• Keine Ergebnisse gefunden

21 5eSräVentation von Handlungen (mimesis) und Spie- Spie-gelneuronen

Im Dokument Leben erzählen – Leben verstehen (Seite 33-36)

Aristoteles deoniert die Tragödie als nachahmende Darstellung von andlung mit sechs Bestandteilen ŸMËthosV haraktereV SracheV ErkenntnisnähigkeitV Inszenierung und Melodik . Ihr wichtigster Bestandteil ist der MËthos Fzw. die Konoguration der andlungU

Der wichtigste Teil ist die ZusammennÅgung der Geschehnisse. Denn die Tragödie ist nicht Nachahmung von MenschenV sondern von andlung und von eF enswirk-lichkeit. Auch GlÅck und UnglÅck Feruhen aun andlungV und das eFensziel ist eine Art andlungV keine Festimmte Beschannenheit. Die Menschen haFen wegen ih-res harakters eine Festimmte BeschannenheitV und innolge ihrer andlungen sind sie glÅcklich oder nicht Ÿ1994V S. 11 .

Nach meinem DanÅrhalten lässt sich diese Deonition der Tragödie aun Erzählun-gen ÅFertraErzählun-genU Eine Erzählung ist nicht Nachahmung von MenschenV sondern von andlung und eFenswirklichkeitV von GlÅck und UnglÅck j und GlÅck und Un-glÅck Feruhen aun andlung. In unseren Geschichten ist die emotionale )ualität der Narrationen ein inhärentes Merkmal. Unsere Interaktionen mit der Welt sind niemals emotional neutral· eFenso wenig sind es die GeschichtenV die wir von diesen Interaktionen erzählen. Bei dem oFen genannten Beisiel nÅr logisch-wissenschantli-che KausalitätV «Wasser siedet Fei 100 Grad elsius¬V dÅrnten die wenigsten von uns mit emotionalen Ausrunen à la «Wie schrecklichl¬ oder «Wie wunderFarl¬ reagie-renV wie wir es ont Fei Geschichten tun. Geschichten ÅFer andlungen und Ereignisse runen Emotionen hervor· wir reagieren aun sie mit FreudeV BedauernV MitleidV Angst oder Gelächter.

Geschichten runen GenÅhle in uns hervor· wir identiozieren uns mit der Rerä-sentation von Interaktionen aun ganz ähnliche WeiseV wie wir aun Interaktionen re-agierenV die wir unmittelFar FeoFachten oder wahrnehmen. Nach Bruner Ÿvgl. 1986V 1990  handelt es sich Fei Geschichten um «stellvertretende Ernahrung¬ (vicarious experience). In meinem BestreFenV KörerV Geist und Geschichten in der Interaktion zusammenzudenkenV Fehaute ichV dass die neuere neurosËchologische Forschung zu unserem Verständnis dieses Phänomens Feitragen kann. Die Siegelneuronen-The-orie Fietet neue Innormationen sowohl ÅFer unsere Fähigkeit zur Emathie als auch ÅFer unseren angeForenen Drang zur Nachahmung und zur schönerischen Nachge-staltung von andlungen (mimesis)V den Aristoteles Fereits vor mehr als zweitausend ahren erkannteU

| 34 | 2 Stellvertretende Erfahrung

Denn sowohl das Nachahmen selFst ist dem Menschen angeForen j es zeigt sich von Kindheit anV und der Mensch unterscheidet sich dadurch von den ÅFrigen eFewesenV dass er in Fesonderem Mave zur Nachahmung Fenähigt ist und seine ersten Kennt-nisse durch Nachahmung erwirFt j als auch die FreudeV die …edermann an Nachah-mungen hat Ÿ1994V S. 5 .

Unsere Fähigkeit zur Nachahmung ist in der zeitgenössischen PhilosohieV Neuro-FiologieV NeurosËchologie und Bildungsnorschung ein zentrales DiskussionsthemaV vor allem aungrund der Entdeckung der Siegelneuronen Fei Annen durch Rizolatti und Gallese und der daran anschlievenden Ernorschung des menschlichen Gehirns.

In we want to surviveV we must understand the actions on others. FurthermoreV with-out action understandingV social organization is imossiFle. In the case on humansV there is another nacultË that deends on the oFservation on other’s actionsU imitation learning ŸRizzolattiºraighero 2004V S. 169 .

In ihrem Artikel «The mirror-neuron sËstem¬ räsentieren Rizzolatti und raighero die neuronale Grundlage der Identiokation. Siegelneuronen wurden Fei Annen im Feld F5 des Großhirns entdeckt. Die visuomotorischen Nervenzellen reagieren so-wohlV wenn die Annen Festimmte andlungen Ÿz.B. ein F…ekt ziehenºschieFen oder danach greinen  selFst durchnÅhren als auch wenn sie ein anderes Individuum Ÿeinen anderen Annen oder einen Menschen  daFei FeoFachtenV wie es eine ähnliche and-lung durchnÅhrt. Die motorische Reräsentation der assiv FeoFachteten andand-lung entsricht daFei der neuronalen Aktivierung während der aktiven andlung und verwandelt somit visuelle Innormationen in Wissen ŸRizzolattiºFogassiºGallese 2001  j ein MechanismusV der das Fundament nÅr ein unmittelFares Verstehen von and-lungen Filden könnte ŸGallese u.a. 1996· Rizzolatti u.a. 1996 . Zwar werden daFei keine Nervenzellen aktiviertV die die Muskeln dazu FringenV Festimmte andlungen auszunÅhren j zum GlÅck machen wir nicht alles nachV was wir FeoFachten j doch die Aktivierung ist eine Reräsentation oder Siegelung der andlung selFst. Nicht das F…ekt als solches ist entscheidendV sondern die andlung. Der AnFlick des F…ekts allein löst noch keine Reaktion aus. Auch Fei intransitiven oder nur vorgesielten BewegungsaFläunen FleiFen die Siegelneuronen der Annen inaktiv. Doch andererseits neuern die Nervenzellen auch dannV wenn die Fetrennende andlung nicht vollständig zu Ende ausgenÅhrt wirdV was daraun hinweistV dass die Annen in der age sindV sehr schnell zu ernassenV was das andere Individuum als nächstes tun wird. Das Verstehen der Fetrennenden andlung entsteht wahrscheinlich durch eine Entsrechung zwi-schen der Reräsentation der FeoFachteten Bewegung und einer Reräsentation von andlungen aus dem Bewegungsreertoire des BeoFachtersV das ein Erkennen der andlung ermöglicht. Aun diesem Wege können visuelle Innormationen ein Verständ-nis nÅr GeschehVerständ-nisse schannen.

Fwohl Siegelneuronen Fei Menschen nur indirekt untersucht werdenV lienert die Forschung deutliche inweise danÅrV dass Menschen Ÿim Gegensatz zu Annen 

| 35 | 2.1 Repräsentation von Handlungen (mimesis) und Spiegelneuronen

durchaus in der age sindV auch intransitive und vorgesielte andlungen zu ver-stehen und zu enkodieren. Wir können nicht nur FezÅglich dessenV was sichtFar vor unseren Augen geschiehtV SchlÅsse ziehenV sondern auch FezÅglich der Intentionen und MotiveV die der Fetrennenden andlung zugrunde liegen. Das SËstem der Sie-gelneuronen ermöglicht es uns zu versuchenV nicht nur die Konse§uenzen unserer eigenen gelanten andlungen vorherzusagenV sondern auch die der andlungen anderer PersonenV und zwar durch einen automatisch aFlaunenden Prozess der Simu-lationV der weder eine Theorie des aktuellen Geschehens ernordert noch eine unFe-wusste Reräsentation darstellt Ÿvgl. Gallese 2005 . Es mag seltsam erscheinenV dass wir ein Bewegungsmuster aktivieren mÅssenV um eine andlung zu erkennenV doch tatsächlich ist das gar nicht so sonderFar. Durch die Simulation der Bewegungen sammeln wir Innormationen ÅFer die Vernetztheit der andlungV nicht nur visuelle SchnaschÅsse des Geschehens. Das SËstem der Siegelneuronen ermöglicht ein er-nahrungsFasiertes Verstehen der FeoFachteten InteraktionV das als Fundament nÅr das weitere kognitive und emotionale Verhalten dient.

Gemeinsam mit akonn vernasste Gallese 2005 einen Artikel mit dem Titel «The Frain’s concetsU The role on the sensorË-motor sËstem in reason and language¬. Da-rin vertreten die Autoren die AunnassungV dass unser kognitives Verstehen aun körer-licher Interaktion mit der UmgeFung Fasiert. Sie FetonenV dass unsere Imagination eFennalls aun körerlicher Interaktion Fasiert· wir simulieren auch die andlungenV die wir imaginieren. Das SiegelneuronensËstem lässt sich als Motor-Resonanz-SËs-tem FetrachtenV das die neuronale Basis nÅr die menschliche Fähigkeit zur Imitation Fildet und als solche eine Voraussetzung nÅr die Fedeutsame menschliche Fähigkeit zum ernen durch Nachahmung ist.15 Rizzolatti und raighero Ÿvgl. 2004  unter-scheiden Feim Menschen zwei Arten des ernens durch NachahmungU Ÿ1  SuFstitu-tionV wenn die herkömmliche WeiseV Festimmte Dinge zu tunV durch einen neuen und Fesseren BewegungsaFlaun ersetzt wirdV und Ÿ2  die FähigkeitV eine ganz neue moto-rische Se§uenz zu erlernenV die dem Erreichen sezioscher Ziele dientV etwa die Fä-higkeit zum Binden der eigenen SchnÅrsenkel oder zur Bedienung neuer Geräte. Es ist denkFarV dass die Reräsentationen der Siegelneuronen uns daFei helnenV vertraute motorische AFläune neu zu komFinieren. In …edem Fall stellt ernen durch Nachah-mung eine höhere Form des ernens dar als ernen durch Versuch und Irrtum. Durch Nachahmen lernen wir schnellerV als wenn wir verschiedene Verhaltensweisen immer wieder auns Neue nÅr uns selFst ausroFieren mÅssen.

DarÅFer hinaus FeschreiFt die NeurosËchologie SiegelneuronenV die Fereits aun das seziosche Geräusch einer andlung reagieren. Die Siegelneuronen könnten somit einen Mechanismus FildenV der eine unmittelFare VerFindung zwischen dem Sender und dem Emnänger einer Botschant herstellt. Einige Wissenschantler

vermu-15 In der Forschung herrscht eine gewisse Uneinigkeit bezüglich der Fähigkeit zum Lernen durch Nachahmung. Handelt es sich um eine Fähigkeit, die ausschließlich den Menschen auszeichnet, oder findet sie sich auch bei einigen Affen (vgl. Tomasello/Kruger/Ratner 1993; Tomasello 2000)?

Auf der sicheren Seite bewegen wir uns, wenn wir uns an die oben zitierte alte Formulierung von Aristoteles halten: „Er (der Mensch) ist in besonderem Maße zur Nachahmung befähigt.“

| 36 | 2 Stellvertretende Erfahrung

ten eine VerFindung zwischen dem SiegelneuronensËstem und der Entwicklung der menschlichen Srache.16 Eine ˝othese Ÿvgl. Rizzolattiºraighero 2004  lautet zum BeisielV dass sich die Srache im aune der Evolution aus kommunikativen Gesten

ŸPantomime  entwickelt hat. Dieser esart zunolge entwickelte sich die gestische Zei-chensrache weiter zu einem aFstrakten Verstehen von GeräuschenV woFei …edoch die Zeichensrache nicht völlig verschwand. Es giFt Belege danÅrV dass Menschen ÅFer ein Echo-Neuronen-SËstem vernÅgenV das mit motorischer Resonanz aktiviert wirdV wenn wir verFalen ußerungen zuhören. Motorische Zentren nÅr Srache werden aktiviertV wenn wir verFal stimuliert werden. andlungssätzen zuzuhören setzt somit visuell-motorische Kreisläune in BewegungV die denen ähnelnV die Fei der Reräsenta-tion von andlungen aktiv sind. Dies zeigt ein neuronales Verstehen von Identioka-tion und Aneignung stellvertretender Ernahrung in der narrativen PraÊis.17

Im Dokument Leben erzählen – Leben verstehen (Seite 33-36)