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Zwischenfazit der eigenen Argumentation: Für einen Arbeitsteilungspluralismus

Im Dokument Ruth Abramowski Das bisschen Haushalt (Seite 174-182)

Koppetschs Differenzierung zwischen Liebe und Partnerschaft

7. Zwischenfazit der eigenen Argumentation: Für einen Arbeitsteilungspluralismus

Wenn wir uns die Frage stellen, inwiefern die Modernisierung zu mehr Gendergleichheit und dadurch auch zu einer Zunahme des Partnerschaftsko-des in Paarbeziehungen führt, kann festgehalten werden: Keineswegs ist das skandinavische Modell als erstrebenswertes Modell sämtlicher europäischer Länder zu erachten, gilt es doch zumindest kulturelle Unterschiede zu beden-ken. Auch die Frage des Adult Worker Modells ist zu diskutieren: Zweifellos sind die Interessen und Wünsche von Frauen, die durchaus höchst heterogen sind, zu berücksichtigen. Dennoch haben sich in westlichen Industrieländern eine „adult worker-Norm“ (auch wenn diese zunächst nichts über Ungleich-heiten zwischen Erwerbstätigen und die geschlechtsspezifische che Arbeitsteilung aussagt) ebenso wie eine Norm zur egalitären innerhäusli-chen Arbeitsteilung etabliert, die nicht entstanden wären, wenn die individu-ellen Interessen diesen mehrheitlich widersprechen würden (Leitner et al.

2004: 13). Auf der theoretischen Ebene geht es nicht darum, dass alle Frauen einem einzigen Ideal „hinterherhinken“, sondern darum, dass nach Sens Ide-alfall die Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, aus denen je nach Interesse gewählt werden kann, wodurch ein pluralistisches Egalitätskonzept ermöglicht wird. Dieses pluralistische Verständnis widerstrebt der (Re-)Kommodifizierungspolitik,

„[…] ohne jede Rücksicht auf die Besonderheiten der zu "kommodifizierenden"

Individuen (wie z.B. Qualifikation, Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt, Machtressourcen) deren Integration [in den Arbeitsmarkt] zu erzwing[en], […]

[wodurch] die Möglichkeiten von Lebensentwürfen jenseits der (vollzeitigen) Erwerbsarbeit erheblich eingeschränkt“ werden (Leitner et al. 2004: 15).

Stattdessen wird die Freiheit zur Handlungswahl betont, ferner die Wahlfrei-heit von Lebensentwürfen. Während beispielsweise für den Einen oder die Eine die Idealvorstellung eine berufliche Karriere ist, ist für den Anderen oder die Andere die Zuwendung zur Familie der idealtypische Lebensent-wurf. In dieser Hinsicht kritisiert Ostner zu Recht, dass es einsinnig ist,

„agency inequalities“ auf die Erwerbstätigkeit zu beziehen. Ferner stellt sich die Frage, warum überhaupt dieses „Oder“ zwischen der Gleichheits- und Differenzargumentation (s. Wollstonecraft-Dilemma) von Nöten ist. Durch Sens Argumentation kann dieser Dualismus überwunden werden. Doch ist die Debatte der Abhängigkeit ausschließlich im Sinne einer zugeschriebenen, interpretativen sozialen Konstruktion zu verstehen? Ostner argumentiert anhand des Beispiels der USA100, dass trotz eines

ZweiverdienerInnen-100 1993 argumentierte Ostner, dass kein Wohlfahrtsstaatsregime in der Lage ist, die Prob-lematik zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit adäquat zu lösen: „[…] no modern

so-Modells einkommensarme und überschuldete Haushalte wie auch finanzieller Bankrott zunehmen, sofern eine/r der beiden PartnerInnen arbeitslos wird, weshalb dieses Modell beide PartnerInnen „zusammenzwingen“ würde. Inso-fern würde das „adult worker model“ zu neuen Formen der Abhängigkeiten zwischen den Geschlechtern führen (Ostner 2004b: 57). „Diese sind zwar frei zu handeln, aber bleiben wie bisher auch ökonomisch aufeinander verwiesen“

(Ostner 2004b: 57). Doch kann die empirische Zunahme von ökonomischen Ungleichheiten allein die Grundlage zur Ablehnung einer „theoretisch erstre-benswerten Gendergleichheit“ darstellen? Ist die Entwicklung, die in den USA zu beobachten ist, nicht vielmehr eine Frage der Umsetzung entspre-chender Policies, vornehmlich von minimalen Sozialleistungen? Werden hier nicht sowohl theoretisch als auch empirisch unterschiedliche Dimensionen sozialer Ungleichheit („class“ und „gender“) vermengt, die Korpi zwar ver-suchte, in einen Zusammenhang zu bringen, der jedoch insbesondere durch Asymmetrie gekennzeichnet ist? Kann das Zwei-verdienerInnen-Modell die Hauptursache minimaler Sozialleistungen sein? Wie Ostner annimmt vermag die Abhängigkeit eine soziale Konstruktion, eine Interpretation zu sein, die von Betroffenen womöglich als Freiheit erlebt wird. Doch spätestens im Falle einer Trennung der Paarbeziehung könnte die „interpretierte Abhängigkeit“

für den nicht-erwerbstätigen Partner bzw. die nicht-erwerbstätige Partnerin zum empirischen finanziellen Problem werden. Davon abgesehen, dass die ehemals im Haushalt tätige Person nach einer längeren Erwerbsunterbre-chung womöglich Schwierigkeiten hat, wieder in das Erwerbsleben zurück-zukehren, um ihren Lebensunterhalt zu sichern (s. Kritik an der Austausch-theorie von Blau).

Die Egalitätsnorm ist hier zu verstehen als eine Erwartung der Gleichstel-lung der Geschlechter in sämtlichen Bereichen, wie beispielsweise im Er-werbsleben; sie setzt eine Chancengleichheit der Geschlechter auf – um bei diesem Beispiel zu bleiben – Erwerbsbeteiligung voraus und ist nicht zu verwechseln mit der anthropologischen Annahme der Gleichheit der Ge-schlechter. Ferner sind für die Argumentation des Machtansatzes die Ermäch-tigungschancen innerhalb eines Handlungsspielraumes sowie die Positionen von Individuen maßgeblich, weil „[…] die Teilnahme an jedem der sozialen

ciety has really suceeded in solving the problem of dependence and independence: many people will always need to looked after by carers; nobody can live an independent, self-sufficient life from birth to death. The various welfare regimes are different but always flawed with regard to this issue. Each of them has its own contradictions“ (Ostner 1993:

115). Zu Recht nimmt sie an, dass im gesamten Lebenslauf betrachtet immer Phasen von Abhängigkeiten bestehen. Es gilt jedoch auch unterschiedliche Abstraktionsniveaus zu be-rücksichtigen. Ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen zwei Personen weist einen niedrige-ren Abstraktionsgrad auf als ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen einer Person und dem Wohlfahrtsstaat. Im ersten Fall sind konkrete Erwartungen an eine Person gerichtet, die nicht ohne weiteres auf eine andere Person übertragen werden können, wodurch das Ab-hängigkeitsverhältnis verschärft wird.

Felder heißt, eine Position in dessen Binnenstruktur zu besetzen und die an diese geknüpften Rollenerwartungen beantworten zu müssen“ (Krüger/Levy 2000: 382). Letztlich manifestieren sich Normen je nach Kontext und Inter-pretation der Individuen teils mehr, teils weniger in Einstellungen.

Wie entsteht die Diskrepanz zwischen egalitärer Einstellungs- und devi-anter, traditioneller Verhaltensebene? Ein möglicher Erklärungsansatz ist das bereits erläuterte agency gap nach Hobson (2011). Diese Fragestellung zielt außerdem auf die nach Giddens (1992) definierte Strukturierung ab – einen weiteren möglichen Erklärungsansatz bietet das „Cultural Lag“. Der Begriff des „Cultural Lag“ wurde maßgeblich von William F. Ogburn geprägt.

„Eine kulturelle Phasenverschiebung [Cultural Lag] findet statt, wenn von zwei miteinander in Beziehung stehenden Kulturelementen das eine sich eher oder in größerem Maße verändert als das andere, so daß [sic!] der Grad der Anpassung zwischen den beiden Elementen geringer wird als zuvor“ (Ogburn 1969: 134).

Vorausgesetzt wird, dass Veränderungen in ungleichen Zeitintervallen auftre-ten (Ungleichzeitigkeit des strukturellen und kulturellen Wandels), wobei die unabhängige Variable „technischer, ökonomischer, politischer, ideologischer oder beliebig anderer Natur“ sein kann (Ogburn 1969: 140). Esping-Andersen et al. (2013) vertreten beispielsweise die These, dass verbesserte Verhütungsmethoden und neue Haushaltstechnologien zu einem ausgepräg-ten Interesse von Frauen an beruflichen Fähigkeiausgepräg-ten geführt haben und letzt-lich zur Institutionalisierung der Berufstätigkeit von Frauen als Norm beitru-gen (vgl. Esping-Andersen et al. 2013: 2f.). Schlussfolgernd aus dem Cultural Lag wird hier die These, dass die Abweichung zwischen Egalitätsnorm und Handlung ausschlaggebend von sozialen Strukturen beeinflusst wird, vertre-ten. „[…] Es ist von Bedeutung, soziale Strukturen als Variablen [für die Erklärung der Normentstehung] in Betracht zu ziehen“ (Opp 1983: 103). Aus historischer Perspektive hat die Entwicklung zu modernen marktwirtschaftli-chen Gesellschaftsformen eine Trennung von Familien- und Erwerbsleben herbeigeführt (bürgerliches Familienmodell als „Kind des Kapitalismus“), weil der „männliche Arbeiter“ von der „weiblichen Hausfrau“ im Hinblick auf Reproduktionsarbeiten entlastet wurde (obwohl es auch immer erwerbstä-tige Frauen, vornehmlich in der Arbeiter- und Dienstbotenschaft gab, sowie Kinderarbeit, wenn die finanziellen Verhältnisse nicht ausreichend waren) (vgl. Kreckel 1993: 54f.).

„Then came the industrial revolution. Its most important consequence was to separate the place where a man worked from his home. As a result, the members of the family no longer worked together and, as child-labor laws were passed, children became an economic liability instead of an asset” (Blood/Wolfe 1960:

3).

Kaufmann betrachtet die zunehmende Trennung von Haushalts- und Er-werbsarbeit ebenso als Folge der Industrialisierung und bezeichnet die

Sepa-ration als „[…] die wohl einschneidenste Veränderung der familialen Le-bensverhältnisse“ (Kaufmann 1990: 20). Die strukturelle Schwachstelle des Kapitalismus ist, dass die Reproduktion von menschlichen Arbeitskräften marktextern erfolgen muss. Um diese Schwachstelle zu überbrücken, werden Familienhaushalte, allen voran die Spezialisierung der Frauen auf die Repro-duktionsarbeit benötigt (vgl. Kreckel 1993: 55). Angenommen wird hier, dass die weiterführende Tertiarisierung (Strukturwandel von Industrie- zu Dienst-leistungsgesellschaften) zu einer zunehmenden Erwerbsbeteiligung von Frau-en als TrFrau-end im Modernisierungsprozess geführt hat101, außerdem ein Zu-sammenhang zwischen außerhäuslicher Erwerbstätigkeit und innerhäuslicher Hausarbeit besteht102, folglich genderspezifische Hausarbeitsarrangements als nachhinkender Teil der kulturellen Phasenverschiebung zu erachten sind.

Doch ist eine absolute Egalität auf der Verhaltensebene in der Empirie eine Utopie, die nicht ausnahmslos erreicht werden kann, gleichwohl eine Orien-tierung an der Egalitätsnorm zu bestehen scheint. Modernisierungsprozesse verändern Strukturen, Normen wie auch Werte und sind dennoch nicht als lineare Entwicklungspfade zu betrachten, sondern können multiple Verhal-tensweisen hervorrufen. So kann ein Streben nach der Egalitätsnorm zu ei-nem Trend respektive einer Annäherung an egalitäre Arbeitsteilungsarrange-ments führen, ist jedoch nicht als hinreichende Bedingung zu verstehen. Aus der hier vertretenen Perspektive müsste die Diskrepanz zwischen Einstel-lungs- und Verhaltensebene im Laufe des sozialen Wandels an Bedeutung verlieren, was nicht zwangsläufig in einer vollkommenen kongruenten An-passung der beiden Ebenen münden muss. In Beat Fux Worten bedeutet dies:

„Wenn wir den Versuch unternommen haben, die langfristige Entwicklung fami-lialer Leitideen und Lebensformen, der Fertilität und der Familienpolitik mit den Mitteln der quantitativen und qualitativen empirischen Sozialforschung zu rekon-struieren, dann leitete uns der Gedanke, daß [sic!] soziale Prozesse keineswegs gradlinig und ebensowenig konfliktfrei vonstatten gehen“ (Fux 1994: 373).

Gershuny/Fisher stellen beispielsweise im Zeitverlauf zwischen 1960 und 2005 eine Annäherung von Arbeitsmustern der Geschlechter (zunehmende Beteiligung von Frauen an bezahlter Arbeit und Abnahme der von Frauen verrichteten unbezahlten Arbeit) in europäischen, nordamerikanischen und

101 Demzufolge ist auch ein Rückgang von Müttern, die dauerhaft nicht erwerbstätig sind sowie ein Rückgang von Frauen mit dauerhaften Erwerbsunterbrechungen zu verzeichnen (vgl. Baumgartner/Fux 2004: 117). Außerdem kommt das traditionelle duale Model respek-tive Breadwinner-Modell (Mann Vollzeit, Frau nicht erwerbstätig) meist nur noch während der Familienphase mit Kleinkindern zur Anwendung und letztlich steigt der Anteil an teil-zeiterwerbstätigen Müttern (vgl. Baumgartner/Fux 2004: 122).

102 Trotz des Trends zur Erhöhung des Teilzeiterwerbspensums „[…] korrespondiert die Müttererwerbstätigkeit immer mit der familialen Situation und verhält sich komplementär dazu. Der Erwerbsumfang wird dem Alter des Kindes angepasst“ (Baumgartner/Fux 2004:

125).

pazifischen Demokratien fest (vgl. Gershuny/Fisher 2014: 2). Dennoch wird der größte Anteil der unbezahlten Arbeit von Frauen ausgeführt, wobei sich aus der Summe der Arbeit aus bezahlter und unbezahlter Tätigkeiten („iso-work“) eine ähnliche Arbeitszeit zwischen den Geschlechtern ergibt – eine

„unequal sort of equality“ (Gershuny/Fisher 2014: 18). Ferner gilt es zu be-denken, dass Verhaltensweisen auch von dynamischen lebenslaufzyklischen Institutionenstrukturierungen abhängig sind, die ggf. einer egalitären Organi-sation im Wege stehen. Darüber hinaus sind kulturelle Unterschiede zwi-schen Regionen zu erwarten, die dazu führen, dass die innerhäusliche Ar-beitsteilung in einigen Regionen egalitärer als in anderen organisiert ist.

Gleichwohl ist aktuell für europäische Regionen keineswegs eine egalitäre innerhäusliche Arbeitsteilung anzunehmen. Insofern ist auf der Verhaltens-ebene davon auszugehen, dass traditionelle Rollenbilder ihren Stellenwert trotz Modernisierungsprozessen beibehalten können oder sogar an Bedeutung gewinnen. Ein Verständnis von Modernisierungsprozessen, die Einfluss auf Einstellungen und Verhaltensweisen von Individuen nehmen, erfordert einen komplexeren Bezugsrahmen als eine rein lineare Funktion. Erinnern wir uns an Sen: wenn beiden PartnerInnen innerhalb der Paarbeziehung im Sinne der Pluralität jegliche Handlungsmöglichkeiten eröffnet werden, kann auch eine als traditionell bezeichnete Arbeitsteilung egalitär sein (im Sinne einer plura-listischen Egalitätskonzeption), sofern diese zum well-being beider beiträgt, weil es nicht darauf ankommt, für welche Alternative sich das Paar entschei-det, sondern dass die Auswahlmöglichkeiten für beide zur Verfügung stehen.

Stehen die Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung, so gilt es den Paaren ihren eigenen Entscheidungsfreiraum zu gewähren, über ihren Lebensweg selbst zu bestimmen. Martha Nussbaum verdeutlicht dies u. a. durch ihre Antwort auf das „Argument von der Kultur“:

„Traditionelle Kulturen, so das Argument, haben ihre eigene Norm darüber, wie das Leben von Frauen auszusehen hat [Bescheidenheit, Unterwürfigkeit, Gehor-sam, Selbstaufopferung] […]. Meine vollständige Antwort auf dieses Argument wird aus meinem eigenen Vorschlag hervorgehen, der sicherlich keine Wahlmög-lichkeit einer Frau, ein traditionelles Leben zu führen, ausschließt, solange sie ganz sicher bestimmte wirtschaftliche und politische Chancen hat“ (Nussbaum 2003: 13).

Die Idee der Selbstbestimmung über den eigenen Lebensweg erfordert so-wohl Grundfreiheiten als auch „Formen wirtschaftlicher Ermächtigung, die entscheidend dazu beitragen, dass die Freiheiten für die Menschen wirklich verfügbar sind“ (Nussbaum 2003: 16, Hervorhebungen durch die Verf.).

Eine kritische Betrachtung von Koppetschs Beziehungskodes

Es wird keineswegs in Abrede gestellt, dass Liebe und Partnerschaft unter-schiedlichen Beziehungslogiken folgen und Liebe Ungleichheiten zulässt.

Diese Feststellung ändert jedoch nichts an der strukturell schwächeren

Posi-tion, „[…] welches auch immer die konkreten Positionen und Ressourcen sein mögen“ (Krüger/Levy 2000: 391). Auch wenn eine schwächere Position hingenommen wird, so ist dennoch im Sinne Sens eine strukturell gleichwer-tige Position zu ermöglichen. Wie und ob diese umgesetzt wird, bleibt letzt-lich wiederum den individuellen Interessen überlassen. Wiedermal (s. hierzu den bereits beschriebenen Masterstatus nach Levy) wird die innerhäusliche Arbeitsteilung als vermeintlich individuelle Privatentscheidung interpretiert und damit als Verdeckungsphänomen verschleiert – Strukturblindheit geför-dert (vgl. Krüger/Levy 2000: 389).

Ob ein Austausch im Sinne der Liebe oder im Sinne der Partnerschaft er-folgt, ist wenigstens auf die Handlungsmotive der betroffenen Akteure, Handlungsrestriktionen und die Logik der Situation zurückzuführen. Es kommt dabei nicht darauf an, wer, d. h. ob Frau oder Mann, eine Gabe ver-schenkt. Vielmehr ist von Bedeutung, dass beiden die Verwirklichungschan-ce eines Gabentauschs sowohl in der GeberInnen- als auch in der NehmerIn-nenposition ermöglicht wird.

Die dargestellte Annahme Koppetschs, dass die von ihr eingebrachte Ga-be der innerhäuslichen HausarGa-beiten heute nicht mehr erlaubt sei, impliziert die These, dass in der Vergangenheit die durch die Frau verrichteten Hausar-beiten überwiegend Gaben darstellten. Dem ist eine auf Partnerschaft ausge-richtete Tauschlogik – verausge-richtete Hausarbeiten der Frau gegen finanzielle Absicherung der Frau durch ihren Mann – zu entgegnen, wie sie im bürgerli-chen Familienmodell als „systematische Begleiterscheinung des modernen Kapitalismus“ vorgesehen war (Kreckel 1993: 54). Zu hinterfragen bleibt, inwiefern überhaupt eine einzige Austauschlogik für eine spezifische Epoche angenommen werden kann oder ob nicht ohnehin mehrere Austauschtypen anzunehmen wären. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwiefern eine wie-derholte Gabe eine Gabe bleibt, selbst wenn sie routiniert wird?

Weiterhin gilt es eine grundlegende Streitfrage, die der Selbstverwirkli-chung beider Geschlechter nach dem Modell männlicher Autonomie, zu diskutieren. Das Modell männlicher Autonomie, das häufig auf die Berufs-karriere bezogen wird, ist ebenso wie die von Ostner thematisierte Abhängig-keit ein soziales Konstrukt. Vielmehr handelt es sich um einen Bereich, der auf zugeschriebener Männlichkeit beruht. Es ist eine Anmaßung, allein die-sen Bereich der Männlichkeit zuzuschreiben, wodurch Männern in der Folge die Handlungschance, im innerhäuslichen Feld tätig zu werden, indirekt ver-wehrt wird. Zugleich wird Frauen qua Semantik die Handlungschance ge-nommen, eine berufliche Selbstverwirklichung zu entfalten. Die geschlechts-spezifische Zuschreibung führt zu einer Einschränkung der Verwirklichungs-chancen und damit zu einer Verschärfung von Ungleichheiten.

„[…] genauso wenig läßt [sic!] sich aus dem abstrakten Geschlechterverhältnis die eindeutige empirische Zuordnung von Männern oder Frauen zu einer

be-stimmten Arbeitsform, also: zu Beruf oder Hausarbeit, herleiten“ (Kreckel 1993:

59).

Beiden Geschlechtern sind sowohl der außerhäusliche als auch der innerhäus-liche Bereich zu öffnen. Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann selbst ein Male-Breadwinner-Modell als egalitär (im Sinne einer pluralisti-schen Egalitätskonzeption) interpretiert werden, sofern ein Pluralismus der Arbeitsteilungsarrangements besteht. Zu wiederholen sei auch nochmals die Argumentation von Korpi (2000), dass die Partizipation am Arbeitsmarkt die Verteilung von Ressourcen als Basis materieller Ungleichheiten, die Identität einer Person, den Rahmen, der Capabilities und Freiheiten in vielen anderen Lebensbereichen beeinflusst und die intrafamiliäre Verhandlungsmacht de-terminiert. Gershuny und Fisher argumentieren, dass aus einer soziologischen Perspektive „work […] is (1) intrinsically enjoyable for some, (2) a psycho-logical necessity for all, (3) an important determinant of individuals’ social positions, and (4) an essential constituent of social solidarity“

(Gershuny/Fisher 2014: 5). Insofern ist der Arbeitsmarkt auf einer theoreti-schen Ebene als geschlechtsunabhängig zu konstatieren. Wie auch Newman (allerdings in Bezug auf intergenerationale Beziehungen) feststellt, gilt es die dichotome Einschätzung der Familienorganisation als richtig oder falsch zu vermeiden:

„We are inclined to think that there is a right and wrong way to organize family relations […]. It is hard to avoid the temptation to shake our heads when encoun-tering a society in which family relations are either far more distant [in the case of Denmark and Sweden] or, in the case of Spain or Italy, much closer than ours”

(Newman 2012: 174).

Im Folgenden wird die Entwicklungsgeschichte einiger prägnanter Ansätze zur Soziologie der Machtverhältnisse dargestellt, bevor aus den oben ange-führten theoretischen Argumentationen eine Typologie der Machtverhältnisse (weiter-)entwickelt wird.

Im Dokument Ruth Abramowski Das bisschen Haushalt (Seite 174-182)