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Paarbeziehungen: Macht als mehrdimensionale Begriffskonstruktion

Im Dokument Ruth Abramowski Das bisschen Haushalt (Seite 192-195)

Macht ist ein Begriff, der bereits durch zahlreiche bedeutende Soziologen geprägt wurde; darunter hervorzuheben: Max Weber und Michel Foucault.

Ihre soziologischen Definitionen der Macht werden zunächst kurz erläutert.

Mit Hilfe der theoretischen Vorarbeiten werden weiterführend die Dimensio-nen der Macht hergeleitet.

9.1. Macht als Chance, den eigenen Willen durchzusetzen (Mikro)

Gemäß der einflussreichen Typologie von Max Weber sei unter Macht fol-gendes zu verstehen: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber 1972: 28). Herrschaft, in Abgrenzung zur Macht, sei „[…] die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“ (Weber 1972: 28).

Folglich sei Herrschaft eine institutionalisierte Form der Macht, die von spe-zifischen Personen Anerkennung findet. Weber argumentiert in der Tradition der Handlungstheorien aus mikrosoziologischer Perspektive; Machtkonstruk-te besMachtkonstruk-tehen innerhalb sozialer Beziehungen, in denen es darauf ankommt, die eigenen Interessen durchzusetzen. Insbesondere, wenn dieser Willen gegen den Willen des anderen bzw. der anderen spricht, ist die Beziehung machthal-tig. Eine mehrdimensionale Betrachtung von Macht wird im Gegensatz zu Weber von Foucault betont.

9.2. Macht als multidimensionales Kräfteverhältnis (Mikro/Makro)

Während die Argumentation Webers auf der Individualebene anzusetzen ist, ist der Machtansatz von Foucault „dispositiv“107 (Foucault 1978: 119f.).

107 „Was ich unter diesem Titel festzumachen versuche ist erstens ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Ent-scheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen,

philoso-Foucault beschreibt in seiner „Genealogie des Staates“ drei Prämissen, die für die Konzeption des Machtbegriffes zentral sind. Zum ersten sei Macht ein multidimensionales Kräfteverhältnis, das durch eine Vielzahl von Tech-niken seinen Ausdruck findet. Beispielsweise greifen Mächte staatlichen Typs (zur Regierung des Staates siehe Foucaults „Gouvernementalität“, zur Regulierung der Bevölkerung den Begriff der „Bio-Macht“108) und Mächte familialen Typs insoweit ineinander, wie sie ihre Spezifität bewahren können (vgl. Foucault 1978: 112).109

Zum zweiten bestehe eine „Allgegenwart der Macht: nicht weil sie das Privileg hat, unter ihrer unerschütterlichen Einheit alles zu versammeln, son-dern weil sie sich in jedem Augenblick und an jedem Punkt – oder vielmehr in jeder Beziehung zwischen Punkt und Punkt – erzeugt“ (Foucault 1983:

94). An dieser Stelle wird deutlich, dass jede soziale Beziehung durch Machtkonstellationen geprägt wird und zugleich Macht die Existenz von sozialen Beziehungen erfordert.110 Macht innerhalb sozialer Beziehungen

phische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Un-gesagtes umfaßt [sic!]. Soweit die Elemente des Dispositivs. Das Dispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann. Zweitens möchte ich mit dem Dispositiv gerade die Natur der Verbindung deutlich machen, die zwischen diesen hetero-genen Elementen sich herstellen kann. […] Kurz gesagt gibt es zwischen diesen Elementen, ob diskursiv oder nicht, ein Spiel von Positionswechseln und Funktionsveränderungen, die ihrerseits wiederum sehr unterschiedlich sein können. Drittens verstehe ich unter Dispositiv eine Art von […] Formation, deren Hauptfunktion zu einem gegebenen historischen Zeit-punkt darin bestanden hat, auf einen Notstand […] zu antworten. Das Dispositiv hat also eine vorwiegend strategische Funktion“ (Foucault 1978: 199f.).

108 „Die Bevölkerung ist eine Gruppe, die nicht einfach nur aus vielen Menschen besteht, sondern aus Menschen, die von biologischen Prozessen und Gesetzen durchdrungen, be-herrscht und gelenkt sind. Eine Bevölkerung hat eine Geburtenrate, eine Alterskurve, eine Alterspyramide, eine Sterblichkeitsrate und einen Gesundheitszustand (Foucault 2015:

231). „Ich glaube, seit der Entstehung der von mir so genannten Bio-Macht oder anatomi-schen Politik leben wir in einer Gesellschaft, die dabei ist, nicht länger eine juristische Ge-sellschaft zu sein. Die juristische GeGe-sellschaft war die monarchische“ (Foucault 2015: 237).

Seit dem 19. Jahrhundert setze sich ein Machtmechanismus durch, „[…] dessen Grundprin-zip […] nicht das Gesetz, sondern die Norm“ darstellt –„[…] eine Welt der Regulierung“

(Foucault 2015: 237).

109 „Der Staat ist Überbau in Bezug auf eine ganze Reihe von Machtnetzen, die die Körper, die Sexualität, die Familie, die Verhaltensweisen, das Wissen, die Techniken usw. durchdrin-gen, und diese Beziehungen werden ihrerseits von einer Art Übermacht konditioniert und wirken konditionierend auf sie, die im wesentlichen [sic!] um eine gewisse Anzahl großer Verbotsfunktionen herum strukturiert ist; aber diese Über-Macht mit ihren Verbotsfunktio-nen kann nur insofern wirklich greifen und sich halten, als sie in einer ganzen Reihe vielfäl-tiger, nicht definierter Machtverhältnisse verwurzelt ist, die die notwendige Grundlage die-ser großen Formen negativer Macht bilden, und genau das wollte ich deutlich machen“

(Foucault 1978: 39).

110 „Zwischen jedem Punkt eines gesellschaftlichen Körpers, zwischen einem Mann und einer Frau, in einer Familie, zwischen einem [/einer] Lehrer[In] und einem [/einer] Schüler[In], zwischen dem [/der] der weiß und dem [/der] der nicht weiß verlaufen Machtbeziehungen, die nicht die schlichte und einfache Projektion der großen souveränen Macht auf die

Indivi-wird häufig als Pendant der Unterdrückung definiert, doch dieses Verständnis sei nach Foucault als rein juristische Konzeption begrenzt; ein Gesetz, das Verbot und Gewährung ausspricht (vgl. Foucault 1978: 34f.; vgl. Foucault 2015: 221).

„Wie kommt es, dass unsere Gesellschaft und die westliche Gesellschaft schlechthin Macht so restriktiv, so arm, so negativ versteht? Warum denken wir bei Macht immer an Gesetz und Verbot? Warum diese Privilegierung?“

(Foucault 2015: 222).

Es gilt diese Begrenzung aufzulösen, ferner Macht als ein soziales Phänomen zu erachten, das Ausdruck in jeglichen Beziehungen findet und einem An-spruch auf Allgegenwart gerecht wird. Zu Recht ist Foucault der Meinung, dass wir uns

„[…] von diesem juristischen Verständnis der Macht, diesem Machtbegriff der auf Gesetz und Souverän, Regel und Verbot aufbaut, [...] befreien [müssen], wenn wir nicht nur die Repräsentation von Macht, sondern deren reale Funkti-onsweise analysieren wollen“ (Foucault 2015: 224).

Nicht nur Formen einer Unterdrückung als negative Produkte der Macht, auch positive Produkte der Macht111 seien in sozialen Beziehungen zu be-obachten. Foucault führt als Beispiel einer positiven Form von Macht die Sexualität an, die die Funktion der Verknüpfung „[…] zwischen der indivi-duellen Disziplinierung des Körpers und der Regulierung der Bevölkerung“

einnimmt (Foucault 2015: 232). Insofern sei eine Ausweitung der soziologi-schen Begriffskonstruktion von Macht durch die Prämisse einer Allgegen-wart und Betrachtung von negativen wie positiven Produkten der Macht empfehlenswert.

Zum dritten sieht Foucault einen reflexiven Zusammenhang zwischen Macht und Wissen, d. h. Wissen ist eine zentrale Ressource zur Erzeugung von Macht, zugleich besteht die Möglichkeit, durch Macht Wissen zu erzeu-gen.112

duen sind; sie sind eher der bewegliche und konkrete Boden, in dem die Macht sich veran-kert hat, die Bedingungen der Möglichkeit, damit sie funktionieren kann“ (Foucault 1978:

110). Die Annahme, dass auf der einen Seite Personen Macht haben und auf der anderen Seite diejenigen stehen, die keine Macht haben, hält Foucault für unzulänglich. „Die Machtbeziehungen sind überall“ (Foucault 2015: 239). Sowohl ProfessorInnen als auch StudentInnen verfügen über Machtpositionen, auch wenn es nicht dieselben sind (vgl.

Foucault 2015: 239).

111 „Ich glaube, daß [sic!] genau diese positiven Mechanismen untersucht werden müssen, wobei man sich von dem juristischen Schematismus freimachen muß [sic!], mit dem man bis heute versucht hat, der Macht einen Status zuzuweisen“ (Foucault 1978: 37).

112 „[…] Beziehungen, Strategien und Technologien der Macht, die uns konstituieren, uns durchqueren und ausmachen, (sind) von Formationen des Wissens und der Wahrheit beglei-tet, die sie ermöglichen und produzieren und die unentbehrlich für sie sind, um sich als evi-dent und naturgegeben zu verfestigen und sich damit zugleich unsichtbar zu machen. Um-gekehrt muß [sic!] die Analyse des Wissens, der diskursiven Formationen und ihrer

Aussa-9.3. Zur Konzeptualisierung der Typologie der

Machtverhältnisse:

Im Dokument Ruth Abramowski Das bisschen Haushalt (Seite 192-195)