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innen des Unterstützungssystems und in Betrieben

3. Ergebnisse der Literatur- Literatur-analyse

3.6 Maßnahmen und relevante Empfehlungen aus bisherigen Studien

In den meisten Studien werden abschließend Maßnahmen und Empfehlungen zur Prävention und Inter-vention bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz formuliert. Mehrere Studien sind zu dem Schluss ge-kommen, dass das allgemeine Arbeitsklima die wichtigste Rolle bei der Prävention von sexueller Belästigung spielt (Krings et al. 2013; Willness, Steel & Lee 2007; Sojo, Wood & Genat 2016; McLaughlin et al. 2017). Dabei sei nicht nur wichtig, wie sexualisiert das Arbeitsklima ist, sondern auch, wie mit Machtverhältnissen zwi-schen den Geschlechtern umgegangen wird (Willness, Steel & Lee 2007; Sojo, Wood & Genat 2016). Manche Studien stellen fest, dass jede Art von Sexismus, auch in gemäßigteren Formen, in den Organisationen be-kämpft werden sollte, um effektive Prävention zu gewährleisten (Sojo, Wood & Genat 2016). Studien, in denen die bereits existierenden Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz untersucht wur-den, kamen meist zu dem Ergebnis, dass Maßnahmen in den Unternehmen entweder gar nicht existieren oder nicht stringent umgesetzt werden (ADS 2014; Equality and Human Rights Commission 2018).

Mehrfach genannt wurde in den Publikationen, dass mehr Offenheit und Klarheit in den Unternehmen darüber hergestellt werden sollte, was sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist und wie das Unternehmen dazu steht. Das könne z. B. in Form von Betriebsvereinbarungen, Richtlinien zum Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz im Unternehmen oder Verhaltenskodizes erfolgen (Tricco et al. 2018; Austra-lian Human Rights Comission 2012; Haller 2017). Außerdem wird ein Angebot zur aktiven Unterstützung von Betroffenen durch das Unternehmen empfohlen, z. B. in Form von Beratungsangeboten oder Selbst-verteidigungskursen sowie durch klare Sanktionierungen für Täter_innen (Haller 2017).

Weiterführend sind vor allem ganzheitliche Interventions- und Präventionskonzepte, die primäre, sekundäre und tertiäre Prävention konkretisieren und implementieren (z. B. Hunt et al. 2010). Dabei werden  als primärpräventive Maßnahmen u. a. Richtlinien, Trainings, Zero-Toleranz-Strategien sowie ausformulierte Ziele des Unternehmens, die Diskriminierungen und Belästigungen verbieten, empfohlen und zusammengeführt mit sekundärer Prävention (Aufbau von Netzwerken von Berater_innen für Be-troffene, formelle Reaktionen auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, unterstützende psychologische

Maß nahmen) sowie tertiärer Intervention (Rehabilitationsmaßnahmen, Rechtsberatung und psychoso-ziale Beratung). Erforderlich sei ein Gesamtkonzept für den Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeits-platz in Unternehmen und Betrieben (Hunt et al. 2010).

Einige Studien kommen zu dem Schluss, dass die Führungskräfte und deren Handlungen eine entscheiden-de Rolle in entscheiden-der Prävention von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz einnehmen. Diese könnten ein Ar-beitsklima kreieren, bei dem sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht oder kaum auftritt, sie könnten Unterstützung für die Betroffenen anbieten und adäquat auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz reagie-ren (Ormerod et al. 2013; Krings et al. 2013). Wenn Führungskräfte bereit seien, die Prävention von sexuel-ler Belästigung am Arbeitsplatz und adäquate Sanktionen für die Täter_innen zu forcieren, würden die Ausmaße des Problems in den Unternehmen verringert, die Betroffenen fühlten sich geschützt und die allgemeine Arbeitssituation werde verbessert (Ormerod et al. 2013). Führungskräfte könnten zudem eine positive Wirkung auf die Reduktion von geschlechterbasierten, rassistischen / ethnischen sowie anderen Stereotypen erzielen und dadurch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und andere belästigende Hand-lungen wirkungsvoll reduzieren. Einige Studien schlagen vor, sogenannte „bystander intervention“- Trainings für Personen auf der mittleren und höheren Leitungsebene durchzuführen, damit sie auf sexuel-le Belästigung am Arbeitsplatz und Sexismus adäquat zu reagieren sexuel-lernen (Sojo, Wood & Genat 2016).

Insgesamt wird empfohlen, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz konzeptionell in einen breiteren Kontext zu stellen und gemeinsam mit anderen Themen wie Diversity, Respekt und Gesundheitsförderung zu be-handeln (Krings et al. 2013). Gamsjäger (2010) problematisiert, dass sexuelle Belästigung gegen Frauen

„vom sozialen zu einem individualisierten, legalen Problem und erneut zu einer Frage nach dem angemes-senen Verhalten von Einzelpersonen gemacht“ worden sei, wodurch „das strukturelle Machtgefälle zwischen Frauen und Männern“ negiert werde (ebd., S.  107). Für die Entwicklung von Handlungsstra-tegien  sei   ein Perspektivwechsel auf die Struktur von sexueller Belästigung und die dahinter liegenden (geschlechtsspezifischen) Machtunterschiede erforderlich (ebd., S. 117).

3.7 Fazit

Im Literaturüberblick wurden Studien aus unterschiedlichen Ländern präsentiert und verglichen. Viele Studien fokussieren sich entweder auf einen bestimmten Arbeitsbereich (wie z. B. Militär oder Medizin), sind nicht repräsentativ (z. B. Online-Umfragen) oder haben ein breiteres Thema als sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (z. B. Prävalenzstudien zu Gewalt gegen Frauen oder zu sexueller Belästigung im Allgemei-nen). Nur ein Teil der Studien beschäftigt sich fokussiert mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Die vorliegende Studie versucht, diese Lücke zu schließen, und eruiert durch eine Vielfalt von Methoden die aktuelle Situation von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in Deutschland. Über die Verknüpfung einer repräsentativen Umfrage der erwerbstätigen Bevölkerung mit zusätzlichen Vertiefungsinterviews und Fo-kusgruppen wird es möglich, ein umfassendes Bild über Vorkommen, Zusammenhänge und verbesserte Möglichkeiten der Prävention und Intervention zu erfassen, wobei sich die Befragung auf den Erfassungs-zeitraum der letzten drei Jahre bezieht, um möglichst stark die aktuelle Situation und ihre Veränderbarkeit zu untersuchen.

Die Studien der Literaturanalyse sind aufgrund von unterschiedlichen Methoden und Samples nicht di-rekt miteinander vergleichbar. Es lassen sicjaber aus ihnen einige ähnliche Tendenzen und Aussagen ab-leiten. So verweisen alle Studien auf ein hohes Ausmaß von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz: europa-weit war jede sechste Frau schon einmal von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen (Vergleichszahlen für Männer liegen nicht vor, s. FRA 2014). In Deutschland ist davon auszugehen, dass etwa 20 bis 25 Prozent der Frauen und sieben Prozent der Männer schon einmal sexuelle Belästigung am

40 Ergebnisse der Literatur analyse

Arbeitsplatz erlebt haben, wobei es Hinweise auf ein darunterliegendes erhebliches Dunkelfeld gibt (ADS 2015). In der Zusammenschau der unterschiedlichen nationalen und internationalen Studien zeigt sich, dass Frauen etwa drei- bis fünfmal häufiger als Männer am Arbeitsplatz sexuell belästigt wurden. Die be-lästigenden Personen sind, wie die Studien übereinstimmend aufzeigen, weit überwiegend (zu über 90 Pro-zent) männlichen Geschlechts.

In Bezug auf die Branchen und Täter-Opfer-Kontexte, in denen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz über-wiegend festgestellt wird, sind die Ergebnisse der nationalen und internationalen Studien nicht eindeutig.

In einigen Studien konnten sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz am häufigsten durch Kolleg_innen, gefolgt von Vorgesetzten und Kund_innen festgestellt werden; in anderen am häufigsten durch Vorgesetz-te und Kund_innen. Es finden sich vereinzelt Hinweise darauf, dass hier möglicherweise auch die Branchen eine Rolle spielen und z. B. in von stärkeren Hierarchien geprägten Arbeitsfeldern wie dem Militär häufiger sexuelle Belästigungen durch Vorgesetzte verübt werden, während in Branchen mit stärkerem Kund_

innenkontakt, wie im Dienstleistungssektor sowie im Kontext der Pflege- und Gesundheitsberufe, ver-gleichsweise häufiger auch sexuelle Belästigungen durch Kund_innen, Patient_innen und Klient_innen berichtet werden. Auch gibt es Hinweise darauf, dass kleinere Firmen mit unzureichender Unterstützungs-struktur häufiger von dem Problem betroffen sind.

Die Literaturanalyse verweist darauf, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sowohl Individuen als auch die Betriebe bzw. Unternehmen schädigt. Beschrieben wurden gesundheitliche Folgen, Leistungsein-schränkungen und berufliche Beeinträchtigungen, ein schlechteres Betriebsklima, Krankheitsausfälle, Kündigungen und eine verringerte Firmenbindung der Mitarbeiter_innen. Metaanalysen zeigen zudem auf, dass sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz vor allem für Frauen mit langfristigen negativen Folgen für deren Karrieren einhergehen.

Alle Studien, die sich mit Risiko- und Schutzfaktoren befasst haben, zeigen, dass organisationale Umwelt-bedingungen, insbesondere das Arbeitsklima, einen maßgeblichen Einfluss auf das Vorkommen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz haben. Ein respektvolles und nicht-sexualisiertes diskriminierungs-freies Arbeitsklima, das auch von Vorgesetzten vorgelebt und unterstützt wird, stellt demnach einen wirkungsvollen Schutz dar und scheint relevanter zu sein als formale Reglementierungen. Zentrale An-satzpunkte für Intervention und Prävention sind deshalb die strukturellen und betrieblichen Bedingun-gen, die Sexismus, Diskriminierung und Machtmissbrauch entgegenwirken, Aufklärung unterstützen, Unterstützung für Betroffene sowie eine klare Intervention durch Vorgesetzte vorsehen. Als besonders wirkungsvoll wird eine Gesamtstrategie bzw. ein die primäre, sekundäre und tertiäre Prävention umfas-sendes Konzept gesehen.

Zu beachten ist, dass Fälle von sexueller Belästigung von den Betroffenen zumeist nicht angezeigt und ge-meldet werden; der bisherigen Literatur nach ge-meldet nur etwa jede dritte bis fünfte belästigte Person die Vorfälle. Werden diese jedoch gemeldet, können sie zumeist auch beendet werden. Das verweist darauf, dass der Abbau der Schwellen, sich im Fall einer sexuellen Belästigung an Dritte zu wenden, für die Prä-vention und InterPrä-vention von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz von hoher Bedeutung ist.

4. Rechtslage und