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Zum dynamischen Wechselverhältnis von

Im Dokument Ruth Abramowski Das bisschen Haushalt (Seite 78-81)

mehrdimensionalen Machtverhältnisse in Paarbeziehungen

3. Ein Spannungsverhältnis zwischen mikro- und makrosoziologischen Theorien zur Erklärung

3.2. Zum dynamischen Wechselverhältnis von

(gesamtgesellschaftlicher) Struktur und (individueller) Handlung – das Mikro-Makro-Problem im Allgemeinen

Das Mikro-Makro-Problem wird soziologisch auch als das „[…] Verhältnis von Struktur und Handlung, von Individualismus und Kollektivismus, von Determinismus und Voluntarismus, von Strukturalismus und Subjektivismus

[…] diskutiert“ (Heidenreich 1998: 229). Es können drei idealtypische Posi-tionen differenziert werden: Erstens kann der Handlung, zweitens der Struk-tur oder drittens dem Wechselwirkungsverhältnis zwischen Handlung und Struktur Vorrang eingeräumt werden. Indessen ist zu berücksichtigen, dass

„[…] a theoretically powerful sociological analysis must pay attention to both structural and micro-level issues“ (Blossfeld 1996: 181). Vornehmlich zwei Fragestellungen sind für das Mikro-Makro-Problem von Relevanz: Wie be-einflussen strukturelle und institutionelle Bedingungen (Situationsrahmun-gen) der Makroebene Werte und Einstellungen von Individuen (vgl. Heiden-reich 1998: 231)? Und: Wie führt das individuelle Handeln zu einer neuen sozialen Ordnung? Weder gesellschaftlich voraussetzungslose Handlungen noch eine Unabhängigkeit der Gesellschaft von sozialen Handlungen können als zusammenhangslos gedacht werden, sondern sind als zwei reflexive, sich wechselseitig reproduzierende Ebenen zu betrachten (vgl. Heidenreich 1998:

231).

„Mit dem Einbezug von Einstellungen und Werten zu den strukturellen Bedin-gungen hinzu soll eine einseitig strukturdeterminierte Betrachtung einerseits und eine voluntaristische auf Präferenzen beruhende Sichtweise andererseits vermie-den wervermie-den“ (Baumgartner 2008: 15).

Die Dynamik beruht auf der Reproduktion, dass einerseits individuelles Han-deln durch die Institutionalisierung von Verhaltensregeln einer sozialen Ord-nung geprägt ist, andererseits auf der Interpretationsfreiheit beruht, diese Regeln nicht als absolute Indoktrination, vielmehr als individuellen Hand-lungsspielraum zu erachten. Wäre diese Reproduktion nicht gegeben, wäre deviantes Verhalten niemals möglich. „Struktur darf nicht mit Zwang gleich-gesetzt werden: sie schränkt Handeln nicht nur ein, sondern ermöglicht es auch“; d. h. Akteure sind reflexionsfähig (Giddens 1992: 78). Giddens be-greift im Rahmen seiner Theorie der Strukturierung den dynamischen Pro-zess als „Dualität von Struktur“ – ein produktiver Lösungsansatz der Mikro-Makro-Problematik (Giddens 1992: 77).

„Konstitution von Handelnden und Strukturen betrifft nicht zwei unabhängig voneinander gegebene Mengen von Phänomenen – einen Dualismus –, sondern beide Momente stellen eine Dualität dar. Gemäß dem Begriff der Dualität von Struktur sind die Strukturmomente sozialer Systemen sowohl Medium wie Er-gebnis der Praktiken, die sie rekursiv organisieren“ (Giddens 1992: 77).

Wesentlich ist Giddens Differenzierung zwischen Struktur(en), System(en) und Strukturierung: Strukturen sind (latente) „Regeln oder Ressourcen“, Systeme basieren auf „reproduzierte(n) Beziehungen zwischen Akteuren oder Kollektiven, organisiert als soziale Praktiken“ und Strukturierung implemen-tiert die prozesshafte Dynamik von Strukturen, die sich verändern können, d.

h. „die Reproduktion sozialer Systeme bestimmen“ (Giddens 1992: 77). Ak-teure verfügen über ein (teils mehr, teils weniger implizites) Wissen von

Strukturen, zugleich auch über ein Handlungsvermögen, das eine Restruktu-rierung sozialer Systeme hervorrufen kann.

Verbunden mit dem Mikro-Makro-Problem ist auch die Frage, wie indi-viduelle Entscheidungen entstehen. Seit den 1980er Jahren ist eine „Explosi-on“ der „Theorie der rationalen Entscheidung (engl. Rational Choice)“ fest-zustellen, die insbesondere auf VertreterInnen wie James S. Coleman (1986) und Hartmut Esser (1990) zurückzuführen ist. Blossfeld kritisiert an diesen Theorien, dass der Rahmen („frame“) der Handlung zwar vorausgesetzt und als gegeben betrachtet, jedoch zu wenig reflektiert wird. Stattdessen würden Rational-Choice-Ansätze zu sehr danach streben, universale Theorien des Handelns zu generieren. Blossfeld schlägt vor, eine Präzision der Hypothesen mit geringerem Abstraktionsniveau vorzunehmen, eine stärkere Ausrichtung auf empirische Probleme zu fokussieren sowie die Entscheidungskontexte einschließlich des zeitlichen Wandels zu berücksichtigen.

„Thus, rational choice protagonists’ endeavour to find universal theories comes at a high price: theorizing does not arise out of concrete empirical problems any more and the suggested more specific hypotheses often become more or less arbi-trary. However, it is exactly these specific hypotheses that are of particular inter-est in any empirical study. They help the researcher to understand the situation or to predict individuals’ concrete actions, and they are the ‘variables’ that typically have to be assessed through empirical research” (Blossfeld 1996: 185, Hervorhe-bungen im Original; die Verf.).

Jede ertragreiche soziologische Analyse muss sowohl Struktur als auch Handlung reflektieren, doch nicht in einem statischen, sondern – so seine zentrale Schlussfolgerung – in einem zeitbezogenen, historisch-dynamischen Sinne. Der Zeitfaktor sei die wesentliche Komponente zwischen Mikro- und Makroebene. Ein Makro-Mikro-Rahmen muss die spezifischen historischen Strukturen und Prozesse identifizieren, die den Wandel einer bestimmten Gesellschaft dominieren und er muss die kausalen Mechanismen spezifizie-ren, die es ermöglichen, das Zusammentreffen von bewusst handelnden Indi-viduen mit dem „flow of history“ als eine Reihe von Wahlprozessen zu ver-folgen. Im Hinblick auf die empirische Analyse ist eine Errungenschaft, dass Längsschnittdaten durch entsprechende „neue“ Methoden analysiert werden können (Blossfeld führt diesbezüglich die „Event history analysis“ an, doch auch Mehrebenenmodelle für Paneldaten sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen), um Kausalität in ihrer zeitlichen Abfolge zu modellieren.

„Any macro-micro framework must recognize that time matters in this relation-ship. It must identify the particular historical structures and processes which dominate the changes occurring in a given population and it has to specify the causal mechanisms that allow us to trace the encounters of intentionally acting individuals with the flow of history as a series of choice processes. An important advance in this respect has been that longitudinal data can be studied by new sta-tistical methods in a stepwise time-related fashion” (Blossfeld 1996: 198).

Das Verständnis über ein dynamisches Wechselverhältnis von Mikro- und Makroebene ist ein relevanter Schritt einer mehrdimensionalen Konzeption von Machtverhältnissen, wie auch Krüger/Levy (2000) verdeutlichen.

3.3. Zur integrativen Funktion von Familie und Geschlecht

Im Dokument Ruth Abramowski Das bisschen Haushalt (Seite 78-81)