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n) Ergänzende Sanktionen

7.5.3 Externes Unterstützungssystem

In allen Fokusgruppen wurde bekräftigt, dass es neben den internen Ansprechpersonen und -stellen er-forderlich sei, dass auch außerhalb der Unternehmen professionelle Ansprechpersonen und -stellen zur Verfügung stünden, um für Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz Beratung und Unterstüt-zung vorzuhalten. Externe Beratungsstellen würden oft als niederschwelliger erlebt, da hier mehr Sicher-heit über die Vertraulichkeit der Gespräche bestehe und durch die Unternehmensunabhängigkeit nicht sofort Konsequenzen folgen müssten, bzw. die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht im Unterneh-men öffentlich gemacht werden müsse. Daher erachteten gerade auch die befragten Betroffenen exter-ne  Beschwerdestellen als wichtiger als interne Stellen. Durch die Beratungsneutralität, die höhere Vertraulichkeit und die fachliche Spezialisierung externer Anlaufstellen seien diese gerade für schwer belastete Betroffene wichtig.

„Weil es eben diese/Wenn es wirklich so eine Beratungsneutralität ist, weil derjenige weiß: Hier bin ich sicher. Hier ist ein geschützter Raum. Hier kann ich das tun. Ist das eine große Hilfe.“ (E)

Hinzu komme, dass an vielen Orten keine internen Ansprechpersonen außer den Vorgesetzten vorhanden seien oder bei diesen keine Unterstützung zu erwarten sei, sodass externe Erstberatungsangebote bereit-gestellt werden sollten. Solche Angebote sollen unabhängig von der konkreten Situation Betroffene be-stärken und bei der Entwicklung von mehr Selbstsicherheit Handlungsoptionen unterstützen. Auch Lei-tungspersonen halten diese für eine wichtige Ergänzung zu internen Angeboten.

„Und externe Stellen finde ich jetzt wiederum schon super. Klar müssen die auf ein Unternehmen dann ja zukommen. Aber gerade, wenn jemand eine Scham hat und sich nicht traut, in seinem Unternehmen irgendjemanden aufzusuchen, dann können die einen vielleicht erstmal ermutigen. Dann zu einer Lösung kommen und dass man weitere Schritte eingeht, da muss man einfach im Unternehmen dann gucken.

Aber erstmal jemanden ermutigen und auch sagen, ich weiß nicht, wenn man jetzt jeden Tag nur verbal irgendwie angegangen wird und sich gar nicht sicher ist, ist das jetzt sexuelle Belästigung, dann kann ich da erstmal hingehen und mir sozusagen meine Bestätigung einholen, ja, wenn du das so empfindest, dann ist das Belästigung. Und wir können dir auch helfen, an deinen Arbeitgeber heranzutreten.“ (L)

Darüber hinaus sollten externe Beratungsangebote aber auch zu rechtlichen Möglichkeiten und internen Vorgehensweisen beraten.

Externe Ansprechpersonen könnten aber nicht im Unternehmen aktiv werden, daher sei es also im zwei-ten Schritt erforderlich, dass es immer auch interne Ansprechpersonen gebe.

„Das ist dann für […] um erstmal ein Gespräch zu suchen, das einordnen zu können: ‚Was mir passiert ist, ist Unrecht. Ich bin wirklich sexuell belästigt worden.‘ Oder: ‚Wie kann ich mir helfen?‘. Das kann eine Frauenberatungsstelle sehr gut machen. Aber dann die weiteren Schritte zu unternehmen, da müsste sie sich DOCH an dich (Anm.: die Gleichstellungsbeauftragte) wenden.“ (G)

In vielen Diskussionsgruppen wurde betont, dass für Betroffene im ersten Schritt Unterstützung und Abklärung wichtig sei, Konsequenzen und Maßnahmen im Unternehmen stünden erst an zweiter Stelle.

„Erstmal brauche ich eine Beratung, wo ich das Ding / wo mich jemand versteht. Und dann kann ich sagen: Will ich das weiterverhandeln oder nicht?“ (MM)

Auch die Leitungspersonen schätzen eine gute externe Beratungsmöglichkeit als hilfreich und entlastend für die Arbeitgeber_innen ein. Ergänzend werden von diesen auch Beratungsangebote für Verursacher_in-nen als sinnvoll erachtet.

„Also ich glaube, dass auch uns als Arbeitgeber eigentlich geholfen wäre, wenn es eine vernünftige Unterstützung für die Opfer gibt. Die nicht bloß sagt: ‚Na, wende dich an den Arbeitgeber, der muss Maßnahmen ergreifen!‘“ (L)

Allerdings verfügen gerade große Unternehmen bereits über breit aufgestellte interne Strukturen und An-sprechpersonen, sodass hier, anders als in kleineren Betrieben, eventuell ein weniger großer Bedarf an externen Stellen gesehen wird.

Neben spezialisierten Beratungsstellen wie Frauennotrufen, Frauenberatungsstellen, Antidiskrimi nie-rungsberatungsstellen, Gewaltberatungsstellen sowie anderen Fachberatungsstellen wurden von den Befragten in den Fokusgruppen die Rechtsberatung durch Gewerkschaften und auch die Kammern und Innungen, gerade bei Vorfällen in kleineren Betrieben, als mögliche externe Anlaufstellen benannt.

„Wir wenden uns ganz häufig an Ärztekammern, Friseurinnungen, was auch immer es gibt dann auf der Ebene.“ (E)

Betroffene empfahlen darüber hinaus die Möglichkeit, therapeutische Unterstützung durch Psychothera-pie zu nutzen oder – aufgrund der oft langen Wartezeiten – die Angebote psychologischer Beratungsstellen zu nutzen.

Eine genaue Unterscheidung zwischen externen Beratungs- und externen Beschwerdestellen wurde in den Diskussionen der Fokusgruppen nicht konsequent vorgenommen. Als externe Beschwerdestellen werden Einrichtungen verstanden, die eine niedrigschwellige Erstabklärung und Prüfung des Falles vor-nehmen und auch im internen Beschwerdeverfahren vermitteln, solche gibt es bisher kaum. Allerdings wurde deutlich, dass ein Bedarf an rechtlicher Erstberatung und Abklärung durch spezialisierte Anlaufstel-len erforderlich sei, gerade für Betroffene in Unternehmen und Betrieben, in denen keine Strukturen vor-handen seien oder in denen interne Strukturen versagen oder eine unabhängige Ansprechperson nicht vorhanden zu sein scheint.

170 Ergebnisse der Fokusgruppen

Spezialisierte Frauenberatungsstellen konstatieren an dieser Stelle eine Versorgungslücke für Betroffene, die einen solchen Erstberatungsbedarf haben, aber (noch) nicht akut traumatisiert sind. Für diese Zielgrup-pe wären niedrigschwellige Angebote erforderlich. SZielgrup-pezialisierte Frauenberatungsstellen, die Traumafach-beratung anbieten, seien oft ohnehin überlastet mit Anfragen und verfügten nicht über ausreichend per-sonelle und finanzielle Ressourcen.

„Aber da wir so überlaufen sind, würde ich mir auch da schon jetzt wünschen, dass es z. B. einfachere Zugänge, auch zu einer juristischen kurzen Abklärung gäbe, so von wegen: ‚Wie ist meine Situation? Was gibt es?‘ Und dass da nochmal andere, ganz unabhängige Stellen, also wenn es das innerbetrieblich gar nicht gibt, wovon man in leider sehr vielen Fällen ausgehen muss […] Da ist z. B. eine Lücke, meiner Meinung nach, eine Versorgungslücke. Die Frau ist ja weit davon entfernt, traumatisiert zu sein. NOCH.

Aber durch diese Defensive, in der sie sich da befindet, die Ausweglosigkeit, kann es sehr schnell zu auch psychischen Folgen und dann auch durchaus Einschränkungen ihrer Arbeitsleistung kommen.“ (E)

Um diese Versorgungslücke zu schließen, wurden von Expert_innen aus dem externen Unterstützungs-system und von Betroffenen bundes- / landesweite und branchenspezifische externe Beschwerdestellen als notwendig erachtet.

„Da dachte ich mir, es wäre schön, wenn es eine bundesweite, neutrale Stelle gäbe, die so eine Beschwerde, ich weiß nicht, machen Sie das?“ (E)

„Pro Branche, und sollte es vielleicht sogar geben pro Bundesland.“ (B)

Als Vorbild und Beispiel guter Praxis wurde hier die 2018 neu gegründete Beratungsstelle „Themis – Ver-trauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt e. V.“ genannt, die als externe Beschwerdestelle für die Kulturbranche fungiert, juristische und psychologische Erstberatung für Betroffene bietet, zwischen Be-troffenen und Unternehmen vermittelt und Unternehmen zu Prävention berät. Ein solches ganzheitliches Angebot könnte auch für andere Branchen sinnvoll und weiterführend sein.

Die Vermittlung und Unterstützung im internen Beschwerdeverfahren wurde in den verschiedenen Fokusgruppen nach der Erstberatung als weiteres zentrales Angebot betrachtet. Die einbezogenen Bera-tungsstellen hätten dazu bereits viel Erfahrung gesammelt:

„Und erst als ich […] die rechtliche Seite, oder ihn in Verantwortung genommen habe, was seinem Unter-nehmen denn da blühen würde, […] DA hat er erst eingelenkt, aufgrund des großen Drucks, der dann entstanden ist. Und da habe ich eben auch gedacht, wie wichtig es ist, dass man da jemanden mitnimmt, der kompetent ist, der […] rechtlich halt fundiert das auch vertreten kann, und der / ich habe halt keine Angst haben müssen. Als unabhängige Stelle.“ (E)

Wichtig sei dafür, eine gesicherte Finanzierung und angemessene personelle Ausstattung solcher Beschwer-destellen zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass sie auch als zuständige Stelle bei Mitarbeiter_ innen bekannt sind. Solche Beschwerdestellen könnten Betroffene beraten und bei Schritten im Unternehmen begleiten und dabei unterstützen, indem sie rechtlich Druck aufbauen; allerdings seien sie in den Betrie-ben bzw. Unternehmen selbst nicht handlungsfähig. Leitungspersonen äußerten sich dazu eher skeptisch;

in ihren Augen sei der Schwerpunkt externer Anlaufstellen auf die psychologische Beratung zu setzen.

Aufgrund der nicht vorhandenen innerbetrieblichen Kompetenzen erachteten auch die Gleichstellungs-beauftragten den Begriff der externen Beschwerdestelle als irreführend, da damit die Erwartung von Kon-sequenzen verbunden sei.

„Ja, da stimme ich dir voll und ganz zu, aber eine Beschwerdestelle […] erweckt dann doch Erwartun-gen. Wenn ich dann zu einer Beschwerdestelle gehe, dann erwarte ich, dass […] Maßnahmen ergriffen werden.“ (G)

In anderen Fokusgruppen wurde dahingehend stattdessen gefordert, dass auch externe Beschwerdestellen mit Kompetenzen ausgestattet werden, um gegenüber Unternehmen vorzugehen, die ihren Verpflichtun-gen aus dem AGG nicht nachkommen.

Die zentrale Rolle der sozialen Umfelder (Freund_innen, Partner_innen, Familienangehörige, Kolleg_ innen oder andere Bekannte) bei der Suche nach geeigneten Ansprechpersonen innerhalb und außerhalb des Betriebes und ihre Funktion als Unterstützungsnetzwerk wurde nicht nur in den Einzelinterviews (s. Kapi-tel 6), sondern auch in den Fokusgruppendiskussionen deutlich.

„Oder wenn […] also, wenn es jemand mitbekommt, wenn sie sich öffnen und von außen, sind wirklich oft dann die sozialen Umfelder die, die sie so ein bisschen auf den Weg bringen.“ (E)

Daher kann es für Betroffene hilfreich sein, sich in einem ersten Schritt vertrauten Personen aus dem eigenen sozialen Umfeld anzuvertrauen.

„Wichtig wäre es vielleicht im ersten Schritt festzustellen, kann ich mit meiner […] / ja, in meinem sozialen Umfeld jemanden finden, mit dem ich reden kann? Können dir mir da beistehen und den Rücken stärken?

Mich auch persönlich unterstützen in so einer schwierigen Lage?“ (MM)

Die verschiedenen Ansprechpersonen und Beratungsstellen zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz be-richteten, dass die meisten Betroffenen, die sich bei ihnen gemeldet hatten, sich vorher im privaten Umfeld Rat eingeholt hatten.

Die aus dem privaten Umfeld erhaltenen Empfehlungen entscheiden oft darüber, ob Unterstützung durch Fachstellen eingeholt oder betriebsintern eine Beschwerde vorgebracht wird. Das ist dann der Fall, wenn die Betroffenen in ihrer Wahrnehmung bestätigt werden, Rückhalt erfahren und bestärkt werden, sich zu schützen.

„Also ich finde z. B., dass sich häufig Frauen und auch Mädchen an uns wenden, auf RAT einer Freundin.

Also einer Person, die das von außen mitbekommt. Und die sagt: ‚Hey, das musst du dir gar nicht gefallen lassen!‘“ (E)

Es ist hilfreich, wenn die Ansprechpersonen aus dem sozialen Umfeld klar und parteilich Position bezie-hen und bekräftigen, dass es sich bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz um verbotene Handlungen handelt.

„Und ich glaube, ganz wichtig ist, und das ist ja von außen auch sehr viel besser leistbar, dass die einfach auch ganz klar markieren: Das ist FALSCH!“ (E)

„ […] Also das Gespräch mit anderen hat mir geholfen, zu verstehen, dass das sexuelle Belästigung ist.“ (B) Allerdings sind die Erfahrungen der Betroffenen hier unterschiedlich; auch im privaten Freundes- oder Verwandtenkreis können sie mit Bagatellisierung und Verantwortungsumkehr konfrontiert werden, was einen stark entmutigenden Effekt haben kann. Das wurde vor allem von den männlichen Mitarbeitenden hinsichtlich männlicher Betroffener thematisiert.

172 Ergebnisse der Fokusgruppen

Im persönlichen Freundes- oder Familienkreis Rat einzuholen, ist die wohl niedrigschwelligste Art der Suche nach Hilfe für Betroffene und sie kann hilfreich sein, wenn aus dem sozialen Umfeld aktiv Unter-stützung angeboten wird. Die Reaktionen dieser Dritten sind entscheidend für das weitere Hilfesuchver-halten, was die Relevanz gesamtgesellschaftlicher Sensibilisierung und Öffentlichkeitsarbeit, auch für die sozialen Umfelder Betroffener, unterstreicht.

Zwischenfazit

Hinsichtlich der Unterstützung Betroffener von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz werden externe Be-ratungs- und Beschwerdestellen als zentral erachtet. Insbesondere, um vorhandene Lücken in Kleinstbe-trieben und BeKleinstbe-trieben, die keine Strukturen bereithalten, zu schließen, wurde empfohlen, bundes- / lan-desweite und branchenspezifische Beschwerdestellen zu etablieren und so eine niedrigschwellige, unabhängige Beratungsmöglichkeit zu schaffen. Hier ist eine gesicherte Finanzierung unabdingbar und ggf. auch eine Ausweitung der Befugnisse dieser Stellen zu erwägen. Außerhalb des professionellen exter-nen Unterstützungssystems wurde auch die Relevanz der sozialen Umfelder deutlich hervorgehoben, die unterstützend agieren können und daher dringend durch Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden müssten.