Aristoteles deoniert die Tragödie als nachahmende Darstellung von andlung mit sechs Bestandteilen MËthosV haraktereV SracheV ErkenntnisnähigkeitV Inszenierung und Melodik . Ihr wichtigster Bestandteil ist der MËthos Fzw. die Konoguration der andlungU
Der wichtigste Teil ist die ZusammennÅgung der Geschehnisse. Denn die Tragödie ist nicht Nachahmung von MenschenV sondern von andlung und von eF enswirk-lichkeit. Auch GlÅck und UnglÅck Feruhen aun andlungV und das eFensziel ist eine Art andlungV keine Festimmte Beschannenheit. Die Menschen haFen wegen ih-res harakters eine Festimmte BeschannenheitV und innolge ihrer andlungen sind sie glÅcklich oder nicht 1994V S. 11 .
Nach meinem DanÅrhalten lässt sich diese Deonition der Tragödie aun Erzählun-gen ÅFertraErzählun-genU Eine Erzählung ist nicht Nachahmung von MenschenV sondern von andlung und eFenswirklichkeitV von GlÅck und UnglÅck j und GlÅck und Un-glÅck Feruhen aun andlung. In unseren Geschichten ist die emotionale )ualität der Narrationen ein inhärentes Merkmal. Unsere Interaktionen mit der Welt sind niemals emotional neutral· eFenso wenig sind es die GeschichtenV die wir von diesen Interaktionen erzählen. Bei dem oFen genannten Beisiel nÅr logisch-wissenschantli-che KausalitätV «Wasser siedet Fei 100 Grad elsius¬V dÅrnten die wenigsten von uns mit emotionalen Ausrunen à la «Wie schrecklichl¬ oder «Wie wunderFarl¬ reagie-renV wie wir es ont Fei Geschichten tun. Geschichten ÅFer andlungen und Ereignisse runen Emotionen hervor· wir reagieren aun sie mit FreudeV BedauernV MitleidV Angst oder Gelächter.
Geschichten runen GenÅhle in uns hervor· wir identiozieren uns mit der Rerä-sentation von Interaktionen aun ganz ähnliche WeiseV wie wir aun Interaktionen re-agierenV die wir unmittelFar FeoFachten oder wahrnehmen. Nach Bruner vgl. 1986V 1990 handelt es sich Fei Geschichten um «stellvertretende Ernahrung¬ (vicarious experience). In meinem BestreFenV KörerV Geist und Geschichten in der Interaktion zusammenzudenkenV Fehaute ichV dass die neuere neurosËchologische Forschung zu unserem Verständnis dieses Phänomens Feitragen kann. Die Siegelneuronen-The-orie Fietet neue Innormationen sowohl ÅFer unsere Fähigkeit zur Emathie als auch ÅFer unseren angeForenen Drang zur Nachahmung und zur schönerischen Nachge-staltung von andlungen (mimesis)V den Aristoteles Fereits vor mehr als zweitausend ahren erkannteU
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Denn sowohl das Nachahmen selFst ist dem Menschen angeForen j es zeigt sich von Kindheit anV und der Mensch unterscheidet sich dadurch von den ÅFrigen eFewesenV dass er in Fesonderem Mave zur Nachahmung Fenähigt ist und seine ersten Kennt-nisse durch Nachahmung erwirFt j als auch die FreudeV die edermann an Nachah-mungen hat 1994V S. 5 .
Unsere Fähigkeit zur Nachahmung ist in der zeitgenössischen PhilosohieV Neuro-FiologieV NeurosËchologie und Bildungsnorschung ein zentrales DiskussionsthemaV vor allem aungrund der Entdeckung der Siegelneuronen Fei Annen durch Rizolatti und Gallese und der daran anschlievenden Ernorschung des menschlichen Gehirns.
In we want to surviveV we must understand the actions on others. FurthermoreV with-out action understandingV social organization is imossiFle. In the case on humansV there is another nacultË that deends on the oFservation on other’s actionsU imitation learning Rizzolattiºraighero 2004V S. 169 .
In ihrem Artikel «The mirror-neuron sËstem¬ räsentieren Rizzolatti und raighero die neuronale Grundlage der Identiokation. Siegelneuronen wurden Fei Annen im Feld F5 des Großhirns entdeckt. Die visuomotorischen Nervenzellen reagieren so-wohlV wenn die Annen Festimmte andlungen z.B. ein F ekt ziehenºschieFen oder danach greinen selFst durchnÅhren als auch wenn sie ein anderes Individuum einen anderen Annen oder einen Menschen daFei FeoFachtenV wie es eine ähnliche and-lung durchnÅhrt. Die motorische Reräsentation der assiv FeoFachteten andand-lung entsricht daFei der neuronalen Aktivierung während der aktiven andlung und verwandelt somit visuelle Innormationen in Wissen RizzolattiºFogassiºGallese 2001 j ein MechanismusV der das Fundament nÅr ein unmittelFares Verstehen von and-lungen Filden könnte Gallese u.a. 1996· Rizzolatti u.a. 1996 . Zwar werden daFei keine Nervenzellen aktiviertV die die Muskeln dazu FringenV Festimmte andlungen auszunÅhren j zum GlÅck machen wir nicht alles nachV was wir FeoFachten j doch die Aktivierung ist eine Reräsentation oder Siegelung der andlung selFst. Nicht das F ekt als solches ist entscheidendV sondern die andlung. Der AnFlick des F ekts allein löst noch keine Reaktion aus. Auch Fei intransitiven oder nur vorgesielten BewegungsaFläunen FleiFen die Siegelneuronen der Annen inaktiv. Doch andererseits neuern die Nervenzellen auch dannV wenn die Fetrennende andlung nicht vollständig zu Ende ausgenÅhrt wirdV was daraun hinweistV dass die Annen in der age sindV sehr schnell zu ernassenV was das andere Individuum als nächstes tun wird. Das Verstehen der Fetrennenden andlung entsteht wahrscheinlich durch eine Entsrechung zwi-schen der Reräsentation der FeoFachteten Bewegung und einer Reräsentation von andlungen aus dem Bewegungsreertoire des BeoFachtersV das ein Erkennen der andlung ermöglicht. Aun diesem Wege können visuelle Innormationen ein Verständ-nis nÅr GeschehVerständ-nisse schannen.
Fwohl Siegelneuronen Fei Menschen nur indirekt untersucht werdenV lienert die Forschung deutliche inweise danÅrV dass Menschen im Gegensatz zu Annen
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durchaus in der age sindV auch intransitive und vorgesielte andlungen zu ver-stehen und zu enkodieren. Wir können nicht nur FezÅglich dessenV was sichtFar vor unseren Augen geschiehtV SchlÅsse ziehenV sondern auch FezÅglich der Intentionen und MotiveV die der Fetrennenden andlung zugrunde liegen. Das SËstem der Sie-gelneuronen ermöglicht es uns zu versuchenV nicht nur die Konse§uenzen unserer eigenen gelanten andlungen vorherzusagenV sondern auch die der andlungen anderer PersonenV und zwar durch einen automatisch aFlaunenden Prozess der Simu-lationV der weder eine Theorie des aktuellen Geschehens ernordert noch eine unFe-wusste Reräsentation darstellt vgl. Gallese 2005 . Es mag seltsam erscheinenV dass wir ein Bewegungsmuster aktivieren mÅssenV um eine andlung zu erkennenV doch tatsächlich ist das gar nicht so sonderFar. Durch die Simulation der Bewegungen sammeln wir Innormationen ÅFer die Vernetztheit der andlungV nicht nur visuelle SchnaschÅsse des Geschehens. Das SËstem der Siegelneuronen ermöglicht ein er-nahrungsFasiertes Verstehen der FeoFachteten InteraktionV das als Fundament nÅr das weitere kognitive und emotionale Verhalten dient.
Gemeinsam mit akonn vernasste Gallese 2005 einen Artikel mit dem Titel «The Frain’s concetsU The role on the sensorË-motor sËstem in reason and language¬. Da-rin vertreten die Autoren die AunnassungV dass unser kognitives Verstehen aun körer-licher Interaktion mit der UmgeFung Fasiert. Sie FetonenV dass unsere Imagination eFennalls aun körerlicher Interaktion Fasiert· wir simulieren auch die andlungenV die wir imaginieren. Das SiegelneuronensËstem lässt sich als Motor-Resonanz-SËs-tem FetrachtenV das die neuronale Basis nÅr die menschliche Fähigkeit zur Imitation Fildet und als solche eine Voraussetzung nÅr die Fedeutsame menschliche Fähigkeit zum ernen durch Nachahmung ist.15 Rizzolatti und raighero vgl. 2004 unter-scheiden Feim Menschen zwei Arten des ernens durch NachahmungU 1 SuFstitu-tionV wenn die herkömmliche WeiseV Festimmte Dinge zu tunV durch einen neuen und Fesseren BewegungsaFlaun ersetzt wirdV und 2 die FähigkeitV eine ganz neue moto-rische Se§uenz zu erlernenV die dem Erreichen sezioscher Ziele dientV etwa die Fä-higkeit zum Binden der eigenen SchnÅrsenkel oder zur Bedienung neuer Geräte. Es ist denkFarV dass die Reräsentationen der Siegelneuronen uns daFei helnenV vertraute motorische AFläune neu zu komFinieren. In edem Fall stellt ernen durch Nachah-mung eine höhere Form des ernens dar als ernen durch Versuch und Irrtum. Durch Nachahmen lernen wir schnellerV als wenn wir verschiedene Verhaltensweisen immer wieder auns Neue nÅr uns selFst ausroFieren mÅssen.
DarÅFer hinaus FeschreiFt die NeurosËchologie SiegelneuronenV die Fereits aun das seziosche Geräusch einer andlung reagieren. Die Siegelneuronen könnten somit einen Mechanismus FildenV der eine unmittelFare VerFindung zwischen dem Sender und dem Emnänger einer Botschant herstellt. Einige Wissenschantler
vermu-15 In der Forschung herrscht eine gewisse Uneinigkeit bezüglich der Fähigkeit zum Lernen durch Nachahmung. Handelt es sich um eine Fähigkeit, die ausschließlich den Menschen auszeichnet, oder findet sie sich auch bei einigen Affen (vgl. Tomasello/Kruger/Ratner 1993; Tomasello 2000)?
Auf der sicheren Seite bewegen wir uns, wenn wir uns an die oben zitierte alte Formulierung von Aristoteles halten: „Er (der Mensch) ist in besonderem Maße zur Nachahmung befähigt.“
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ten eine VerFindung zwischen dem SiegelneuronensËstem und der Entwicklung der menschlichen Srache.16 Eine Ëothese vgl. Rizzolattiºraighero 2004 lautet zum BeisielV dass sich die Srache im aune der Evolution aus kommunikativen Gesten
Pantomime entwickelt hat. Dieser esart zunolge entwickelte sich die gestische Zei-chensrache weiter zu einem aFstrakten Verstehen von GeräuschenV woFei edoch die Zeichensrache nicht völlig verschwand. Es giFt Belege danÅrV dass Menschen ÅFer ein Echo-Neuronen-SËstem vernÅgenV das mit motorischer Resonanz aktiviert wirdV wenn wir verFalen ußerungen zuhören. Motorische Zentren nÅr Srache werden aktiviertV wenn wir verFal stimuliert werden. andlungssätzen zuzuhören setzt somit visuell-motorische Kreisläune in BewegungV die denen ähnelnV die Fei der Reräsenta-tion von andlungen aktiv sind. Dies zeigt ein neuronales Verstehen von Identioka-tion und Aneignung stellvertretender Ernahrung in der narrativen PraÊis.17