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Kritik am Forschungsstand: Ein Plädoyer für einen mehrdimensionalen Machtansatz mehrdimensionalen Machtansatz

Im Dokument Ruth Abramowski Das bisschen Haushalt (Seite 46-50)

Wohlfahrtsstaatsforschung: „Multiple Equilibria“

2.8. Kritik am Forschungsstand: Ein Plädoyer für einen mehrdimensionalen Machtansatz mehrdimensionalen Machtansatz

Viele Studien analysieren Teilaspekte von Genderungleichheiten, Macht in Paarbeziehungen und traditionellen Rollenbildern, doch bleiben die Perspek-tiven meist auf die Mikro- oder Makroebene begrenzt, ohne ihre fundamenta-le Wechselwirkung zu berücksichtigen. Einige Ausnahmen, die sich einer mehrdimensionalen Perspektive widmen, sind:

- die theoretische Integration der Determinanten der innerhäuslichen Arbeitsteilung in einem Mehrebenenmodell von Röhler et al. (2000), deren Ansatz noch einer empirisch quantitativen Überprüfung bedarf.

- Lam et al. (2002)25, die die intraindividuelle Veränderung der inner-häuslichen Arbeitsteilung amerikanischer Ehepaare im Zeitverlauf be-trachten, doch ebenfalls kulturelle Kontextindikatoren außer Acht las-sen und Macht auf einen ökonomischen Teilaspekt begrenzen (Im Un-terschied zu Schulz/Blossfeld (2006) und Grunow et al. (2007), die ei-ne Verfestigung traditionaler Arbeitsteilungsarrangements im Ehever-lauf westdeutscher Paare feststellen, weisen die Ergebnisse von Lam et al. darauf hin, dass der Anteil der Ehefrau an der Hausarbeit im Zeitverlauf sinkt. Es stellt sich insofern die Frage, wie diese Diskre-panz zwischen amerikanischen und deutschen Paaren zu Stande kommt, weshalb es von Bedeutung ist, kulturelle Kontextindikatoren in die Analysen einzubeziehen.).

- die Studien von Bühlmann et al. (2010) und Gupta et al. (2010), die zumindest die Kontextabhängigkeit von Gendertheorien und ökono-mischen Ressourcenansätzen erkannt haben.

- Hook (2010), die Hausarbeitssegregation anhand von Mehrebenen-modellen analysiert und herausfindet, dass die landesspezifischen Kontexteffekte einer langen Arbeitszeit und einer langen Elternzeit die Beteiligung von Männern an der Hausarbeit verringern. In Ländern26, in denen öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen und auch Männern die Möglichkeit gegeben wird, die Eltern-zeit wahrzunehmen, übernehmen Frauen weniger Hausarbeiten. Hook betont daher die Relevanz von nationalen Kontexteffekten (vgl. Hook 2010: 1480).

25 „This study examined how the division of household labor changed as a function of marital duration and whether within-couple variation in spouses’ relative power and availability were linked to within-couple variation in the division of labor” (Lam et al. 2002: 944).

26 Es wird ein Vergleich von 18 Ländern mittels der Daten der „Multinational Time Use Study“ durchgeführt: Australien, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland (differenziert nach Ost und West), England, Finnland, Frankreich, Italien, ehem. Jugoslawien, Kanada, Österreich, Polen, Schweden, Tschechien, Ungarn, USA

- die Mehrebenenanalyse von van der Lippe et al. (2011), die die Persis-tenz der Genderungleichheiten in der Zeitverwendung von Männern und Frauen zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit nicht nur an-hand von individuellen, sondern insbesondere anan-hand von ökonomi-schen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen als Makroin-dikatoren analysieren. Für den Ländervergleich von insgesamt 17 Ländern27 wird auf die Daten des „Multinational Time Use Archivs“

zurückgegriffen.

„[…] men and women in highly developed economies and in countries with high rates of child-care facilities do more paid work, although they spend less time on paid work after having children. With respect to the influence of cul-ture, it appears that highly educated and married women in masculine cultures do less paid work, and that married women also do more housework, than their counterparts in more feminine cultures” (van der Lippe et al. 2011: 164).

- die Mehrebenenanalyse von Kersten (2016) für Schweizer Kantone, die neben individuellen auch politische, kulturelle und wirtschaftliche Bestimmungsgründe als kantonale Kontextfaktoren in die Erklärung der innerhäuslichen Arbeitsteilung integriert. Obwohl Hausarbeit und Erwerbstätigkeit als reziprok erachtet werden, lässt sich Kerstens Er-gebnissen zufolge die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen nicht per se auf die innerhäusliche Arbeitsteilung übertragen, weil die Zu-sammenhänge je nach kantonalen Kontexten variieren (vgl. Kersten 2016: 84).

- die Mehrebenenanalyse von Nitsche/Grunow (2016), die für deutsche Paare auf der ersten Ebene die Zeitabhängigkeit (Paneldaten) und auf der zweiten Ebene die Paare analysieren, jedoch keine makrosoziolo-gischen Kontextindikatoren berücksichtigen und

- die Strukturgleichungsmodelle von Carlson/Lynch (2017)28.

Trotz der dargestellten Ausnahmen sind Studien, die Mehrebenenana-lysen durchführen, in diesem Forschungsfeld eher selten. So kritis-ieren Carlson/Lynch (2017) zu Recht, dass

„All of these perspectives [relative resources, gender display, deviance neu-tralization hypotheses and autonomy theory] help explain variations in spous-es’ housework performance, but are limited by the use of cross-sectional data 27 Belgien, Dänemark, Deutschland (gesamt sowie differenziert nach Ost und West), England, Frankreich, Italien, ehem. Jugoslawien, Kanada, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Tschechien, Ungarn, USA

28 Carlson/Lynch (2017) überprüfen mittels Strukturgleichungsmodellen eine reziproke Kausalbeziehung zwischen Einkünften und Hausarbeiten – den Einfluss vom Einkommen auf die Hausarbeit und umgekehrt, den Einfluss von Hausarbeit auf das Einkommen. Da diese Analyse der Reziprozitätsannahme durchaus ein Forschungsdesiderat darstellt, ist die-ser Ansatz als innovativ zu erachten. Sie finden heraus, „[…] that wives’ personal earnings and housework are reciprocally related; her earnings have a stronger effect on housework than vice versa. For husbands, time in routine housework affects earnings only” (Carl-son/Lynch 2017: 199).

and single-direction, single-equation models (e.g., OLS regression) to exam-ine the earnings-housework relationship. This is problematic given that an en-tirely separate body of research suggests reverse causality — that time spent in housework has a negative effect on both men’s and women’s earnings”

(Carlson/Lynch 2017: 201).

Darüber hinaus wird eine Benennung der Machtkategorien als zunehmend obsolet erachtet. Die systematische Ausklammerung von Machtkonzepten aus der Familiensoziologie scheint ein Forschungsdesiderat zu sein, dass konjunkturellen Schwankungen erlegen ist: Bereits in den 70er Jahren wurde von Held festgestellt, dass

„[…] in der neueren Literatur zur Problematik der ehelichen Macht immer wieder die gleiche Klage über das Ungenügen der Machtkonzepte auftaucht und immer wieder neue Maße, Konzepte und Typologien entwickelt, aber nur selten Versu-che unternommen werden, die existierenden Daten über den Zusammenhang zwi-schen Außensystem und Familien- bzw. Ehestruktur theoretisch zu integrieren“

(Held 1978: 80, Hervorhebungen im Original; die Verf.).

Im Rahmen feministischer Bewegungen und spätestens nach Helds Heraus-gabe seiner Soziologie der ehelichen Machtverhältnisse (1978) konnten theo-retische Machtkonzepte einen Aufschwung erfahren, doch ist aktuell erneut eine, vermutlich auf Modernisierungseffekte zurückführende, Erosion zu verzeichnen. Um diesem Trend entgegenzuwirken ist „[…] an einem struktu-rellen, d. h. an Schicht- oder Statustheorien orientierten Machtbegriff auch gerade für diesen Bereich“ festzuhalten (Held 1978: 80).

Ausgehend von dieser Kritik werden für diese Dissertation folgende Ziele festgelegt:

1. Die Sichtung des Forschungsstands relevanter Studien, die Ansatz-punkte aus der bisherigen Nutzung der Macht innerhalb der Soziolo-gie bieten, um diese einzelnen Ansätze miteinander verknüpfen zu können, d. h. letztlich die theoretische Erklärungsleistung innerhäusli-cher Arbeitsteilung zu erhöhen;

2. eine Typologie der Macht zu entwickeln;

3. Macht als Mehrebenenkonstrukt mit einer Benennung einander ergän-zender Machtkategorien zu verstehen, d. h. eine Mehrebenenanalyse durchzuführen, die u. a. Dimensionen ‚sozietaler Empowerment‘

(Makro-) und Machtkategorien in Paarbeziehungen (Mikro-) umfasst;

4. die innerhäusliche Arbeitsteilung in Paarbeziehungen im europäischen Kontext zu erklären

(bezüglich des ersten und zweiten Forschungsziels s. Tabelle 8: Theoretischer Bezugsrahmen zur Erklärung von innerhäuslichen Arbeitsteilungsarrange-ments).

Im Dokument Ruth Abramowski Das bisschen Haushalt (Seite 46-50)