Ich FehauteV dass un- sere hËsische Ernahrung von Bewegung im Raum den Ursrung unserer Konzetu- alisierung einer zeitlichen Se§uenz darstellt. Die Zeitlichkeit des ErzählensV die Zeit- sanne vom Annang Fis zum EndeV ist somit mehr als eine willkÅrliche Form eines Festimmten literarischen oder diskursiven GenresV sondern eine Konzetualisierung geleFter Zeit aun der Grundlage unserer Ernahrung der räumlichen Beziehungen un- serer sich Fewegenden Körer.
Unsere hËsischen und FeoFachteten Ernahrungen mit Bewegungen im Raum und unsere Ernahrungen mit Bewegungen von einem rt zum anderenV von einem Startunkt zu einem Ziel mitsamt der vermuteten «ogik¬ einer Beziehung zwischen dem zeitlichen und dem hËsischen AusmavV da man nÅr eine längere Distanz mehr Zeit Fenötigt als nÅr eine kÅrzere Filden das körerhante Fundament nÅr unser ko-
| 21 | 1.2 Bewegung im Raum und Zeitlichkeit
gnitives Verständnis des temoralen Raumes der Zeit und damit des Formats einer Erzählung. Die Form einer ErzählungV ein Verlaun innerhalF eines ZeitraumsV der an einem rt Feginnt und an einem anderen endetV Fasiert aun unserer Ernahrung mit
hËsischen Bewegungen im Raum. Eine Erzählung deckt er Deonition einen Zeit- raum aF.
Die Ernahrung von Grenzlinien zwischen Räumen j und zwischen ZeiträumenV woFei wir die Begrenzungen als Annänge und Enden Fezeichnen j kann als alltäg- licher oder «natÅrlicher¬ Teil des eFens geltenV der aun unzähligen Ernahrungen körerlicher Interaktionen FasiertV die von kognitiv-emotionalen Prozessen Fegleitet werden. Dieser Gedanke ist alles andere als neu. Durch meine ektÅre von Ricoeur
2004 wurde mir FewusstV dass Aristoteles in De memoria et reminiscentia Intervalle mit Bewegungen verknÅnt und davon ausgehtV dass die Beziehung zwischen erin- nerten Ereignissen durch Simultanität und Sukzession gekennzeichnet ist.6 Ricoeur
2004 zitiert AristotelesU
Diese UrsrÅnglichkeit des GenÅhls der Intervalle ergiFt sich aus dem Verhältnis der Zeit zur Bewegung. Wenn die Zeit «etwas Bewegungshantes¬ istV ist eine Seele vonnö- tenV um zwei AugenFlicke zu unterscheidenV sie als nrÅhere und sätere auneinander zu FeziehenV ihre Dinnerenz (heteron) aFzuschätzen und die Intervalle zu messen (to metaxy)V in erationenV die die Zeit als «die Mavzahl von Bewegung hinsichtlich des Davor und Danach¬Physik IVV 11j219F zu deonieren erlauFen eFd.V S. 236 .
Aus entwicklungsorientierter Persektive Fetrachtet erleFen Säuglinge die Bewegun- gen anderer MenschenV die sich ihnen nähern oder sich entnernenV noch ehe sie selFst in der age sindV zu kraFFeln oder zu launen. Säuglinge werden getragen oder in Kin- derwagen und anderen Fahrzeugen transortiert. AFer Fald schon nangen sie anV sich aus eigenem AntrieF von einem rt zum anderen zu Fewegen. Körerlich legt eder Mensch von der nrÅhen Kindheit Fis zum Ende seines eFens einen Weg in Zeit und Raum zurÅck. Von siamesischen Zwillingen einmal aFgesehen giFt es keine zwei In- dividuenV die denselFen Weg in Zeit und Raum durchlaunen. Als individuelleV moFile Körer sind unsere Reisen durch das eFen wahrhant individuell.
Kognitiv sind wir in der ageV einen sezioschen Teil dieser Reise durch Zeit und Raum isoliert in den Blick zu nehmen. Wir können uns aun einen Festimmten AF- schnitt konzentrierenV aun eine Festimmte Strecke oder einen Festimmten rt. Und wir können uns neue Reiserouten und -ziele vorstellenV neue WegeV denen wir nolgen wollen.
6 Ricoeur selbst beschäftigt sich allerdings nicht mit diesem Zusammenhang zwischen Zeit, Raum und Bewegung.
| 22 | 1 Zeit und Handlung
1 $utonoeViV
Wir sind nicht nur sich im Raum Fewegende eFewesen und in der ageV in verschie- denen UmgeFungen und KonteÊten zu reisenV wir sind auch in der ageV ÅFer den gegenwärtigen AugenFlick hinauszugehen. Wir sind nicht aun das ErleFen des ier und etzt Feschränkt· in Gedanken können wir die Gegenwart transzendieren.
In ihrem Artikel «Toward a theorË on eisodic memorËU The nrontal loFes and autonoetic consciousness FeschreiFen WheelerV Stuss und Tulving 1997 die er- staunliche menschliche Fähigkeit zur mentalen Zeitreise als eine seziosche Form des BewusstseinsV die sie als «autonoetisches Bewusstsein¬ Fezeichnen.
ne on the most nascinating achievements on the human mind is the aFilitË to men- tallË travel through time. It is somehow ossiFle nor a erson to relive eÊeriences FË thinking Fack to revious situations and haenings in the ast and to mentallË
ro ect oneseln into the anticiated nuture through imaginationsV daËdreamsV and nan- tasies eFd.V S. 331 .
Die mentale Zeitreise wird vermittelt durch ein GedächtnissËstemV das mit dem ei- sodischen Gedächtnis verknÅnt ist vgl. Ka. 5 . Die Aktivierung des autonoetischen Bewusstseins wird von einem GenÅhl der Kontinuität und Kohärenz FegleitetV die ÅFer die Gegenwart hinaus eÊistierenV wie auch zwischen VergangenheitV Gegenwart und der erwarteten Zukunnt. Das autonoetische Bewusstsein ermöglicht es unsV die Gegenwart sowohl als Fortsetzung der Vergangenheit wie auch als Vorsiel zur Zu- kunnt zu Fegreinen vgl. eFd.V S. 335 . Dieses GenÅhl der Kohärenz in der Ernahrung des eFens kann allerdingsV wie von Tulving 1985 FeschrieFenV durch Gehirnschä- digungen gestört werden. DarÅFer hinaus kann die Ernahrung von Kohärenz innolge traumatischer ErleFnisse zusammenFrechen vgl. orsdal 2007a . WheelerV Stuss und Tulving erkennenV dass das Konzet der Autonoesis sowie die Fähigkeit zur mentalen Zeitreise und die Ernahrung von Kohärenz uns in den Bereich des Narrati- ven nÅhren. Sie schreiFenU
ur discussion nocuses on eisodic memorËV with the realization that this sËstem on memorË develos along withV and is erhas related to the emergence on other com-
leÊ aFilitiesV such as language and narrative skillsV reasoning and roFlem solving
eFd.V S. 343 .
Das autonoetische Bewusstsein Fetrinnt mehr als die Beziehung zur Vergangenheit und zur sich ausFildenden Fähigkeit des eisodischen Gedächtnisses vgl. Ka. 5 . Es ist eine notwendige Voraussetzung danÅrV dass wir lanen könnenV dass wir Fantasien und AmFitionen nÅr die Zukunnt entwickelnV und dass wir das Fedeutungsvolle Ge- nÅhl des In-der-Zeit-Seins haFen.
Ich möchte hier den Gedanken annÅgenV dass die Entwicklung des autonoetischen Bewusstseins und die Fähigkeit zur mentalen Zeitreise auch mit den tatsächlichenV
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$XJXVWLQXV·5HÁH[LRQHQEHUGLH=HLW
d.h. hËsischen Reisen und Bewegungen des Kleinkinds in Zeit und RaumV und da- mit sowohl mit interersonaler Interaktion als auch mit körerhanter ErnahrungV ver- knÅnt sind. Das wiederholte ErleFen selFstständiger Bewegungen verleiht dem Kind das PotenzialV gezielt neue AusqÅge zu unternehmenV in Gedanken nrÅhere Reisen zu wiederholen oder neue Ziele und mögliche Ernahrungen zu imaginieren.7
1 $uguVtinuV· 5eÁe[ionen ber die Zeit
Im elnten Kaitel von Augustinus¯ Bekenntnissen onden sich seine FerÅhmten Reqe- Êionen ÅFer die ZeitV die unter anderem von Kermode und Ricoeur analËsiert wur- den. Am Beisiel des Vortragens eines iedes erläutert AugustinusV wie sich die Ge- genwart während des Vortrags erweitert und daFei VergangenheitV Gegenwart und Zukunnt gleichzeitig gegenwärtig sind. Im Akt des Vortragens erweitert sich der Geist und umnasst eine dreinache Gegenwart. Bei seiner AnalËse von Augustinus stellt Ri- coeur nestV dass diese Form der Aunmerksamkeit (attention) durchaus als Intention Fezeichnet werden darnV da die Passage der Zukunnt durch die Gegenwart in die Vergangenheit einen aktiven 0Fergang durch den aunmerksamen Geist darstellt. Au- gustinus schreiFtU
Ich will ein ied aunsagenV das ich kenne. Ehe ich annangeV sannt (tenditur) meine Erwartung sich aun das GanzeV haFe ich aFer FegonnenV nimmt dasV was ich von der Erwartung aFgeqÅckt und der Vergangenheit ÅFerlienert haFeV in meinem Gedächt- nis Platz. So zersannt sich (distenditur) diese meine leFendige Tätigkeit (actionis) in die Erinnerung dessenV was ich aungesagt haFeV und die Erwartung dessenV was ich noch sagen will. Gegenwärtig dagegen ist mein Aunmerken (attentio)V durch wel- ches das ZukÅnntige hindurchschreiten (traicitur) mussV dass es zur Vergangenheit werde. e mehr das nun nort und nort geschieht (agitur et agitur)V um so mehr wird die Erwartung aungezehrtV wenn ene ganze Tätigkeit aFgeschlossen und in Erinnerung ÅFergangen ist 28V 38 zit. nach Ricoeur 1998V S. 37 .
Ich Fin derselFen Ansicht wie Ricoeur 1984 V der dieses Zitat mit der nolgenden Aussage nortnÅhrtU «The entire rovince on narrative is laid out here in its otential- itË· nrom the simle oemV to the storË on an entire lineV to universal historˬ eFd.V S. 22 .8
7 Die Tatsache, dass wir fähig sind, uns den Hinweg merken, ist wichtig, damit wir anschließend auch wieder zurückfinden. Ein kurioses Beispiel für die Bedeutung der Bewegungen des Körpers in Kontexten, die mit Erinnerung zu tun haben, ist die Situation, wenn wir irgendwo hingehen, um etwas zu holen oder etwas zu tun, und dann plötzlich, wenn wir unser Ziel erreicht haben, verges- sen haben, weshalb wir überhaupt dorthin gegangen sind. Denselben Weg zurückzulaufen kann manchmal dabei helfen, unserer ursprünglichen Absicht wieder auf die Spur zu kommen.
8 Bei Polkinghorne (1988), der zutiefst von Ricoeur beeinflusst ist, findet sich eine ähnliche Besch- reibung: „To be temporal, an event must be more than a singular occurence; it must be located in relation to other events that have preceded it or will come after it. The first level of connection is a mere listing of events one after the other, as in a chronicle. This listing reflects the ordinary
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Wir erschannen Bedeutung in zeitlichen BewegungenV indem wir uns aun eine Zeit- sanne konzentrierenV sei sie kurz oder lang. Mithilne unserer narrativen Kometen- zen greinen wir in den Fluss der Zeit ein und gehen ÅFer den qÅchtigen AugenFlick der Gegenwart hinaus. Wir erweitern unsere Aunmerksamkeit nÅr die GegenwartV indem wir VerFindungen zur VergangenheitV zur Gegenwart und zur Zukunnt her- stellenV um uns dasV was gerade geschiehtV zu erklären. Das narrative Format mit AnnangV Mitte und Ende ist eine Form von ErkenntnisV die wir anwendenV um der Zeitlichkeit Bedeutung zu verleihenV während wir versuchenV das eFen als solches zu deuten und zu verstehen.
Wir sind mit unseren Körern in der Welt stets konteÊtuell im ier und etzt verortetV doch wir können unsere Aunmerksamkeit ÅFer das ier und etzt der Ge- genwart hinaus ausdehnen und sie Fewusst aun andere Momente und ZeitaFschnitte lenken. Unsere Interretation eines ZeitaFschnitts oder eines Ereignisses hängt davon aFV wo wir unsere Grenzlinien ziehenV wo wir unsere Annänge und Enden setzen.
Die Wiederkehr vergleichFarer KonteÊte macht uns unsere Welt und ihre RhËthmen vertraut. Wir lernenV unsere Aunmerksamkeit sowohl aun lange wie aun kurze Zeit- sannen zu richtenV von winzigen Momenten Fis hin zu Tagen und ahrenV und wir ritualisieren die 0Fergänge zwischen einigen dieser KonteÊte. Richten wir unseren Blick aun die Bewegung des Körers in Zeit und Raum ÅFer die gesamte eFensreise hinwegV so wird onnenkundigV dass wir daFei gleichzeitig aun die Konstruktion von BedeutungV Einheit und Zusammenhang zielen und Markierungen setzenV wenn sich der KonteÊt verändert. eder Tag wird nicht nur als ein kontinuierlicher Fluss wahr- genommenV sondern gleichzeitig als eine Reihe von unterschiedlichen Se§uenzen in unterschiedlichen KonteÊten. Wir können die sich Fewegenden und sich verändern- den orizonteV in denen wir verortet sindV in Gedanken ausdehnen und erweiternV indem wir andere Zeiten und rte in den Blick nehmen. Wir können uns schnell oder langsam FewegenV nÅr eine längere Zeit FleiFen oder weiterziehen.
Erzählungen können sehr kurz seinV oder sie können sich vom ersten Annang Fis zum Ende der Zeit ausdehnen· die Ewigkeit selFst edoch ist geschichtslos. «Immer¬
ist eine Negation all dessenV was zeitlichV vorÅFergehend und vergänglich ist. Er- zählungen können lange ZeitaFschnitte in kurzen Geschichten komrimieren oder kurze Ereignisse ausdehnen und weiterentwickelnV aFer sie Frauchen die umgrenzte zeitliche Dimension zwischen einem Annang und einem Ende. Blove hronologie reicht nicht aus.
representation of time as one moment following the other in a linear fashion. By gathering these events together into the unity of a story, the plot makes them stand out from the plane of linear time by giving them significance in relation to other events. Plot combines two dimensions – one chronological, the other nonchronological. The chronological dimension characterizes the story and shows that it is made up of events along the line of time. The nonchronological dimension lifts the events into a configuration so that, scattered though they may be, they form a significant whole. Ricoeur uses Louis Mink’s notion of ,grasping together’ as a description of the configu- rational act” (S. 131). Die Frage der Zeitlichkeit eines einzelnen Vorkommnisses wird zu einem späteren Zeitpunkt aufgegriffen.
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1 )abelkomSoVition und %edeutungVkonÀguration
Mit einem Buchtitel von akonn und ohnson Metaphors we live byV 1980 gesro- chen ist die linear voranschreitende Bewegung (chronos) zu einer Metaher gewor- denV in der wir denken und leFen. inearität ist im modernen westlichen Denken auch ein vorherrschendes Konzet zum Verständnis der BewegungsFahnen des e- Fens. Dies äuvert sich nicht zuletzt darinV dass sich die Vorstellung eines linearen Fortschritts gegen das vormoderneV zËklische Modell des eFens durchgesetzt hat und heute als ideales Modell nÅr eFen und Entwicklung gilt.
Die chronologische Dimension einer GeschichteV d.h. ihre zeitliche Ausdehnung von einem Annang zu einem EndeV ist edoch allein noch nicht ausreichend nÅr die narrative erstellung von Bedeutung. Wie Paul Ricoeur in seiner umnassenden Ana- lËse in Zeit und Erzählung 1988 FetontV reicht das einnache Auqisten von Ereig- nissen oder Geschehnissen in chronologischer Reihennolge nicht ausV um eine Ge- schichte zu ergeFenU
Andererseits muss eine Geschichte mehr sein als eine Aunzählung von Ereignissen in einer Reihennolge· sie muss sie zu einer intelligiFlen Totalität gestaltenV so dass man immer die Frage stellen kannV welches das «Thema¬ der Geschichte ist. KurzV die FaFelkomosition ist der VorgangV der aus einer Floven AFnolge eine Konoguration macht eFd.V S. 106 .
Die erstellung von BedeutungV der Prozess der SinngeFung durch den Akt des Er- zählens imliziert mehr als die Wiederholung einer zunälligen Se§uenzU
KDLer Akt der FaFelkomosition KverFindetL in veränderlichen Proortionen zwei Zeitdimensionen KmiteinanderLV eine chronologische und eine nichtchronologische.
Die erstere Fildet die eisodische Dimension der ErzählungU sie kennzeichnet die Ge- schichte als aus Ereignissen Festehend. Die zweite ist die eigentliche konogurierende DimensionV durch die die FaFel die Ereignisse in Geschichte verwandelt. Dieser Akt des Konogurierens Festeht darinV die Einzelhandlungen oder was wir die Vornälle der Geschichte nanntenV«zusammenzunehmen¬· aus dieser Vielnalt von Ereignissen macht er die Einheit einer zeitlichen Totalität eFd.V S. 107 .
In seinen AusnÅhrungen zur FaFelkomosition und zum Akt des Konogurierens analË- siert Ricoeur Aristoteles’ Poetik. Sein Fokus liegt daFei aun dem dËnamischen Prozess der erstellung einer Reräsentation des andelnsV d.h. aun der AktivitätV die Ereig- nisse in einen komositorischen Zusammenhang zu FringenV der die zunälligen und ungleichnörmigen Elemente zu einer stimmigenV Fedeutungstragenden andlung ver- Findet. Aristoteles unterscheidet zwischen einnachen eisodischen und komlizierten andlungen. Aristoteles 1994 V dessen Werk sich mit Fiktion FeschäntigtV FetontV dass eine dichterische andlung das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit und Notwen- digkeit Mögliche zu zeigen hat j nicht das wirklich Geschehene. Er schreiFtU
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Ich Fezeichne die andlung h als komliziertV deren Wende mit einer Wiederer- kennung oder Perietie oder Feidem verFunden ist. Perietie und Wiedererkennung mÅssen sich aus der Zusammensetzung der FaFel selFst ergeFenV d.h. sie mÅssen mit Notwendigkeit oder nach der Wahrscheinlichkeit aus den nrÅheren Ereignissen her- vorgehen. Es macht nämlich einen groven UnterschiedV oF ein Ereignis innolge eines anderen eintritt oder nur nach einem anderen eFd.V S. 19n. .
Die GeschichtenV die wir ÅFer unser eFen erzählenV unterscheiden sich natÅrlich in mehrnacher insicht von oktionalen TeÊten. Normalerweise ist dasV was wir ÅFer unser eFen erzählenV nicht einnach das nrei ernundene Produkt unserer sielerischen Fantasie. Wir haFen nicht die dichterische FreiheitV unsere Geschichten mithilne aus- gedachter oder ausgewählter Elemente so zu komonierenV dass sie dem Ziel der einheitlichen andlung möglichst nahe kommen. Aristoteles® Buch ÅFer die Poesie ist normativ angelegt. Es ist eine EinnÅhrung in die Kunst des Dichtens. Und dennoch komonieren und konstruieren auch wir tagtäglich Geschichten ÅFer wirkliche Er- eignisseV woFei wir einzelne BegeFenheiten auswählenV Fetonen und ordnenV um dem Geschehenen einen Sinn zu geFen. AFgesehen davonV dass wir Annänge und Enden hinzunÅgenV sind unsere Erzählungen von ersönlichen ErleFnissen durch AuswahlV Se§uenzierungV ierarchie und rganisation gekennzeichnet. Wir «verhandeln¬ Be- deutungV um es mit einem trennenden Begrinn von Bruner vgl. 1986V 1990 zu sagenV indem wir unsere erzählten eFensgeschichten einer seziellen zeitlichen und kausa- len Struktur und einer seziellen Persektive unterwernenV oder indem wir mehrere Erzählstimmen und -ersektiven komFinieren. Auch wenn wir den Erzählungen anderer Menschen zuhörenV verhandeln wir deren BedeutungV indem wir erwartenV während des Erzählens einen inneren Zusammenhang darin zu entdeckenV ähnlich wie wenn wir eine Geschichte lesen.9 Peter Brooks 1984 zunolgeV der ÅFer oktio- nale iteratur schreiFtV lesen oder hören wir eine Geschichte von Annang an in einer altung retrosektiver Antiziation. Wir lesen das Ende in den Annang hinein und den Annang in das Ende. Während des esens arFeiten wir mit einem Vor-Verständ- nisV das sich säter entweder Festätigt oder als nalsch herausstelltV sich unterwegs immer wieder verändert oder von einer ÅFerraschenden erzählerischen Wende ÅFer den aunen gewornen wird. Doch in edem Fall lesen wir in der ErwartungV Fei der rÅckFlickenden Interretation schlievlich irgendeine Form von Bedeutung zu onden.
Wird eine Erzählung unterFrochen oder nehlen die letzten Seiten eines BuchesV wird unsere Neugierde enttäuscht. Ein Annang wie «Es war eine kalte und stÅrmische Nacht¬ j oderV um Sartres Beisiel Der EkelV 1981 des rgers seines Protagonisten ÅFer die Flove Zunälligkeit des eFens im Vergleich zur Fiktion zu verwendenU «Es war ein schöner AFend im erFst 1922¬ eFd.V S. 51 j weckt die ErwartungV dass etwas Besonderes oder Bedeutsames nolgtV das dem Annang noch mehr Bedeutung verleiht. Sehr zum Verdruss des Erzählers in Sartres Buch scheint das wirkliche eFen
9 Wie wir später sehen werden (vgl. Kap. 3), hat jemand, der einer mündlich erzählten Geschichte zuhört, einen aktiveren Anteil an der Bedeutungsaushandlung als jemand, der einen geschriebe- nen fiktionalen Text liest, wenngleich auch das Lesen in dieser Hinsicht einiges an Arbeit erfordert.