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b) Externe Unterstützung Betroffener

7. Ergebnisse der Fokusgruppen

7.1 Überblick Fokusgruppen

Im Rahmen der Studie wurden insgesamt sechs Gruppendiskussionen mit verschiedenen Zielgruppen durchgeführt. Zentrale Fragestellungen der Fokusgruppen waren:

Wie ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in Deutschland kontextuell eingebunden und wie reagieren die Betriebe bzw. Unternehmen darauf?

Was kann von verschiedenen Akteur_innen unternommen werden, um sexuelle Beläs tigung am Arbeitsplatz zu verhindern, zu beenden und die Betroffenen bestmöglich zu unterstützen?

Im Folgenden soll zunächst die Zusammensetzung der Fokusgruppen kurz beschrieben werden, bevor die Ergebnisse themenbezogen analysiert und dokumentiert werden. Weitere Informationen zum Leitfaden und zu den Methoden finden sich in Kapitel 2 sowie im Anhang A 2.

Befragt wurden grundsätzlich folgende Zielgruppen:

1. Betroffene von sexueller Belästigung

2. Drei verschiedene Statusgruppen in Betrieben bzw. Unternehmen (Mitarbeitende, Leitungskräfte, Frauenbeauftragte / Betriebsrät_innen)

3. Berater_innen des externen Unterstützungssystems

Folgende sechs Fokusgruppendiskussionen wurden im Rahmen der Studie durchgeführt:

Fokusgruppe mit Betroffenen sexueller Belästigung

An dieser Gruppe nahmen insgesamt acht weibliche Betroffene teil, die alle im Laufe des Berufslebens se-xuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt hatten. Die Teilnehmerinnen wurden nicht zu ihren konkreten Belästigungserfahrungen vertiefend befragt, um zu hohe Belastungen zu vermeiden; im Gespräch deutete sich jedoch an, dass es sich dabei überwiegend um belastende Übergriffe gehandelt hat.

Die Belästigungen wurden in verschiedenen Branchen und Berufsfeldern erlebt: im Bereich der internatio-nalen Entwicklungszusammenarbeit, in einer Kanzlei, im öffentlichen Dienst, an der Universität, im Ge-sundheitssektor, in der Kinderbetreuung sowie im Bereich Medien. Zwei Teilnehmerinnen wurden mit den Belästigungen während eines Praktikums konfrontiert. Sowohl Betriebsgrößen als auch interne Struk-turen waren dabei unterschiedlich.

Die Befragten waren zuvor über Aufrufe in den sozialen Medien und in verschiedenen regionalen und überregionalen Netzwerken erreicht worden. Abweichend vom Ursprungskonzept konnten hier nur be-troffene Frauen einbezogen werden, da männliche Bebe-troffene für eine Teilnahme an einer Fokusgruppen-diskussion nicht in ausreichender Zahl gewonnen werden konnten. Möglicherweise ist für männliche Betroffene die Hürde, offen mit Viktimisierungserfahrungen im Bereich der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz umzugehen, hoch und steht im Widerspruch zu herrschenden Männlichkeitsvorstellungen.

Um dennoch eine männliche Perspektive auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz abzubilden, wurde das

120 Ergebnisse der Fokusgruppen

Ursprungskonzept um eine Gruppendiskussion mit männlichen Mitarbeitenden von Betrieben ohne Lei-tungsfunktion ergänzt (s. u.).

Fokusgruppe mit Mitarbeitenden des externen Unterstützungssystems

An der Gruppendiskussion mit Vertreter_innen externer Unterstützungseinrichtungen und Angebote für Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz nahmen fünf Personen mit direkter Beratungserfah-rung aus verschiedenen Einrichtungen teil. Vertreten waren dabei Frauenberatungsstellen zu sexualisier-ter Gewalt, eine allgemeine Opferberatungsstelle, eine Beratungsstelle zu Diskriminierung und eine ex-terne branchenbezogene Kontakt- und Beschwerdestelle mit einem ganzheitlichen Angebot (Rechtsberatung, Beratung und Therapie). Folgende Einrichtungen waren dabei einbezogen:

bff (Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe) (Dachverband für spezialisierte Fachberatungsstellen)

Themis – Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt e. V. (branchenspezifische Beratungsstelle bei sexueller Gewalt)

Beratungsreferat der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

(Anlaufstelle zur rechtlichen Beratung nach Diskriminierungserfahrungen)

LARA Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen*

(Beratungsstelle für Frauen mit sexualisierter Gewalterfahrung)

eine allgemeine Beratungsstelle für Opfer von Kriminalität und Gewalt

Die Befragten verfügten je nach Schwerpunkt der jeweiligen Einrichtung über ein breites Fallwissen und Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Betrieben und Unternehmen zur Prävention. Die Gewinnung der befragten Vertreter_innen der Einrichtungen erfolgte über eine direkte Kontaktierung der infrage kommenden Institutionen.

Fokusgruppe mit Leitungspersonen aus Betrieben

An der Diskussion mit Leitungspersonen aus Betrieben nahmen sechs Personen teil, darunter drei Frauen und drei Männer. Die Befragten befanden sich auf unterschiedlichen Führungsebenen in unterschiedlich großen Betrieben. Vertreten waren Leitungspersonen aus dem öffentlichen Dienst, Gesundheitswesen, der Finanzbranche, der Freizeitbranche und dem Hotel- und Gastgewerbe.

Deutlich wurde, dass die großen Unternehmen und der öffentliche Dienst bereits über Strukturen zum Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz verfügten (Leitlinien, Betriebsvereinbarungen, interne Ansprechpersonen, Beschwerdestellen, Gleichstellungsbeauftragte und Betriebs- bzw. Personalrat), wäh-rend kleinere Betriebe solche Strukturen nicht oder kaum vorweisen konnten.

Die konkreten Fallerfahrungen der Leitungspersonen waren sehr unterschiedlich. Der überwiegende Teil war in der Laufbahn bereits mit Fällen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in verschiedenen Kons-tellationen und unterschiedlichen Schweregraden konfrontiert worden. Vertreter_innen aus dem Gesund-heitswesen berichteten vor allem über Erfahrungen, die sich auf Übergriffe durch Patient_innen und Kund_innen im Behandlungsverhältnis bezogen, ein Kontext, der auch im Rahmen der quantitativen und qualitativen Befragung von Betroffenen häufig benannt worden war. Nur eine Leitungsperson hatte noch keine konkrete Fallerfahrung mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.

Der Zugang zu allen Teilnehmenden von Statusgruppen aus Betrieben bzw. Unternehmen erfolgte über eine direkte telefonische oder persönliche Kontaktaufnahme (s. auch Kapitel 2).

Fokusgruppe mit Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten

Für die Diskussion mit Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten konnten drei Frauen aus dem Bereich öffentlicher Dienst und Gesundheitswesen gewonnen werden. Die vergleichsweise geringe Anzahl ergibt sich zum einen daraus, dass viele Betriebe keine Frauen- / Gleichstellungsbeauftragten haben oder im Un-tersuchungszeitraum entsenden konnten. Darüber hinaus konnten entgegen dem Ursprungskonzept für diese Fokusgruppe auch keine Personen aus Personal- / Betriebsräten für diese Fokusgruppen gewonnen werden; die hierzu kontaktierten Personen gaben an, entweder kein Interesse oder keine Zeit für die Teil-nahme an der Diskussion zu haben.

Die einbezogenen Gleichstellungsbeauftragten berichteten von verschiedenen Fallerfahrungen mit unter-schiedlichen Schweregraden und in verschiedenen Konstellationen.

Fokusgruppe mit Mitarbeiterinnen ohne Leitungsfunktion aus Betrieben

An der Diskussion mit Mitarbeiter_innen ohne Leitungsfunktion nahmen fünf Frauen aus unterschiedlich großen Betrieben in den Bereichen Öffentlicher Dienst, Gesundheitswesen, Unternehmensberatung und Softwarebranche teil. In den großen Unternehmen waren Strukturen zur Bearbeitung von sexueller Be-lästigung am Arbeitsplatz vorhanden und bekannt, die kleineren Betriebe verfügten über keine internen Maßnahmen bzw. waren diese den Mitarbeiterinnen nicht bekannt. Entsprechend waren auch den Mit-arbeitenden der größeren Betriebe bzw. Unternehmen eher Vorfälle bekannt, während in den kleineren Firmen kaum Fälle öffentlich geworden waren.

Fokusgruppe mit männlichen Mitarbeitenden aus Betrieben

Nachdem für die Gruppendiskussion mit Mitarbeitenden ohne Leitungsfunktion, ebenso wie für die Fo-kusgruppe mit Betroffenen, ausschließlich Frauen gewonnen werden konnten, wurde gegen Ende der Be-fragungsphase gezielt eine weitere Fokusgruppe mit männlichen Mitarbeitenden aus Betrieben vorbereitet.

Dazu wurden die teilnehmenden Betriebe erneut kontaktiert und um Unterstützung gebeten, wodurch schließlich eine Fokusgruppe mit vier männlichen Mitarbeitenden ohne Leitungsfunktion durchgeführt werden konnte.

Teilnehmende waren Personen aus dem öffentlichen Dienst und dem Gesundheitswesen. Drei der Befrag-ten übernahmen in ihrem Unternehmen eine Funktion als Ansprechperson bei sexueller Belästigung (zwei als Arbeitnehmer_innenvertreter, einer als Gleichstellungsbeauftragter). Aufgrund dieser Funktionen konnte auf verschiedene Erfahrungen mit Fällen von sexueller Belästigung Bezug genommen werden. Die Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen hatten darüber hinaus Kenntnis von vielen Fällen von sexueller Belästigung durch Patient_innen. Teilweise wurde von den Diskutanten auch eine eigene Betroffenheit in die Diskussion eingebracht.

Im Folgenden werden die Inhalte aus allen Fokusgruppen themenspezifisch strukturiert dargestellt und Aussagen mit Zitaten unterlegt. Dies geschieht etwas ausführlicher, da die Fokusgruppen wertvolle Infor-mationen für die (Weiter-)Entwicklung von Maßnahmen zur Prävention, Intervention und Beratung ent-halten, was ein wichtiges Ziel dieser Studie war, und gerade hier oft Details relevant sind, um die Situation zu verbessern. Eine Zusammenfassung daraus abzuleitender Maßnahmen und Empfehlungen findet sich am Ende des Kapitels.

122 Ergebnisse der Fokusgruppen

7.2 Definition der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz durch die Teilnehmenden der Fokusgruppen

29 Im Folgenden werden die Zitate aus den jeweiligen Fokusgruppen mit Buchstaben markiert, um auf die jeweilige Fokusgruppe Bezug zu nehmen (E = externes Unterstützungssystem, B = Betroffene, G = Gleichstellungsbeauftragte, L = Leitungsperson, MM = männliche Mitarbeiter, WM = weibliche Mitarbeiterinnen).

Zum Einstieg in die Diskussion wurden die Teilnehmenden nach ihrem Verständnis bzw. ihrer Definition von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz befragt. Die Ergebnisse der verschiedenen Gruppen stimmten weitestgehend überein: Es wurden verbale, nonverbale und physische sexuelle Handlungen einbezogen, die Wahrnehmung der Betroffenen als entscheidend erachtet und die Rolle von Macht- und Diskriminie-rungsaspekten betont.

Innerhalb der Diskussionen wurden dabei verschiedene Schwerpunkte gesetzt, z. B. auf die individuelle Wahrnehmung, das Problem der Grenzziehung, der Angst vor Fehlbeschuldigungen sowie der rechtlichen Einordnung.

a) Formen

Als Formen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz wurden in allen Gruppendiskussionen verbale, nonverbale und physische Handlungen benannt. Hierzu wurden verschiedenste konkrete Beispiele be-nannt, wie sexualisierte Gesten und Blicke, (zweideutige) Äußerungen, ungewollte Geschenke, sexistische Witze, physische Übergriffe sowie Cyberbelästigung über soziale Medien. Dabei wurde von allen Gruppen betont, dass nicht nur körperliche Übergriffe sexuelle Belästigung darstellten, sondern der Begriff weiter zu fassen sei und gerade auch verbale Äußerungen umfasse. Diese verbalen Belästigungen würden jedoch häufig bagatellisiert und nicht ernst genommen:

„Mir ist ganz wichtig, dass sexuelle Belästigung auch verbal passieren kann […]. Na, die abfälligen Äuße-rungen, die bezogen sind auf das Äußere, dass die auch mit darunter verstanden werden und dass wir die auch mit angehen.“ (G)29

In den Diskussionen der Mitarbeiter_innen und der Gleichstellungsbeauftragten wurde darüber hinaus auch aufgeführt, dass das Betriebsklima und die Rahmenbedingungen sexuell belästigende Wirkung ha-ben könnten:

„Bei mir fängt es schon bei den Rahmenbedingungen an. […] Also das sind so Sachen, wo auch unter-schiedliche Schamgrenzen sein können und ich glaube, das sind unter Umständen schon die ersten Schritte, wo strukturell drüber hinweg gegangen wird. Wo ich mich gar nicht wehren kann. Schon in so einer totalen Anspannung unter Umständen bin.“ (MM)

Betroffene und Mitarbeiterinnen sahen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz explizit als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Die vertretenen Definitionen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz spre-chen dafür, dass unter den teilnehmenden Personen bereits ein Interesse an und gutes Vorwissen und Verständnis für das Thema bestand.