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Empirische Befunde: Vergleich der Indizes zur Messung von Gender(un)gleichheiten

Im Dokument Ruth Abramowski Das bisschen Haushalt (Seite 40-46)

Wohlfahrtsstaatsforschung: „Multiple Equilibria“

2.7. Empirische Befunde: Vergleich der Indizes zur Messung von Gender(un)gleichheiten

GDI: Der Gender-related Development Index (GDI) ist ein vom ‚United Nations Development Programme‘ (UNDP) konzipierter Index zur weltwei-ten Messung von Genderungleichheiweltwei-ten, mittels dem die drei Schlüsseldi-mensionen Gesundheit (Lebenserwartung), Bildungszugang (durchschnittli-che Anzahl an Schuljahren) und Lebensstandard (Brutto-Einkommen pro Kopf) jeweils differenziert nach Geschlecht erfasst werden (vgl. UNDP 2015:

o. S.). Aufgrund des Forschungsinteresses an europäischen Ländern wird auf eine weltweite Darstellung der GDI-/GII und GGG-Werte verzichtet, ledig-lich die Werte der 28 EU-Länder sind in Tabelle 1 aufgeführt. Je kleiner der GDI-Indexwert (Wertebereich 0 bis 1), desto größer der Unterschied zwi-schen Männern und Frauen, d. h. je größer die Genderungleichheit. Werden die GDI-Werte für das Jahr 2013 miteinander verglichen, fällt auf, dass alle europäischen Länder sehr ähnliche Werte aufweisen; sie schwanken zwi-schen min. 0,935 (Österreich) und max. 1,042 (Estland). Folglich sind keine größeren Unterschiede zwischen den europäischen Ländern festzustellen, die Gendergleichheit in Europa bewegt sich gemäß diesem Index auf sehr hohem Niveau. Der GDI ist ein Nachfolger des Human Development Indxes (HDI), der vor allem durch Amartya Sens Denkanstöße dazu konzipiert wurde, die Entwicklungsstände unterschiedlicher Länder theoretisch fundierter mitei-nander vergleichen zu können als dies mit dem bloßen Vergleich des Brutto-inlandsprodukts möglich war (für einen umfassenden Überblick der Mess-probleme und Schwierigkeiten des Bruttoinlandsprodukts als Indikator für Wohlstand s. Stiglitz et al. (2009)). Ergänzend wurde der GDI entwickelt, der dieselben Indikatoren enthält wie der HDI, jedoch zwischen den Geschlech-tern differenziert. Kritikfähig ist, dass der GDI zwar den Entwicklungsstand eines Landes als geschlechtsspezifischen Index abzeichnet, jedoch eine Mes-sung von Genderungleichheiten weitere geschlechtsspezifische Indikatoren erfordert. Ergänzend zum GDI wurde vom UNDP ein weiterer Index zur Messung von politischen sowie ökonomischen Teilhabechancen von Frauen entwickelt, der Gender Empowerment Measure Index (GEM). Der GEM ist ein Index zur Messung von Genderungleichheit, der politische Teilhabe (An-teil an Parlamentssitzen von Frauen), ökonomische Teilhabe (An(An-teil von Verwaltungsbeamtinnen/Managerinnen, Frauen in technischen Berufen) und

Einkommensressourcen (Einkommenslücke Frauen/Männer) beinhaltet.

Doch auch eine Betrachtung von Ungleichheiten, die ausschließlich auf Teil-habechancen basiere, sei noch nicht spezifisch genug, Genderungleichheiten empirisch zu messen:

„[…] a main criticism of the GDI index is that it does not measure gender equali-ty in itself, but a combination of gender equaliequali-ty and levels of achievement. A similar argument applies to the GEM” (Plantenga et al. 2009: 21).

GII: Aufgrund der geübten Kritik am GDI und GEM wurde (2010) der Gen-der Inequality Index (GII) zur weltweiten Messung Gen-der Benachteiligung von Frauen entwickelt, der folgende Dimensionen beinhaltet: Gesundheit und Reproduktion (Müttersterblichkeitsrate, Fertilitätsrate), Empowerment (An-zahl an Parlamentssitzen, die von Frauen besetzt sind, Anteil an Personen, die einen weiterführenden Bildungsabschluss erreichen, d. h. Sekundarstufe II und höher) und Teilhabe am Arbeitsmarkt (Erwerbsquote) (vgl. UNDP 2015:

o. S.). Im Wertebereich sind Werte zwischen 0 und 1 vertreten, wobei ein Wert von 0 als max. Gendergleichheit, ein Wert von 1 als max. Ungleichheit interpretiert werden kann.

2013 streuen die GII-Werte in Europa zwischen 0,021 (Slowenien) und 0,32 (Rumänien), d. h. es sind lediglich geringfügige Unterschiede zwischen den Ländern zu erkennen, insgesamt ist auch gemäß diesem Index ein hohes Gleichheitsniveau zu verzeichnen.

GGG: Der Global Gender Gap Index (GGG) wird vom ‚World Economic Forum‘ erhoben und dient ebenfalls zur weltweiten Messung von Genderun-gleichheiten in folgenden Teilbereichen:

- Ökonomische Teilhabe/Chancen (Verhältnis der Erwerbsquote Män-ner/Frauen, Verhältnis Einkommen MänMän-ner/Frauen, Verhältnis von Führungspositionen Frauen/Männer, Verhältnis Fachkräfte Män-ner/Frauen und Frauen in Führungspositionen),

- Bildung (Verhältnis Alphabetisierungsrate Frauen/Männer, Verhältnis Primar-/Sekundar-/Tertiäre-Bildungs-Rate Männer/Frauen),

- Gesundheit/Überlebenschancen (Verhältnis Männer/Frauen bei Ge-burt, Verhältnis der Lebenserwartung Männer/Frauen) und

- politische Teilhabe (Empowerment) (Verhältnis der Parlamentssitze Frauen/Männer, Verhältnis Männer/Frauen in Ministerien, Verhältnis von weiblichen Staatsoberhäuptern zu männlichen in den vergangenen 50 Jahren) (vgl. World Economic Forum: 4).

Wie auch im Falle des GDI können die GGG-Werte zwischen 0, d. h. max.

Ungleichheit und 1, d. h. max. Gleichheit streuen. In Ungarn (GGG = 0,6759) ist gemäß dieser Messung die Genderungleichheit am stärksten ausgeprägt, während in Finnland (GGG = 0,8453) der höchste GGG-Wert vorzufinden ist. Folglich sind auch hier nur geringe Unterschiede zwischen den Ländern

festzustellen, insgesamt ist ein hohes Gleichheitsniveau zu verzeichnen, gleichwohl summa summarum geringere Werte als diejenigen des GDI er-reicht werden. Auffallend ist jedoch, dass süd- und osteuropäische Länder (mit wenigen Ausnahmen, beispielsweise Bulgarien) geringere Werte auf-weisen als west- und nordeuropäische Länder.

GEI: In Anbetracht der Diskussion über die oben aufgeführten Indizes wird vom ‚European Institute for Gender Equality‘ der Gender Equality In-dex (GEI) erhoben.

Kritik üben Plantenga et al. (2009) an den zu groben Abstufungen bishe-riger Gender-Indizes, da wesentliche Gender-Aspekte weltweit erhoben wer-den, folglich Unterschiede europäischer Staaten unberücksichtigt bleiben würden.

„Existing indices are […] not appropriate because they do not focus exclusively on gender (in)equality and have not been created to be used at the European lev-el” (Plantenga et al. 2000: 19).

Während sich beispielsweise die Messung der Genderungleichheit des GDI eher auf die menschliche Entwicklung konzentrieren würde, sei die Messung des GEM auf die Möglichkeiten von Frauen beschränkt (politische Teilhabe, ökonomische Teilhabe, Macht über ökonomische Ressourcen

Einkommen).

Kurz: die Unterschiede zwischen europäischen Ländern werden aufgrund der zu groben Skalierungen missachtet. Demzufolge würde mittels dieses Inde-xes das Ziel verfolgt, einen ‚EU Gender Equality Index‘ zu entwickeln, mit dem relevante europäische Genderaspekte konstatiert werden können. Eine Analyse anhand von Wohlstand und allgemeiner Ungleichheit sei für den europäischen Raum nicht ausreichend, um Genderaspekte aufzuzeigen. Ein adäquater Index sollte nicht nur ein Ranking zwischen den Mitgliedsstaaten beinhalten, sondern zusätzlich die (Un-)Gleichheit zu einem Zeitpunkt analy-sieren, unter Berücksichtigung wie schnell/langsam ein Land eine ‚gender-gleiche‘ Gesellschaft verkörpert (Berücksichtigung von Zeitpunkt und Zeit-spanne).

Mit diesem GEI-Index werden Benachteiligungen von Frauen anhand der folgenden sechs Bereiche ermittelt:

- Work (Erwerbsquote und Arbeitsbedingungen, differenziert nach Ge-schlecht),

- Money (finanzielle Ressourcen/ökonomische Situation differenziert nach Geschlecht),

- Knowledge (Bildungszugang, Segregation differenziert nach Ge-schlecht),

- Power (politische (Anzahl an Parlamentssitzen von Frauen) und öko-nomische Macht (GesetzgeberInnen, Amtspersonen, ManagerInnen etc. operationalisiert über die internationale standardisierte Klassifizie-rung der Berufe (ISCO)),

- Time (Verhältnis von Arbeitszeit, Erziehung/Betreuung und Freizeit), - Health (Gesundheitszustand und Zugang zu

Krankenversorgungsein-richtungen) (vgl. EIGE 2015: 12).

Der Wertebereich dieses Indexes liegt zwischen 1 und 100, wobei 1 als abso-lute Ungleichheit, 100 als eine absoabso-lute Gendergleichheit interpretiert werden kann.

Die Ergebnisse des GEI 2015 zeigen, dass im Vergleich zu den anderen Indizes die Gender-ungleichheit deutlich ausgeprägter zu sein scheint, als bisher angenommen – das Niveau insgesamt ist drastisch niedriger.

Süd-/ost-europäische Länder schneiden mit GEI-Werten kleiner als 40 am schlechtesten ab, mittel- und zentraleuropäische Länder erreichen mittlere GEI-Werte zwischen 40 und 60 und nordeuropäische Länder weisen die größte Gleichheit (GEI = 60+) auf. Insgesamt sind eindeutige Unterschiede zwischen den Ländern zu erkennen; in Rumänien ist aufgrund eines GEI-Wertes von 33,7 ein deutliches Defizit der Gendergleichheit festzustellen, während in Schweden (74,2) das höchste Ausmaß der Gendergleichheit zu beobachten ist. Nachfolgend sind die einzelnen Werte klassifiziert dargestellt:

Niedrig:

< 40: Rumänien, Slowakei, Portugal, Griechenland, Bulgarien, Kroatien Mittel:

40

50: Litauen, Italien, Ungarn, Polen, Tschechien, Zypern, Malta, Lett-land, Estland

50

60: Österreich, Spanien, Luxemburg, Deutschland, Frankreich, Irland, Slowenien, Vereinigtes Königreich, Belgien

Hoch:

60+: Niederlande, Dänemark, Finnland, Schweden

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass gemäß dem GEI große Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten der EU hinsichtlich der Gleich-heit/Ungleichheit zwischen Männern und Frauen vorhanden sind sowie eine Spaltung zwischen Süd-/Osteuropa und Nord-/Westeuropa (mit wenigen Ausnahmen) zu bestehen scheint.

Anhand der Betrachtung der Indikatoren, die in den dargestellten Indizes enthalten sind, fällt eine überwiegend auf strukturellen Faktoren basierende Analyse auf. Weiterhin gilt es die europäische Ebene zu diskutieren, auf der mittels des GDI, des GII und des GGG nur geringfügige Unterschiede zwi-schen den Ländern zu konstatieren sind. Der GEI erweist sich als einziger Index, europäische Differenzen drastisch darzulegen, jedoch ist hier ein Mangel an kulturellen Aspekten, die eine Erklärungsleistung für Genderun-gleichheiten erbringen könnten, vorzufinden; auch eine Unterscheidung zwi-schen ‚Fähigkeiten und Teilhabechancen‘ (deren Bedeutung wird im weiteren Verlauf durch Argumente von Sen hervorgehoben) ist nur unzureichend

berücksichtigt, wäre jedoch in Anbetracht der theoretischen Argumentation als Mehrwert zu erachten.

Batalova/Cohen haben 2002 versucht, die innerhäusliche Arbeitsteilung (ein Index aus folgenden Tätigkeiten: Wäsche waschen, Lebensmittel einkau-fen, Krankenpflege von Familienmitgliedern und Management bzw. Ent-scheidung, was es zu Essen gibt) von Paarbeziehungen u. a. mittels des GEM als Makrofaktor zu erklären (ihr primäres Ziel ist jedoch, die These eines egalisierenden Einflusses von vorehelichen Kohabitationserfahrungen auf die innerhäusliche Arbeitsteilung zu überprüfen). Batalovas/Cohens zentrale Ergebnisse sind, dass erstens in allen 22 untersuchten Ländern (weltweite Erhebung) Frauen mehr Hausarbeiten ausführen als Männer. Zweitens sei die Arbeitsteilung von Paaren, die bereits vor der Ehe zusammengewohnt haben, deutlich egalitärer organisiert und drittens sei die innerhäusliche Arbeitstei-lung umso egalitärer, je höher die nationale Kohabitationsrate sei (dieser Effekt ist jedoch nur für Länder vorzufinden, die ohnehin hohe Gender-gleichheitswerte aufweisen) (vgl. Batalova/Cohen 2002: 743). Interessant ist, dass in keinem der untersuchten Länder egalitäre innerhäusliche Arbeitstei-lungsmuster dominant sind. Selbst in Ländern, in denen hohe GEM-Werte festgestellt werden können, werden die Hausarbeiten eher traditionell aus-geführt, gleichwohl egalitärere Werte als in Ländern mit ausgeprägter Gen-derungleichheit beobachtet werden können.24 Sind derartige Ergebnisse auf die heutige Zeit übertragbar?

24 Der Index der innerhäuslichen Arbeitsteilung umfasst in dieser Studie einen Wertebereich von min. 1 (Frau erledigt Hausarbeiten allein) bis max. 5 (Mann erledigt Hausarbeiten al-lein), d. h. ein Wert = 3 würde eine egalitäre Arbeitsteilung bedeuten. Dies wird in keinem Land erzielt, der maximale erreichte Wert der innerhäuslichen Arbeitsteilung beträgt 2,3 (Norwegen und Schweden).

Tabelle 1: Indizes zur Messung von Genderungleichheiten – ein Vergleich der EU 28

EU 28 GDI (2013) GII (2013) GGG (2014) GEI (2015)

Österreich 0,935 0,056 0,7266 50,2

Zypern 0,940 0,136 0,6741 44,9

Malta 0,954 0,220 0,6707 46,8

Griechenland 0,959 0,146 0,6784 38,3

Luxemburg 0,961 0,154 0,7333 55,2

Italien 0,962 0,067 0,6973 41,1

Deutschland 0,962 0,046 0,7780 55,3

Irland 0,965 0,115 0,7850 56,5

Niederlande 0,968 0,057 0,7730 68,5

Tschechien 0,969 0,087 0,6737 43,8

Portugal 0,970 0,116 0,7243 37,9

Rumänien 0,973 0,320 0,6936 33,7

Belgien 0,977 0,068 0,7809 58,2

Spanien 0,985 0,100 0,7325 53,6

Kroatien 0,987 0,172 0,7075 39,8

Frankreich 0,989 0,080 0,7588 55,7

Dänemark 0,989 0,056 0,8025 70,9

Vereinigtes Königreich 0,993 0,193 0,7383 58,0

Bulgarien 0,994 0,207 0,7444 38,5

Ungarn 0,998 0,247 0,6759 41,6

Slowakei 1,000 0,164 0,6806 36,5

Schweden 1,004 0,054 0,8165 74,2

Finnland 1,006 0,075 0,8453 72,7

Slowenien 1,006 0,021 0,7443 57,3

Polen 1,010 0,139 0,7051 43,7

Lettland 1,033 0,222 0,7691 46,9

Litauen 1,036 0,116 0,7208 40,2

Estland 1,042 0,154 0,7017 49,8

Quellen: United Nations Development Programme 2015: o. S., World Eco-nomic Forum 2014: o. S., EIGE 2015: o. S.

2.8. Kritik am Forschungsstand: Ein Plädoyer für einen

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