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Hakims Präferenztheorie: Die Diversität der Präferenzen für Teilzeiterwerbsmodelle zur

Im Dokument Ruth Abramowski Das bisschen Haushalt (Seite 151-154)

Diversität und Dynamik von Teilzeitarbeitsmodellen im historischen Entwicklungsprozess unterschiedlicher

5.6. Hakims Präferenztheorie: Die Diversität der Präferenzen für Teilzeiterwerbsmodelle zur

Vereinbarung von Familie und Beruf

Hakim (2000) hat eine weiterführende Präferenztheorie entwickelt, die ent-gegen einer häufigen „feministischen Diskriminierungsthese“ annimmt, dass sich die Wahlmöglichkeiten von Frauen im 21. Jahrhundert durch fünf histo-rische Prozesse85 ausgeweitet haben – nämlich durch:

1. die Einführung der Pille,

2. einen gleichen Zugang für Frauen und Männer zu Positionen und Be-rufen auf dem Arbeitsmarkt,

3. die Ausweitung von Angestelltenberufen im Dienstleistungssektor, 4. die Zunahme von Teilzeitarbeit und Arbeitsformen für „Secondary

Earners“, deren oberste Priorität nicht die Erwerbsarbeit, sondern an-dere Interessen darstellen und

5. die zunehmende Bedeutung von Einstellungen, Werten und persönli-chen Präferenzen in Bezug auf Lebensstil-Wahlmöglichkeiten von wohlhabenden, liberalen modernen Gesellschaften (vgl. Hakim 2000:

3).

„This book proposes a new theory for explaining and predicting current and future patterns of women’s choices between family work and market work, a theory that is historically-informed, empirically-based, multidisciplinary, pro-spective rather than retropro-spective in orientation, and applicable in all rich modern societies. Our aim is a theory that is genuinely universal” (Hakim 2000: 1).

Frauen haben unterschiedliche Prioritäten und Präferenzen in Bezug auf Familie und Erwerbstätigkeit, die Hakim (2000) zu drei „Work-Lifestyle-Präferenz-Idealtypen“ klassifiziert hat: „home-centered“ (der Anteil dieser Gruppe betrage im Durchschnitt 20% der Frauen), „adaptive“ (im Durch-schnitt 60% der Frauen) und „work-centred preferences“ (im DurchDurch-schnitt 20% der Frauen) (Hakim 2000: 6). Die Hauptprioritäten von „home-centered“ Frauen basieren auf dem Familienleben und Kindern, „Adaptive“

versuchen Erwerbsarbeit und Familie durch Teilzeitarbeit zu kombinieren, während „work-centered“ Frauen ihre Hauptprioritäten nach ihrer Erwerbstä-tigkeit ausrichten und häufig kinderlos sind. Die Heterogenität der Präferen-zen von Frauen führe zu konfligierenden Interessen zwischen den verschie-denen Gruppen von Frauen. Hakim zufolge verschaffen diese konfligierenden Interessen Männern einen Vorteil und seien eine Ursache für Patriarchie;

Männer würden hingegen vergleichsweise homogene Interessen aufweisen.

85 „The five changes do not necessarily occur in all modern societies, and do not always occur together. Their effects are cumulative” (Hakim 2000: 7).

Für eine erfolgreichere Policy-Forschung empfiehlt sie, ihre Präferenztheorie respektive die unterschiedlichen Präferenztypen zwischen Familie und Er-werbstätigkeit zu berücksichtigen (vgl. Hakim 2000: 7). Insbesondere für die Gruppe der Adaptiven kommt es entscheidend darauf an, dass entsprechende Teilzeitarrangements ermöglicht und gefördert werden. Dass Teilzeitarbeit sowohl aus feministischer als auch aus „trade-union-Perspektive“ negativ und als nicht adäquate Alternative zur Vollzeitarbeit erachtet wurde, kritisierte Hakim bereits 1997:

„What can loosely be termed the ‚feminist‘ perspective and the ‚trade union‘ per-spective on part-time work have both painted a gloomy picture of part-time jobs, routinely concluding that they are an inadequate alternative to ‚standard‘ full-time permanent jobs. […] This chapter, and the book as a whole, develops an al-ternative sociological perspective on part-time work, one which differs sharply from the two previous dominant perspectives, is informed by recent empirical re-search on part-time work, and sets part-time work in the context of work histories and the family lifecycle. […] The principal argument of this chapter is that part-time employment constitutes a qualitatively different type of workforce involve-ment from full-time employinvolve-ment, one which gives priority to some other non-market activity around which the part-time job must be fitted” (Hakim 1997: 31).

Die Nachkriegstrends der Erwerbsbeteiligung von Frauen und die Zunahme von Teilzeitarbeit seien als eine substantielle Veränderung der Art der Betei-ligung von Frauen am Arbeitsmarkt zu verstehen. Hakim thematisiert zwei Prozesse, die sich in den Gewichtungen zwischen Ländern und in ihren Zeit-punkten unterscheiden. In den 1980er Jahren war eine dominante Entwick-lung die Substitution von Teilzeitarbeits- durch Vollzeitarbeitsplätze, die zwar den gesamten Arbeitsmarkt, mehrheitlich jedoch erwerbstätige Frauen betraf. Neben der fortgesetzten Ausweitung von Teilzeitarbeitsplätzen war in den 1980er und 1990er Jahren in einigen Ländern ein paralleler Prozess eines Anstiegs der Vollzeitbeschäftigung von Frauen sowie absoluter Vollzeitbe-schäftigungsquoten zu verzeichnen. Die Zunahme der Teilzeitarbeit sei vor-nehmlich ein Hinweis auf eine wesentliche Veränderung der Arbeitsorientie-rungen von Frauen, die eine Polarisierung der Frauenerwerbsarbeit bewirke (vgl. Hakim 1997: 35). Teilzeitarbeit ist zwar in höchstem Maße segregiert, doch ist es gemäß Hakim bezeichnend, dass Teilzeiterwerbstätige eine höhere Zufriedenheit ihrer Berufstätigkeit aufweisen als Vollzeiterwerbstätige (vgl.

Hakim 1997: 35). Aufgrund vorherrschender Normen bezüglich einer gen-derspezifischen Arbeitsteilung innerhalb der Familie wären Teilzeiterwerbs-tätigkeiten für Frauen so attraktiv – die Mehrheit der Frauen (ebenso wie die Mehrheit der Männer) würde eine genderspezifische Arbeitsteilung akzeptie-ren und sogar präferieakzeptie-ren. Grundsätzlich würden teilzeiterwerbstätige Frauen traditionellere Einstellungen in Bezug auf Haus- und Erwerbsarbeit vertreten, wobei diese mehr Ähnlichkeiten zu den Einstellungen von Männern und nicht-erwerbstätigen Frauen aufweisen würden, als zur Gruppe der

vollzeit-erwerbstätigen Frauen (vgl. Hakim 1997: 39). Die Mehrheit vollzeiterwerb-stätiger Frauen lehnt hingegen eine genderspezifische Arbeitsteilung ab und präferiert egalitäre Geschlechterrollen. Im Ländervergleich zeigt sich, dass eine egalitäre Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern am häufigsten in Griechenland, Dänemark, Italien und Frankreich, während eine traditionelle genderspezifische Arbeitsteilung am häufigsten in Luxemburg, Irland und Belgien präferiert wird (vgl. Hakim 1997: 40). Obwohl Einstellungsdaten von vielen ForscherInnen mit gewisser Skepsis betrachtet wurden, betont Hakim (1997) die Bedeutung von persönlichen Präferenzen für das Erwerbs-verhalten:

„Social attitude survey data are regarded with deep suspicion by many sociolo-gists, and many reject broadly Weberian theories that treat norms values, and preferences as having causal power, alongside social structural and economic fac-tors, in favour of broadly Marxian theories that give primacy to economic and social structural explanations – in part because much research has found attitudes to be poor predictors of actual behaviour due to the failure to distinguish between approval and choice in most studies (Hakim 1996a: 84

5). However, personal preferences about the appropriate roles of men and women, the role of husbands and wives, and family relations, are deeply held and change relatively slowly […]” (Hakim 1997: 39).

Die Klassifizierung Hakims der Frauen nach ihren Präferenzen in Bezug auf Familie und Erwerbstätigkeit in verschiedene Gruppen (modern, ambivalent, traditionell) sei nicht statisch, sondern stets wandelbar. Die relative Größe der Gruppen möge zwischen den Ländern und im Laufe der Zeit variieren und es mag einige Frauen geben, die während ihres Lebens zwischen den Gruppen wechseln. Doch der entscheidende Punkt sei, dass die Existenz der zwei divergierenden, heterogenen (Rand-)Gruppen, die sich entweder der Familie oder dem Beruf widmen, die Erfahrungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt polarisiert und eine „durchschnittliche“ oder „typische“ berufstätige Frau zu einer fiktiven und irreführenden Illusion wird (vgl. Hakim 1997: 44).

Entgegen der „feministischen Perspektive“ argumentiert Hakim, dass Teilzeitarbeit freiwillig von Frauen gewählt wird, deren Präferenzen vorran-gig nicht-erwerbstätigen Aktivitäten gewidmet sind. Die „feministische Per-spektive“ skizziert im Gegensatz zur Argumentation Hakims, dass Teilzeitar-beit eine unfreiwillige „Wahl“ ist, die Frauen gezwungenermaßen durch die Verpflichtung auferlegt wird, die Verantwortung für die Kinderbetreuung zu übernehmen (vgl. Hakim 1997: 44f). Trotz der Evidenzen, dass Teilzeitarbeit oftmals präferiert wird, würden viele europäische SozialwissenschaftlerInnen die Ansicht vertreten, dass niemand eine Teilzeiterwerbstätigkeit tatsächlich

„wählen“ würde. Dieser Einwand würde nicht nur aus feministischer, sondern auch aus der „trade-union-Perspektive“ vertreten. In Bezug auf Teilzeitarbeit sei der „trade-union-Antagonismus“ auf zwei Ursachen zurückzuführen:

Erstens führen patriarchale und sexistische Einstellungen zu einer

gedanken-losen Priorität der Interessen von Männern, zweitens bestehe eine Norm der Vollzeiterwerbstätigkeit, die dazu führe, dass andere Formen von Erwerbsbe-teiligung immer im Gegensatz zur Vollzeitarbeit als Referenz betrachtet werden (vgl. Hakim 1997: 47).

„With their long-standing focus on the interests of main breadwinners (typically men) and hence on ‘standard‘ full-time permanent jobs, it is understandable that trade unions have always viewed part-time (and temporary) work as an inade-quate alternative. For decades, part-time jobs have been labelled as not ‘real jobs’

and thus unacceptable to any serious worker” (Hakim 1997: 49).

Hakim schlussfolgert, dass Teilzeitarbeit einen anderen Typus von Erwerbs-arbeit darstellt als VollzeitErwerbs-arbeit. TeilzeitErwerbs-arbeit ist nicht einfach „ein bisschen weniger von derselben Sache“, sie ist mehr als eine marginale AmateurInnen-tätigkeit. Was Teilzeiterwerbstätigkeit zu einer unverwechselbaren Wahl macht, ist ihre Unterordnung im Vergleich zu anderen Lebensbereichen bzw.

Interessen (Familie, religiöse Aktivitäten, politische Aktivitäten etc.), wodurch sie eine vollkommen unterschiedliche Form von Arbeit ermöglicht.

„[…] we must now stop treating the male working-life profile and male ca-reer-committed work orientations as the sole model of work attitudes and behaviour“ (Hakim 1997: 62).

Nicht nur, dass Männer vergleichsweise homogene Interessen vertreten würden, auch die Frage einer kausalen Beziehung zwischen Präferenzen und Erwerbsverhalten sowie die Klassifizierung der Präferenzen von Frauen in lediglich drei Typen ist häufig an Hakims Präferenztheorie kritisch hinter-fragt worden.

Im Dokument Ruth Abramowski Das bisschen Haushalt (Seite 151-154)