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10.2 8mVtände und EntVFheidungVfreiheit

Im Dokument Leben erzählen – Leben verstehen (Seite 132-136)

Vor der dänischen Studie zu IdentitätV ernen und DemokratieV die aun einer

Stich-roFe von 120 eFenserzählungen Fasierte Ÿvgl. Ka. 8 V hatte ich Fereits zwei BÅ-cher mit gesammelten eFensgeschichten verönnentlicht Ÿetwa 25 ro Band V …eweils chronologisch geordnetV Feginnend mit dem ältesten Erzähler und endend mit dem …Ångsten Ÿorsdal 1991V 1998 . Die andlung dieser Feiden Bände zeigte in einem erstaunlichen AusmaßV wie die SelFst- und Weltinterretationen sich entsrechend der sich wandelnden sozialen Bedingungen und der sich wandelnden kulturellen Narrative im Verlaun des zwanzigsten ahrhunderts verändert hattenU Die ausgewähl-ten Erzählungen konnausgewähl-ten geradezu als eine Kulturgeschichte der Identität während dieser Eoche gelesen werden. Die Veränderungen lassen sich zusammennassen als Wandel von der Reräsentation des eFens als einem gemeinsamen Schicksal aun-grund gegeFener Umstände hin zu einer Reräsentation des eFens als einer Sache individueller Entscheidungen und Verantwortung.

Aus diesem Grund entschloss ich michV die große Materialmenge aus den 120 narrativen Interviews in drei Generationengruen zu unterteilenV um diese umnangreiche StichroFe in all ihrer KomleÊität Fesser nÅr die Endauswertung aunFereiten zu können. Ich schrieF ein eigenes Kaitel nÅr …ede Grue. Das erste umnasste die Erzählungen von MenschenV die vor dem Zweiten Weltkrieg geFo-ren wurdenV und trug die 0FerschrintU Damals wurde nicht danach gefragt, was man wollte Ÿein Zitat aus einer der Geschichten . Es muss Fetont werdenV dass die 120 Interviews in den 1990er ahren erhoFen und um die ahrhundertwende herum ausgewertet wurden.

Das erste Kaitel Festand aus einer StichroFe von alten MenschenV die in einer traditionalen Gesellschant aungewachsen waren. Da die Geschichten am Ende des zwanzigsten ahrhunderts erzählt wurdenV Fetont der Blick aun die Vergangenheit

so-betrifft, impliziert jedoch nicht, dass die Bedeutung der „großen“ kulturellen Narrative in erzählten Lebensgeschichten abgenommen hat.

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wohl die ositiven als auch die negativen Asekten einer relativ staFilenV von räumli-cher NäheV KnaheitV namiliärer AFhängigkeitV NotwendigkeitV harter körerliräumli-cher ArFeitV geringer Bildung und lokalen Bindungen gerägten GesellschantV die heute im Wesentlichen nicht mehr eÊistiert.

Wer Eigentum und ArFeit FesaßV war häuog Fereits seit mehreren Generationen nest in der lokalen Gemeinschant verankert. Diese Menschen FlieFen immer am sel-Fen rtV ÅFten dieselsel-Fen Berune ausV hielten die Traditionen aunrecht und stärkten die namiliären Bande durch Erzählungen aus und ÅFer die Familie. Unter den Erzählern waren auch mehrere BauernV die ihre öneV oF groß oder kleinV Fereits in der sechsten oder sieFten Generation Fewirtschanteten. AFer auch in anderen Berunen wurde die Kontinuität deutlich. KrämerV selFstständige ändlerV Tischler und Böttcher Ferich-tetenV dass sie zur vierten oder nÅnnten Generation gehörtenV die in die Fußstanen ihrer Vornahren trat.

Bis in die Mitte des zwanzigsten ahrhunderts garantierten Eigentum und selFstständige ArFeit ein hohes Maß an StaFilität· Bindungen und Identität waren eng mit dem Wohnort verknŝnt. Diese Kontinuität ändert sich in den nolgenden 50 Fis 60 ahren radikalU eine UmwälzungV die sich in den eFenserzählungen durch eine Betonung der verlorenen StaFilität und des Verlusts der vertrauten nachFar-schantlichen UmgeFung maninestiert.

Auch rzteV Anwälte und andere Angehörige der gelehrten Berune aus höheren sozialen Schichten nolgten weitestgehend den FamilientraditionenV wechselten …edoch häuoger den Standort. Die Ausnahme zu dieser traditionellen Kontinuität Fildeten die armen Bevölkerungsschichten. Die…enigenV denen die Mittel nehltenV um ihren eFensunterhalt dort zu FestreitenV wo sie aungewachsen warenV verließen ihre ei-matV um in anderen Regionen ein Fesseres Auskommen zu ondenV oder sie wanderten ausV um andernorts nach ArFeit zu suchen. Die Ernahrung von Knaheit und harter ArFeit von nrÅhester Kindheit an Fildet einen sehr wichtigen Teil dieser Erzählungen·

gleiches gilt nÅr die Erzählungen von KleinFauernV andwerkern und Frauen. Viele FehautenV sich noch genau an die Ÿmickrige  Bezahlung zu erinnernV die sie als Kin-der nÅr ihre ArFeit erhielten. Die Erzählungen enthalten Berichte ÅFer AlltagsleFenV AungaFenV ArFeitsweisenV Essen und sogar KörerhËgiene j als inweis aun eine höhere soziale Stellung j sowie Geschichten ÅFer Fesondere Ereignisse und Feste.

Die Stärke der regionalen oder lokalen Bindung ist Femerkenswert. Nur Erzähler aus der Region nahe der dänisch-deutschen Grenze srechen von einer nationalen kollektiven IdentitätV doch selFst hier wird dies hautsächlich als nur nÅr die Region t˝ische Eigenschant Fetrachtet. Kulturelle Narrative von religiösen Bindungen vari-ieren. Die Dominanz einer Festimmten religiösen oder olitischen Bewegung konnte in manchen Gegenden zu ragmatischen Anassungen nÅhren Ÿetwa wenn man das

«unsittliche¬ Kartensiel vom Tisch nahmV wenn ein Missionar den Raum Fetrat  oder onnene lokale Kämne um Seelen und Werte zur Folge haFen. Die aunkommende soziale Bewegung norderte auch die religiösen 0Ferzeugungen und die allgemein o-sitive Konnotation von Bescheidenheit und Sarsamkeit in der Denkweise der ländli-chen Bevölkerung in der ersten älnte des zwanzigsten ahrhunderts herausU

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Er nuhr einen Ashaltkocher und hat im Winter in den EntwässerungsgräFen gearFei-tet. Dann musste er der Gewerkschant Feitreten. FÅr seine evangelikale Familie war das eine SÅnde. Also haFen sie ihn genragtV oF er …etzt eine rote Socke geworden ist

ŸMannV geF. 1923 .

Trotz des Vorhandenseins von gemeinsamen kulturellen Narrativen ÅFer die Vergan-genheit ondet sich in den Erzählungen der alten eute …edoch keine einheitliche

Inter-retation der EÊistenz. Tatsächlich giFt es etliche Beisiele nÅr den Zusammenrall von Werten aungrund unterschiedlicher religiöserV olitischer und sozialer Bindungen.

In den Behausungen armer andarFeiter oder FischerV aun den BauernhönenV in den FÅrgerlichen Zirkeln der Städte und in der ArFeiterschicht giFt es …eweils mehrere e-Fensweisen und mehrere Interretationen der EÊistenz. Die nachFarschantliche Nähe und interersonale Interdeendenz korresondieren mit den wahrgenommenen sozi-alen Unterschieden zwischen denenV die wohlhaFend waren und helnen konntenV und denenV die arm waren und ilne mit der geFotenen Demut anzunehmen hatten. Zwar Filden sich Werte und Einstellungen hautsächlich aungrund der eFensFedingungen und -umstände in den verschiedenen gesellschantlichen Gruen in unterschiedlichen lokalen KonteÊten herausV aFer es onden sich durchaus auch Beisiele nÅr Wertekon-qikte innerhalF einzelner Familien. Soziale Unterschiede hatten einen großen Einquss aun die Bildungsmöglichkeiten.130 Erzähler aus armen Familien Ferichten davonV wie sie Fereits in …ungen ahren ihr Zuhause verlassen musstenV um ArFeit zu suchen.

Die Bildung an den Dornschulen war ont ziemlich dÅrntigV und nur wenige hatten die MöglichkeitV eine weiternÅhrende Schule zu Fesuchen. InsFesondere Frauen Feklagen sich darÅFerV dass ihnen die Möglichkeit zur WeiterFildung verwehrt wurde.

Eine gewisse Resignation FezÅglich der eFensumstände kennzeichnet die kultu-rellen Erzählungen vieler Frauen. Die traditionale Gesellschant war aun die Familie angewiesen. Wir hören von …ungen FrauenV die ihre Keuschheit verteidigen mussten und zur leichten Beute wurdenV soFald sie außerehelich schwanger wurden. Es gaF …eweils unterschiedliche moralische Regeln und Verqichtungen nÅr Männer und nÅr FrauenV schlechteren Zugang zu Bildung nÅr FrauenV und von unverheirateten weiF-lichen Angehörigen wurde erwartetV dass sie die Familie wenn nötig unterstÅtzten.

Die resignative Einstellung angesichts von durch Geschlecht und soziale Schicht Festimmten eFensFedingungen und -umständen nÅhrt zu einer Interretation der EÊistenzV die die Verantwortung nÅr Ernolg oder Missernolg aun die Schultern einer kollektiven Grue verteilt und so dem Einzelnen einen Teil des MakelsV im eFen zu wenig erreicht zu haFenV aFnimmt. Wenn sie ihr eFen und ihre eistungen rÅck-Flickend FewertenV sagen viele der älteren ErzählerU «So haFen andarFeiter halt damals geleFtl¬ oder «So waren eFen die Umständel¬ «FÅr Frauen war das nicht möglich.¬ Eine Erzählung ÅFer das BemÅhenV unter sehr schwierigen äußeren Um-ständen zurechtzukommenV wertet das Individuum sogar aunV da ersönlicher Ernolg oder Missernolg nicht nur eine Frage der eigenen eistungen ist. Die t˝ische

Kono-130 In dieser Hinsicht deckt sich dieses Ergebnis meiner Forschung stark mit Antikainen u.a. (vgl.

1996).

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guration einer eFensgeschichte aus dieser Generation wäre nolgendeU Trotz harter und widriger Bedingungen kamen wir zurechtºhaFen wir es geschanntºging es uns gut j weil wir hart gearFeitet haFenV einnach und sarsam leFten und ÅFer einen starken Gemeinschantssinn vernÅgten.

Eine andere interessante Konse§uenz dieser Interretation des traditionellen e-Fens Fetrinnt die Beziehung zwischen Eltern und Kindern. AFgesehen von der aFend-lichen DämmerstundeV die eine Pause zum SielenV Geschichten erzählenV Tanzen oder einnach nur zum stillen Zusammensein FotV hatten viele Kinder die meiste Zeit AungaFen zu ernÅllenU Sie mussten arFeiten und den Erwachsenen helnen. Und doch sind die einzigen ErzählerV die im RÅckFlick aun diese Kindheit davon srechenV sich nicht gewollt genÅhlt zu haFenV die…enigenV die nicht gemeinsam mit ihren Eltern aungewachsen sind. Die meisten hatten das GenÅhlV geFraucht zu werdenV und viele srechen aun sehr ositive Weise von dem GenÅhlV mitzuarFeiten und Teil einer Ge-meinschant zu sein.

Die große Bedeutung von Gemeinschant und Zusammenhalt sticht aus allen Er-zählungen ÅFer die Vergangenheit hervor. Sozialisten und iFerale Feschwören glei-chermaßen das GemeinschantsgenÅhl der Vergangenheit und Fringen ihre Sorge ÅFer den zunehmenden Egoismus und die wachsende Isolation im modernen Wohlnahrts-staat zum Ausdruck. äuog ondet sich eine amFivalente altung zum «Pro…ekt der Moderne¬V einschließlich der Angst vor einer gloFalisierten und nremden Welt. Dies ist insFesondere in den Gegenden der FallV in denen die vergangene Welt eine sehr enge war. Es giFt Angst vor Isolation in einer ZeitV in der alle so Feschäntigt zu sein scheinen und alles sich so rasant verändert. Einige ErzählerV die die Ernahrung der Armut gemacht haFenV äußern sich …edoch auch loFend ÅFer die VerFesserung der materiellen eFensFedingungenV den Fortschritt und die verFesserten Bildungsmög-lichkeitenV nicht zuletzt nÅr Frauen.

Wir haFen den Acker immer mit Pnerden geqÅgt. Diese ganze moderne Technik hat den dänischen Bauern kautt gemacht. FrÅher waren die eute glÅcklichV wenn sie mit einer ArFeit nertig waren. Wir haFen gesagtU«GottseidankV…etzt haFen wir das geschannt¬. eute werden sie niemals nertig. Sie sind die ganze Zeit FeschäntigtV weil sie all diese mechanischen ilnsmittel haFenV und das ist teuer. eute giFt es viel mehr RoutinearFeit. Die eute haFen mehr andV aFer niemandenV der ihnen hilnt. Und sie nutzen es gar nicht so gut. Beim PqÅgen kommt man nicht Fis in die äußersten Ecken.

Ich haFe die Ecken immer von and mit dem Saten umgegraFen. AFer das macht man heute nicht mehr. FrÅher wurde alles genutztV und wir waren dankFarer ŸMannV geF. 1906VFenragt im Alter von 84 ahren .

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