Kammern der pharmazeutischen Industrie?
piefreiheit wie überhaupt ein frei- heitlich organisiertes Sozial- und Ge- sundheitswesen gewährleisten. Fer- ner ist eine weitgehend dezentrale Planung zu installieren und eine Mit- sprache der Klinikträger ebenso wie der Krankenhausberufe zu garantie- ren. Ein adäquates Finanzierungssy- stem ist dringend erforderlich, um die gröbsten Mißstände und Fehl- steuerungen abzustellen. Die staat- liche „Anschubfinanzierung" und die Umstellung der Krankenhausfinan- zierung auf reine Monistik (durch Krankenkassen) wären überfordert, um den dringlichen Sanierungsbe- darf von 25 bis 30 Milliarden DM (oder rund fünf Milliarden DM jähr- lich) aufzubringen.
Bei aller Rücksichtnahme auf
„historisch gewachsene Strukturen"
in der DDR muß es dennoch ver- wundern, daß Forderungen nach ei- ner personalen Verzahnung ebenso wie das Recht des Patienten auf freie Krankenhauswahl und freie Arzt- wahl nur am Rande oder überhaupt nicht erwähnt werden. Dies ist um so erstaunlicher, als gerade in den Grundsatzpapieren bereits etablier- ter und gewählter Ärzteorganisatio- nen in der DDR die Prinzipien der freien Arztwahl und der Niederlas- sungsfreiheit hochgehalten werden und der Westen hierbei als vorbildlich und nachahmenswert gelobt wird. Die im DKG-/DDR-Strategiepapier ge- forderte Verzahnung bei der Nutz- ung/Mitbenutzung von Großgeräten und die zumindest vorübergehende Prädominanz von Fachambulanzen/
Polikliniken deuten doch darauf hin, daß die Krankenhäuser und die Poli- kliniken als Institutionen die Inte- grierer und zentralen Patientenver- sorger sein sollen.
Ist das Recht auf freie Arztwahl und das Recht auf Inanspruchnahme von ärztlichen Wahlleistungen und zusätzlichen Komfortleistungen im Krankenhaus schon „geistig abge- hakt worden"? Doch noch ein wenig
„Sozialismus"-Bedürfnis? Unter wel- chen Konditionen sollen „geeignete"
Klinikärzte in Zukunft an der kas- senärztlichen Versorgung in der DDR teilnehmen dürfen, damit sie zugleich eine ausreichende Basis für eine Lebensstellung als Kranken- hausarzt erhalten? HC
Der Titel eines neuen Buches aus dem Deutschen Ärzte-Verlag läßt aufmerken: Kammern, wie wir sie mit den Freien Berufen, allenfalls mit dem Handwerk in Verbindung bringen, auch für Unternehmen der pharmazeutischen Industrie? Eine Selbstverwaltung der arzneimittel- herstellenden Firmen durch Körper- schaften des öffentlichen Rechts?
Der Autor, Professor J. F. Volrad Deneke, Präsident des Bundesver- bandes der Freien Berufe, ist der Be- rufene, die Möglichkeiten, den Nut- zen und die Nachteile einer solchen Konstruktion zu analysieren und darzulegen.
Nach minutiöser Bestandsauf- nahme des Arzneimittelmarktes und einer klugen Darstellung der Gestal- tungsmöglichkeiten mit allen denk- baren Ubergangsproblemen und Folgewirkungen stellt die Expertise zwölf Thesen zur Diskussion. Von denen sind hier nur einige wiederge- geben, die die Absicht des Verfas- sers am deutlichsten kennzeichnen, nämlich als eine „provokative"
Handreichung zur Diskussion.
Die dritte These:
Eine Kammer der Arzneimittel herstellenden pharmazeutischen Un- ternehmen könnte durch die Auf- sichtsbehörde zu genehmigende Richtlinien für die Kennzeichnungs- pflicht für Fertigarzneimittel, für die Gestaltung der Vorschriften zur Fachinformation und für die ent- sprechenden Bestimmungen gemäß Ermächtigung nach § 12 des Arznei- mittelgesetzes erlassen und deren Durchführung überwachen, gegebe- nenfalls mit Hilfe von Sanktionen durchsetzen. Sie könnte damit zur Verbesserung der Arzneimittelsi- cherheit beitragen.
Die vierte These:
Eine Kammer der Arzneimittel herstellenden pharmazeutischen Un- ternehmen könnte Richtlinien zur Gestaltung der Arzneimittelwerbung erlassen und deren Durchführung mit Hilfe von Sanktionen gewährlei- sten, selbstverständlich unter der
Voraussetzung der Möglichkeit ge- richtlicher Nachprüfung von Sankti- onsentscheidungen. Nur durch Kör- perschaften öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft und Sanktions- möglichkeiten sind Gestaltung und Überwachung der Werbung als Qua- litätssicherung durch Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit in der Arznei- mittelinformation als wirksame Selbstkontrolle des Berufsstandes bzw. Wirtschaftszweiges durchführ- bar. In Verbindung mit der Durch- setzung von Lauterkeit in der Wer- bung könnten möglicherweise die Marketingkosten gesenkt werden.
Die fünfte These:
Eine Kammer der Arzneimittel herstellenden pharmazeutischen Un- ternehmen kann die Überwachung der Berufsausbildung und der Berufs- ausübung der Pharmakanten und Pharmareferenten sowie die Fortbil- dung der Herstellungsleiter, Kon- troll-Leiter, Vertriebsleiter und aller Mitarbeiter der Mitgliedsunterneh- men übernehmen. Sie dient damit der Qualitätssicherung in Herstel- lung und Vertrieb der Arzneimittel.
Und die zwölfte These:
Ein Multiplikationseffekt könn- te dadurch bewirkt werden, daß mit den benachbarten Körperschaften der Apotheker, Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte auf gleicher Ebene, gleichsam in wechselseitiger "Amts- hilfe" kooperiert wird. Synergieef- fekte können von der Komplettie- rung des Systems staatlicher Deregu- lierung durch Selbstverwaltung im System der sozialen Sicherheit er- wartet werden. Die Regierung wird dadurch von ihrer Verantwortung, für eine leistungsfähige, d. h. auch innovationsfähige Arzneimittelindu- strie die notwendigen Rahmenbedin- gungen vorzuhalten, nicht entlastet, gleichgültig wie die Ressortkompe- tenzen geordnet sind.
Stoff genug also für eine breitge- fächerte
Diskussion . . . DA
*) J.F. Volrad Deneke: Kammern der pharma- zeutischen Industrie, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, 1990, 116 Seiten, kartoniert, 38 DM Dt. Ärztebl. 87, Heft 25/26, 25. Juni 1990 (23) A-2035