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c) Weitere sich aus der Analyse der Urteile ergebende Maßnahmen

5. Ergebnisse der quantitativen Befragung

5.10 Zusammenfassung und Fazit

Die Auswertung der quantitativen Befragung hat ergeben, dass fast jede elfte erwerbstätige Person (neun Prozent) in den letzten drei Jahren Situationen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ausgesetzt war und dass dies für Frauen zwei- bis dreimal häufiger der Fall war als für Männer (13 Prozent vs. fünf Pro-zent). Auffällig war, dass auch Frauen in Leitungspositionen und in akademischen Berufen sowie in Vollzeit-arbeit erheblich häufiger als Männer in entsprechenden Stellen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen waren. Offenbar stellen die Qualifikation und Position von Frauen im Betrieb, anders als bei Männern, diesbezüglich keinen Schutzfaktor dar, sondern erhöhen sogar das Risiko für sexuelle Belästi-gung am Arbeitsplatz.

Darüber hinaus zeigten sich Unterschiede in der Hinsicht, dass insbesondere Frauen, die aufgrund ihres Aussehens oder Namens als nichtdeutsch wahrgenommen werden, einem signifikant höherem Risiko aus-gesetzt waren, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu erleben. Häufiger betroffen waren zudem geringfügig und befristet Beschäftigte, wobei hier teilweise aufgrund der geringen Fallzahlen kein signifikanter Zu-sammenhang nachgewiesen werden kann und das Ergebnis nicht verallgemeinert werden darf. Zudem gaben jüngere Personen und solche mit höheren Schulabschlüssen häufiger an, sexuelle Belästigungen er-lebt zu haben, was aber zum Teil auch mit einer stärkeren Sensibilisierung für die Problematik zu tun ha-ben kann. Weitere statistische Zusammenhänge mit personenbezogenen Merkmalen konnten nicht ge-funden werden.

Sichtbar wurde ein breites Spektrum unterschiedlicher Belästigungsformen, wobei unangemessene sexua-lisierte Kommentare und unerwünschte Blicke und Gesten deutlich am häufigsten benannt wurden. Un-erwünschte Berührungen machten rund ein Viertel der Handlungen aus; ebenfalls häufiger wurden unerwünschte Einladungen sowie das Zeigen sexualisierter Bilder angegeben.

Die große Mehrheit der Betroffenen (83 Prozent) war von mehr als einer Handlung betroffen. Die Studie verweist in Übereinstimmung mit anderen Studien (s. Literaturanalyse) darauf, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in der Regel keine Einzelhandlung ist, sondern wiederholt auftritt und zumeist durch eine Abfolge unterschiedlicher Handlungen charakterisiert ist.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz wird weit überwiegend von männlichen Personen verursacht. 82 Pro-zent aller Betroffenen gaben an, die Handlungen seien ausschließlich oder überwiegend von Männern ausgegangen. Bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gegenüber Frauen war dies fast durchgängig (zu 98 Prozent) der Fall. Betroffene Männer gaben zu höheren Anteilen an, die Verursacher_innen seien aus-schließlich oder überwiegend Frauen gewesen (46 Prozent).

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz wird der vorliegenden Studie nach am häufigsten durch Kund_ innen, Patient_innen und Klient_innen verübt, gefolgt von Kolleg_innen und Vorgesetzten; in der Position unter-geordnete Personen treten dabei seltener als Verursacher_innen in Erscheinung. Betroffene Frauen nen-nen deutlich häufiger als betroffene Männer Vorgesetzte sowie Kund_innen-nen, Patient_innen-nen und Klient_in-nen als belästigende PersoKlient_in-nen.

In Bezug auf einzelne Branchen und Berufsfelder zeigt sich, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz am häufigsten im Gesundheits- und Sozialwesen vorkommt, gefolgt von anderen Branchen wie Unterhaltung, Verkehr, Handel und Dienstleistungssektor, Wasserversorgung und Erziehung. Die Betriebsgröße scheint keinen Einfluss auf das Vorhandensein von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu haben, ebenso wenig wie der innerbetriebliche Frauenanteil in Führungspositionen oder das Vorhandensein bzw. die Kenntnis von Ansprechpersonen und Beschwerdestellen im Betrieb.

In der Wahrnehmung der Belästigungshandlungen zeigen sich deutliche Unterschiede. So wurden in Be-zugnahme auf die einzige oder schwerwiegendste Belästigungssituation mehr als 70 Prozent der Handlun-gen als stärker belästiHandlun-gend wahrHandlun-genommen, von Frauen noch häufiger als von Männern. Jeweils etwa ein Drittel erlebte die Handlungen als bedrohlich oder fühlte sich ohnmächtig oder ausgeliefert, was ebenfalls von betroffenen Frauen häufiger geäußert wurde als von betroffenen Männern. Psychische Belastungen durch die Handlungen wurden von 60 Prozent, und das Gefühl der Erniedrigung von etwas mehr als der Hälfte genannt, wobei dies auf Frauen ebenfalls deutlich häufiger zutraf als auf Männer. Die Analyse zeigt, dass es ein großes Spektrum an mehr oder weniger folgenreichen und belastenden Handlungen gibt, dass aber die Mehrheit der Betroffenen psychischen Belastungen ausgesetzt ist. Frauen waren demnach nicht nur häufiger, sondern auch schwerer von folgenreichen Formen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz be-troffen. Diese waren häufiger in ungleiche Positionen und Machtbeziehungen eingebunden, was die Ge-sundheit, Integrität und die beruflichen Chancen und Positionen von Frauen schwächt.

Die Mehrheit der Betroffenen setzt sich in den Situationen verbal zur Wehr; nur etwa ein Fünftel der Betroffenen reagiert in der Situation nicht. In der Folge wenden sich insgesamt 39 Prozent an Dritte, 23 Pro-zent legen eine Beschwerde ein und weitere 39 Pro23 Pro-zent unternehmen nichts; rechtliche Schritte werden so gut wie nie (in ein Prozent der Fälle) eingeleitet, was bereits im Rahmen der Rechtsanalyse sichtbar gewor-den war. Nur vier  Prozent der Betroffenen suchen zudem Unterstützung bei einer professionellen Beratungsstelle oder therapeutischen Einrichtung.

In der Mehrheit der Fälle (72 Prozent) konnte die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz beendet werden; bei fast einem Drittel nicht, wobei das bei Frauen deutlich häufiger der Fall war als bei Männern (31 Prozent vs. 18 Prozent) und die Auswertung der qualitativen Interviews zeigt, dass die Fälle oft nicht zeitnah be-endet werden können. Gerade hier muss gezielte betriebsinterne Intervention und interne / externe Bera-tung ansetzen, um Beschäftigte vor fortgesetzter sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen.

Die Analyse der quantitativen Daten zeigt, dass es in vielen Betrieben, abhängig von der Betriebsgröße, An-laufstellen zum Schutz und zur Unterstützung Betroffener gibt, dass aber die Beschäftigten mehrheitlich weder über Maßnahmen noch über zuständige Ansprechpersonen im Betrieb ausreichend informiert sind.

Hier muss verstärkt Öffentlichkeitsarbeit ansetzen, um Beschäftigte besser zu informieren.

Die Auswertung verdeutlicht zudem, dass das Vorhandensein oder die Kenntnis von Anlaufstellen allein keine präventive Wirkung im Betrieb zu haben scheint. Dies verweist darauf, dass weitergehende präventive Maßnahmen erforderlich sind, um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in den Betrieben zu verhindern.

Die qualitativen Vertiefungsinterviews, wie auch die Fokusgruppendiskussionen, unterstützen diese Ein-schätzung (vgl. Kapitel 6 und 7).

90 Ergebnisse der quantitativen Befragung

6. Ergebnisse der qualitativen