• Keine Ergebnisse gefunden

Charakteristika und Wahrnehmung spezi- spezi-fischer Situationen von sexueller Belästigung

c) Weitere sich aus der Analyse der Urteile ergebende Maßnahmen

5. Ergebnisse der quantitativen Befragung

5.7 Charakteristika und Wahrnehmung spezi- spezi-fischer Situationen von sexueller Belästigung

am Arbeitsplatz

Befragten, die eine Situation von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in den letzten drei Jahren erlebt hatten, wurden zu dieser Situation weitere Fragen gestellt. Hatte die Person mehrere Situationen erlebt, sollte sie Auskunft zur subjektiv schwerwiegendsten Situation oder Abfolge von Situationen geben.

Von den meisten Betroffenen (rund 60 Prozent) wurde angegeben, dass es dabei nicht nur zu einer Situa-tion, sondern zu wiederholten Situationen gekommen war. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist dem-nach überwiegend als Abfolge von Einzelsituationen zu charakterisieren. Bei Männern traf dies häufiger als bei Frauen zu (74 Prozent vs. 55 Prozent), allerdings waren die Unterschiede nicht signifikant (s. Abbil-dung 17).

Betriebs-/Personalrat Beschwerdestelle für Diskriminierung und Belästigung Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung Frauen-/Gleichstellungsbeauftragte

10 9 9 9 10 9 9 9

Anlaufstelle nicht vorhanden Anlaufstelle vorhanden

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

76 Ergebnisse der quantitativen Befragung

Abbildung 17: Häufigkeit von Situationen im Kontext der einzigen oder schwerwiegendsten Hand-lung / HandHand-lungsabfolge von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (gesamt und nach Geschlecht), Basis: Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Der Grad der Belästigungswahrnehmung wies starke Unterschiede auf (s. Abbildung 18). Ein Anteil von zu-sammengenommen 27 Prozent nahm die Handlungen als nicht (8 Prozent) oder wenig (19 Prozent) beläs-tigend wahr (Stufe 1–2), der größte Teil (53 Prozent) als mittelmäßig bis stärker beläsbeläs-tigend (Stufe 3–4) und ein Anteil von zusammengenommen 20 Prozent als stark bis sehr stark belästigend (Stufe 5–6). Zusam-mengenommen fühlten sich 92  Prozent aller Betroffenen von der einzigen oder schwerwiegendsten Handlung / Handlungsabfolge belästigt.

Die Handlungen wurden von den Männern tendenziell als weniger stark belästigend wahrgenommen.

42 Prozent der Männer und 23 Prozent der Frauen gaben an, sie seien nicht oder wenig belästigend gewe-sen (Stufe 1 und 2), 39 Prozent der Männer und 58 Prozent der Frauen gaben ein mittelmäßiges bis stärke-res Belästigungsgefühl an (Stufen 3–4); von einem starken bis sehr starken Belästigungsgefühl berichteten 18 Prozent der Männer und 20 Prozent der Frauen (s. Abbildung 18).

Wiederholte Handlungen Einmalige Handlung

Prozent

Männer (n = 34) Frauen (n = 107)

Gesamt (n = 141)

74 55

60 27

45 40

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abbildung 18: Ausmaß des Belästigungsgefühls im Kontext der einzigen oder schwerwiegendsten Handlung / Handlungsabfolge (gesamt und nach Geschlecht), Basis: Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

In Bezug auf die Bedrohlichkeit der Handlungen gab die große Mehrheit der Befragten (73 Prozent) an, sie hätten sich nicht oder wenig bedroht gefühlt (Stufe 1–2); die Anteile waren hier bei Männern mit 79 Pro-zent etwas höher als bei Frauen mit 71 Pro79 Pro-zent. Mittlere bis stärkere Bedrohungsgefühle (Stufe 3–4) äußer-ten 19 Prozent der Betroffenen; Frauen mit 22 Prozent deutlich häufiger als Männer mit neun Prozent.

Stark bis sehr stark bedroht (Stufe 5–6) fühlten sich neun Prozent der Betroffenen mit hier höheren An-teilen bei Männern (zwölf Prozent) als bei Frauen (acht Prozent), wobei es sich nicht um signifikante Unter-schiede handelte und die geringen Fallzahlen der Männer bei den Kategorien 3–6 nur sehr zurückhaltende Interpretationen zulassen. Tendenziell fühlten sich Frauen jedoch von den Handlungen der sexuellen Be-lästigung am Arbeitsplatz stärker bedroht: wenn die Stufen 3–6 des Bedrohungsgefühls zusammengefasst werden, erlebten 29 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer die Situationen als bedrohlich, wobei auch hier keine signifikanten Unterschiede nachgewiesen werden können (s. Abbildung 19).

Prozent

Männer (n = 33) Frauen (n = 106)

Gesamt (n = 139) Kategorien 5 und 6 (sehr stark)

Kategorien 3 und 4 Kategorien 1 (überhaupt nicht) und 2

18 20 20

39

58 53 42

23 27

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Wie stark „belästigt gefühlt“?

78 Ergebnisse der quantitativen Befragung

Abbildung 19: Ausmaß des Bedrohungsgefühls im Kontext der einzigen oder schwerwiegendsten Handlung / Handlungsabfolge (gesamt und nach Geschlecht), Basis: Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Anmerkung: Zahlen in Klammern verweisen darauf, dass die Zellenbesetzung hier niedrig (0–5 Nennungen bzw. Fälle) und dadurch die Prozentangabe nicht aussagekräftig ist.

Ein Gefühl von Ohnmacht und Ausgeliefertsein im Kontext der sexuell belästigenden Situation(en) wurde von 69 Prozent der Betroffenen nicht oder wenig wahrgenommen (Stufe 1–2); betroffene Männer gaben dies häufiger als betroffene Frauen an (76 Prozent vs. 67 Prozent). Mittelstarke Ohnmachtsgefühle (Stu-fe 3–4) wurden von 21 Prozent der Frauen und 15 Prozent der Männer genannt (gesamt: 19 Prozent), starke bis sehr starke Ohnmachtsgefühle (Stufe 5–6) gaben zwölf Prozent der Frauen und neun Prozent der Män-ner an (gesamt: elf Prozent) (s. Abbildung 20). Damit erlebten sich Frauen in den Situationen sexueller Be-lästigung am Arbeitsplatz erheblich häufiger als ohnmächtig und ausgeliefert. Dies ist auch in Zusammen-hang mit dem o. g. Befund zu sehen, dass Frauen häufiger als Männer sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in hierar chischen Beziehungen erfahren, in denen sie sich schwieriger wehren können (s. auch Kapitel 6 und 7).

Prozent

Männer (n = 33) Frauen (n = 107)

Gesamt (n = 140) Kategorien 5 und 6 (sehr stark)

Kategorien 3 und 4 Kategorien 1 (überhaupt nicht) und 2

(12) 8

9 (9)

22 19

79 71

73

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Wie stark „bedroht gefühlt“?

Abbildung 20: Ausmaß des Ohnmachtsgefühls im Kontext der einzigen oder schwerwiegendsten Handlung / Handlungsabfolge (gesamt und nach Geschlecht), Basis: Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Anmerkung: Zahlen in Klammern verweisen darauf, dass die Zellenbesetzung hier niedrig (0–5 Nennungen bzw. Fälle) und dadurch die Prozentangabe nicht aussagekräftig ist.

Auch in Bezug auf psychische Belastungen durch die Situationen zeigen sich allgemeine und geschlechts-spezifische Unterschiede. So geben Männer häufiger als Frauen an, sich durch die Situationen nicht oder wenig psychisch belastet gefühlt zu haben (73 Prozent vs. 59 Prozent; gesamt: 62 Prozent). Mittlere bis stär-kere psychische Belastungen (Stufe 3–4) wurden von 24 Prozent der betroffenen Frauen und von 18 Pro-zent der betroffenen Männer angegeben (gesamt: 24 Pro18 Pro-zent). Starke bis sehr starke Belastungen (Stufe 5–6) äußerten 17 Prozent der Frauen und neun Prozent der Männer. Frauen erleben demnach deutlich häufiger als Männer psychisch belastende Situationen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Möglicherweise trägt beides: die stärkere Abhängigkeitssituation in der Hierarchie und das damit zusammenhängende größere Ohnmachtsgefühl zu einer erhöhten psychischen Belastung der betroffenen Frauen bei (s. Abbil-dung 21).

Prozent

Männer (n = 33) Frauen (n = 107)

Gesamt (n = 140)

0 20 40 60 80

Kategorien 5 und 6 (sehr stark) Kategorien 3 und 4 Kategorien 1 (überhaupt nicht) und 2

(9) 12 11

15 21 19

76 67

69

10 30 50 70 90 100

Wie stark „ausgeliefert oder ohnmächtig gefühlt“?

80 Ergebnisse der quantitativen Befragung

Abbildung 21: Ausmaß der psychischen Belastung im Kontext der einzigen oder schwerwiegendsten Handlung / Handlungsabfolge (gesamt und nach Geschlecht), Basis: Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Anmerkung: Zahlen in Klammern verweisen darauf, dass die Zellenbesetzung hier niedrig (0–5 Nennungen bzw. Fälle) und dadurch die Prozentangabe nicht aussagekräftig ist.

Als weitere Belastung kommt das Gefühl von Erniedrigung und Abwertung infolge der Handlungen hinzu, von dem betroffene Frauen ebenfalls häufiger als betroffene Männer berichten. Rund 72 Prozent der Män-ner gegenüber 46 Prozent der Frauen fühlten sich durch die Handlungen nicht oder wenig erniedrigt bzw.

abgewertet (gesamt: 52 Prozent). Mittlere bis starke oder sehr starke Abwertungsgefühle (Stufen 3–6) be-schrieben anteilsmäßig fast doppelt so häufig betroffene Frauen wie betroffene Männer (54 Prozent der Frauen vs. 28 Prozent der Männer; gesamt: 48 Prozent) (s. Abbildung 22). Dies verweist entweder auf eine andere Sensibilität oder auf eine geschlechtsspezifisch differierende Bedeutung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und im Geschlechterverhältnis. Der Befund korrespondiert mit den Ergebnissen der qua-litativen Vertiefungsbefragungen (s. Kapitel 6) und auch der Literaturanalyse, wonach sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gegenüber Frauen stärker kontextuell eingebunden ist in Machtdemonstrationen und in höherem Maße darauf ausgerichtet ist, deren Position und Integrität im Beziehungsgefüge zu verletzen, insbesondere, wenn sie von männlichen Vorgesetzten, Untergebenen und Kollegen ausgeht.

Prozent

Männer (n = 33) Frauen (n = 107)

Gesamt (n = 140) Kategorien 5 und 6 (sehr stark)

Kategorien 3 und 4 Kategorien 1 (überhaupt nicht) und 2

(9) 17 17 18

24 24

73 59

62

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Wie stark „psychisch belastet gefühlt“?

Abbildung 22: Ausmaß des Gefühls der Erniedrigung / Abwertung im Kontext der einzigen oder schwerwiegendsten Handlung / Handlungsabfolge (gesamt und nach Geschlecht), Basis: Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Anmerkung: Zahlen in Klammern verweisen darauf, dass die Zellenbesetzung hier niedrig (0–5 Nennungen bzw. Fälle) und dadurch die Prozentangabe nicht aussagekräftig ist.

In Bezug auf Schamgefühle zeigten sich ebenfalls geschlechtsspezifische Unterschiede in Richtung eines tendenziell erhöhten Schamgefühls bei Frauen. Während 67 Prozent der Männer und 60 Prozent der Frau-en keine oder wFrau-enig Scham im Kontext der HandlungFrau-en empfandFrau-en (gesamt: 61  ProzFrau-ent), berichtetFrau-en 28 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer mittlere bis höhere Ausprägungen von Scham (Stufe 3–4, gesamt: 26 Prozent); hohe bis sehr hohe Ausprägungen (Stufe 5–6) wurden mit zwölf Prozent von Frauen und Männern etwa gleich häufig genannt (s. Abbildung 23).

Prozent

Männer (n = 32) Frauen (n = 107)

Gesamt (n = 139) Kategorien 5 und 6 (sehr stark)

Kategorien 3 und 4 Kategorien 1 (überhaupt nicht) und 2

(9) 18 16

19

36 32

72 46

52

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Wie stark „erniedrigt oder abgewertet gefühlt“?

82 Ergebnisse der quantitativen Befragung

Abbildung 23: Ausmaß des Gefühls von Scham im Kontext der einzigen oder schwerwiegendsten Handlung / Handlungsabfolge (gesamt und nach Geschlecht), Basis: Betroffene von sexueller Beläs tigung am Arbeitsplatz

Anmerkung: Zahlen in Klammern verweisen darauf, dass die Zellenbesetzung hier niedrig (0–5 Nennungen bzw. Fälle) und dadurch die Prozentangabe nicht aussagekräftig ist.

Die Auswertung verweist auf die große Bandbreite unterschiedlich schwerer und belastender Situa tionen mit unterschiedlichem Hilfe- und Unterstützungsbedarf, welche auch in den qualitativen Vertiefungsinter-views und in den Fokusgruppen mit Betroffenen anhand von Fallbeschreibungen plastisch wurde (s. Kapi-tel 6 und 7); dort wird auch sichtbar, dass besonders sexuelle Belästigungen in machtmissbräuchlichen und Abhängigkeitssituationen eine hohe Belastung für Betroffene darstellen und mit einem erheblichen Un-terstützungs- und Handlungsbedarf einhergehen.

In der Literatur war vielfach darauf hingewiesen worden, dass sich sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz auch auf die Gesundheit und die Arbeitsplatzzufriedenheit der Betroffenen auswirken könne und damit ebenso dem Unternehmen oder dem Betrieb direkt oder indirekt schade. Dies kann auch durch die vor-liegende Untersuchung bestätigt werden.

So hatten Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz eine deutlich geringere Arbeitsplatzzufrie-denheit und sie bewerteten auch die Beziehung zu ihrem_ihrer Vorgesetzten seltener positiv als nicht Betroffene. Darüber hinaus konnte, zwar nicht generell, aber für die ab 40-Jährigen mit Belästigungserfah-rungen am Arbeitsplatz eine signifikant schlechtere Bewertung des eigenen Gesundheitszustands festge-stellt werden. Dies legt nahe, dass die Prävention von und Intervention bei sexueller Belästigung am Ar-beitsplatz nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung von Arbeitgeber_innen ist, sondern auch in deren eigenem betrieblichen Interesse liegen muss.

Prozent

Männer (n = 33) Frauen (n = 107)

Gesamt (n = 140) Kategorien 5 und 6 (sehr stark)

Kategorien 3 und 4 Kategorien 1 (überhaupt nicht) und 2

(12) 12 12

21 28 26

67 60

61

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Wie stark „geschämt“?

5.8 Reaktionen auf sexuelle Belästigung am