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Fazit und Empfehlungen für den Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in

c) Befragung von pädagogischen und leitenden Mitarbeiter_innen der WfbM

8.4 Fazit und Empfehlungen für den Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in

WfbM

Die Ergebnisse der Lehrforschung haben insgesamt aufgezeigt, dass es im Bereich der Prävention von und Intervention bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in WfbM bereits relevante Fortschritte, aber auch konkreten Handlungsbedarf gibt. So sind in vielen Eirichtungen regelmäßige Schulungen und Präventi-onskonzepte umgesetzt und teilweise auch die geforderten Ansprechpartner_innen und Stellen (Frauen-beauftragte und Beschwerdestellen) vorhanden, zugleich besteht aber teilweise Unsicherheit über die rechtliche Situation und es wird noch nicht aktiv genug ermittelt, ob und in welchem Maße das Problem in der eigenen Einrichtung auftritt. Auch fehlen zumeist umfassendere Präventionskonzepte mit einer Fokussierung auf sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt.

Eine Lücke und Unsicherheit scheint auch darin zu bestehen, wie mit den verursachenden Personen um-gegangen werden kann und welche Sanktionen hier erfolgen können oder sollen, vor allem wenn es sich um verursachende Beschäftigte mit Behinderung handelt. Langfristig sollte es deshalb für alle Werkstätten verbindliche Standards geben, damit bei unterschiedlichen Formen von Gewalt professionelle Maßnah-men und Sanktionen getroffen werden können. Diese sollten an die RahMaßnah-menbedingungen der WfbM an-gepasst und für alle verbindlich sein. Durch zielgruppengerechte Schulungen und Konzepte, die auch die

Beschäftigten der Einrichtungen einbeziehen, kann bereits im Vorfeld der Entstehung von sexueller Beläs-tigung am Arbeitsplatz präventiv entgegengewirkt werden.

Die Präventionsarbeit sollte auf mehreren Ebenen verankert und verstetigt werden. Auf der Ebene der Lei-tung sollten die Rahmenbedingungen für Prävention, Unterstützung und Intervention geschaffen und festgelegt werden. Es sollten klare institutionelle Strukturen vorhanden sein (Frauenbeauftragte, AGG Be-schwerdestellen), kommunikative Strukturen für den offenen Umgang mit der Problematik bestehen, da-mit jedem Fall von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz nachgegangen werden kann. Zudem sollte, wie auch auf dem ersten Arbeitsmarkt, die Prävention von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz im Leitbild der Einrichtung fest verankert sein und durch die Leitungsperson repräsentiert und vertreten werden.

Auf der Ebene des pädagogischen Personals sollten klare Regeln und Vorgehensweisen vermittelt und re-gelmäßig auch anhand von praktischen Beispielen geschult und reflektiert werden. Die Regeln sollten auch in den Einstellungs- und Personalgesprächen thematisiert und im Arbeitsvertrag verankert sein. Das Personal in Werkstätten soll in regelmäßigen Teambesprechungen und Supervisionen für das Thema sen-sibilisiert werden, um professionelles Verhalten konkret zu entwickeln bzw. weiterzuentwickeln. Dabei sollten auch Verfahren entwickelt werden, wie mit belästigenden Personen aus dem Kreis der Beschäftig-ten umzugehen ist. Der Austausch innerhalb des Teams gibt MöglichkeiBeschäftig-ten zur Reflexion und wird da-durch, wie die LAG WfbM Berlin in ihren Handlungsleitlinien betont, zum elementaren Bestandteil der fachlichen Arbeit.44

Auf der Ebene der Werkstattbeschäftigten mit Behinderung sollten ebenfalls verstärkt Präventionsmaß-nahmen für Menschen mit Unterstützungsbedarf ansetzen. Dazu gehören zum einen MaßPräventionsmaß-nahmen zur Stärkung des Selbstbewusstseins und der Eigenverantwortung, zum anderen aber auch die umfassende Information und Aufklärung über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, diesbezügliche Rechte und Verbo-te sowie empfohlene Vorgehensweisen für Betroffene. Jede_r WerkstattbeschäftigVerbo-te_r sollVerbo-te wissen, wie er_sie sich bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz verhalten und wehren kann, wer konkrete Ansprech-personen in der WfbM sind und wie genau im Fall von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz vorzugehen ist. Dies sollte auch in Broschüren in Leichter Sprache vermittelt werden. Des Weiteren sind auch Schulun-gen und Informationen für diese Zielgruppe erforderlich, die den Umgang mit Nähe und Distanz, Sexuali-tät, sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sowie den Umgang mit dem eigenen Körper und den Intimgren-zen anderer Personen thematisieren.

Viele der genannten Maßnahmen weisen Ähnlichkeiten zu den geforderten Maßnahmen auf dem ersten Arbeitsmarkt auf. Es bestehen aber auch relevante Unterschiede in der Hinsicht, dass die Zielgruppe vulne-rabler ist und sich, teilweise aufgrund der Behinderungen und teilweise aufgrund der erhöhten Abhängig-keitsverhältnisse, schwieriger wehren oder einer Belästigungssituation entziehen kann. Das erfordert eine verstärkte Aufmerksamkeit der Leitungs- und Unterstützungspersonen in den WfbM, um Fälle aufzude-cken, und ein kontinuierliches Monitoring, auch weil es für einen Teil der Betroffenen (auch kognitiv) er-schwert ist, sexuelle Belästigungen als solche zu erkennen und zu benennen. Die flächendeckend einzu-führenden Frauenbeauftragten sind eine wichtige niedrigschwellige Maßnahme, sie müssen aber auch durch die Leitungen und pädagogischen Kräfte ausreichend unterstützt werden, um ihre Aufgabe tatsäch-lich leisten zu können. Außerdem wäre ein Pendant für Männer und Transpersonen in den WfbM als nied-rigschwellige Ansprechperson wichtig. Externe Anlauf- und Beratungsstellen sind für diese Zielgruppe deutlich schwieriger erreichbar. Insofern müsste eine niedrigschwellige Möglichkeit für Beschäftige geschaffen werden, diese zu erreichen (etwa durch Sprechstunden in den WfbM und / oder durch die

44 S. LAG WfbM Handlungsempfehlung für behinderte Menschen E.V. (2015): LAG WfbM Handlungsempfehlung zur Gewaltprävention, S. 8–9.

192 Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in Werkstätten für Menschen mit Behinderung

Möglichkeit der Begleitung des_der Betroffenen zu einer externen Beratungsstelle, die oft nicht vor Ort barrierefrei vorhanden ist).

Ein zweiter Punkt, der sich in den WfbM unterscheidet, ist, dass eine Sanktionierung im Falle der Verur-sachung der Belästigung durch Werkstattbeschäftigte deutlich schwieriger und im Grunde genommen nicht klar geregelt ist. So dürfte bei einem Teil der Beschäftigten kein ausreichendes Schuldbewusstsein vorhanden sein. Zudem ist eine Abmahnung und Kündigung als Sanktion ebenfalls erschwert. Hier müss-ten gemeinsam Lösungen gefunden werden, wie mit diesen Fällen umgegangen werden kann und welche Möglichkeiten der Sanktionierung und Intervention mit Blick auf die Verursacher_innen bestehen.

Ein dritter Unterschied bezieht sich auf die weiterhin nicht vollständig geklärte Rechtstellung betroffener Werkstattbeschäftigter (und anwendbarer Rechtsmittel) im Hinblick auf die Möglichkeiten des AGG, auf sexuelle Belästigung und / oder unzureichenden Schutz davor, zu reagieren. Hier sollte gemeinsam mit den Frauenbeauftragten, Beschäftigtenvertretungen und WfbM-Vertretungen ein Konzept erarbeitet und durch die Gesetzgebung geprüft und bestätigt werden.

9. Zentrale Ergebnisse der