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Weiterführende feministische Kritik von Ostner

Im Dokument Ruth Abramowski Das bisschen Haushalt (Seite 154-158)

Diversität und Dynamik von Teilzeitarbeitsmodellen im historischen Entwicklungsprozess unterschiedlicher

5.7. Weiterführende feministische Kritik von Ostner

Auch Ilona Ostner (2004b) greift die Präferenzen von Frauen bezüglich des Erwerbsverhaltens auf und kritisiert weiterführend an Korpi, dass er eine theoretische und empirische Verknüpfung der Ungleichheitsdimensionen Gender, Class, Ethnicity und Alter versäume (vgl. Ostner 2004b: 45). Dieses Fehlen wird von Ostner als „Eigensinnigkeit der Perspektiven“ bezeichnet.

Die Integration der Interessen und Wünsche von Frauen müssten theoreti-scher und empiritheoreti-scher Bestandteil werden, um die Verengung des Blickfeldes auf die Erwerbstätigkeit zu umgehen.

„Mit "agency" sollen die Interessen der Frauen zwar erfasst werden. De facto aber, das zeigt die Analyse Korpis (2000), wird "agency" einsinnig als Erwerbs-fähigkeit verstanden, die handlungsleitenden Normen werden allein mit Blick auf diese eine Fähigkeit gewertet. Offensichtlich konfligiert die Heterogenität der Frauen mit der Homogenität der gewählten Perspektive“ (Ostner 2004b: 46).

Wie bereits gemäß dem Wollstonecraft’s Dilemma thematisiert, greift die Gleichheits-Argumentation u. a. die Frage der Abhängigkeit auf. Erwerbstä-tigkeit von Frauen sei notwendig, um finanzielle Unabhängigkeit vom Part-ner zu erzielen. OstPart-ner, die bereits 1978 die alltägliche Verschränkung zwi-schen Hausarbeit und Berufstätigkeit von Frauen thematisierte86, argumen-tiert, dass Abhängigkeit und Unabhängigkeit soziale Konstrukte, d. h. Ergeb-nis von Interpretationen seien. Vermeintlich Abhängige würden ihre zuge-schriebene Abhängigkeit möglicherweise als Freiheit erleben (vgl. Ostner 2004b: 49).

Aus einer spezifischen feministischen Perspektive, von der sich Ostner in dieser Debatte distanziert, solle das skandinavische ZweiverdienerInnen-Modell auf alle EU-Bürger/innen ausgedehnt werden (vgl. Ostner 2004b: 48).

86 Bereits im Rahmen ihrer Dissertation stellte Ostner (1978) die These des weiblichen Ar-beitsvermögens zur Begründung der geschlechtsspezifischen Berufsarbeit auf. Hausarbeit, als naturgebundene, naturwüchsige Tätigkeit, „[…] basiert auf Erfahrung und der Fähigkeit, Erfahrung intuitiv zu verwenden; sie verlangt Geduld und Beharrlichkeit. Diese Besonder-heit […] der Hausarbeit bestimmt nicht nur das weibliche Arbeitsvermögen […], sie struk-turiert auch die weibliche Berufswahl und Berufspraxis“ (Ostner 1978: 239)“. Anders for-muliert wird die Berufswahl durch das, einer spezifisch weiblichen Sozialisation zugrunde liegende, weibliche Arbeitsvermögen geprägt, weshalb Frauen überwiegend Hausarbeits- und familiennahe Berufe wählen. Ostner konstatiert weiterführend, dass trotz der Integrati-on vIntegrati-on Frauen in den Arbeitsmarkt die Verrichtung der Hausarbeiten vIntegrati-on ihnen erwartet werden würde, wodurch eine Doppelbelastung resultieren kann. Die Berufstätigkeit von Frauen sei der Logik des Arbeitsmarktes unterworfen: Ist nach der Marktlogik die Er-werbspartizipation von Frauen gefordert, werden sie integriert, andernfalls werden sie vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.

Insbesondere die deutsche Frauenforschung hat nicht nur auf die Geringschätzung und den blinden Fleck der Reproduktionsarbeit in der sozialwissenschaftlichen Forschung hinge-wiesen, sondern auch darauf aufmerksam gemacht, dass sich Haus- und Lohnarbeit unter-scheiden (in der Organisationsform privat/öffentlich und im Arbeitsgegenstand), deren Un-terscheidungspraxis die Identität von Frauen (mit) prägt (für einen Überblick des feministi-schen Diskurses der 1970er und 1980er Jahre s. Gottschall 2000: 137ff.). Hingegen wurden im anglo-amerikanischen Diskurs stärker die „Dual-Approach-Ansätze“ thematisiert, die von einer gleichzeitigen Koexistenz von Kapitalismus und Patriarchat als unterschiedliche, aber interagierende Herrschaftsformen ausgehen. Bei diesen Ansätzen steht deutlicher der Herrschaftscharakter der Verwiesenheit von Frauen auf die Reproduktionssphäre im Vor-dergrund (vgl. Gottschall 2000: 143; Gottschall 2018: 368f.). Zu nennen ist die renommier-te, komplexe Patriarchatskonzeption von Walby (1989, 1990a). In ihrer Theorie begreift sie das Patriarchat als männliche Vorherrschaft anhand der Dimensionen Hausarbeit, Lohnar-beit, Kultur, Sexualität, Gewalt und Staat (vgl. Walby 1989: 220). Des Weiteren differen-ziert Walby (1990a, 1990b) zwischen einer privaten und einer öffentlichen Form des Patri-archats. Das durch den Kapitalismus entstandene moderne Patriarchat versteht sie als öf-fentlichen Typus, weil nun der Patriarchalismus in der Lohnarbeit die dominierende gesell-schaftliche Struktur vorgebe und nicht mehr primär die männliche Vorherrschaft im Repro-duktionsbereich. Im modernen Patriarchat wird männliche Vorherrschaft vermehrt abstrakt und kollektiv ausgeübt und weniger individuell durch einzelne Männer. Frauen werden zwar nicht mehr grundsätzlich aus öffentlichen Sphären, wie der Politik oder der Lohnar-beit, ausgeschlossen, jedoch verläuft ihre Integration über Mechanismen der Unterordnung und Segregation.

Die Verengung der Perspektive würde auch nicht durch Korpis Versuch, Class und Gender in einem mehrdimensionalen Konzept von Ungleichheiten miteinander zu verbinden, aufgehoben87. Eine Erwerbsbeteiligungs-Norm für alle Frauen –unabhängig von subjektiven Interessen, Qualifikation oder gar kulturellen Länderunterschieden – würde erstrebt als wäre sie für alle Frauen von gleicher Bedeutung. Erwerbsbeteiligung wird unreflektiert als Indikator von „agency“ hingenommen. Um diesen „situativen Partikularismus“ zu umgehen, schlägt Ostner für eine Kontextualisierung des Lebens von Frauen vor, von unterschiedlichen Wünschen und Interessen auszugehen (vgl. Ostner 2004b: 54). Andernfalls würde die Heterogenität von Frauen mit der Homo-genität der feministischen Strategie verkoppelt, die Frauen als „Mittel zum Zweck einer egalitaristischen Sozialutopie“ mache (Ostner 2004b: 56).

„Sollen Frauen also lieber nicht berufstätig sein, Hausfrau und Mutter vor allem bleiben? Es wird zu schnell übersehen, daß [sic!] die strukturell erzeugte Privat-heit der Familie und die damit verbundenen gleichsam symbiotischen Beziehun-gen der Familienmitglieder, vor allem die von Mutter und Kind und die materiel-le und emotionamateriel-le Fixierung der Frau auf den Mann, der Frau ein SELBST ver-bietet. Die Arbeit der Frau ist nur „Aufopferung““ (Ostner 1978: 243, Hervorhe-bungen im Original; die Verf.).

Ostner unterstellt in ihrem Essay, dass sämtliche Aufsätze der vergangenen zehn Jahre in der Zeitschrift „Social Politics“ „Liebe“ als Beziehungscode durch den der „Partnerschaft“ abgelöst hätten und verweist auf Koppetschs Erklärung: Der Beziehungscode der Partnerschaft folge allgemeineren gesell-schaftlichen Werten, hingegen folge Liebe einer asozialen, ausschließenden Beziehungslogik, die Ungleichheiten zulasse. „Darin liegt für egalitaristische Weltverbesserer das Schockierende an der Liebesbeziehung“ (Ostner 2004b:

56). In Ostners – auf den Punkt gebrachten – Worten stellt Koppetsch fest,

„[…] dass nicht nur die "Liebe", sondern auch die "Partnerschaft" zur Reproduk-tion geschlechtsspezifischer Machtstrukturen beitragen, da gerade die partner-schaftliche Moral der kontraktionellen Reziprozität die Funktionsweise der Gabe (etwas für nichts) außer Kraft setzt ("Dein Problem!"; "Selber schuld'"), was wie-derum nur möglich ist, weil das im Partnerschaftsmodell vorgesehene Programm radikaler Individualisierung die Selbstverwirklichung beider Geschlechter nach dem Modell männlicher Autonomie vorsieht, die traditionelle Weiblichkeit also mit defizitärer Individualität gleichsetzt“ (Ostner 2004b: 58f., Hervorhebungen durch die Verf.).

87 „Die Verengung wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass Autoren wie Walter Korpi (2000) versuchen, soziale Schicht ("class") und Geschlecht durch ein mehrdimensionales und variablenreiches Konzept der sozialen und der Geschlechterungleichheit zu verbinden.

Die untersuchten Länder fallen bei Korpi – mit wenigen Abweichungen – wieder in die alt-bekannten Schubladen. Und die Erwerbsbeteiligung wird fraglos als Indikator für "agency"

gewertet. Der politische Impetus bleibt gleich: Berücksichtigung aller Faktoren, die die Er-werbsarbeit von Frauen zu fördern versprechen. Als ob ErEr-werbsarbeit für alle Frauen das Gleiche bedeutete“ (Ostner 2004b: 49).

6. Ein Abriss: Reziprozität, Liebe und Solidarität 6.1. „Ungleiche“ Liebe und „egalitäre“ Partnerschaft:

Koppetschs Differenzierung zwischen Liebe und

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