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c) Fälle nach Formen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Die Formen der Belästigung werden im Folgenden genauer beschrieben und mit einigen anonymisierten Zitaten Betroffener illustriert.26 Am häufigsten kamen in der Fallbasis der Vertiefungsinterviews, wie auch in der Repräsentativbefragung, verbale Belästigungen mit 19 Fällen vor, gefolgt von elf Fällen von gleich-zeitigen verbalen und körperlichen Belästigungen und neun Fällen von körperlicher Belästigung. Weitere jeweils vier Fälle umfassten das Zeigen sexualisierter Bilder am Arbeitsplatz sowie den Versuch, eine Affäre anzubahnen. Sexistische Äußerungen mit Geschlechterbezug sowie Cyberbelästigung wurden in jeweils vier Fällen (ein Fall mit Überschneidungen mit anderen Formen) genannt; exhibitionistische oder fetischi-sierende Handlungen in zwei Fällen.

Verbale Belästigungen

Verbale Belästigungen als die verbreitetste Form von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz reichten von unerwünschten Komplimenten, sexualisierten Anmerkungen und unpassenden Witzen bis hin zu direk-ten Kommentaren über bestimmte Körperteile. Sie wurden oft von den Betroffenen zwar als unangenehm und unpassend wahrgenommen, aber nicht als gravierend eingestuft.

Eine Betroffene erzählte:

„[…] Da muss man ja u. a. auch die Patienten z. B. duschen, oder bei der Körperpflege unterstützen. Und […]

es war ein […] Patient der an Demenz erkrankt ist, und der hat halt dann bei fast allen Kolleginnen dann immer gefragt: ‚Ach ja, haben Sie schon einen nackten Mann gesehen? Wie finden Sie meinen Penis?

Wollen Sie mit mir duschen gehen?‘ Oder: ‚Darf ich Sie auch mal anfassen?‘ Aber übergriffig ist er ja nie geworden, es war eher […] verbal […].“

26 Die Befragten wurden im Vorfeld der Befragung informiert, dass alle Aussagen anonymisiert ausgewertet und dokumentiert würden.

Um auch im qualitativem Teil keine Nachvollziehbarkeit der Fälle zu ermöglichen und eine vollständige Anonymisierung zu erreichen, wurden auffällige Details in den Zitaten verändert, ohne den grundlegenden Sinn der Aussagen zu verändern.

Eine andere Betroffene beschrieb folgende Szene in einem Betrieb:

„[…] das hat halt im Sommer angefangen, wo es ein bisschen wärmer geworden ist und ich mich ein bisschen offener angezogen habe. Und dann bin ich immer […] bei uns ins Büro. Und da muss ich eigent-lich gleich durch das Lager durch, und da war einfach der Lagermeister. Und wenn ich da eben immer vorbei gelaufen bin hat er mir hinterhergepfiffen und hat gemeint: ‚Heute wunderhübsch!‘ und und und […]. Und dann hat er immer gesagt, er beneidet meinen Freund. Er würde gerne mein Freund sein und und und […] solche Sprüche waren das immer und die wurden halt immer, immer härter. Immer aufdring-licher […].“

Körperliche Belästigungen

Körperliche Belästigungen umfassten häufig, dass die Betroffenen angefasst, umarmt oder begrabscht wur-den. Diese Formen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz treten oft im Verbund mit verbalen Formen von Belästigung auf und werden zum Teil sehr subtil durchgeführt, sodass Betroffene diese oft nicht sofort als sexuelle Belästigung identifizieren können.

So beschrieb eine Betroffene:

„[…] Wenn er mir etwas erklären wollte oder zeigen wollte und ich hatte meine Hand auf der PC-Maus, dann hat er seine Hand auf meine draufgelegt, um mir etwas zu erklären und die Maus zu führen. Also das fand ich sehr unangenehm und unpassend. Und er kam mir da auch immer körperlich sehr nahe, er hat sich von hinten über mich drüber gebeugt dabei […].“

Eine andere Betroffene schilderte das folgende Ereignis:

„[…] An diesem Tag allerdings hatte ich eine Bluse an, in der mein Ausschnitt etwas […] ja, ich würde NICHT sagen, größer war, aber man konnte etwas sehen, weil ich einfach üppige Brüste habe. Das heißt nicht, dass ich mich ständig verhüllen muss. Auf jeden Fall hatte ich das Gefühl, dass diese Person das als Einladung empfand. Und kam mir dann näher und […] beim Sprechen schaute mir der Herr dann nicht in die Augen, sondern auf die Brüste. Das war sehr auffällig. Augenhöhe und Brusthöhe – Naja. Und wäh-renddessen stellte er mir Fragen […]. Während ich das sagte, kam er näher und fasste meinen Kragen, quasi von dieser Bluse an, was völlig UNNÖTIG war. Und da war sowieso der Raum von Abstand sowieso schon überschritten, und ich empfand das als unangemessen und unangenehm. Ich fühlte mich sofort unwohl. Und das ist definitiv ein Zeichen für mich, dass er da die Linie schon überquert hatte, die er nicht über queren sollte […].“

Sexualisierte Bilder oder Darstellungen am Arbeitsplatz

Bei dieser Form der Belästigung werden am Arbeitsplatz pornografische und erotische Bilder aufgehängt oder gezeigt. Meistens zeigen die Bilder nackte Frauen. In der Fallbasis gibt es vier Fälle dieser Form der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Ein Beispiel wird in dem folgenden Fall beschrieben:

„[…] Der hat genau mir gegenüber einen Kalender mit pornografischen Darstellungen aufgehängt (….) wie soll man denn erklären, wie man sich von Bildern einfach nicht gut fühlt? Wie soll ich das erklären? Ich meine, ich habe es lästig empfunden eben, wenn mir gegenüber mehr oder weniger nackte Damen hängen und ich jedes Mal, wenn ich den Blick hebe, die nackten Damen sehe […].“

Versuch, eine Affäre anzubahnen

Bei dieser Form der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, die in vier Fällen beschrieben wurde, versuch-ten die Verursachenden, sich mit Betroffenen außerhalb der Arbeit zu treffen und / oder mit ihnen eine Affäre anzubahnen. Bei den Fällen geht es um unpassende Formen der Beziehungsaufnahme, z. B.

zwi-96 Ergebnisse der qualitativen Vertiefungsbefragungen

schen Vorgesetzten und Mitarbeiter_innen, die oft nicht sofort als Belästigung erkannt oder wahrgenom-men werden.

Folgende Beispiele konnten hierfür gefunden werden:

„… ich privat noch Kunst mache. Und die betroffene Person, also die Person X, der Meinung war, dass Künstler dann doch […] eher lasziveres Leben führen. Und mich dann darauf angesprochen hat, ob Sie nicht mal kommen könnte, oder mit mir weggehen, sie wäre auch gerne meine Muse.“

„Ganz konkret kam es halt immer mehr zu körperlichen Annäherungen, dass einfach diese übliche Distanz unterschritten wurde. Das heißt, wenn mir was in die Hand gedrückt wurde oder was erklärt wurde, es war dann halt immer ein bisschen ZU dicht, sag ich mal […]. War dann halt ein Moment, wo er in mein Büro kam, sagte er möchte mir als Information da was zukommen lassen. Ich soll das nur als Information verstehen und stellte sich halt wirklich ganz, ganz dicht neben mich von der Seite und zeigte halt auf ein Blatt, wo ich auch hingucken musste. Und legte dann halt so seine Hand auf meinen Ober-arm und stand wirklich eng an mich gepresst und jetzt könnte man sagen, das ist nicht so schlimm aber ich war in diesem Moment einfach so / Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Fassungslos und hilflos […].

Im Nachhinein würde ich sagen, es ging wohl mehr darum eine Affäre auszutesten und ob ich darauf eingehe oder nicht […].“

Sexistische Äußerungen mit Geschlechterbezug

Sexistische Äußerungen mit Geschlechterbezug, die in der Literatur als „Gender Harassment“ (Holland / Cortina 2013) bezeichnet werden, finden meistens in Form von Kommentaren statt, die Frauen als schwä-cheres und weniger intelligentes Geschlecht bezeichnen. Bei dieser Form der Belästigung werden vor al-lem Frauen am Arbeitsplatz auf ihr Geschlecht und Äußeres reduziert und damit diskriminiert; zum Teil werden ihnen auch Fähigkeiten aufgrund ihres Geschlechts abgesprochen. In der Fallbasis gibt es drei Fälle, die dieser Kategorie zugeordnet werden können.

Eine Betroffene beschrieb:

„[…] Und durch das, dass ich hier sehr hohe Umsätze zu Stande gebracht habe, wurde mir schon mehrfach unterstellt in der Vergangenheit, dass ich quasi diese Umsätze generiere, indem ich halt – ich sage es mal so wie es ist – die Beine bei den Kunden breit mache […].“

„[…] zu einem Treffen mit dem Chef der / dem Geschäftsführer. Also noch eine Ebene darüber. Und […] der hatte mich von Anfang an – denke ich – auf dem Kieker, sobald er mich gesehen hat. Und hatte mich auch ziemlich bloßgestellt. Mich in dem Team-Meeting direkt mit meinem Namen angesprochen und immer gefragt, ‚Was würde ich denn dazu sagen?‘. Und mich auch aufgrund meines Geschlechtes diskriminiert und Sprüche wie: ‚Ja, die jungen Praktikantinnen, […] die wissen eh nicht so viel und Hauptsache sie sehen gut aus, und das trifft bei Ihnen ja gut zu!‘ […] und ‚Ja, Ihre Meinung brauchen wir dazu auch nicht, denn Sie haben in der Schule bestimmt nur Spanisch gelernt, denn jungen Frauen gefallen ja immer die jungen Südländer sehr gut, dabei seien die Deutschen ja viel POTENTER.‘ […]. Und DAS vor versammelter Mann-schaft!“

Cyberbelästigung

Cyberbelästigungen sind Formen von Belästigung, die über das Internet stattfinden. Das können  z. B.

E-Mails oder Nachrichten über Messenger wie WhatsApp mit sexualisierten oder pornografischen Inhal-ten sein. Bei dieser Form der sexuellen Belästigung, welche in vier Fällen berichtet wurde, ein Fall davon ist zusammen mit anderen Formen von sexueller Belästigung aufgetreten, kann der_die Verursacher_in leicht anonym bleiben, was die Reaktion auf eine Belästigung erschwert.

Eine Betroffene aus einer sozialen Einrichtung berichtete:

„[…] Hat letzten Endes in unserer Einrichtung Hilfe gesucht, mehrfach, und hat nachdem er eigentlich zunächst erst nur in völlig normalen Situationen Hilfe gesucht hat, dann aber angefangen uns mehrfach auf unsere E-Mail-Adresse E-Mails mit ja sexuellem Inhalt zu schicken […]. Das waren eigentlich immer Situationen, das ging nicht persönlich gegen mich oder eine meiner Mitarbeiterinnen, sondern, das kann man schwierig beschreiben. Es ging eigentlich mehr um die Person selber, die auch mehrfach gemeint hat, sie möchte Hilfe haben und es ging eigentlich mehr darum, dass die Person selber Hilfe haben wollte und deshalb eben diese sexuellen […] Dinge uns geschickt hat […].“

Exhibitionistische oder fetischisierende Handlungen

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, die eingebunden ist in exhibitionistische oder fetischisierende Handlungen, ist nicht so weit verbreitet wie die anderen Formen, sollte jedoch benannt werden, da sie sich von den anderen Formen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz unterscheidet. Verursachende Perso-nen nutzen den Kontakt mit den BetroffePerso-nen aus, um ihren eigePerso-nen sexuellen Fetisch zu befriedigen oder exhibitionistische Handlungen vorzunehmen. Die beiden Fälle der Fallbasis wurden aus dem medizinisch- therapeutischen Bereich berichtet. Dazu ein Beispiel dieser Belästigungsform:

„[…] der kam zu mir und klagte über Bauchschmerzen und als ich ihn bat, den Bauch frei zu machen, zog er sich komplett erst einmal aus, hatte dann Damenunterwäsche an, richtig hochwertig, mit ja ein Slip und BH und Straps. Ich habe das ignoriert, erstmal, so. Und habe ihn gefragt wo es weh tut. Und habe ihm dann auf den Bauch gefasst und habe ihm gesagt, sie haben nichts. Sie können sich wieder anziehen.

Dann hat er sich umgedreht und mir dann sein Hinterteil dann noch gezeigt […].“