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In den Gruppen wurden verschiedene Adressat_innen der Öffentlichkeitsarbeit angesprochen. Wichtig sei, die Öffentlichkeitsarbeit konkret an den jeweiligen Zielgruppen auszurichten.

„Man muss die Leute immer da abholen, wo sie sind. Und das ist manchmal GANZ, GANZ wo anders, wo man sich selbst eigentlich wiederfindet.“ (MM)

(Potenziell) Betroffene

(Potenziell) Betroffene sollten über öffentlichkeitswirksame Kampagnen Informationen über Beratungs- und Beschwerdemöglichkeiten und rechtliche Möglichkeiten bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz erhalten.

Das Thema solle enttabuisiert werden und Betroffene sind zu bestärken, ihre Rechte wahrzunehmen. Dazu müssten Ängste abgebaut, das Thema ernst genommen und Betroffene in der Wahrnehmung validiert werden; und sie sollten eingeladen werden, sich Unterstützung zu holen.

„Ich denke, es muss einfach ins Bewusstsein kommen, […] dass man sich belästigt fühlen DARF und dass man das nicht hinnehmen muss.“ (L)

„Ich glaube, das ist genau der Punkt, also die Stärkung unserer Rechte. Dass uns das auch bewusst ist, dass wir uns da sehr wohl auch schon bei einer Kleinigkeit beschweren dürfen und eben bei einer Kleinigkeit schon sagen dürfen: ‚Hör mal, bis hierhin und nicht weiter!‘ Das ist, glaube ich, genau der Punkt […] wo wir hinmüssen.“ (WM)

Als wichtig wird erachtet, dass diese Kampagnen im Sinne des Empowerment stärkend sind und nicht zu-sätzliche Schuldzuweisungen an Opfer (i. S. d. Victim Blaming) vermitteln.

(Potenzielle) Verursacher_innen

Über Kampagnen sollten auch (potenzielle) Verursacher_innen angesprochen werden. Das rechtliche Ver-bot und die Konsequenzen sollten klar benannt und auch Beispielfälle von den Medien aufgegriffen wer-den. (Potenziellen) Verursacher_innen sollte klar gemacht werden, welche karriereschädigenden Folgen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz für Betroffene haben kann.

Darüber hinaus sollten auch hier Möglichkeiten zur Unterstützung bekannt gemacht werden, damit Ver-ursacher_innen ihr Verhalten ändern könnten. Auch zu Täterschaft sollte eine breitere öffentliche Thema-tisierung und Diskussion angestoßen werden. Als wichtig wird aber erachtet, dass keine Polarisierung be-fördert, sondern das Thema sachlich bearbeitet werde.

Entscheidungsträger_innen in den Unternehmen

Gerade Führungskräfte und Entscheidungsträger_innen in den Unternehmen werden als zentrale Ziel-gruppe für die Öffentlichkeitsarbeit eingestuft. Aufgrund ihrer zentralen Rolle für das Betriebsklima und

178 Ergebnisse der Fokusgruppen

die Implementierung innerbetrieblicher Maßnahmen sind sie entscheidende Multiplikator_innen und müssten für das Thema gewonnen werden.

„Das muss von oben nach unten kommen und ich glaube, es ist sinnvoller, dann die Mittel gezielt dort einzusetzen, wo ich wirklich was bewegen kann. Und dann sind Sie im Prinzip an den Chefsesseln.“ (L) Die befragten Leitungspersonen wünschten sich Informationsmaterial und Handreichungen, wie im Unter-nehmen mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz umzugehen ist, wie das AGG umgesetzt werden kann und welche präventiven Maßnahmen ergriffen werden könnten. Das sei auch für kleinste Betriebe hilf-reich, in denen keine spezifischen Stellen bereitgestellt werden könnten.

Eine weitere Strategie könnte sein, das Thema des Umgangs mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz als Wettbewerbsthema für Unternehmen zu etablieren, auch im Wettbewerb um Fachkräfte und bei der Auf-tragsvergabe. Das könnte über Auszeichnungen, Zertifizierungen und anonyme Bewertungsportale gelin-gen.

Darüber hinaus wurde auch diskutiert, dass es wichtig sei, die Zielgruppe der Führungskräfte in die Pflicht zu nehmen, auch politisch Druck zu erzeugen und nicht nur auf die Eigenmotivation abzuzielen. Es sei nicht wichtig, alle Führungskräfte zu überzeugen, wichtig sei vor allem, dass diese die Maßnahmen um-setzten.

„Ich finde, die Frage ist ja auch, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, politischen Druck zu schaffen. (Zustim-mung) Also weil […] freiwillig wird nicht, und das MUSS auch / Ich finde das MUSS auch gar nicht. Ich sage auch immer den Führungskräften: Die müssen überhaupt nicht alle überzeugen. Es ist in IHRER Macht, das GANZ nach unten durchzudrücken, dass das hier nicht passiert. Es ist mir egal, ob das irgend-wie Überzeugungstäter / Täterinnen sind irgendirgend-wie, oder nicht. Sondern das ist eine MACHTfrage. Und sozusagen an diese Macht ranzukommen, fände ich eigentlich so wichtig.“ (E)

Gerade in den Unternehmen bestünden nach Einschätzung der Facheinrichtungen Vorbehalte, sich öffentlich gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu engagieren, aus Angst, das könne das Unterneh-men in einem negativen Bild erscheinen lassen. Hier sollte vermittelt werden, dass das Problem alle Be-triebe angehe.

„Aber wir haben ganz große Probleme, Unternehmen zu finden, die sich da bereit erklären würden, sozusagen auch in die Öffentlichkeit zu treten. Weil immer noch viel zu sehr der Makel darauf hängt: ‚Ach, ihr beschäftigt euch damit? Ihr scheint ja Probleme zu haben!’ Und da müssen wir sozusagen noch den Dreh bekommen: Ihr habt übrigens alle Probleme, es ist sehr gut, wenn ihr euch damit beschäftigt, weil dann tut ihr was dagegen.“ (E)

Politische Entscheidungsträger_innen

Damit politischer Druck erzeugt werden könne, sei es wichtig, politische Entscheidungsträger_innen auf den unterschiedlichen Ebenen für das Thema zu gewinnen und zu ermutigen, aktiv zu werden.

Die Gesamtgesellschaft

Aufgrund der breiten Diskussion um #MeToo sei das Thema gesellschaftlich präsent und aufgebrochen.

Dies sei ein guter Zeitpunkt für die weitere gesamtgesellschaftliche Öffentlichkeitsarbeit.

„Und das war natürlich auch gut, dass dieses, ja, Klima, diese Diskussion, die gerade herrscht, hilft, denke ich, schon einigen, den Schritt zu machen. Sich an uns zu wenden. Und ich denke auch, da müssen wir dann […] einsteigen und auch dann die Plakataktion nochmal machen.“ (G)

Wichtig sei, das Thema gesamtgesellschaftlich zu enttabuisieren und sichtbar zu machen.

„Und dadurch, wenn es mehr benannt wird, hoffe ich auch, dass es dann auch sozusagen die Tabuisierung verliert.“ (E)

Die Norm, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verboten ist, müsse klar kommuniziert werden und es müsse Sensibilität dafür geschaffen werden, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in sämtlichen Kon-stellationen vorkomme und auch Männer von sexueller Gewalt betroffen seien.

Über eine breite Öffentlichkeitsarbeit sollten auch Menschen, die Zeug_innen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz werden, ermutigt werden, einzugreifen und Position zu beziehen.

„Das wollte ich auch noch jetzt hier sagen, vielleicht auch so, dass diese Zivilcourage auch gestärkt wird.

Halt auch, ich finde das am schlimmsten, wenn das Umfeld wegguckt oder auch noch mitmacht. […] Also ich finde, es muss viel mehr Zivilcourage auch gestärkt werden.“ (B)

Es sei wichtig, dass mehr Klarheit über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Erscheinungsformen und Grenzen vermittelt werde, um auch Vorbehalte und Ängste vor falschen Verdächtigungen abzubauen. Ge-rade von den Führungskräften wurde dabei betont, dass es wichtig sei, die Öffentlichkeitsarbeit sachlich und nicht polarisierend aufzubauen, um nicht auf Widerstand zu stoßen.

„Aufklärung ist natürlich auch das A und O darüber. Und die muss aber sachlich sein. Und nicht irgend-wie so in den sozialen Medien, weil / breitgetreten, dass man dann, da ziemlich weit abweicht von der Sachlichkeit.“ (L)

„Am Anfang würde ich sagen, weniger rütteln. Also ich würde mir eine weniger hysterische Debatte wünschen, was das Ganze angeht.“ (L)

Das Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz wurde in den Fokusgruppen aber auch als Symptom von Misogynie (Frauenverachtung) thematisiert. Um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gesamtgesellschaft-lich anzugehen, sei es wichtig, die Relevanz und Aktualität gleichstellungspolitischer Themen aufzugreifen, für Sexismus zu sensibilisieren und durch die Arbeit an Machtverhältnissen auch die Wurzeln zu bekämp-fen. Das bedeute auch, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht als individuelles Problem der be-troffenen Personen betrachtet werden sollte, sondern als gesamtgesellschaftliches Problem ungleicher Machtverteilung und Diskriminierung im Geschlechterverhältnis. 

„Kann vielleicht sein, dass […] sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gar nicht eine Ursache ist, sondern ein Symptom? Ein Symptom von genereller gesellschaftlicher Ungleichheit? Weil […] die Gesellschaft ist halt durchdrungen von dieser Art von Ungleichheit, das Wort von einer Frau zählt nicht so viel. Männer nimmt man als kompetenter wahr, wenn sie die gleichen Kompetenzen haben wie eine Frau. Und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist halt auch ein Ausdruck von einem Machtwunsch.“ (B)

Zwischenfazit

Durch breite Öffentlichkeitsarbeit soll die Gesamtgesellschaft über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz informiert und für diese sensibilisiert werden. Das Thema müsse enttabuisiert und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als gesamtgesellschaftliches Problem verstanden und kommuniziert werden. In den Fo-kusgruppen wurden verschiedenste Methoden für eine abwechslungsreiche Öffentlichkeitsarbeit vorge-schlagen, die bewirken sollen, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz auch im Alltag thematisiert wird und die Ausgestaltung auf die jeweilige Zielgruppe angepasst werden kann. Neben allgemeiner Öffentlich-keitsarbeit sollen auch konkret (potenziell) Betroffene und verursachende Personen, soziale Umfelder

so-180 Ergebnisse der Fokusgruppen

wie Entscheidungsträger_innen in Unternehmen und Politik adressiert werden. Darüber hinaus wurden verschiedene Akteur_innen identifiziert, die zuständig sein könnten für eine intensivierte öffentlichkeits-wirksame Präventions- und Informationsarbeit und die sich in übergreifenden Bündnissen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz engagieren und vernetzten könnten. Dazu gehören u. a. Fachverbände und Fachberatungsstellen, Gewerkschaften und Arbeitgeber_innenverbände, die Bundesregierung, Bildungs-einrichtungen sowie Betroffene und zivilgesellschaftliche Akteur_innen. Übergreifendes Ziel sei es, sexuel-le Belästigung am Arbeitsplatz langfristig abzubauen und zu verhindern und hierfür Handlungsmöglich-keiten aufzuzeigen. Anstatt das Thema zu individualisieren, sollten dabei auch gesellschaftliche Hintergründe und Wurzeln des Problems wie Machtverteilungen und soziale Ungleichheiten im Ge-schlechterverhältnis und der generell noch immer verbreitete Sexismus in Gesellschaft und Institutionen reflektiert werden.

7.6 Fazit

Aus den Inhalten der Fokusgruppendiskussionen konnten wertvolle Hinweise für die weitere Bekämp-fung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz auf unterschiedlichen Ebenen gewonnen werden. Es wur-den zahlreiche Maßnahmen, Anregungen und Empfehlungen benannt, aber auch Akteur_innen und Zielgruppen für die Unterstützung und Beratung sowie für Präventionsmaßnahmen und die Öffentlich-keitsarbeit. Die unterschiedlichen Maßnahmen werden im letzten Teil dieses Forschungsberichtes, ge-meinsam mit den Maßnahmen, die sich aus den anderen Untersuchungsteilen direkt oder indirekt ablei-ten lassen, zusammengeführt. Bereits hier zeichnet sich ab, dass es sinnvoll sein könnte, auf der Ebene der Politik einen umfassenden Aktionsplan zur Bekämpfung und Verhinderung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu entwickeln und in den nächsten Jahren gemeinsam mit unterschiedlichen Akteur_innen umzusetzen. Dadurch erhielten die Aktivitäten auch gesamtgesellschaftlich eine größere Aufmerksamkeit und ein höheres politisches Gewicht, was zentral wichtig für die langfristige Veränderung des Problems sein könnte.

8. Sexuelle Belästigung am

Arbeitsplatz in Werkstätten